Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.11.2011, Az.: 11 K 361/10

Network-Marketing-Unternehmen als Liebhaberei-Unternehmen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.11.2011
Aktenzeichen
11 K 361/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 30796
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2011:1103.11K361.10.0A

Fundstellen

  • AO-StB 2012, 80
  • EFG 2012, 837-839
  • StBW 2012, 7

Einkommensteuer 2007 - 2009

Network-Marketing-Unternehmen kann ein Liebhaberei-unternehmen sein.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die angefochtenen Steuerbescheide nichtig sind und sollte dies zu verneinen sein, ist weiter streitig, ob sodann die geltend gemachten Verluste aus der selbständigen Tätigkeit anzuerkennen sind.

2

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2007 bis 2009 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einer Vollzeitbeschäftigung. Zudem eröffnete er zum 1. Januar 2007 eine "Handelsvertretung für den Bereich Wellness, Haushalt und Bekleidung". Es handelte sich um ein sog. Network-Marketing-Geschäft (auch Multi-Level-Marketing - MLM - genannt). Im Rahmen der Veranlagungen in den Streitjahren erklärte er folgende Einkünfte bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb aus der "Handelsvertretung":

JahrBetriebseinnahmen (inkl. USt) (EUR)Fahrt-kosten (EUR)Bewirtungs-u. Repräsentationsaufwendungen (EUR)Werbe-kosten (EUR)Sonstige Betriebsausgaben (EUR)Betriebsausgaben insgesamt (EUR)Verlust (EUR)
20071514335877242930917650./. 6.136
2008719526817513927819839./. 9.120
200939139705532022546797./. 6.406
3

Die Verluste erkannte der Beklagte dem Grunde nach zunächst bei den Einkommensteuerveranlagungen 2007 und 2008 vorläufig an. Der Höhe nach erfolgte eine Änderung bei den Verlusten 2007 (anerkannt wurden ./. 6.096 EUR). Die Vorläufigkeit erfolgte wegen der Frage der abschließenden Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht (Liebhaberei). Nach Rückfrage und Antwort durch den Kläger änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 mit Bescheiden vom 18. Mai 2010 ab, indem die Verluste endgültig nicht mehr anerkannt wurden, da der Beklagte die Gewinnerzielungsabsicht verneinte. Auch der Verlust aus der "Handelsvertretung" des Jahres 2009 erkannte der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom 18. Mai 2010 nicht an.

4

Gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009 legte der Kläger Einspruch ein, der mit Einspruchsbescheid vom 20. Juli 2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob der Kläger Klage.

5

Der Kläger trägt vor, dass die Bescheide wegen des Verstoßes des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie der Abgabenordnung (AO) gegen das Grundgesetz (GG) nichtig seien. Im Einzelnen führt er dazu die Artikel 19 Abs.1 Satz 2, 14 Abs. 1, Art. 20, 6 und 12 GG zur Begründung an. Überdies sei das Niedersächsische Finanzgericht nicht zuständig. Es handele sich um einen öffentlich-rechtlichen Streit verfassungsrechtlicher Art, für den das Finanzgericht nicht zuständig sei. Hinsichtlich der Nichtanerkennung der geltend gemachten Verluste aus der "Handelsvertretung" sei der Bezug auf die BFH-Rechtsprechung nicht zulässig. Die vom BFH entschiedenen Fälle seien entweder anders gelagert oder der BFH verkenne die steuerliche Definition des Gewinns. Der Kläger habe bereits nach drei Jahren sein Gewerbe eingestellt. Der Bezug auf den Charakter der Handelsvertretung als eine Nebenerwerbsquelle sei kein Argument, das gegen die Gewinnerzielungsabsicht spreche.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009 vom 18. Mai 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2010 festzustellen.

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hilfsweise,

die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009 vom 18. Mai 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2010 zu ändern und die Verluste aus der Tätigkeit als Handelsvertreter zu berücksichtigen.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte trägt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vor, dass eine Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Normen des EStG und der AO nicht festzustellen seien. Die angefochtenen Bescheide seien nicht nichtig. Auch sei die Nichtanerkennung der Verluste aus der Tätigkeit als Handelsvertreter nicht zu beanstanden. Insbesondere sei durch den Umfang der Tätigkeit (täglich max. zwei Stunden) als Nebenerwerbstätigkeit nach der Wesensart und der Betriebsführung ein Gewinn von vornherein nicht zu erzielen gewesen. Eine Gewerbeabmeldung sei bei der Gemeinde H. bis dato noch nicht erfolgt.

Entscheidungsgründe

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I.

Die Nichtigkeitsfeststellungsklage hat keinen Erfolg.

11

Zwar ist die Klage zulässig; jedoch sind die streitigen Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009 vom 18. Mai 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2010 nicht nichtig.

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1. Nach § 41 Abs.1 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO fehlt es an einem berechtigten Feststellungsinteresse, wenn der Kläger sein Recht durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt jedoch nach § 41 Abs. 2 Satz 2 FGO dann nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt wird. Dies ist im Streitfall gegeben. Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit der oben genannten Steuerbescheide.

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2. Diese Bescheide sind aber nicht nichtig. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs.1 AO). Welche Fehler im Einzelnen als so schwerwiegend anzusehen sind, dass sie die Nichtigkeit des Verwaltungsakts zur Folge haben können, lässt sich nur von Fall zu Fall entscheiden (vgl. z.B. BFH-Urt. v. 27. April 1978 IV R 187/74, BStBl II 1979, 89). Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts wird von der Rechtsprechung als Ausnahme von dem Grundsatz angesehen, dass ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt (BVerwG-Urt. v. 11. Februar 1966 VII CB 149.64, BVerwGE 23, 237, 238).

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In Anlehnung an diese Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass ein Verwaltungsakt nicht schon allein deshalb nichtig ist, weil er der gesetzlichen Grundlage entbehrt oder weil die in Frage kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind (BFH-Beschl. v.1. Oktober 1981 IV B 13/81, BStBl. II 1982, 133, 135; BVerwG-Urt. v. 7. Oktober 1964 VI C 59-64.63, BVerwGE 19, 284, 287). Ein Verwaltungsakt verdient nur dann keine Beachtung - und ist deshalb als nichtig anzusehen - wenn er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maß verletzt, dass von niemand erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen.

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Die streitigen Einkommensteuerbescheide sind nach diesen Grundsätzen nicht nichtig. Der Vortrag des Klägers, dies ergebe sich daraus, dass sie auf Gesetzesgrundlagen (hier AO und EStG) beruhen, die ihrerseits gegen das GG verstoßen würden, reicht nicht aus (vgl. Niedersächsisches FG-Urt. v. 19. Dezember 2007 5 K 377/07, DStRE 2008, 897).

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II.

Die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage ist zulässig

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Im Streitfall ist entgegen der Ansicht des Klägers der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnet, weil eine Abgabenangelegenheit i.S.v. § 33 Abs. 2 FGO vorliegt. Danach ist eine Abgabenangelegenheit dann gegeben, wenn es sich um mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten handelt. Im Streitfall handelt es sich um Abgabenangelegenheiten im Sinne der vorgenannten Vorschriften. Es geht um die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden. Es liegt auch kein Rechtsstreit verfassungsrechtlicher Art vor, für die der Finanzrechtsweg ausgeschlossen wäre (s. Art. 93 GG; Koch in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 33 Rz. 1; Seer in Tipke/Kruse, AO FGO (Loseblatt), § 33 FGO Rz. 3). Zu verfassungsrechtlichen Streitigkeiten rechnen nur Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen und Teilen von solchen um die ihnen in dieser Eigenschaft zukommenden Rechte, Pflichten und Kompetenzen, nicht hingegen wie im Streitfall Streitigkeiten zwischen Bürger und Staat, selbst wenn ein Verfassungsorgan daran beteiligt wäre oder die Klage auf eine verfassungsrechtliche Norm gestützt würde (BVerwG-Urt. v. 28. Oktober 1970 VI C 55.68, BVerwGE 36, 218/228; v. 28. November 1975 VII C 53.73, DÖV 1976, 315; Urt. v. 2. Juli 1976 VII C 71.75, BVerwGE 51, 69/71). Verfassungsrechtliche Vorfragen, die für den Abgabenstreit entscheidungserheblich sind, müssen jedoch die Finanzgerichte beachten und ggf. nach Art. 100 GG und § 80 Bundesverfassungsgerichtsgesetz dem BVerfG vorlegen (s. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O. § 33 Rz. 10).

18

III.

die Anfechtungsklage ist aber unbegründet.

19

Die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009 vom 18. Mai 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2010 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine Verletzung des GG lässt sich nicht feststellen. Die geltend gemachten Verluste aus der "Handelsvertretung" können auch von Anfang an nicht steuerlich berücksichtigt werden.

20

1. Eine Verletzung des GG durch die einschlägigen Vorschriften des EStG und der AO sind nicht festzustellen. Insoweit wird gem. § 105 Abs. 5 FGO auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten Bezug genommen.

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2. Die geltend gemachten Verluste aus der Handelsvertretung können wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG berücksichtigt werden.

22

a) Ein Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 EStG die selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr darstellt und über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Gewinnerzielungsabsicht ist dabei das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Form eines Totalgewinns (BFH-Beschl. v. 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751). Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH sind Zahlungen und sonstige Vermögensveränderungen dann nicht der Einkunftserzielung zuzuordnen, wenn sie im Zusammenhang mit Leistungen stehen, die sich als steuerlich unbeachtliche "Liebhaberei" darstellen. Eine solche liegt vor, wenn die betreffenden Leistungen nicht von dem Streben nach Gewinnerzielung getragen sind, sondern aus persönlichen Motiven erfolgen (BFH-Beschl. v. 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 766 f.; BFH-Urt. v. 22. April 1998 XI R 10/97, BStBl II 1998, 663; Urt. v. 31. Mai 2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382; Urt. v. 7. November 2001 I R 14/01, BStBl. II 2002, 861). Eine Zahlung, die auf einer solchen Leistung beruht, unterliegt deshalb bei dem Empfänger nicht der Einkommensteuer.

23

Bei der Frage nach dem Vorliegen einer "Liebhaberei" ist grundsätzlich auf die zu beurteilende Tätigkeit in ihrer Gesamtheit abzustellen. Eine zur Steuerpflicht führende Einkunftserzielungsabsicht liegt nicht schon dann vor, wenn aus einzelnen Geschäften oder Tätigkeitsbereichen ein Gewinn oder Überschuss erstrebt oder erzielt wird. Erforderlich ist vielmehr, dass das Unternehmen mit dem Ziel geführt wird, während der Dauer seines Bestehens alles in allem einen Gewinn bzw. Überschuss (Totalgewinn/Totalüberschuss) zu erzielen (BFH-Beschl. v.28. März 2000 X B 82/99, BFH/NV 2000, 1186, m.w.N.; Urt. v. 7. November 2001 I R 14/01, BStBl. II 2002, 861).

24

Bei der Gewinnerzielungsabsicht handelt es um eine innere Tatsache, die - wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge - nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann (BFH-Urt. v. 23. Mai 2007 X R 33/04, BStBl. II 2007, 874, 876). Auf das Fehlen oder Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht muss aus objektiven Umständen geschlossen werden (vgl. BFH-Urt. v. 19. November 1985 VIII R 4/83, BStBl II 1986, 289). Es gelten dabei die allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast. Mithin trägt der Steuergläubiger, vertreten durch das Finanzamt, die Beweislast (Feststellungslast) für diejenigen Tatsachen, die die Steuerschuld begründen, z.B. die Einnahmen. Dagegen trägt der Steuerpflichtige die Beweislast für diejenigen Tatsachen, die die Steuerschuld aufheben oder mindern (BFH-Urt. v. 23. Mai 1989 X R 17/85, BStBl. II 1989, 879, 881). Berufen sich Steuerpflichtige zur Begründung der von ihnen behaupteten Rechtswidrigkeit eines Steuerbescheids z.B. auf einen die Steuer mindernden Sachverhalt und lässt sich nicht klären, ob dieser Sachverhalt in der behaupteten Weise vorliegt, so gereicht dies den Steuerpflichtigen zum Nachteil. Sie tragen insoweit die Feststellungslast (BFH-Beschl. v. 15. Oktober 1996, VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44; Urt. v. 19. November 1985 VIII R 4/83, BStBl II 1986, 289).

25

Die Gewinnerzielungsabsicht ist zu verneinen, wenn der Betrieb nach seiner Wesensart oder der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann (BFH-Urteil vom 15.11.1984 IV R 139/81, BStBl II 1985, 205 [BFH 15.11.1984 - IV R 139/81]). Das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht von Anfang an kann konkret dann angenommen werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass er so, wie er vom Steuerpflichtigen betrieben wurde, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts darstellte (BFH-Urt. v.15. November 1984 IV R 139/81, BStBl II 1985, 205; Urt. v. 25. Juni 1996 VIII R 28/94, BStBl II 1997, 202, unter II.3.a, jeweils m.w.N.; Urt. v. 14. Dezember 2004 XI R 6/02, BStBl II 2005, 392, unter II.2.c; Urt. v. 27. Mai 2009 X R 62/06, [...]).

26

War der Betrieb so, wie er vom Steuerpflichtigen geführt wurde, von vornherein nicht in der Lage, nachhaltig Gewinn zu erzielen und stellte er deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dar, so kann sich der Steuerpflichtige auch nicht auf eine betriebsspezifische Anlaufphase berufen, innerhalb derer die sog. Anlaufverluste steuerlich zu berücksichtigen wären (vgl. BFH-Urt. v. 23. Mai 2007 X R 33/04, BStBl II 2007, 874).

27

Die Frage, ob anhand der Gesamtumstände im Einzelfall die Erzielung eines Totalgewinns zu erwarten ist und ob ggf. eine längere Anlaufzeit anerkannt werden muss, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht (BFH-Beschl. v. 12. Dezember 2007 XI B 56/07, [...]).

28

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann die Klage keinen Erfolg haben. Dabei kann es dahinstehen, ob es beim Handel im Rahmen eines Strukturvertriebs in der - auch im Streitfall vorliegenden - mittleren und unteren Strukturebene grundsätzlich keine Vermutung für eine Gewinnerzielungsabsicht gibt (so FG Thüringen Urt. v. 21. Februar 2002 II 215/00, EFG 2002, 691; Hessisches FG Urt. v. 23. September 2005 1 K 250/01, EFG 2006, 268 [FG Hessen 23.09.2005 - 1 K 2505/01]), denn es besteht nach Überzeugung des Senats kein Zweifel, dass der Betrieb des Klägers nach der Wesensart und Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen keinen Totalgewinn erzielen kann.

29

Das Unternehmen hat seit Beginn der Tätigkeit im Jahr 2007 nur geringe Einnahmen erzielt, die keinerlei signifikante Steigerung erkennen lassen, im Gegenteil von Anfang an rückläufig sind. Wegen der auf äußerst niedrigem Niveau stagnierenden und rückläufigen Einnahmen aus dem Provisionsgeschäft geht der Senat davon aus, dass von vornherein nur ein begrenzter Kreis potentieller Kunden zur Verfügung stand und keine Maßnahmen ergriffen wurden, weitere Kunden zu gewinnen. Wie der Kläger selbst ausführt, erfolgte die unternehmerische Tätigkeit vor allem durch Verkauf an Bekannte. Angesichts der Kostenstruktur des Unternehmens war die Annahme, auch bei einer als optimistisch einzuschätzenden Umsatzentwicklung durch das Sponsern neuer Geschäftspartner könnten die extrem hohen Betriebsausgaben für Kfz, Reisen, Bewirtung und Telefon durch die vereinnahmten Provisionen gedeckt werden, von vornherein völlig unrealistisch (vgl. auch FG MünchenUrt. v. 5. Juli 2006 9 K 616/05, [...]). Die objektive Möglichkeit, dass der Kläger eine Stammesorganisation von ihm in der Vertriebsstruktur unterstellten Beratern aufbauen könnte, die so hohe Umsätze erzielt, dass daraus der Kläger die zum Erreichen der Gewinnzone notwendigen Provisionseinnahmen zufließen werden, war nach Überzeugung des Senats, zumal bei einer nur nebenberuflich betriebenen Tätigkeit des Klägers im Umfang von zwei Stunden an Werktagen von vornherein nicht gegeben (vgl. FG Berlin Urt. v. 15. Februar 1993 IX 324/92, [...]; OFD Karlsruhe v. 19. Juni 2006 S 2113/4-St 11, [...]). Denn ein Beweisanzeichen für das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht ist, dass der Betrieb des Unternehmens nicht die Existenzgrundlage des Klägers dargestellt hat und ihm aus seinen Lohneinkünften andere Geldmittel zur Verfügung standen, die seine wirtschaftliche Existenzgrundlage bildeten (FG München Urt. vom 28. März 2007 9 K 2689/04, [...]). Der Senat hält es auch für ausgeschlossen, dass der Kläger ernsthaft mit solchen Umsätzen kalkulierte.

30

Auch lässt die Art der geltend gemachten Betriebsausgaben nicht darauf schließen, dass der Kläger mit dem ernsthaften Bemühen um Gewinnerzielung Investitionen für sein Unternehmen getätigt hatte, die konkret der Verbesserung der Betriebssituation dienten. Bei den geltend gemachten Ausgaben handelt es sich überwiegend um Ausgaben allgemeiner Art (vor allem Repräsentationsaufwand, Bewirtungskosten, Fahrt-, Reise- und Telefonkosten), die auch die private Lebensführung berühren können (FG München Urt. v.4. Oktober 2006 1 K 2381/04, [...]; FG München Urt. v.5. Juli 2006 9 K 616/05, [...]).

31

Auch übersteigen allein die Fahrtkosten pro Jahr ein Vielfaches der Betriebseinnahmen. Soweit der Prozessbevollmächtigte vorträgt, dass es sich dabei um Reisekosten für die Kontaktherstellung zu potentiellen Handelsvertretern in ganz Deutschland handelte, zeigt dieses Unternehmenskonzept, dass es wirtschaftlich nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein kann. Die Betriebseinnahmen aus den Provisionserlösen (2007: 584; 2008: 604 und 2009: 328) waren so gering, dass mit einer Gewinnerzielung von vornherein auch aus diesem Grunde nicht zu rechnen war. Untermauert werden diese Feststellungen auch dadurch, dass der Kläger keine Marktanalyse vorgenommen hat, wie er es dem Beklagten mit Schreiben vom 22. März 2010 mitgeteilt hat.

32

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.