Sozialgericht Aurich
Urt. v. 24.10.2002, Az.: S 8 KR 65/02
Bibliographie
- Gericht
- SG Aurich
- Datum
- 24.10.2002
- Aktenzeichen
- S 8 KR 65/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 35553
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGAURIC:2002:1024.S8KR65.02.0A
In dem Rechtsstreit
Klägerin,
gegen
Krankenkasse,
Beklagte,
hat das Sozialgericht Aurich - 8 Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 24 Oktober 2002 durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für eine photodynamische Therapie (PDT) streitig.
Die 1922 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an einer altersbezogenen Makuladegeneration beidseits. Am linken Auge ist die Sehschärfe durch diese Erkrankung bereits verloren. Am rechten Auge ist eine vormals trockene Makuladegeneration in eine feuchte Form mit okkulter chorioidaler Neovaskularisationsmembran übergegangen.
Am 10.12.2001 wurde in der augenärztlichen Abteilung der ... Klinik GmbH in Westerstede eine PDT am rechten Auge durchgeführt. Bei der PDT wird ein lichtempfindlicher Farbstoff z. B. über eine Armvene in die Blutgefäße verabreicht. Dieser Farbstoff erreicht nach einer gewissen Zeit auch die krankhaften Gefäße, die bei der feuchten Form der altersabhängigen Makuladegeneration von der Aderhaut des Auges bis unter die Netzhaut gewachsen sind. Bei erweiteter Pupille wird sodann mittels eines milden Lasers Licht auf die erkrankte Netzhaut gerichtet, das zu einer Anregung des lichtempfindlichen Farbstoffs in den Gefäßen führt. Durch diese Lichtaktivierung wird ein biochemischer Prozess ausgelöst, der letztlich zu einer Schädigung der Gefäßwand und zu einem Verschluss; der wuchernden Gefäße führt.
Für die PDT stellte die ...-Klinik GmbH der Klägerin als "wahlärztliche Leistungen" einen Betrag in Höhe von insgesamt 2 4465,83 DM (2 187,27 DM für die PDT sowie 259,56 DM für eine Angiographie) privat in Rechnung. Ferner entstanden der Klägerin Kosten für das Arzneimittel Visudyne in Höhe von 3 329,03 DM.
Den Antrag der Klägerin auf Erstattung dieser Kosten sowie der ihr entstandenen Fahrtkosten lehnte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.01.2002 ab, da die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht erfüllt seien. Nach einem Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sei die PDT nur bei Vorliegen ganz bestimmter Indikationen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnungsfähig. Im Fall der Klägerin liege eine komplett okkulte Neovaskularisationsmembran vor. Für diese Veränderung sei die PDT nicht zugelassen.
Dieser Entscheidung lag ein nach Aktenlage erstattetes Gutachten des Augenarztes Dr. K. (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung - MDK -) vom 12.12.2001 zugrunde. Dann heißt es, im Falle der Klägerin habe die Fluoreszenzangiographie ergeben, dass es sich um eine komplett okkulte Neovaskularisationsnembran handele. Diese Veränderung gehöre nicht zu den Krankheiten, für die die PDT zugelassen sei. Sicherlich sei in dem einen oder anderen Fall auch bei der komplett okkulten Neovaskularisationsmembran eine Besserung beschrieben worden, die Chancen seien insoweit allerdings relativ gering.
Gegen den Bescheid vom 11.01.2002 erhob die Klägerin Widerspruch, der von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2002 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Hiergegen richtet sich die am 12.08.2002 erhobene Klage. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die PDT zu den anerkannten Behandlungsmethoden gehöre.
Von ihren behandelnden Augenärzten sei bestätigt worden! dass bei ihr eine feuchte altersbedingte Makuladegeneration vorliege. Damit seien die Voraussetzungen für die Kostenübernahme gegeben. Durch die vorgenommene Behandlung sei eine 15%ige Restsehschärfe am rechten Auge erhalten und eine völlige Erblindung vermieden worden. Sie sei nicht in der Lage, die Kosten für eine evtl. erforderliche Wiederholung der Therapie aufzubringen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid vom 11.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2002 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die PDT in Höhe der kassenüblichen Sätze zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Prozessakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist rechtlich nicht verpflichtet, der Klägerin die Kosten für die PDT ganz oder teilweise zu erstatten.
Die gesetzlich Krankenversicherten erhalten die Leistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (sog. Sachleistungsprinzip, § 2 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V). Nach § 13 Abs. 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es gesetzlich vorgesehen ist Einem Versicherten steht danach grundsätzlich keine Kostenerstattung zu, wenn er einen Arzt oder einen anderen Heilbehandler außerhalb der vertragsärztlichen Verpflichtungen m Anspruch nimmt, denn eine Möglichkeit der Privatbehandlung auf eigene Kosten mit nachfolgender Kostenerstattung ist dem System der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung fremd (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 11.10.1994, 1 RK 26/92).
Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten für eine vom Versicherten selbstbeschaffte, notwendige Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alternative) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alternative) und dem Versicherten dadurch Kosten entstanden sind.
Da Kostenerstattung ausweislich § 13 Abs. 1 SGB V nur "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" erfolgt, dürfen Kosten nur für Leistungen vergütet werden, die auch als Sachleistung erbracht werden können. Die PDT gehört indes bei der im Falle der Klägerin vorliegenden Erscheinungsform der altersbezogenen Makuladegeneration nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten Leistungen. Zwar zählt die PDT nach dem Beschluss des Bundesausschusses der Arzte und Krankenkassen vom 16.10.2000 zu den anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, allerdings nur bei altersabhängiger feuchter Makuladegeneration mit subfoveolärer klassischer chorioidaler Neovaskularisation. Diese relativ seltene Form der feuchten Makuladegeneration liegt vor, wenn es sich bei den neu gebildeten Gefäßen um eine größtenteils klassische, also in der Gefäßdarstellung gut abgrenzbare Gefäßneubildung handelt, die unmittelbar unter der Netzhautmitte gelegen ist (subfoveal). Im Falle der Klägerin hat die Fluoreszenzangiographie ausweislich des Berichts der ... Klinik vom 13.12.2000 allerdings ergeben, dass es sich um eine komplett okkulte Neovaskularisationsmembran handelt. Für diese Verlaufsform der feuchten Makuladegeneration liegt eine Anerkennung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bisher nicht vor. Damit ist entgegen der Auffassung der Klägerin die Kostenübernahme seitens der Beklagten nicht deswegen abgelehnt worden, weil diese unzutreffend von einer trockenen Verlaufsform der Makuladegeneration ausgegangen ist. Vielmehr scheitert die Kostenübernahme daran, dass es sich um den okkulten Typ der Gefäßeinsprossung bei feuchter altersabhängiger Makuladegeneration handelt. Wie sich aus dem von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten sowie dem beigezogenen Aufsatz des Dr. P. (veröffentlicht im Internet unter http://www.pro-retina.de) ergibt, ist gegenwärtig noch nicht endgültig geklärt, ob auch bei Patienten mit Gefäßeinsprossungen vom okkulten Typ eine Stabilisierung durch die PDT erreicht werden kann. Es ist damit auch im Falle der Klägerin keineswegs sicher, ob der Erhalt der Restsehschärfe tatsächlich auf die durchgeführte PDT zurückzuführen ist.
Solange für die hier vorliegende Verlaufsform der altersbezogenen Makuladegeneration eine Anerkennung der PDT durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht vorliegt, ist diese insoweit nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Das ergibt sich aus § 135 Abs. 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift dürfen neue Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss eine Empfehlung über die Anerkennung des therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Bei den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) um untergesetzliche Rechtsnormen, die auch für die Versicherten verbindlich festlegen, welche Leistungen Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind (BSGE 78, 70).
Die Beklagte ist auch nicht rechtlich verpflichtet, sich an den entstandenen Kosten für die PDT anteilig zu beteiligen, etwa in Höhe der "kassenüblichen Satze". Eine solche teilweise Kostenerstattung ist nach § 13 Abs. 1 SGB V, der eine Kostenerstattung nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen gestattet, ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz.