Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.08.2006, Az.: 20 LD 7/06

Rechtmäßigkeit der Versetzung eines Beamten in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt wegen eines schweren Dienstvergehens; Voraussetzungen für die Einstellung eines Disziplinarverfahrens; Folgen einer Veräußerung von anvertrauten Kraftfahrzeugen (Kfz) nicht den Vorschriften entsprechend sondern zu einem "Spottpreis" an sich selbst; Absehen von einer Disziplinarmaßnahme; Bestimmung des anwendbaren Rechts bei Vorliegen einer Gesetzesänderung; Kriterien einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung auf das Disziplinarmaß; Anforderungen an die Prüfung des Gewichts eines Dienstvergehens und des Ausmaßes des Vertrauensschadens und Ansehensschadens

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.08.2006
Aktenzeichen
20 LD 7/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 32055
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2006:0829.20LD7.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 08.12.2005 - AZ: 10 A 3019/04

Fundstelle

  • DÖD 2007, 42-44 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Einstellung des Disziplinarverfahrens.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Disziplinarverfahren gegen einen Beamten ist einzustellen, wenn nach § 14 NDO oder § 15 NDiszG von einer Disziplinarmaßnahme abzusehen ist. Ist der Beamte wegen des Dienstvergehens bereits strafrechtlich verurteilt, besteht das Erfordernis eines Disziplinarverfahrens nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr für den dienstlichen Bereich.

  2. 2.

    Nutzt ein Beamter seine Dienststellung aus, um sich unter Verletzung von Vorschriften zu Lasten des Dienstherrn persönlich zu bereichern, ist regelmäßig mindestens auf eine Maßnahme nach § 10 NDO zu erkennen.

Gründe

1

I.

Mit der am 14. Juli 2004 bei der Disziplinarkammer eingegangenen Anschuldigungsschrift hat der Vertreter der Einleitungsbehörde den Beamten angeschuldigt, ein Dienstvergehen dadurch begangen zu haben, dass er unter bewusster Missachtung des Veräußerungsverbots im freihändigen Verkauf eingezogener Gegenstände an Justizangehörige aus § 64 Abs. 6 StVollstrO den durch Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 14. Juni 1999 eingezogenen Pkw Opel Omega, amtliches Kennzeichen, am 2. September 1999 für 100,-- DM an sich selbst veräußert habe, dabei gewusst habe, dass das Fahrzeug tatsächlich weitaus mehr als der von ihm freihändig festgesetzte und bezahlte Kaufpreis von 100,- DM wert gewesen sei, und dadurch dem Land Niedersachsen einen Schaden von etwa 1.000,- EUR zugefügt habe, sowie den Kaufmann Dieter S. ohne dessen Kenntnis und Billigung in den Vollstreckungsunterlagen als Käufer ausgewiesen habe, um den Verstoß gegen das Veräußerungsverbot nicht offenbar werden zu lassen.

2

Aufgrund dieses Sachverhalts war der Beamte zunächst durch Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 15. Mai 2001 wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten - ausgesetzt zur Bewährung - verurteilt worden. Gleichzeitig war ein Wertvorteil von 2.400,- DM eingezogen und für verfallen erklärt worden. Die Berufung des Beamten war vom Landgericht Oldenburg mit Urteil vom 5. Februar 2002 mit der Maßgabe verworfen worden, dass der einzuziehende Wertvorteil auf 2.000,- DM reduziert wurde. Auf die Revision des Beamten war das Urteil des Landgerichts durch das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 6. August 2002 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen worden. Auf Anregung der Verteidigung wurde das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.000,- EUR durch Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 21. November 2003 gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig und durch Beschluss vom 8. Januar 2004 endgültig eingestellt.

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Die Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 8. Dezember 2005 den Beamten eines Dienstvergehen für schuldig befunden und gegen ihn eine Gehaltskürzung von 1/10 seiner Bezüge auf die Dauer von 24 Monaten verhängt. Zur Begründung hat die Disziplinarkammer ausgeführt: Der Beamte habe unter Umgehung des sich aus § 64 Abs. 6 Strafvollstreckungsordnung ergebenden gesetzlichen Verbots den von ihm zu verwertenden Pkw der Marke Opel Omega (amtliches Kennzeichen) für sich selbst erworben, wobei er sich ohne Wissen und Einverständnis des Namens des Kaufmannes Dieter S. bedient und diesen als Aufkäufer des Fahrzeugs aktenkundig gemacht habe, um den verbotenen Verkauf an sich selbst zu verschleiern, und damit zugleich den Kaufmann S. strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt habe. Bereits durch den Verkauf an sich selbst und die Benennung eines falschen Aufkäufers in den Vollstreckungsunterlagen habe der Beamte in erheblicher Art und Weise gegen seine Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung (§ 62 Satz 2 NBG) und seine Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten (§ 62 Satz 3 NBG) verstoßen. Hier sei der Schwerpunkt der dienstlichen Verfehlungen des Beamten zu sehen. Ob der Beamte den Wert des Pkw mit 100,- DM zu niedrig angesetzt habe und ob ihm bewusst gewesen sei, dass der tatsächliche Wert des Fahrzeugs deutlich höher gewesen sei, sei lediglich von nachgeordneter Bedeutung. Allerdings halte die Kammer die Einlassung des Beamten für widerlegt. Nach den im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten habe der Pkw zum Bewertungsstichtag 1. September 1999 einen Wert von etwa 2.400,- DM gehabt. Die Kammer sei davon überzeugt, dass dem Beamten aufgrund seiner vielfältigen Erfahrung mit der Be- und Verwertung von Kraftfahrzeugen im Zuge seiner Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft bekannt gewesen sei, dass der Preis von 100,- DM für den Pkw nicht dem tatsächlichen Fahrzeugwert entsprochen habe. Das Dienstvergehen des Beamten habe disziplinarrechtlich ein erhebliches Gewicht. Ein Beamter, zu dessen wesentlichen dienstlichen Aufgaben es gehöre, im Strafverfahren eingezogene Gegenstände im Vermögensinteresse seines Dienstherrn zu verwerten, erschüttere das in ihn gesetzte Vertrauen und verursache einen empfindlichen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit. Als besonders erschwerend sei zu werten, dass der Beamte zu seinem Schutz und zur Verdeckung der eigenen Tat den Kaufmann S. ohne dessen Wissen und Zutun als Aufkäufer des Pkw aktenkundig gemacht und darüber hinaus auch im Disziplinarverfahren noch der Mittäterschaft und des Mitwissens geziehen habe. Dennoch erweise sich hier eine Gehaltskürzung als ausreichende Disziplinarmaßnahme. Dass der Dienstherr das Vertrauensverhältnis nicht als zerstört betrachte, ergebe sich daraus, dass er den Beamten zwar von seinen bisherigen Tätigkeiten entbunden, ihm aber im Fachbereich Organisierte Kriminalität wieder einen Aufgabenbereich zugewiesen habe, in dem Vermögensdispositionen zu treffen seien. Mildernd sei auch zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft mit der Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO einverstanden gewesen sei und dem Beamten das unrechtmäßig erworbene Fahrzeug überlassen habe, ferner, dass der Beamte den Kernvorwurf eingeräumt habe und bislang disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens lägen nicht vor. Es sei auch keine Verjährung gemäß § 4 Abs. 2 NDO eingetreten. Zwar sei das Dienstvergehen bereits im September 1999 abgeschlossen gewesen. Hier sei jedoch zu berücksichtigen, dass das angeschuldigte Dienstvergehen grundsätzlich auch eine Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt oder eine Entfernung aus dem Dienst hätte rechtfertigen können. Die lange Verfahrensdauer, an der der Beamte maßgeblich mitgewirkt habe, bilde ebenfalls kein Verfolgungshindernis im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung.

4

Gegen dieses am 29. Dezember 2005 zugestellte Urteil wendet sich der Beamte mit seiner am 30. Januar 2006 (Montag) eingelegten und mit Schriftsatz vom 9. März 2006 begründeten Berufung. Wegen der vom Beamten nicht verschuldeten Versäumnis der Frist zur Berufungsbegründung hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 28. April 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

5

Der Beamte hat die Berufung auf die Rüge beschränkt, die Disziplinarkammer habe § 14 NDO rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt. Der Anwendung dieser Bestimmung stehe nicht entgegen, dass hier eine Strafe nicht verhängt worden, sondern das Strafverfahren gemäß § 153a StPO eingestellt worden sei. Da die im Rahmen des § 153a StPO auferlegten Maßnahmen (hier: Zahlung von 1.000,- EUR) als Strafe empfunden werde, sei eine analoge Anwendung des § 14 NDO geboten. Komme zu der vom Landgericht auferlegten Geldzahlung noch eine disziplinare Gehaltskürzung von mehr als 7.000,- EUR hinzu, führe dies zu einer unverhältnismäßigen Reaktion. Einer zusätzlichen Pflichtenmahnung bedürfe es nicht, da er durch das mehr als sechs Jahre andauernde Disziplinarverfahren nachdrücklich gemahnt worden sei.

6

Der Beamte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und das Verfahren einzustellen.

7

Der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

8

Er erwidert: Die Disziplinarkammer habe in ihrer Urteilsbegründung ausführlich und rechtsfehlerfrei dargetan, weswegen der hohe kriminelle Unrechtsgehalt des Verhaltens des Beamten die ausgesprochene Ahndung erforderlich mache.

9

Wegen weiterer Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Beiakten des Verfahrens Bezug genommen.

10

II.

Die Berufung ist, nachdem dem Beamten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden ist, zulässig und begründet. Sie führt zur Einstellung des Verfahrens nach §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 75 Abs. 1 und 3, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 NDO. Danach ist das Disziplinarverfahren einzustellen, wenn nach § 14 NDO von einer Disziplinarmaßnahme abzusehen ist. Dasselbe gilt, wenn an Stelle von § 14 NDO die am 1. Januar 2006 in Kraft getretene Bestimmung des § 15 NDiszG anwendbar ist. Das ist hier der Fall.

11

Gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Niedersächsischen Disziplinarrechts vom 13. Oktober 2005 (Nds.GVBl. S. 296, 316) ist das Disziplinarverfahren nach bisherigem Recht, d.h. ungeachtet des Inkrafttretens des Niedersächsischen Disziplinargesetzes am 1. Januar 2006, nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Niedersächsischen Disziplinarordnung - NDO - fortzuführen. Allerdings finden auf sogenannte Altfälle ausnahmsweise die Vorschriften des Niedersächsischen Disziplinargesetzes Anwendung, wenn und soweit diese den beschuldigten Beamten materiellrechtlich besser stellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.3.2004 - 1 D 23.03 - IÖD 2004, 164 = DÖV 2004, 746; Urt. v. 8.9.2004 - 1 D 18.03 -, ZBR 2005, 91).

12

Die Berufung ist auf das Disziplinarmaß, und zwar auch insoweit wiederum konkret auf die Frage beschränkt, ob die Vorschrift des § 14 NDO bzw. § 15 NDiszG der von der Disziplinarkammer für angemessen gehaltenen Gehaltskürzung entgegensteht. Diese Frage kann gesondert Gegenstand der Berufung sein. Der erkennende Senat folgt insoweit dem Bundesverwaltungsgericht, das zu der gleichen Rechtslage auf Bundesebene ausgeführt hat: "Die Prüfung des § 14 BDO (Anm.: entspr. § 14 NDO, § 15 NDiszG) gehört nicht zu der Frage, welche Disziplinarmaßnahme verhängt werden soll, sondern ist ihr nachgeordnet. Zunächst ist festzustellen, welche Disziplinarmaßnahme ihrer Art nach in Frage kommt. Wegen der unterschiedlichen Tilgungsfristen darf nicht offen bleiben, ob dies eine Gehaltskürzung oder eine Geldbuße wäre. Erst nach Entscheidung dieser Frage ist Raum für die Erörterung, ob unter den Kriterien des § 14 BDO die beispielsweise für angemessen erachtete Gehaltskürzung zu verhängen ist oder nicht. Anschließend müssen ggf. noch Höhe und Dauer der Gehaltskürzung festgesetzt werden. Diese Stufenfolge der Prüfung hat Auswirkungen auf das Ausmaß der Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils. § 318 Satz 1 StPO ist zur Ergänzung der Bundesdisziplinarordnung anzuwenden (§ 25 BDO). Dies entspricht der Substantiierungspflicht nach § 82 BDO und der ständigen Rechtsprechung, die eine Beschränkung der Berufung auf das Disziplinarmaß zulässt. Daher gelten hier sinngemäß auch die weiteren im Strafprozess zur Rechtsmittelbeschränkung entwickelten Grundsätze. Eine Beschränkung der Anfechtung ist stets zulässig und als solche wirksam, wenn Gegenstand der Anfechtung ein solcher Teil der Entscheidung ist, der losgelöst und getrennt von dem nicht angefochtenen Teil des Urteils eine in sich selbständige Prüfung und Beurteilung zulässt" (BVerwG, Urt. v. 11.12.1984 - 1 D 113.83 -, BVerwGE 76, 237 = ZBR 1985, 178). Das ist hinsichtlich der Voraussetzungen der §§ 14 NDO, 15 NDiszG ebenso der Fall wie hinsichtlich derjenigen nach § 14 BDO.

13

Aus der somit gegebenen Maßnahmebeschränkung folgt, dass die Feststellungen der Disziplinarkammer zur Tat- und Schuldfrage sowie die Würdigung dieser Feststellungen als Dienstvergehen für den Senat bindend sind. Darüber hinaus erstreckt sich die innerprozessuale Bindung auch auf die Feststellung, dass ohne das Maßnahmeverbot des §§ 14 NDO, 15 NDiszG die Disziplinarmaßnahme einer Gehaltskürzung zu verhängen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1984, a.a.O.).

14

Das vom Senat im Rahmen dieses Verfahrens zu berücksichtigende Bestrafungsverbot des § 4 Abs. 2 NDO stünde der Gehaltskürzung nicht entgegen. Die Bestimmung des § 4 NDO und nicht §§ 16 NDiszG ist im vorliegenden Fall anzuwenden, weil die zuletzt genannte Regelung hinsichtlich der in Abs. 4 getroffenen Unterbrechungsregelung anders und für den Beamten ungünstiger ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.2.2005 - 1 D 1.04 -, ZBR 2005, 315, zu der ähnlichen Situation auf dem Gebiet des Bundesdisziplinarrechts).

15

Zwar gilt nach § 4 Abs. 2 NDO für Gehaltskürzungen ein Maßnahmeverbot, wenn seit dem Dienstvergehen mehr als drei Jahre verstrichen sind, und ist hier im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats trotz Hemmung während der Dauer des Strafverfahrens (vgl. § 4 Abs. 4 NDO) diese Frist um fast drei Wochen überschritten.

16

Jedoch ist der erkennende Senat bei der Anwendung des § 4 NDO im Berufungsverfahren an die von der Disziplinarkammer vorgenommene Maßnahmebemessung nicht gebunden. Zwar darf er wegen des Verbots der Schlechterstellung (reformatio in peius) - der Vertreter der Einleitungsbehörde hat keine Berufung eingelegt - eine Maßnahmeverschärfung nicht vornehmen. Er ist aber nicht - auch nicht wegen der vom Beamten vorgenommenen Beschränkung der Berufung (vgl. Claussen/Janzen, aaO), RdNr. 7 b zu § 82 BDO) - gehindert, im Rahmen des § 4 Abs. 2 NDO zum Zwecke der Prüfung, ob das Maßnahmeverbot durchgreift, eigenständig die Maßnahmehöhe zu ermitteln (vgl. Bieler/Lukat, aaO, RdNr. 27 a zu § 4).

17

Diese Prüfung ergibt, dass das Dienstvergehen des Beamten die Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt gerechtfertigt hätte. Das Dienstvergehen, wie es von der Disziplinarkammer für den Senat bindend festgestellt worden ist, wiegt sehr schwer. Der Beamte hat im Kernbereich seiner Pflichten versagt, indem er das ihm dienstlich anvertraute Kfz nicht den Vorschriften entsprechend veräußert, sondern zu einem "Spottpreis" sich selbst übertragen hat. Zusätzliches Gewicht erhält das Dienstvergehen dadurch, dass der Beamte eine Veräußerung an den Kaufmann Dieter S. vorgetäuscht hat. Der vom Beamten angerichtete Vertrauens- und Ansehensschaden ist außerordentlich hoch. Er wird nicht dadurch relativiert, dass die Vorgesetzten des Beamten diesen nicht vorläufig des Dienstes enthoben, sondern ihm lediglich eine andere, ebenfalls verantwortungsvolle Tätigkeit übertragen haben und er außerdem zum Mitglied des Prüfungsamtes für die Rechtspflegerprüfung bestellt worden ist. Denn der Senat hat das Gewicht des Dienstvergehens und das Ausmaß des Vertrauens- und Ansehensschadens eigenständig zu prüfen; er kann insoweit durch das Verhalten der Vorgesetzten des Beamten nicht gebunden werden. Der Umstand, dass das Strafverfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden und der Beamte früher weder strafrechtlich noch disziplinarisch in Erscheinung getreten ist, hätte Anlass dafür sein können, von der Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst oder von einer Degradierung um mehrere Stufen abzusehen; er mindert das Gewicht des Dienstvergehens aber nicht in einem derart starken Maße, dass nur eine Gehaltskürzung gerechtfertigt gewesen wäre. In Fällen, in denen Beamte ihre Dienststellung ausnutzen, um sich unter Verletzung von Vorschriften zu Lasten des Dienstherrn persönlich zu bereichern, ist nach der Spruchpraxis des Senats regelmäßig mindestens auf eine Maßnahme nach § 10 NDO zu erkennen.

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Eine "Verjährung" träte daher gem. § 4 Abs. 3 NDO erst nach mehr als 7 Jahren ein. Seit Begehung des Dienstvergehens am 2. September 1999 sind noch nicht 7 Jahre verstrichen, zumal die Frist nach § 4 Abs. 4 NDO gehemmt worden ist.

19

Indessen sieht sich der Senat an einer Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils durch § 15 Abs. 2 NDiszG gehindert. Diese Bestimmung enthält eine für den Beamten gegenüber § 14 NDO verbesserte materiell-rechtliche Regelung: Eine Kürzung der Dienstbezüge ist nach einer endgültigen Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a StPO nur noch möglich, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten(§ 15 Abs. 2 Nr. 2 NDiszG). Dieses neue Recht ist, wie das Bundesverwaltungsgericht zu der parallelen Neuregelung des Bundesdisziplinarrechts wiederholt entschieden hat (BVerwG, Urt. v. 17.3.2004 - 1 D 23.03 -, DÖV 2004, 746; Urt. v. 23.2.2005 -1 D 13.04 -, ZBR 2005, 252), auf die bei Inkrafttreten der Neuregelung nicht rechtskräftig abgeschlossenen Fälle, also auch hier, anzuwenden.

20

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, besteht das Erfordernis einer zusätzlichen Pflichtenmahnung nur dann, wenn es aufgrund der Persönlichkeit des Beamten konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass für den dienstlichen Bereich eine Wiederholungsgefahr besteht (BVerwG, Urt. v. 17.3.2004, aaO; Urt. v. 23.2.2005, aaO, jew. unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung). Das Bedürfnis für die zusätzliche Pflichtenmahnung ist ausschließlich aufgrund einer persönlichkeitsbezogenen Prognose zu prüfen; Umstände der Tat wie ihre Schwere und ihre Folgen haben außer Betracht zu bleiben (vgl. Köhler/Ratz/Hummel, BDG, 3. Aufl. 2003, RdNr. 28 zu § 14; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, RdNr. 14 a zu § 14 BDG). Deshalb sieht sich der Senat gehindert, im Rahmen des § 15 NDiszG zu berücksichtigen, dass er wegen der Schwere des vom Beamten begangenen Dienstvergehens eine Dienstgradherabsetzung für geboten erachtet hätte.

21

An Anhaltspunkten für eine Wiederholungsgefahr oder für ein heute noch bestehendes Erziehungsbedürfnis fehlt es hier. Solche Anhaltspunkte sind weder vom Vertreter der Einleitungsbehörde aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Der Beamte ist als "Ersttäter" zu betrachten. Er hat sich in der seit dem Dienstvergehen verstrichenen Zeit von nahezu sieben Jahren nichts weiter zu Schulden kommen lassen. Es darf erwartet werden, dass das Straf- und das Disziplinarverfahren ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Die lange Dauer des Disziplinarverfahrens trägt zusätzlich dazu bei, das Erfordernis einer Pflichtenmahnung entfallen zu lassen. Wenn es auch wünschenswert gewesen wäre, dass der Beamte deutlicher als geschehen zum Ausdruck gebracht hätte, dass er das schwere Gewicht seines Dienstvergehens erkannt hat und dieses aufrichtig bereut, kann doch von einem Fall fehlender Einsichtsfähigkeit nicht ausgegangen werden.

22

Nach alledem sieht sich der erkennende Senat in der gegebenen prozessualen Situation, die bedingt ist durch das Versäumnis des Vertreters der Einleitungsbehörde, Berufung einzulegen, und durch die Anwendbarkeit des § 15 NDiszG, zur Einstellung des Verfahrens gezwungen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 4, 115 Abs. 1 Satz 1 NDO.

24

Dieses Urteil ist gemäß § 90 NDO unanfechtbar.