Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.08.2006, Az.: 6 A 4026/06
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.08.2006
- Aktenzeichen
- 6 A 4026/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 45565
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:0802.6A4026.06.0A
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein Ausweisungsgrund wegen eines Rechtsverstoßes gegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) setzt voraus, dass die zielgerichtete Absicht des Ausländers zur Beschaffung von Urkunden, bzw. Aufenthaltsgenehmigungen oder Duldungen bei dem Machen oder Benutzen unrichtiger oder unvollständiger Angaben nach außen sichtbar zu Tage tritt (subjektiver Tatbestand).
- 2.
Es entspricht der Zielsetzung des Gesetzgebers, dass eine auf der Grundlage der Bleiberechtsregelung 1990 (Rd.Erl. des Nds. MI vom 19.10.1990) nach den §§ 32 Abs. 1 und 99 Abs. 1 Satz 1 AuslG fortgeltende und zu verlängernde Aufenthaltsbefugnis nach dem In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes als Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG verlängert wird.
- 3.
Ist die Verlängerung vor dem 1. Januar 2005 beantragt, vor Außer-Kraft-Treten des Verlängerungserlasses des Nds. MI vom 16. August 2001 (45.31-12230/1-1[§32]) aber nicht mehr bestandskräftig beschieden worden, kann eine rückwirkende Anwendung der Verlängerungsvorschriften des Erlasses vom 16. August 2001 beansprucht werden.
- 4.
Kurden aus dem Libanon, die 1994 aufgrund des Dekrets Nr. 5247 die libanesische Staatsangehörigkeit erworben haben, konnten seit jenem Zeitpunkt die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbefugnis nach Maßgabe des Erlasses des Nds. MI vom 16. August 2001 beanspruchen, weil sie als libanesische Staatsangehörige die (Erst-) Erteilungsvoraussetzungen der Bleiberechtsregelung 1990 erfüllten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen ihre Ausweisung und Androhung der Abschiebung aus dem Bundesgebiet. Zugleich begehrt sie die Verpflichtung des Beklagten zur Verlängerung ihres Aufenthaltstitels
Die Klägerin wurde eigenen Angaben zufolge am G. 1974 in Beirut (Libanon) geboren. Sie reiste im Mai 1985 mit ihren Eltern H. B. und I. J. sowie acht Geschwistern aus dem Libanon kommend auf dem Luftweg in die ehemalige Deutsche Demokratische Republik ein und von dort in die Bundesrepublik Deutschland weiter.
Die Eltern der Klägerin stellten am K. 1985 bei der Grenzschutzstelle Helmstedt für sich und ihre Kinder Asylanträge. In der Niederschrift des Asylantrags gaben die Eltern ihre Staatsangehörigkeit mit "staatenlos" und ihre eigenen Geburtsorte mit "unbekannt" an, wobei sich aus der Niederschrift ergibt, dass die Verständigung mit den Eltern nur bruchstückhaft möglich war. Dabei wiesen sich die Eltern der Klägerin mit libanesischen Reiseausweisen (Laissez Passer), ausgestellt in Beirut, aus. Der Laissez Passer des Vaters der Klägerin war in Beirut am L. 1980 ausgestellt worden und sein Status der Nationalität war darin mit "a l‘etude" angegeben. Der Reiseausweis galt für mehrere Reisen und berechtigte zur Rückkehr in den Libanon.
Nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens erteilte die seinerzeit hierfür zuständige Stadt D. der Klägerin auf ihren Antrag vom 7. November 1990 am 27. Dezember 1990 auf Grundlage der Bleiberechtsregelung in dem Runderlass des Niedersächsischen Innenministeriums (MI) vom 18. Oktober 1990 (nicht veröffentlicht) eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die nach Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes (AuslG) zum 1. Januar 1991 gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 3 AuslG als (befristete) Aufenthaltsbefugnis fortgalt und in der Folgezeit mehrfach verlängert wurde, zuletzt vom Beklagte am 6. August 2001 bis zum 28. Juli 2003. In dem Erlaubnisantrag, einer Aufenthaltsanzeige vom 13. Januar 1991 sowie dem einzigen in den ausländerbehördlichen Vorgängen nachweisbaren schriftlichen Verlängerungsantrag vom 13. Dezember 1993 hatte die Klägerin ihre Staatsangehörigkeit ebenso wie in einem Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose mit "ungeklärt" angegeben.
Am 23. November 1990 hat die Klägerin in D. ihren Cousin M. B., einen Sohn des Bruders ihres Vaters, geheiratet. Ihrem Ehemann war am 2. November 1990 vom ehemaligen Landkreis Hannover ebenfalls auf Grundlage der Bleiberechtsregelung vom 18. Oktober 1990 im Jahre 1990 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden, die später laufend als Aufenthaltsbefugnis verlängert wurde. Zuletzt verlängerte der Beklagte die Aufenthaltsbefugnis des Ehemannes der Klägerin am 18. September 2002 bis zum 15. Juni 2004. Der Ehemann der Klägerin ist ebenso wie seine Eltern und Geschwister im Jahre 1994 im Wege der Sammeleinbürgerung aufgrund des Dekrets Nr. 5247 libanesischer Staatsangehöriger geworden. Seit dem 15. September 1995 ist er im Besitz eines libanesischen Nationalpasses.
Der Vater der Klägerin, H. B., hat im Jahre 1994 ebenfalls im Wege der Sammeleinbürgerung die libanesische Staatsangehörigkeit erworben. Ihm ist am 1. Dezember 2001 in Beirut ein libanesischer Nationalpass ausgestellt worden.
Nachdem der Beklagte der Klägerin zunächst am 8. Januar 1997 ein Reisedokument ausgestellt hatte, beantragte die Klägerin die Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose. Hierzu erklärte sie am 15. Juli 1997 bei dem Beklagten, sie sei im Januar 1997 in den Libanon gereist, um dort einen libanesischen Pass zu beantragen. Dort sei ihr die dem Beklagten zugleich vorgelegte Bescheinigung ausgestellt worden. Der vorgelegten Übersetzung zufolge erklärt in dieser Bescheinigung ein nicht näher bezeichneter Bürgermeister unter dem Datum des 30. Januar 1997, dass die Klägerin im Libanon keinen Zivileintrag habe und keinen Pass bekommen könne. Daraufhin stellte der Beklagte der Klägerin am 29. Juli 1997 einen Reiseausweis für Staatenlose aus, dessen Gültigkeit zuletzt bis zum 28. Juli 2003 verlängert wurde.
Nachdem der Beklagte im Hinblick auf die von ihm zwischenzeitlich angestellten Ermittlungen davon ausging, dass die Klägerin ebenso wie ihr Vater die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, hörte er sie mit Schreiben vom 8. Mai 2002 zu der Absicht an, den Reiseausweis für Staatenlose zurückzunehmen und einzuziehen.
Am 2. Juni 2003 sprach die Klägerin bei dem Beklagten vor und beantragte die Verlängerung der Gültigkeit des Reiseausweises für Staatenlose sowie ihrer Aufenthaltsbefugnis. Dabei legte sie den beschädigten Reiseausweis bei dem Beklagten vor und behauptete, den Ausweis in einer Jacke mitgewaschen zu haben.
Der Beklagte lehnte die Verlängerung der Gültigkeit des Reiseausweises mit Bescheid vom 21. August 2003 ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens am 2. Dezember 2003 im Verfahren 6 A 6564/03 Klage. Zuvor hatte sie am 15. September 2003 im Verfahren 6 B 3880/03 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit welcher der Beklagte verpflichtet werden sollte, den Reiseausweis für Staatenlose und ihre Aufenthaltsbefugnis zu verlängern. Hierzu hatte die Klägerin in der Antragsschrift vom 9. September 2003 durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, sie sei staatenlose Kurdin aus dem Libanon. Nachdem das Gericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 23. Dezember 2003 abgelehnt hatte, wurde die Klägerin am 17. März 2004 zu der Frage einer türkischen Staatsangehörigkeit bei dem türkischen Generalkonsulat in Hannover angehört. Dabei legte sie einen auf ihre Person ausgestellten libanesischen Reisepass vor. Daraufhin nahm die Klägerin ihre Klage auf Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose zurück.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2003 lehnte der Beklagte den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis ab. Zugleich wies er die Klägerin mit unbefristeter Wirkung aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihr unter Setzung einer Ausreisefrist bis zum 31. Januar 2004 die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen Staat an.
Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, seine Ermittlungen hätten ergeben, dass der Vater der Klägerin nicht staatenloser Kurde aus dem Libanon mit dem Namen H. B., sondern tatsächlich der im türkischen Personenstandsregister eingetragene türkische Staatsangehörige N. O., geboren am P. 1948 in Q. (Türkei) sei. Im selben Registerauszug sei auch der Bruder ihres Vaters als der türkische Staatsangehörige R. O. (alias S. B.) eingetragen. Dieser sei zudem der Vater ihres Ehemannes M. B.. Nach dem in der Türkei geltenden Abstammungsprinzip sei danach davon auszugehen, dass die Klägerin ebenso wie ihr Vater die türkische Staatsangehörigkeit besitze. Bei ihr selbst handele es sich im Übrigen vermutlich um die ebenfalls in dem türkischen Personenstandsregister eingetragene Frau T. O., geboren am U. 1975, Tochter von Herrn N. O. und Frau V. O., geborene W., geboren am U. 1947 in X. (Türkei). Über diese Umstände hätten die Eltern der Klägerin gegenüber den deutschen Behörden bei ihrer Einreise und bei Beantragung der Aufenthaltsgenehmigungen für sich und ihre Familie bewusst unrichtige Angaben gemacht. Diese Angaben habe die Klägerin dann später nach Erlangung ihrer ausländerrechtlichen Handlungsfähigkeit weiterhin für sich verwendet, obwohl sie gewusst habe oder habe wissen müssen, dass diese Angaben unrichtig seien. Dadurch habe auch sie die deutschen Behörden zielgerichtet in der Absicht getäuscht, sich ein ihr sonst nicht zustehendes Aufenthaltsrecht zu erschleichen. Sie habe daher gegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG verstoßen und erfülle deswegen den Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 2 AuslG. Ihre Ausweisung erfolge gemäß § 45 Abs. 1 AuslG nach Ermessen. Dabei könne der Dauer ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet von über 18 Jahren keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, weil ihr entsprechendes Aufenthaltsrecht von ihren Eltern durch unrichtige Angaben erschlichen worden sei und sie sich diese unrichtigen Angaben später zu Nutzen gemacht habe. Auch ihre Ehe stehe ihrer Ausweisung nicht entgegen, weil auch ihr Ehemann ausgewiesen werde.
Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch vom 10. Dezember 2003 wies die Bezirksregierung Hannover mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2004 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 10. März 2004 Klage erhoben.
Zur Begründung machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, sie und ihre Eltern hätten bislang keine Kenntnis von einer möglichen türkischen Staatsangehörigkeit gehabt, so dass die deutschen Behörden hierüber auch nicht bewusst getäuscht worden seien. Dasselbe gelte für ihren Ehemann. Der türkische Registerauszug betreffe nicht sie und ihre Familie. Aus dem ihrem Vater im Jahre 1980 ausgestellten, verlängerten libanesischen Reiseausweis ergebe sich, dass ihr Vater im Jahre 1982 mit einem Besuchsvisum die Türkei besucht habe. Dies wäre schlechterdings nicht vorstellbar gewesen, wenn ihr Vater Kenntnis von einer türkischen Staatsangehörigkeit gehabt hätte. Außerdem lasse der vorliegende Registerauszug viele Fragen offen. Denn zu dem Zeitpunkt, als die Mehrzahl der Eintragungen darin vorgenommen worden seien, habe sich ihr Vater in Beirut im Krankenhaus befunden. Genaue Kenntnisse vom türkischen Staatsangehörigkeitsrecht seien im Übrigen bei ihr und ihren Familienangehörigen nicht zu erwarten. Deshalb könne nicht von einer bewussten Täuschung der deutschen Behörden ausgegangen werden. Außerdem bestehe auch unabhängig hiervon ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnisse, weil die Einreise der Familien vor dem 1. Januar 1986 erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 9. Februar 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Bescheide die Auffassung, dass die türkische Staatsangehörigkeit der Klägerin hinreichend sicher nachgewiesen sei. Für die Verwirklichung des Ausweisungstatbestandes reiche es aus, dass der Klägerin, wenn auch nur in der Form einer Parallelwertung in der Laiensphäre, die Möglichkeit eines Bestehens der türkischen Staatsangehörigkeit bewusst war, woran kein Zweifel bestehe.
Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren der Klägerin am 21. Juni 2006 von dem zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann eingeleiteten Klageverfahren 6 A 1197/04 getrennt. Der Klage des Ehemannes der Klägerin gegen die ihm gegenüber verfügte Ausweisung vom 5. Dezember 2003 ist mit Urteil des Gerichts vom 21. Juni 2006 - 6 A 1197/04 - stattgegeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten der Verfahren 6 A 4026/06, 6 A 1197/04, 6 A 6564/03, 6 B 3880/03, der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A und B) und auf die Gerichtsakten des Klageverfahrens des Vaters der Klägerin (6 A 4546/03) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die im erklärten Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist teilweise begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2003 ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Hannover vom 9. Februar 2004 rechtswidrig, soweit der Beklagte darin die Klägerin aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, den Antrag der Klägerin auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbefugnis vom 2. Juni 2003 abgelehnt und der Klägerin aus diesem Anlass die Abschiebung angedroht hat.
Da die Sache hinsichtlich des Anspruchs auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis nicht spruchreif ist, wird der Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO gerichtlich verpflichtet, über den diesbezüglichen Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Ausweisung und eine Abschiebungsandrohung mit dem Recht in Einklang steht, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2004, abzustellen.
Die Ausweisungsverfügung und die Abschiebungsandrohung des Beklagten bleiben wirksam, obwohl nach Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 des Zuwanderungsgesetzes das Ausländergesetz, auf welches die Verfügung gestützt worden ist, am 1. Januar 2005 außer Kraft getreten und durch das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ersetzt worden ist. Dies folgt aus der Fortgeltungsregelung des § 102 Abs. 1 AufenthG. Sie stützt sich danach weiterhin auf § 45 Abs. 1 in Verbindung mit § 46 Nr. 2 AuslG des Ausländergesetzes (AuslG), wonach unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des Ausländers und seiner Familienangehörigen (§ 45 Abs. 2 AuslG) ausgewiesen werden kann, wer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat.
Die gemäß § 45 Abs. 1 AuslG in das Ermessen der Behörde gestellte Ausweisungsentscheidung ist von dem Beklagten rechtsfehlerhaft getroffen worden, denn die von ihm angenommenen Ausweisungsgründe nach § 46 Nr. 2 AuslG in Gestalt von Rechtsverstößen gegen die Strafvorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG liegen tatsächlich nicht vor.
Nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer unter anderem unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen. Dass der von dem Beklagten für gegeben erachtete Rechtsverstoß erst seit der Neufassung des § 92 AuslG mit Wirkung vom 1. Dezember 1994 durch das Gesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3186) in Absatz 2 Nr. 2 geregelt ist, kann in Ergebnis außer Betracht bleiben, denn zuvor war dieselbe Strafvorschrift bereits in § 92 Abs. 1 Nr. 7 AuslG enthalten.
Allerdings können die Strafvorschriften des § 92 AuslG nur Handlungen erfassen, die seit ihrem In-Kraft-Treten durch das Ausländergesetz vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) am 1. Januar 1991 begangen worden sind (§ 1 StGB ). Außerdem erfassen die §§ 92 Abs. 1 Nr. 7 bzw. 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG schon tatbestandsmäßig keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben, die zur Absicherung des Aufenthalts als Asylbewerber gemacht werden.
Ob die Angaben der Klägerin zu ihrer Person und ihrer Staatsangehörigkeit, die ihre Eltern vor dem 1. Januar 1991 gemacht hatten, im Jahre 2003 noch als Ausweisungsgrund in Gestalt eines Verstoßes gegen die vor dem 1. Januar 1991 geltende Strafvorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 6 des Ausländergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1976 (AuslG 1965) herangezogen werden dürfen, nachdem diese Vorschrift mit dem AuslG vom 9. Juli 1990 (BGBl. I. S. 1354) aufgehoben worden war, ist zweifelhaft. Denn § 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 normierte einen wesentlich weiteren Straftatbestand. Er stellte es abweichend von den nach dem 31. Dezember 1990 geltenden Strafvorschriften der §§ 92 Abs. 1 Nr. 7 bzw. 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG unter Strafe, dass ein Ausländer unrichtige oder unvollständige Angaben machte oder benutzte, um für sich oder einen anderen Urkunden für die Einreise oder den Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu beschaffen. Einer Heranziehung des wesentlich weiteren Straftatbestands des § 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 als Ausweisungsgrund dürfte jedoch der Rechtsgedanke des § 2 Abs. 3 StGB entgegenstehen. Im Übrigen war aus der weiteren Fassung des § 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 während dessen zeitlicher Geltung geschlossen worden, dass diese Strafvorschrift auch unrichtige oder unvollständige Angaben während eines Asylaufenthalts erfasste (vgl. Kloesel/Christ, Dt. Ausländerrecht, 2. Aufl. § 47 AuslG Erl. 10 m.w.N.). Auf einen solchen Rechtsverstoß nach § 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 hat der Beklagte seine Ausweisungsverfügung aber gerade nicht gestützt.
Die Beantwortung dieser Rechtsfragen kann aber im Ergebnis ebenso offen bleiben wie die Bedeutung der inzwischen eingetretenen Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 3 Satz 4 StGB). Jedenfalls sind für den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum ausländerrechtlich relevanter Erklärungen die Tatbestände der Strafvorschriften der §§ 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 sowie 92 Abs. 1 Nr. 7 bzw. 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG - aus den für die angefochtene Ausweisungsverfügung herangezogenen Gründen - nicht erfüllt.
Zunächst haben die Klägerin und ihre Eltern entgegen der im angefochtenen Bescheid vom 5. Dezember 2003 vertretenen Rechtsauffassung nicht die Straftatbestände der §§ 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 sowie 92 Abs. 1 Nr. 7 bzw. 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllt, indem sie "hinsichtlich seiner Personalien und seiner Herkunft unrichtige Angaben gemacht" und sog. "Alias-Personalien" verwendet hätten. Greifbare Anhaltspunkte für eine solche Annahme gibt der vorliegende Sachverhalt, insbesondere das Ergebnis der Ermittlungen des Beklagten zur türkischen Staatsangehörigkeit der Eltern, weiterer Familienangehöriger und der Familie des Ehemannes der Klägerin, nicht her.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides des Beklagten vom 5. Dezember 2003 zeigt ebenso wie die der zuvor in den Ausweisungsverfahren ihrer Schwiegereltern getroffenen Ausweisungsentscheidungen (s. Urteile des Gerichts vom 21.06.2006 - 6 A 3853/03 und 6 A 3771/03 -), dass der Beklagte die unbestimmten Rechtsbegriffe Identität und Staatangehörigkeit undifferenziert gleichsetzt und in dieser Weise beliebig verwendet. Dabei muss aber beachtet werden, dass die Staatsangehörigkeit nicht mit der Identität verglichen werden kann. Im Unterschied zur Identität betrifft die Staatsangehörigkeit nicht die persönlichen Merkmale, sondern eine rechtliche Eigenschaft der Person. Das wird daran deutlich, dass es nichts an der Identität einer Person ändert, wenn diese ihre Staatangehörigkeit verliert, eine weitere hinzugewinnt oder nie eine Staatsangehörigkeit besessen hat, vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG. Demzufolge schreibt Nr. 5.2.3.1 der Vorl. Nds. VV-AufenthG in den Fällen der Rückkehrberechtigung in einen anderen Staat vor, dass es der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht entgegensteht, wenn die Staatsangehörigkeit nicht geklärt ist. Dagegen muss in diesen Fällen die Identität grundsätzlich geklärt sein.
Dagegen wird die Identität eines Menschen durch seine unveränderlichen Merkmale geprägt, insbesondere seine Abstammung und seine Herkunft, diese ergänzt durch seinen amtlichen Namen. Dies kommt in den Regelungen der §§ 41 Abs. 1 AuslG und 49 Abs. 2 AufenthG zum Ausdruck, indem dort der Begriff der Identität mit dem der Person gleichgesetzt wird. Demgemäß bestimmt Ziffer 5.1.3.2 Nds. VV-AufenthG, dass Identität und Staatsangehörigkeit im Regelfall durch die Vorlage eines gültigen Passes oder Passersatzes nachgewiesen sind. Sofern ein solches Dokument nicht vorliegt, kann der Nachweis durch andere geeignete Mittel geführt werden (z.B. Geburtsurkunde, andere amtliche Dokumente). Bisher lässt sich nicht widerlegen, dass die Klägerin im Libanon gelebt hat und ist dort unter einem amtlich geführten Namen registriert gewesen. Dabei muss angesichts ihrer Einreise auf dem Luftweg mit einem Direktflug von Beirut nach Berlin davon ausgegangen werden, dass die Klägerin seinerzeit ebenso wie ihre Geschwister in den libanesischen Laissez Passer ihrer Mutter I. J. eingetragen war. Hierfür spricht sowohl der Inhalt der Bescheinigung der Grenzschutzstelle Helmstedt vom 19. Mai 1985 (Bl. 6 Beiakte A), in den vermutlich die Namen und Geburtsdaten der mitreisenden Kinder aus dem Laissez Passer übertragen worden sind, als auch die Tatsache, dass die Klägerin mit ihren Eltern auf legalem Wege aus dem Libanon ausgereist ist, wofür sie ein Personaldokument benötigte.
Danach ist handelt es sich bei der Klägerin tatsächlich um eine Person mit dem amtlich registrierten Namen A. B., Tochter von H. B., geboren im Jahre 1945, und I. J., geboren im Jahre 1950, wobei ihr Vater wiederum als Sohn von T. B. und U. B. (vgl. Laissez Passer, Bl. 32 der Gerichtsakte 6 A 1197/06) abstammt. Hat sich die Klägerin jedoch jederzeit mit ihren amtlichen libanesischen Personalien, die auch später aus Anlass des Erwerbs der libanesischen Staatsangehörigkeit durch ihren Vater H. B. von den libanesischen Behörden nicht korrigiert worden sind, ausgewiesen und sich stets so bezeichnet, kann ihr naturgemäß von dem Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, "Alias-Personalien" verwendet und so "zu ihrer Person und Herkunft" unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht bzw. verwendet zu haben.
Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass auch der Vater der Klägerin, H. B., dem aufgrund seiner Einbürgerung unter demselben Namen am 1. Dezember 2001 in Beirut ein libanesischer Pass ausgestellt worden ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 9.2.2006 - 6 A 4546/03 -), unter dem in seinem Reiseausweis eingetragenen und später in den libanesischen Pass übernommenen Namen lange Zeit vor der Geburt der Klägerin im Libanon gelebt hat. Dies ist aus seiner im Jahre 1994 erfolgten Sammeleinbürgerung zu schließen. Da seine Nationalität in dem libanesischen Reiseausweis mit "a l‘étude" eingetragen worden war und dieser Reiseausweis zur Rückkehr in den Libanon berechtigte, ist zu vermuten, dass seine Eltern, die Großeltern der Klägerin, sich und ihre Kinder im Anschluss an die Aufforderung bei der Volkszählung der Jahre 1951/1952 in die in den Jahren 1952/1953 angelegten Spezialregister für Staatsangehörigkeitsbewerber bei der Generaldirektion der Sicherheit (Sûreté Générale) in Beirut haben eintragen lassen und daraufhin bis zu ihrer Einbürgerung den Status kaid el dars (a l‘étude = Angabe wird noch überprüft) erlangt haben (vgl. hierzu Personenstandsregister im Libanon, Anlage zur Auskunft des AA an die Stadt Hildesheim vom 25.7.2001; Auskunft des MI vom 24.3.03 an die Bez.-Reg‘en). Denn im Anschluss an die Volkszählung 1951 haben sich neben Palästinaflüchtlingen hauptsächlich Kurden als nichtlibanesische Minderheit in die Spezialregister eintragen lassen (Botschaft Beirut, Auskunft vom 28.1.04 an das VG Cottbus). Dabei muss es dem Vater der Klägerin gelungen sein, die bis zum 31. Dezember 1986 notwendige Verlängerung seines libanesischen Aufenthaltstitels (permis de séjours) zu erhalten, denn ansonsten wären den Eheleuten B. und ihren Kindern nicht Reiseausweise erteilt worden, die zur Rückkehr berechtigten; vielmehr wären sie nach den vorstehend zitierten Erkenntnissen aus dem Register gestrichen worden (Botschaft Beirut, Auskunft vom 28.1.04 an das VG Cottbus).
An der so begründeten Identität der Klägerin als in Beirut geborene Tochter A. B. der Eheleute H. B. und I. J. haben soweit ersichtlich zu keiner Zeit Zweifel bestanden.
Ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 46 Nr. 2 AuslG liegt entgegen der von dem Beklagten und der Widerspruchsbehörde vertretenen Auffassung auch nicht darin begründet, dass die Eltern der Klägerin bei der Asylantragstellung und bei der erstmaligen Beantragung der Aufenthaltserlaubnis im Jahre 1985 sowie die Klägerin seit 1991 selbst auf die Frage nach der Staatsangehörigkeit jeweils mit "ungeklärt" geantwortet und dabei eine türkische Staatsangehörigkeit verschwiegen hätten. Auch insoweit ist der Tatbestand strafbarer Handlungen nach den §§ 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 sowie 92 Abs. 1 Nr. 7 bzw. 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG nicht erfüllt.
Ebenso wie § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG begründeten die Tatbestände der §§ 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 sowie 92 Abs. 1 Nr. 7 (a.F.) bzw. 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG nicht schon dann die Strafbarkeit eines Ausländers, wenn sich dessen Angaben gegenüber einer Ausländerbehörde zu seiner Staatsangehörigkeit nachträglich als unrichtig oder unvollständig erwiesen. Vielmehr macht die Umschreibung der Tatumstände mit den Worten "um für sich oder einen anderen Urkunden für die Einreise oder den Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu beschaffen" bzw. "um für sich oder einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen" deutlich, dass die Strafvorschriften subjektive Tatbestände enthalten, die erfüllt sein müssen, um die Strafbarkeit des Handelns zu begründen. Die §§ 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 sowie 92 Abs. 1 Nr. 7 (a.F.) bzw. 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG setzen danach voraus, dass der Täter im Sinne einer Absicht zielgerichtet handelt. Die Absicht als Bestandteil des subjektiven Straftatbestands kennzeichnet dabei zugleich das gemäß § 15 StGB für die Strafbarkeit vorausgesetzte vorsätzliche Handeln. Hierfür ist wie bei allen Absichtsdelikten auch hinsichtlich der Beschaffung von Urkunden, bzw. Aufenthaltsgenehmigungen oder Duldungen ein direkter Vorsatz 1. Grades erforderlich. Das bedeutet, dass nicht schon Täter einer Straftat nach den §§ 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 sowie 92 Abs. 1 Nr. 7 (a.F.) bzw. 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ist, wer um die Verwirklichung des Straftatbestandes weiß und den Eintritt des Erfolgs seiner Tat in Kauf nimmt. Vielmehr macht sich nur derjenige Ausländer strafbar, dessen zielgerichtete Absicht zur Beschaffung von Urkunden, bzw. Aufenthaltsgenehmigungen oder Duldungen bei dem Machen oder Benutzen unrichtiger oder unvollständiger Angaben nach außen sichtbar zu Tage tritt. Da es sich bei den Straftaten nach § 92 Abs. 1 Nr. 7 (a.F.) bzw. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung (vgl. z.B. OVG Münster, B. vom 22.6.2004, AuAS 2004 S. 267 ff.; OLG Karlsruhe, B. vom 27.1.1998, NVwZ-RR 1999 S. 73 f.; jeweils m.w.N.) um abstrakte Gefährdungsdelikte handelt, ist es dabei ohne Belang, ob das Machen oder Benutzen unvollständiger Angaben objektiv geeignet ist, die Absicht des Täters erfolgreich zu verwirklichen. Entscheidend ist nur, dass das Streben des Täters nach seiner subjektiven Vorstellung auf den Eintritt des Taterfolgs gerichtet ist.
Wie bei allen anderen Straftatbeständen, die in ihrem subjektiven Tatbestand eine dem direkten Vorsatz entsprechende Absicht des Täters voraussetzen, muss auch die Absicht zur Beschaffung von Urkunden, bzw. Aufenthaltsgenehmigungen oder Duldungen nach den §§ 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 sowie 92 Abs. 1 Nr. 7 (a.F.) bzw. 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG im Strafverfahren tatrichterlich festgestellt werden. Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren bedeutet dies, dass die Handlungsabsicht eines Ausländers, dem ein Verstoß gegen diese ausländerrechtlichen Strafvorschriften vorgeworfen wird, nach § 108 Abs. 1 VwGO zur vollen Überzeugungsgewissheit des Verwaltungsgerichts feststehen muss. Ein bloßer Verdacht reicht dagegen nicht aus, um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Feststellung entscheidungserheblicher Tatsachen zu gelangen. Dies entspricht ersichtlich auch der Rechtsauffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in den Gründen seines Beschlusses vom 20. Juni 2002 - 10 ME 38/02 - (S. 4 des Beschlussabdrucks) und der Staatsanwaltschaft Hildesheim, die im Fall des Schwiegervaters und der Schwiegermutter der Klägerin schon keinen ausreichenden Tatverdacht im Zusammenhang mit der Möglichkeit des Verschweigens einer türkischen Staatsangehörigkeit feststellen konnte und deshalb die gegen beide eingeleiteten Ermittlungsverfahren trotz Kenntnis der Ermittlungsergebnisse des Beklagten gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt hat.
Dem vorliegenden Sachverhalt lassen sich weiterhin keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Klägerin bis zum Bekanntwerden der Ermittlungsergebnisse der Ausländerbehörde bewusst war, in rechtlicher Hinsicht die türkische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Dasselbe gilt für das erforderliche Bewusstsein, dies verschweigen bzw. die Staatsangehörigkeit mit "ungeklärt" angeben zu wollen, um sich ein Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland zu sichern oder zumindest ihre Abschiebung zu verhindern. Handlungen oder Erklärungen der Klägerin, ihres Ehemannes oder ihrer Eltern, Geschwister oder entfernterer Verwandter, die als äußere Beweisanzeichen auf ein entsprechendes (inneres) Tatbewusstsein bei der Klägerin hindeuten könnten, liegen nicht vor.
Soweit die Bezirksregierung Hannover im Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2004 darauf abgestellt hat, dass die Klägerin spätestens bei der Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis am 2. Juni 2003 gewusst haben muss, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit haben könnte, kommt die Feststellung einer Tathandlung sowie eines Tatbewusstsein im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG schon von vornherein nicht in Betracht. Dass die Frage nach der Staatsangehörigkeit Gegenstand der Vorsprache der Klägerin bei ihrem mündlich gestellten Verlängerungsantrag am 2. Juni 2003 war, wird zwar in den Gründen des Widerspruchsbescheids unterstellt. Der Vermerk des Beklagten über die Vorsprache der Klägerin (Bl. 209 Beiakte A) enthält hierzu jedenfalls nichts. Zwar hätte gerade im Jahre 2003 eine entsprechende Befragung der Klägerin nahe gelegen, denn der Beklagte hatte bereits im Jahre 2001 Ausweisungsverfügungen gegen die Schwiegereltern der Klägerin erlassen sowie die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis ihres Schwagers Y. B. abgelehnt und zur Begründung dieser Maßnahmen auf das Ergebnis seiner Ermittlungen zur türkischen Staatsangehörigkeit der Familie B. abgestellt (vgl. die Urteile des Gerichts vom 21.6.2006 - 6 A 3853/03, 6 A 3771/03 und 6 A 3691/03 -). Dies zeigt, dass die Frage einer eventuellen türkischen Staatsangehörigkeit der Klägerin bei der Vorsprache am 2. Juni 2003 bereits eine offene Streitfrage zwischen den Angehörigen der Familie B. und dem Beklagten war. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin nicht mehr davon ausgehen, dass sie sich durch das Verschweigen einer türkischen Staatsangehörigkeit im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG eine Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis hätte verschaffen können.
Allerdings ist davon auszugehen, dass die Klägerin aus Anlass ihres Antrags auf Verlängerung des Reiseausweises und der Aufenthaltserlaubnis von 2. Juni 2003 in anderer Hinsicht unrichtige Angaben zu ihrer Staatsangehörigkeit gemacht hat. Sie hat nämlich im Verfahren 6 B 3880/03 vortragen lassen, sie sei staatenlos, obwohl sich bei der wenige Monate später erfolgten Vorsprache bei dem türkischen Generalkonsulat herausgestellt hat, dass sie im Besitz eines libanesischen Reisepasses ist. Danach hat die Klägerin versucht, unter bewusstem Verschweigen ihrer libanesischen Staatsangehörigkeit im Besitz eines Reiseausweises für Staatenlose und ihrer Aufenthaltsbefugnis zu bleiben. Ein mit diesem Verhalten erfüllter Straftatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) stellt jedoch einen grundsätzlich anderen Rechtsverstoß dar, als der, auf den der Beklagte und die Widerspruchsbehörde die Ermessensentscheidung über die Ausweisung der Klägerin gestützt haben. Dasselbe gilt für die Bewertung der Angaben der Klägerin bei der Beantragung des Reiseausweises am 15. Juli 1997 und die Vorlage der Bürgermeisterbescheinigung aus dem Libanon. Der Beklagte und die Widerspruchsbehörde haben die Ausweisungsverfügung nicht darauf gestützt, dass die Klägerin am 2. Juni 2003 bei den vorangegangenen Verlängerungsanträgen eine schon seit 1994 vorhandene, durch Einbürgerung im Jahre 1994 erworbene libanesische Staatsangehörigkeit, sondern eine Abstammung von ihrem Vater H. B. erworbene türkische Staatsangehörigkeit verschwiegen hat. Insoweit ist die Ermessenentscheidung des Beklagten auch nicht zu Gunsten des Beklagten auslegungsfähig. Das folgt schon daraus, dass der Beklagte dem Vorhandensein einer libanesischen Staatsangehörigkeit der Angehörigen der Familie B. seinerzeit offenbar keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Ansonsten hätte er die Aufenthaltsbefugnis des Ehemannes der Klägerin, dessen libanesische Staatsangehörigkeit bereits seit längerer Zeit bekannt war, nicht noch einmal am 18. September 2002 verlängert.
Die angefochtenen Bescheide sind auch rechtswidrig, soweit darin die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis der Klägerin abgelehnt worden ist.
Mit der Aufhebung der Ausweisungsverfügung entfällt der von § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG angeordnete Ausschluss eines Aufenthaltstitels. Einer Verlängerung der der Klägerin zuletzt bis zum 28. Juli 2003 Aufenthaltsbefugnis stehen auch andere zwingende Rechtsgründe nicht entgegen. Vielmehr hat die Klägerin Anspruch auf eine erneute Entscheidung des Beklagten über die begehrte Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung in der Gestalt einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, sodass die hierauf gerichtete Verpflichtungsklage mit der Maßgabe der im Urteilsausspruch vorgenommenen Präzisierung des Anspruchs gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO begründet ist.
Die Frage, ob der jetzt in der Gestalt einer Aufenthaltserlaubnis zu erteilende Aufenthaltstitel der Klägerin im Anschluss an ihre Aufenthaltsbefugnis erteilt werden darf oder zwingend versagt werden muss, beurteilt sich nach den Regelungen des mit dem Zuwanderungsgesetz (vom 30.4.2004; BGBl. I S. 1950) am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) und der übrigen, im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Rechtslage (vgl. BVerwGE 89, 296 ff. [BVerwG 21.01.1992 - 1 C 21/87]; InfAuslR 1992 S. 205 = NVwZ 1992 S. 676, m.w.N.).
Die danach notwendige Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderungen hat nicht zur Folge, dass der der Klägerin infolge der Bleiberechtsregelung 1990 als Aufenthaltserlaubnis erteilte und unter der zeitlichen Geltung des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 (AuslG) nach § 94 Abs. 3 Nr. 3 AuslG als Aufenthaltsbefugnis fortgeltende Aufenthaltstitel jetzt nicht mehr verlängert werden könnte. Zwar enthält das AufenthG eine dem § 94 Abs. 3 Nr. 3 AuslG vergleichbare Regelung nicht. Auch hat der Gesetzgeber des Zuwanderungsgesetzes die Übergangsregelung des § 99 Abs. 1 Satz 1 AuslG, wonach in den Fällen des § 94 Abs. 3 Nr. 3 AuslG die Aufenthaltsbefugnis abweichend von § 34 Abs. 2 verlängert werden konnte, obwohl die Abschiebungs- und Ausreisehindernisse inzwischen weggefallen waren, nicht in das AufenthG übernommen.
Daraus folgt aber nicht, dass der Aufenthaltszweck, welcher der der Klägerin im Jahre 1990 erteilten Aufenthaltserlaubnis zugrunde lag, jetzt nicht mehr vorgesehen wäre. Vielmehr folgt aus der Überleitungsregelung des § 101 Abs. 2 AufenthG, dass mit dem In-Kraft-Treten des neuen Aufenthaltsrechts alle aufgrund des bisherigen Rechts erteilten befristeten Aufenthaltsgenehmigungen einen ihrem Erteilungszweck entsprechenden Aufenthaltstitel im AufenthG finden. Dabei entsprechen die Aufenthaltsbefugnisse, die aufgrund der zu den Übergangsfällen des § 99 Abs. 1 Satz 1 AuslG nach den §§ 32 und 99 Abs. 2 AuslG ergangenen Verwaltungsvorschriften der Länder verlängert worden sind, den heute nach § 23 Abs. 1 AuslG vorgesehenen Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen. § 23 Abs. 1 AufenthG entspricht nicht nur in seinem Wortlaut, sondern auch mit seiner Zielsetzung weitgehend der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Regelung des § 32 AuslG. Hieran orientiert sich auch die tatsächliche Verwaltungspraxis in Niedersachsen (vgl. Nr. 102.2.0 und 102.1.1.3 der Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz - Vorl. Nds. VV-AufenthG -).
Die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis der Klägerin als ein ihr entsprechender Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG scheitert auch nicht daran, dass es gegenwärtig eine den Personenkreis ehemaliger Asylbewerber aus dem Libanon betreffende Anordnung des Nds. MI zu § 23 Abs. 1 AufenthG nicht gibt.
Die an die Bleiberechtsregelung 1990 anschließende, zu den §§ 32 Abs. 1 und 99 Abs. 1 Satz 1 AuslG ergangene Altfallregelung im Runderlass (RdErl.) des Nds. MI vom 27. September 1992 (56.31-12230/1-1 - Nds. MBl. 1992, 1336) ist zwischenzeitlich außer Kraft getreten. Auch der RdErl. des Nds. MI vom 16. August 2001 (45.31-12230/1-1[§32]) ist nicht mehr anzuwenden. Dies hat das Nds. MI mit Herausgabe der Vorl. Nds. VV-AufenthG durch Runderlass (RdErl.) vom 31. März 2005 (45.2-12230/1-8) ausdrücklich vorgegeben. In dem RdErl. vom 16. August 2001 hatte das Nds. MI die Verlängerung unter anderem der aufgrund der Bleiberechtsregelung vom 18. Oktober 1990 erteilten Aufenthaltsbefugnisse wie folgt angeordnet:
"2. Verlängerung erteilter Aufenthaltsbefugnisse
§ 34 Abs. 2 AusIG ist bei der Verlängerung der nach den Bezugserlassen erteilten Aufenthaltsbefugnisse nicht anzuwenden. Die Verlängerung erfolgt im übrigen nach Maßgabe der jeweils der Ersterteilung zugrunde gelegten Regelung (§ 13 AusIG) mit folgender Ausnahme:
Aufenthaltsbefugnisse, die Kurden aus dem Libanon nach dem RdErl. zu 3. (Anm: Runderlass des MI vom 27.09.1992, Nds. MBI. S. 1336) erteilt worden sind, werden nach Maßgabe dieses Erlasses nur dann verlängert, wenn es sich um staatenlose Kurden handelt. ( ... ) Ist die Staatenlosigkeit nicht nachgewiesen, bestehen aber keine Zweifel, dass die Betroffenen zu dem durch den Bezugserlass zu 2. (Anm: Runderlass des MI vom 18.10.1990) begünstigten Personenkreis gehören, werden die Aufenthaltsbefugnisse nach Maßgabe dieses Erlasses verlängert. ( ... )
3. Täuschung über die Identität
Haben Ausländerinnen und Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach einem der Bezugserlasse zu Unrecht erhalten, weil sie gefälschte Unterlagen vorgelegt oder in sonstiger Weise über ihre Identität getäuscht haben, kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis nach der jeweiligen Regelung nicht in Betracht."
Die mit der Herausgabe der Vorl. Nds. VV-AufenthG am 31. März 2005 getroffene Bestimmung, dass der RdErl. vom 16. August 2001 nicht mehr anzuwenden ist, hat aber nicht zur Folge, dass die mit diesem Erlass getroffene Anordnung zur Verlängerung der nach von § 94 Abs. 3 Nr. 3 AuslG erfassten Aufenthaltsbefugnisse jetzt keine Wirkung mehr entfaltete.
Dies würde dem Willen des Gesetzgebers, die nach § 32 Abs. 1 AuslG aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltsbefugnisse gemäß § 102 Abs. 2 AufenthG als Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG fortgelten zu lassen, widersprechen. Vielmehr gibt die gesetzlich angeordnete Fortgeltung dieser Aufenthaltstitel nur dann einen Sinn, wenn diese nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 AufenthG ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend auch nach Ablauf ihrer Gültigkeit verlängert werden. Wie bereits ausgeführt, ging der Gesetzgeber des AufenthG allgemein davon aus, dass alle vorhandenen Aufenthaltsbefugnisse als Aufenthaltserlaubnisse fortgelten und dafür ihrem Zweck entsprechend den neuen Aufenthaltstiteln zugeordnet werden können (Begr. des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 7.2.2003, BT-Drs. 15/420 zu § 101, S. 99 f.). Hinsichtlich der Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG hat der Gesetzgeber gerade aus diesem Grund von einer dem § 32 Abs. 1 AuslG entsprechenden Regelung, wonach die oberste Landesbehörde auch Anordnungen zur Verlängerung von Bleibebrechtsregelungen treffen konnte, in Hinblick auf den generell geltenden Verlängerungsgrundsatz des § 8 Abs. 1 AufenthG abgesehen (Nr. 23.1.1.3 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum AufenthG, Stand: 22.12.2004).
Die Absicht des Gesetzgebers, die nach § 32 Abs. 1 AuslG aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltsbefugnisse nach § 102 Abs. 2 AufenthG als Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG fortgelten und nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 AufenthG verlängern zu lassen, muss auch in den Fällen berücksichtigt werden, in denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbefugnis von dem Ausländer vor dem 1. Januar 2005 beantragt, von der Ausländerbehörde aber nicht mehr bis zum In-Kraft-Treten des AufenthG bestandskräftig beschieden worden ist. Die Normierung spezieller Übergangsregelungen in § 104 AufenthG zeigt, dass auf die Entscheidung über entsprechende Verlängerungsanträge für Aufenthaltsbefugnisse das nach dem 1. Januar 2005 geltende Recht Anwendung findet.
Dieses vorausgesetzt kann der zu § 32 AuslG ergangene RdErl. vom 16. August 2001 (45.31-12230/1-1[§32]) im Fall der Klägerin weiterhin für die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis angewandt werden. Die Bestimmung des Nds. MI, wonach dieser Runderlass zukünftig nicht mehr angewandt werden soll, lenkt nur die Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden bei zukünftigen Entscheidungen, für die bereits die Vorl. Nds. VV-AufenthG zugrunde zu legen sind. Für Entscheidungen von Ausländerbehörden hingegen, die vor diesem Zeitpunkt getroffen und mit denen die Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen zu Unrecht abgelehnt worden sind, ist eine rückwirkende Anwendung des RdErl. vom 16. August 2001 (45.31-12230/1-1[§32]) weiterhin möglich. Das folgt aus der Rechtsnatur der Anordnungen zu § 32 Abs. 1 AuslG. Sie sind keine Rechtssätze, sondern haben nur als Verwaltungsvorschriften Geltung. Als solche sind sie so anzuwenden, wie es dem erklärten Willen der obersten Landesbehörde unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verwaltungspraxis entspricht (BVerwGE 112, 63, 67 = NVwZ 2001 S. 210, [BVerwG 19.09.2000 - 1 C 19/99] m.w.N.). Der RdErl. des Nds. Mi vom 31. März 2005 (45.2-12230/1-8) enthält aber keine Vorschrift, die es den Ausländerbehörden versagen würde, noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Fälle der Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen auf der Grundlage der bisher geltenden Altfallregelungen zu bescheiden (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Urt. vom 21.2.2006 - 1 LB 181/05 -, zur aufgehobenen Altfallregelung vom 10.12.1999). Danach ist die Anwendung des RdErl. vom 16. August 2001 (45.31-12230/1-1[§32]) im Fall der Klägerin verfassungsrechtlich geboten. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bindet die Behörden bei der Anwendung von Verwaltungsvorschriften auch im Bereich des Aufenthaltsrechts. Er zwingt die Ausländerbehörde, eine begünstigende Verwaltungsvorschrift ihrer tatsächlichen Anwendungspraxis entsprechend pflichtgemäß auf jeden Ausländer anzuwenden, der von ihr nach dem Willen des Vorschriftengebers erfasst werden soll (BVerwGE 100, 335, 339 f. [BVerwG 19.03.1996 - 1 C 34.93] = NVwZ-RR 1997 S. 317, m.w.N.). Die Tatsache, dass bis zum Ergehen des Erlasses des Nds. Mi vom 31. März 2005 (45.2-12230/1-8) noch nicht bestandskräftig über die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis der Klägerin entschieden worden war, ist allein noch kein sachlicher Grund, die Klägerin jetzt von der sie begünstigenden Verlängerungsvorschrift der obersten Landesbehörde zu § 32 Abs. 1 AuslG auszunehmen.
Die Voraussetzungen, unter denen der RdErl. des Nds. MI vom 16. August 2001 (45.31-12230/1-1[§32]) eine Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis anordnet, sind im Fall der Klägerin erfüllt.
Nr. 3 des RdErl. des Nds. MI vom 16. August 2001 schließt die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis nur für einen Ausländer aus, der sein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage der Bleiberechtsregelung 1990 und den im Anschluss daran ergangenen Erlassen zu Unrecht erhalten hat, weil er gefälschte Unterlagen vorgelegt oder in sonstiger Weise über seine Identität getäuscht hat. Wie bereits ausgeführt hat die Klägerin entgegen der von dem Beklagten und der Widerspruchsbehörde vertretenen Auffassung die für sie zuständigen Ausländerbehörden weder während des Asylverfahrens noch während des anschließenden Zeitraumes bis zum Ergehen des ablehnenden Bescheides über ihre Identität getäuscht.
Die Klägerin erfüllt auch die nach Maßgabe der Bleiberechtsregelung in dem RdErl. des Nds. MI vom 18. Oktober 1990 - 52.31-12231/1-1-1 - zu beachtenden Voraussetzungen für die Ersterteilung des Aufenthaltsrechts.
Auch wenn die Klägerin nach den jetzt vorliegenden Erkenntnissen durch Geburt von ihrem Vater H. B. eine türkische Staatsangehörigkeit erworben haben sollte, zählt sie weiterhin zu dem von der Bleiberechtsregelung 1990 unter Nr. 2.1 des RdErl. des Nds. MI vom 18. Oktober 1990 begünstigten Personenkreis. Danach erhielten Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie Staatsangehörige der Staaten Afghanistan, Albanien, Irak, Iran, Libanon oder Sri Lanka, Palästinenser oder Kurden aus dem Libanon, Christen oder Jeziden aus der Türkei waren.
Nach dem im Verlauf des Verfahrens 6 A 6564/03 bekannt gewordenen Sachverhalt ist das Verwaltungsgericht davon überzeugt, dass die Klägerin ebenso wie ihr Vater H. B. bereits im Jahre 1994 im Wege der Sammeleinbürgerung die libanesische Staatsangehörigkeit erworben und deshalb seit längerer Zeit im Besitz eines libanesischen Passes ist. Denn sie hat im bereits im Jahre 1990 Ihren später eingebürgerten Ehemann M. B. geheiratet. Da diesem schon am 15. September 1995 in Beirut ein libanesischer Nationalpass ausgestellt worden ist, ist er spätestens seit jener Zeit nicht mehr in dem Register für Fremde bei der Generaldirektion der Sicherheit (Sûreté Générale), sondern an seinem Geburtsort im örtlichen libanesischen Personenstandsregister der Generaldirektion für das Zivilstandswesen eingetragen. Danach kann davon ausgegangen werden, dass spätestens im Jahre 1995 für ihn im Grundregister seines Vaters eine eigene Registernummer angelegt und auch seine Ehefrau unter dieser Nummer eingetragen worden ist (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 25.7.2001 an die Stadt Hildesheim).
Erkennbare Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden bei der Anwendung der im Anschluss an die Bleiberechtsregelung 1990 nach Maßgabe der §§ 32 Abs. 1 und 99 Abs. 1 Satz 1 AuslG ergangenen Erlasse des Nds. MI vom 27. September 1992 (56.31-12230/1-1 - Nds. MBl. 1992, 1336) und vom 16. August 2001 (45.31-12230/1-1[§32]) war es jedoch, für alle libanesischen Staatsangehörigen, die auf der Grundlage der Bleiberechtsregelung 1990 bis zum 31. Dezember 1990 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hatten, die Aufenthaltsbefugnisse zu verlängern, ohne dass dabei § 34 Abs. 2 AuslG zur Anwendung kam. Das bedeutet, dass nicht nur staatenlose Kurden aus dem Libanon, sondern auch libanesische Staatsangehörige aus dem Libanon uneingeschränkt in den Genuss der im Anschreiben des Nds. MI zur Bleiberechtsregelung 1990 genannten "großzügigen Schlussstrichregelung" kamen und damit nach Ziffer 1. des RdErl. des Nds. MI vom 18. Oktober 1990 (52.31-12231/1-1-1) ein Bleiberecht "auf Dauer" erhielten. Dieser Verwaltungspraxis entsprechend sind die Aufenthaltsbefugnisse der Schwiegereltern der Klägerin sowie deren Kinder einschließlich des Ehemannes der Klägerin von dem Beklagten auch noch verlängert worden, nachdem der Ausländerbehörde des Beklagten der Nachweis des im Jahre 1994 erfolgten Erwerbs der libanesischen Staatsangehörigkeit in Gestalt libanesischer Nationalpässe vorlag. Denn die Klägerin und ihr Ehemann zählen seit jenem Zeitpunkt zu der in Nr. 2.1. der Bleiberechtsregelung 1990 und Abschnitt II. Nr. 1 des RdErl. vom 27. September 1992 (56.31-12230/1-1 - Nds. MBl. 1992, 1336) von der Anordnung zu § 32 AuslG begünstigten Ausländergruppe "libanesische Staatsangehörige". Hieran hat auch der die Anordnung näher konkretisierende Wortlaut des RdErl. des Nds. MI vom 16. August 2001 (45.31-12230/1-1[§32]) nichts geändert. Auch er ist insoweit in seinem die Verlängerungspraxis lenkenden Wortlaut eindeutig und lässt an keiner Stelle erkennen, dass die Ausländerbehörden angewiesen werden sollten, bestimmte libanesische Staatsangehörige, nämlich solche, die die libanesische Staatsangehörigkeit erst nach erstmaliger Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hatten, von der Anwendung der Verlängerungsregelung auszunehmen. Das die unter Ziffer 2. des RdErl. vorgeschriebenen Ausnahme für nicht staatenlose Kurden aus dem Libanon zugleich auch auf Libanesen kurdischer Volkszugehörigkeit übertragen werden sollte, lässt sich weder dem Wortlaut des Erlasses noch der dem Gericht bisher bekannt gewordenen Verwaltungspraxis niedersächsischer Behörden zur Anwendung von Bleiberechts- und Altfallregelungen auf libanesische Staatsangehörige entnehmen.
Die sich aus der eindeutigen Erlasslage ergebende Rechtsfolge steht auch nicht im Widerspruch zu dem im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2003 - 6 B 3692/03 - zitierten Urteil des 11. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2003 - 11 LB 35/03 -. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts befasst sich ausschließlich mit der Frage der Anwendung der Bleiberechtsregelung 1990 über die zu § 32 AuslG ergangenen Anordnungen auf "Kurden aus dem Libanon", die nicht unter dem Personenkreis der libanesischen Staatsangehörigen fallen. Nur insoweit, nämlich hinsichtlich der Frage, ob die Bleiberechtsregelung 1990 neben den in ihr genannten Staatsangehörigen der Staaten Afghanistan, Albanien, Irak, Iran, Libanon oder Sri Lanka auch Kurden aus dem Libanon mit türkischer Staatsangehörigkeit erfasste, hat sich das Verwaltungsgericht in den Gründen des im Eilverfahren des Schwiegervaters der Klägerin (6 B 3854/03) ergangenen Beschlusses vom 18. Dezember 2003 der Rechtauffassung des 11. Senats angeschlossen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Methode, mit welcher der 11. Senat zu seinem Ergebnis der Auslegung und Anwendung der Bleiberechtsregelung 1990 gelangt ist, mit den Grundsätzen der richterlichen Inhaltsbestimmung von Anordnungen zu § 32 AuslG (vgl. dazu grundlegend BVerwGE 112, 63 ff. = NVwZ 2001 S. 210 [BVerwG 19.09.2000 - 1 C 19/99]) vereinbaren lässt. Jedenfalls würde der von dem Oberverwaltungsgericht gewählte Auslegungsweg, danach zu hypothetisch fragen, was der Erlassgeber aus humanitären und ausländerpolitischen Gründen im Jahre 1990 geregelt hätte, wenn ihm bereits seinerzeit die heute vorhandenen Erkenntnisse über die Herkunft von Kurden aus dem Libanon bekannt gewesen wären, im Fall der Klägerin nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Hätte der Erlassgeber bereits 1990 gewusst, dass mehr als 130.000 der im Libanon als Staatsangehörigkeitsbewerber mit dem Status "a l‘étude" lebenden Personen, davon nach den vorliegenden Erkenntnissen (s.o.) überwiegend Kurden, schon im Jahre 1994 aufgrund des Dekrets Nr. 5247 die libanesische Staatsangehörigkeit erhalten würden (Deutsche Botschaft Beirut, Auskunft vom 21.6.1996 an den Landkreis Hildesheim) und dass bezüglich dieser Personen zukünftig der Nachweis der libanesischen Staatsangehörigkeit durch Vorlage eines Auszugs aus dem Personenstandregister geführt werden könnte (Botschaft des Libanon, Auskunft vom 29.5.1996 an den Landkreis Hildesheim), hätte es aus flüchtlingspolitischer Sicht keinen sachlichen Grund gegeben, diesen Personenkreis aus der Bleiberechtsregelung herauszunehmen und anders zu behandeln als Personen mit seinerzeit bereits nachgewiesener libanesischer Staatsangehörigkeit.
Soweit die Klägerin über eine Neubescheidung ihres Antrags hinaus die Verpflichtung des Beklagten zur Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis begehrt, ist die Klage abzuweisen.
Einer gerichtlichen Verpflichtung des Beklagten zur Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis steht die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, die auch bei der Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu beachten ist (§ 8 Abs. 1 AufenthG), entgegen. Danach setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Im Fall der Klägerin liegen aber Ausweisungsgründe im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vor, denn sie hat einen nicht nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen, der nach seiner Art und Schwere der Verlängerung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen kann.
Wie bereits ausgeführt hat die Klägerin im Verfahren 6 B 3880/03 gegen den Beklagten den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verlängerung ihrer Aufenthaltsbefugnis beantragen und dazu ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, dass sie staatenlos sei. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin dieses bewusst unrichtig hat vortragen lassen. Sie musste seinerzeit aus der Einbürgerung ihres Vaters, ihrer Familienangehörigen und ihres Ehemannes positiv wissen, auch selbst libanesische Staatsangehörige zu sein. Dies wird dadurch bestätigt, dass sie sechs Monate später bei ihrer Vorsprache im türkischen Generalkonsulat einen libanesischen Pass vorlegen konnte. Diesen Pass, der der Klägerin als Erstantragstellerin nicht bei der libanesischen Botschaft, sondern wie im Fall ihrer Angehörigen nur in Beirut ausgestellt werden konnte, kann die Klägerin nicht erst nach Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis erlangt haben. Denn sie war nach dem Juni 2003 nicht mehr im Besitz eines gültigen Reiseausweises, mit welchem Sie zur Passbeantragung in den Libanon hätte reisen können. In diesem Zusammenhang sind auch die Angaben der Klägerin bei der erstmaligen Beantragung des Reiseausweises für Staatenlosen vom 15. Juli 1997 zu sehen. Seinerzeit hatte die Klägerin selbst erklärt, im Januar 1997 in den Libanon gereist und dort einen Pass beantragt zu haben (Bl. 155 Beiakte A). Es kommt hinzu, dass die Klägerin dabei zum Beweis ihrer Behauptung, dass sie einen Pass nicht erhalten habe, die Bescheinigung vom 30. Januar 1997 vorgelegt hat, die eine fortbestehende Staatenlosigkeit belegen sollte. Allerdings ist die Authentizität dieser Bescheinigung von dem Beklagten offenbar nicht überprüft worden, auch nicht hinsichtlich der Frage, ob der (Orts-) Bürgermeister (Mukhtar) ihres Geburtsortes (Z., Beirut) der Klägerin darin überhaupt etwas bescheinigen konnte und durfte, was sich nur aus den Registrierungsunterlagen der Sûreté Generale hätte ergeben können und im Übrigen in der Sache in einem offenen Widerspruch zu der zuvor erfolgten Einbürgerung ihres Vaters und ihres Ehemannes stand. Daraus kann nur geschlossen werden, dass die Klägerin schon seit dem Jahre 1997 im Besitz eines libanesischen Passes ist und dieses sowohl bei der Beantragung der Verlängerung ihrer Aufenthaltsbefugnis am 2. Juni 2003 als auch bei dem anschließenden Versuch, die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung in verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren durchzusetzen, wissentlich und willentlich verschwiegen hat. Damit hat sie sich ohne Zweifel einen Rechtsverstoß gegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG begangen, der von seinem Gewicht ohne Weiteres der Verlängerung des Aufenthaltstitels entgegenstehen kann.
Allerdings führt das Vorliegen von Ausweisungsgründen im Fall der Klägerin nicht zwingend zur Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis. Vielmehr kann die Behörde in den Fällen der Erteilung oder Verlängerung eines in § 23 Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Aufenthaltstitels nach pflichtgemäßem Ermessen von der Anwendung der Regelerteilungsvoraussetzung abgesehen.
Im Fall der Klägerin bestehen Anhaltspunkte dafür, dass persönliche Interessen eine Ermessensausübung zu ihren Gunsten ermöglichen können. Zunächst betrifft der von ihr begangene Rechtsverstoß nicht den Bereich der schweren Kriminalität. Auch lässt sich zu Gunsten der Klägerin berücksichtigen, dass Inhaber humanitärer Bleiberechte nach § 5 Abs. 3 AufenthG weiterhin nicht den strengen Anforderungen an Aufenthaltstitel unterliegen sollen. Insoweit kommt in der amtlichen Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/420, S. 70) zu § 5 Abs. 3 AufenthG zum Ausdruck, dass in den Fällen der Aufenthaltsgewährung aus völkerrechtlichen, humanitären und politischen Gründen die Erteilung eines Aufenthaltstitels typischerweise nicht von der Einhaltung aller Voraussetzungen des § 5 abhängig gemacht werden kann und Absatz 3 trifft daher für diese Fälle eine zusammenfassende Sonderregelung treffen soll. Ferner kann in diesen Fällen auch zu Gunsten des betroffenen Personenkreises berücksichtigt werden, dass die Bleiberechtsregelung 1990 den Aufenthalt des von ihr erfassten Personenkreis grundsätzlich auf Dauer legalisieren sollte, und zwar auch dann, wenn der Lebensunterhalt nicht ganz oder teilweise aus eigener Erwerbstätigkeit oder Vermögen gedeckt werden konnte oder andere, nicht zu den Fällen des § 47 zählende Ausweisungsgründe vorlagen. Schließlich kommt im Fall der Klägerin hinzu, dass diese wegen des von ihr verwirklichten Ausweisungstatbestands rechtlich nicht ausgewiesen werden kann, denn gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG genießt sie als Ausländerin, der als Minderjährige in das Bundesgebiet eingereist, hier aufgewachsen ist und seit mehr als 12 Jahren ununterbrochen im Besitz eines Aufenthaltstitels ist, besonderen Ausweisungsschutz. Unter diesen Voraussetzungen ist es denkbar, dass das öffentliche Interesse an der Ablehnung eines Aufenthaltstitels und der Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bei der erforderlichen Abwägung hinter das persönliche Interesse der Klägerin an einem weiterhin legalen Aufenthalt im Bundesgebiet zurückweicht.
Die gerichtliche Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 5. Dezember 2003 beinhaltet auch die Aufhebung der Abschiebungsandrohung. Sind die Ausweisungsverfügung und die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis aufzuheben, entfällt die nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG eingetretene Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht der Klägerin und damit die rechtliche Grundlage der verfügten Abschiebungsandrohung (§§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 AuslG.