Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.03.2013, Az.: 1 Ws 91/13

Voraussetzungen für die Anrechnung von Maßregelzeiten auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.03.2013
Aktenzeichen
1 Ws 91/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 34020
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0312.1WS91.13.0A

Amtlicher Leitsatz

Ein zur Anrechnung von Maßregelzeiten auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen führender Härtefall (im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012, 2 BvR 2258/09) liegt offenkundig nicht vor, wenn ein zu gefährdender Therapieerfolg überhaupt nicht erreicht wurde.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.

Gründe

1

I.

Mit ihrer Entschließung vom 17. Oktober 2012 hat die Staatsanwaltschaft es abgelehnt, vom Verurteilten im Vollzug einer Maßregel verbüßte Zeiten auf andere Freiheitsstrafen anzurechnen, weil ein Härtefall im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 (2 BvR 2258/09) nicht vorliege. Die vom Verurteilten hiergegen erhobenen Einwendungen hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 29. Januar 2013 namentlich mit der Erwägung zurückgewiesen, dass im Falle des Verurteilten durch das der Maßregel nachfolgende Vollstrecken anderer Freiheitsstrafen ein Therapieerfolg nicht gefährdet werde, nachdem die Maßregel wegen Aussichtslosigkeit für beendet erklärt werden musste; in derartig gelagerten Fällen sei eine ausnahmslose Anrechnung von Maßregelzeiten auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht geboten. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde und trägt hierzu vor, er habe sich insgesamt etwa 18 Monate in einer Entziehungsanstalt befunden, es seien jedoch nur 6 Monate auf die der Unterbringung zugrunde liegenden Freiheitsstrafen angerechnet worden. Hiernach sei zum Vermeiden eines Härtefalls eine Anrechnung der Maßregelzeiten auf den Vollzug verfahrensfremder Freiheitsstrafen geboten.

2

II.

Das Rechtsmittel des Verurteilten ist zulässig, kann in der Sache aber keinen Erfolg haben.

3

Die Strafvollstreckungskammer hat aus grundsätzlich zutreffenden tatsächlichen wie rechtlichen Erwägungen, die sich erkennbar an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 orientieren und die der Senat auch seiner Entscheidung zugrunde legt, die vom Verurteilten erhobenen Einwendungen gegen die Entschließung der Staatsanwaltschaft Hannover zurückgewiesen. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses kann daher Bezug genommen werden.

4

Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner abweichenden Entscheidung. Hierzu bemerkt der Senat ergänzend:

5

Soweit der Verurteilte erneut die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 bemüht, kann er hiermit keinen Erfolg haben. Der Verurteile verkennt, dass nach Maßgabe der Weitergeltungsregelung des Bundesverfassungsgerichts zu § 67 Abs. 4 StGB eine Anrechnung von Maßregelzeiten auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen nicht ausnahmslos zu erfolgen hat, sondern lediglich zum Vermeiden von Härtefällen, und zwar solcher nach "Maßgabe der Gründe (vgl. I.3.c.cc und 1.b.bb)". Das Bundesverfassungsgericht hat hiermit eine Anrechnung im Wesentlichen unter folgenden Voraussetzungen für geboten erachtet (vgl. v.a. Rn. 87 und 71 der Entscheidung; vgl. auch OLG Nürnberg vom 22.11.2012 [2 Ws 460/12] und LG Kleve vom 28.12.2012 [180 StVK 378/12]): eine erheblich über die verhängten Freiheitsstrafen hinausgehende Dauer der Freiheitsentziehung sowie eine mögliche Entwertung eines bereits erzielten Therapieerfolgs. Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.

6

Zwar hat der Verfolgte etwa 18 Monate im Maßregelvollzug verbracht, wovon lediglich sechs Monate auf die hiermit in den zugrunde liegenden Verfahren erkannten Freiheitsstrafen angerechnet werden konnten. Dies führt aber nicht sogleich zur Annahme eines Härtefalls im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Denn gegen den Verurteilten sind Freiheitsstrafen von insgesamt 22 Monaten Dauer verhängt worden. Eine diese Summe erheblich übersteigende Dauer des Vollzugs der Maßregel liegt hiernach schon nicht vor.

7

Insbesondere aber ist nicht zu besorgen, dass durch eine anschließende Vollstreckung verfahrensfremder Freiheitsstrafen ein bereits erzielter Therapieerfolg entwertet werden könnte. Denn ein Therapieerfolg ist in der Person des Verurteilten überhaupt nicht ersichtlich. Hierzu hat bereits die Strafvollstreckungskammer völlig zutreffend darauf hingewiesen, dass die gegen den Verurteilten erkannte Maßregel in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt werden musste, weil der Verurteilte eine Therapie abgelehnt, hierin keinen Sinn gesehen und eine Therapiefähigkeit demzufolge überhaupt nicht bestanden habe.

8

Ein infolge der Nichtanrechnung von Zeiten des Maßregelvollzugs auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen eintretender Härtefall im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegt hiernach erkennbar nicht vor; eine Anrechnung auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen war demzufolge offensichtlich nicht geboten.

9

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

10

IV.

Gegen diesen Beschluss ist nach § 304 Abs. 4 StPO ein Rechtsmittel nicht eröffnet.