Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.08.2005, Az.: 2 LA 383/05
Beiordnung eines Notanwaltes im Berufungszulassungsverfahren; Nachweis über eine vergebliche Suche nach einer angemessenen Anzahl in Betracht kommender Rechtsanwälte zurÜbernahme eines Mandats; Verfahren um die Erhebung von Studiengebühren für Langzeitstudierende
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.08.2005
- Aktenzeichen
- 2 LA 383/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 35854
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2005:0822.2LA383.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 06.06.2005 - AZ: 1 A 134/03
Rechtsgrundlagen
- 124a Abs. 4 S. 1 VwGO
- § 173 Satz 1 VwGO
- § 78b ZPO
- § 13 NHG
Fundstellen
- BRAK-Mitt 2005, 287 (amtl. Leitsatz)
- NJW 2005, 3303-3304 (Volltext mit red./amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zu den Voraussetzungen, unter denen im Berufungszulassungsverfahren nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78 b ZPO ein Notanwalt beigeordnet werden kann.
Gründe
1.
Der Antrag der Klägerin vom 14. Juli 2004, ihr für den am selben Tag gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts eine zur Vertretung in dem Zulassungsverfahren bereite Rechtsanwältin/einen bereiten Rechtsanwalt (Notanwalt) beizuordnen, ist abzulehnen. Denn die Voraussetzungen, unter denen der Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78 b Abs. 1 ZPO der Klägerin für das Berufungszulassungsverfahren einen Notanwalt beiordnen könnte, liegen nicht vor.
Nach § 78 b Abs. 1 ZPO kommt eine Beiordnung eines Notanwalts in einem Verfahren, in dem wie hier für das Berufungszulassungsverfahren Anwaltszwang herrscht (s. § 67 Abs. 1 VwGO), eine Beiordnung nur dann in Betracht, wenn der Rechtssuchende nachgewiesen hat, dass es ihm trotz zumutbarer Anstrengungen nicht möglich gewesen ist, eine zur Vertretung bereite Rechtsanwältin/einen bereiten Rechtsanwalt zu finden (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 9.11.1998 - 1 S 2376/98 -, NVwZ-RR 1999, 280; OVG NW, Beschl. v. 5.6.2003 - 9 A 2240/03 -, NJW 2003, 2624; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 24. Aufl. 2004, RdNr. 4 zu § 78 b), und wenn zusätzlich die beabsichtigte Rechtsverfolgung - hier die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts - nicht aussichtslos erscheint.
Hier kommt die von der Klägerin gewünschte Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten für das Zulassungsverfahren nicht in Betracht, weil die Klägerin schon den erforderlichen Nachweis (s. dazu Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl. 2004, RdNr. 4 zu § 78 b m. w. Nachw.) dafür schuldig geblieben ist, sie habe bis zum Ablauf der hier am 14. Juli 2005 abgelaufenen Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO - das angefochtene Urteil ist der Klägerin am 14. Juni 2005 zugestellt worden - eine angemessene Anzahl in Betracht kommender Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht. Allerdings hat die Klägerin in ihrem innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 13. Juli 2005 dargelegt, sich bei vier Rechtsanwälten in Lüneburg, dem Sitz des Berufungsgerichts, und zwei weiteren Rechtsanwälten in Frankfurt am Main bzw. in Saarbrücken vergeblich um die Übernahme des Mandats in dieser Zulassungssache bemüht zu haben. (Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 7. August 2005 ausgeführt hat, sich auch noch bei mehreren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Bonn, Köln und Hamburg um die Mandatsübernahme bemüht zu haben, ist dies für die hier anzustellende Betrachtung schon deshalb unerheblich, weil die Klägerin für einen fristgerecht, d.h. innerhalb der Monatsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO, durch eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt zu stellenden Zulassungsantrag den Nachweis zu erbringen hatte, sich bis zum Ablauf des 14. Juli 2005 bei einer angemessenen Anzahl in Betracht kommender Prozessbevollmächtigter um die Übernahme des Mandats bemüht zu haben.) Diese bis zum 14. Juli 2005 erfolgten Bemühungen können aber nicht als ausreichend für eine Notanwaltbestellung nach § 78 b ZPO angesehen werden. Auch wenn die Anforderungen an den rechtsuchenden Beteiligten im Rahmen des § 78 b ZPO nicht überspannt werden dürfen (VGH Bad.-Württ., a.a.O.; Hartmann, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 28.7.1999 - BVerwG 9 B 333.99 -, Buchholz, 303 § 78 b ZPO Nr. 3), also etwa nicht verlangt werden kann, dass sich der Beteiligte bei allen am Sitz des Berufungsgerichts tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten um die Übernahme des Mandats (vergeblich) bemüht hat, sind allein in Lüneburg, dem Sitz des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, wesentlich mehr als die von der Klägerin um Mandatsübernahme konkret ersuchten vier Rechtsanwälte auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts tätig, die von der Klägerin um die Mandatsübernahme hätten gebeten werden können, tatsächlich aber nicht gebeten worden sind. So vertreten beispielsweise - um ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur einige die in Lüneburg ansässigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu nennen, die das hier interessierende Mandat hätten übernehmen können - die Rechtsanwälte Dr. B., C., D., E. und F., Rechtssuchende in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten vor dem Oberverwaltungsgericht, wobei darauf hinzuweisen ist, dass für die Übernahme eines Mandats im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht als geeignete Rechtsanwältinnen/als geeignete Rechtsanwälte auch solche Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte in Betracht kommen, die nicht aus der Gruppe der die Bezeichnung eines Fachanwalts für Verwaltungsrecht führenden Anwälte stammen (OVG NRW, a.a.O.). Dass die Klägerin auch nur die soeben Genannten um die Übernahme des Mandats in dieser Zulassungssache - vergeblich - ersucht hat, hat sie aber nicht dargelegt, geschweige denn nachgewiesen, auch hatte die Klägerin bis zum Ablauf des 14. Juli 2005 keine(n) der zahlreichen in Hamburg tätigen Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte um eine Mandatsübernahme gebeten, obwohl es ihr zumutbar gewesen wäre, ggf. eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt aus der nicht einmal 100 km von ihrem Wohnort und nur rd. 70 km vom Gerichtssitz entfernt liegenden, mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichenden Großstadt Hamburg mit der Übernahme des Mandats zu betrauen.
Hiervon abgesehen - dies stellt eine selbständig tragende Erwägung dieses Beschlusses dar - scheidet die Beiordnung eines Notanwalts hier auch deshalb aus, weil die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung, die Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts, nach der von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15. August 2005 vorgenommenen Begründung des Zulassungsantrages selbst dann als aussichtslos angesehen werden muss, wenn man zu Gunsten der Klägerin nur eine laienhafte Darstellung eines Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 VwGO verlangen wollte (so Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl. 2005, RdNr. 69 zu § 124 a),. Soweit die Klägerin geltend macht, die Berufung gegen das angefochtene Urteil sei wegen ernstlicher Zweifel an seiner Richtigkeit (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, und hierzu meint, für das Vorliegen einer sonstigen unbilligen Härte i. S. des § 14 Abs. 2 Satz 1 NHG, die einen Erlass der Studiengebühr für das Sommersemester 2003 rechtfertige, müsse es auch ausreichen, dass der Studierende, wie dies bei ihr der Fall gewesen sei, vor dem gebührenpflichtigen Semester an einem ordnungsgemäßen Studium gehindert worden sei, so sind damit ernstliche Zweifel - auch unter Berücksichtigung eines abgesenkten Maßstabs eines laienhaften Vortrages - i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargetan. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil nämlich darauf hingewiesen, dass die Klägerin ihr Studium in dem gebührenpflichtigen Sommersemester 2003 aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 23. Januar 2003 zumindest vorläufig fortsetzen konnte. Damit sind der Klägerin, auch wenn sich das Schreiben vom 23. Januar 2003 nur auf die Zulassung zu den von der Klägerin angemeldeten Klausuren des Hauptstudiums bezogen hat, im Sommersemester 2003 - wegen Aufbrauchs des Studienguthabens nach § 13 NHG gebührenpflichtige - Leistungen durch die Hochschule erbracht worden; schon von daher kann von einer unbilligen Härte, die in dem Einzelfall der Klägerin zu einer ungerechten Härte geführt hat, nicht gesprochen werden, zumal die auch erfolgte Exmatrikulation der Klägerin nicht rückwirkend, sondern erst zum Januar 2005 Wirkungen erzeugen konnte. Soweit die Klägerin behauptet, es sei durch das Verhalten der Hochschule auch im Sommersemester 2003 bei ihrem Studium zu Verzögerungen gekommen, die das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht aufgeklärt habe, ist dieses Vorbringen so konturlos, dass damit ein zur Zulassung führender Verfahrensfehler i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht dargetan ist. Diese Erwägungen gelten auch für den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, auch insoweit kann dem Vorbringen der Klägerin nicht einmal andeutungsweise entnommen werden, ihre Rechtssache hebe sich in Bezug auf rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten signifikant über den Schwierigkeitsgrad von Verfahren um die Erhebung von Studiengebühren für Langzeitstudierende ab.
2.
Der von der Klägerin selbst mit Schriftsatz vom 15. Juli 2005 gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Er ist nämlich gem. § 67 Abs. 1 Satz 1, 2. Altn. VwGO als unzulässig zu verwerfen; denn die Klägerin ist vor dem Oberverwaltungsgericht nicht durch eine nach § 67 Abs. 1 VwGO postulationsfähige Person vertreten, sondern hat den Berufungszulassungsantrag selbst gestellt, obwohl die dem angefochtenen Urteil beigegebene Rechtsmittelbelehrung zutreffend auf das Erfordernis einer Vertretung im Berufungszulassungsverfahren hinweist.
Von dem Erfordernis des Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 1 VwGO kann hier auch nicht etwa deshalb abgesehen werden, weil die Klägerin im Schriftsatz vom 15. Juli 2003 auch einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78 b ZPO sowie auf Fristverlängerung - für die Begründungsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO - gestellt hatte. Denn wie zum dem Antrag nach § 78 b ZPO bereits ausgeführt worden ist (s. Tz. 1.), kommt die Beiordnung eines Notanwalts für die Klägerin nicht in Betracht, auch hat der Gesetzgeber die Verlängerung der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht vorgesehen. Ist aber innerhalb der hier am 15. Juli 2005 abgelaufenen Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO ein ordnungsgemäßer, durch eine postulationsfähige Person erfolgter Zulassungsantrag nicht gestellt worden, so ist der Zulassungsantrag gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung für den Antrag auf Zulassung der Berufung - einer zusätzlichen Kostenentscheidung für das Antragsverfahren nach § 78 b ZPO bedarf es nicht (vgl. Vollkommer, a.a.O., RdNr. 8) - beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 71 Abs. 1 Satz 1 und 2, 72 Nr. 1, 52 Abs. 3 GKG n.F. .
Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO nicht anfechtbar.