Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.03.2013, Az.: 32 Ss 39/13

Grundsätze zum Geltungsbereich des Verschlechterungsverbots für den Fall der Aussetzung einer Maßregel nach § 64 StGB; Prüfung der Aussetzung einer Maßregel unter den Voraussetzungen des § 67b StGB ohne Bindung an das Verschlechterungsverbot

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.03.2013
Aktenzeichen
32 Ss 39/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 37257
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0326.32SS39.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 08.11.2012 - AZ: 11a Ns 7/12

Fundstellen

  • NStZ-RR 2013, 317-318
  • NStZ-RR 2013, 6
  • RPsych (R&P) 2013, 179
  • ZAP 2013, 758-759
  • ZAP EN-Nr. 383/2013

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Das Verschlechterungsverbot gilt für die Aussetzung einer Maßregel nach § 64 StGB nicht.

  2. 2.

    Steht nach einer Zurückverweisung die Entscheidung über die Aussetzung einer Freiheitsstrafe wegen des Verschlechterungsverbotes fest, hat dies nicht zur Folge, dass auch eine daneben angeordnete Maßregel nach § 64 StGB ausgesetzt werden müsste. Vielmehr ist eine Aussetzung unter den Voraussetzungen von § 67b StGB ohne Bindung an das Verschlechterungsverbot zu prüfen.

In der Strafsache
gegen H.-P. M.,
geboren am xxxxxx 1969 in L.,
wohnhaft S.straße, H.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt C. G., H. -
wegen Brandstiftung u. a.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Stade vom 08.11.2012 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Landgericht xxxxxx am 26. März 2013 einstimmig
beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, die bestehen bleiben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stade zurückverwiesen.

Gründe

I.

1. Das Amtsgericht Otterndorf hat den Angeklagten am 15.03.2012 wegen fahrlässiger Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Eine Maßregel nach § 64 StGB hat es nicht ausgesprochen.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Stade mit dem angefochtenen Urteil verworfen.

Nach den Feststellungen der Kammer ist der Angeklagte verheiratet und hat keine Kinder. Er hat den Beruf des Schlachters erlernt, ist jedoch seit etwa 3 bis 4 Jahren arbeitslos und bezieht Regelleistungen nach dem SGB II. Der Angeklagte ist seit vielen Jahren alkoholabhängig und trinkt im Übermaß Alkohol.

Strafrechtlich ist der Angeklagte wie folgt in Erscheinung getreten:

Am 26.07.1990 verurteilte ihn das Amtsgericht Leer wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 DM.

Wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilte ihn das Amtsgericht Leer am 25.06.1992 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und am 21.10.1996 erlassen wurde.

Am 02.03.1995 folgte eine Verurteilung durch das Amtsgericht Leer wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, die zunächst zur Bewährung ausgesetzt, die Aussetzung dann aber widerrufen wurde. Nach Teilverbüßung wurde ein Strafrest erneut zur Bewährung ausgesetzt und am 04.03.2003 erlassen.

Am 26.03.1998 verurteilte das Landgericht Aurich den Angeklagten wegen Brandstiftung in 2 Fällen, "davon in einem minder schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung wurde widerrufen, ein Strafrest erneut zur Bewährung ausgesetzt und schließlich am 04.03.2003 erlassen. Der Angeklagte hatte am 15.11.1996 nach erheblichem Alkoholgenuss ohne nachvollziehbares Motiv einen Heuhaufen auf einem Viehverladeplatz sowie einen weiteren Heuballen in einem offenen Schuppen in Brand gesetzt.

2. Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte ist Mieter einer Wohnung in dem Haus S.straße in H., das dem gesondert Verfolgten M. L. gehört.

Im Laufe des 29. Juli 2011 konsumierte der Angeklagte über einen unklaren Zeitraum bis 01.00 Uhr in der Nacht etwa eine Palette (20 bis 24 1/2-Liter-Dosen) Bier. Gegen 01.00 Uhr am 30.07.2011 verließ er seine Wohnung, um eine Zigarette zu rauchen. Er begab sich zu einem Schuppen, der zu den Wohnhäusern S.straße und gehört und nur wenige Meter von ihnen entfernt liegt. Im Schuppen hielt er sein Feuerzeug so lange an eine dort abgestellte Kindermatratze, bis diese Feuer fing. Der Schuppen brannte komplett aus, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm. Noch während des Brandes wurde der Angeklagte von der Zeugin C. dabei beobachtet, wie er mit kurzer Hose oder einem Schlüpfer und einem T-Shirt bekleidet mehrfach ausrief: "Ich war das nicht! Ich war das nicht!". Dabei begab er sich immer wieder in Richtung des Schuppens. Zugunsten des Angeklagten ist die Kammer davon ausgegangen, dass die Brandlegung mit dem Einverständnis des gesondert Verfolgten L. erfolgte.

Durch das Feuer entwickelten sich starke Rauchschwaden, die zu dem Wohnhaus Nr. xx herüberzogen. Dort war im ersten Obergeschoss das Fenster geöffnet. Die Zeugin P. atmete Rauch ein und erlitt hierdurch eine leichte Rauchvergiftung. Aufgrund der geringen räumlichen Distanz zwischen dem Wohnhaus und dem Schuppen war es für den Angeklagten erkennbar, dass Rauch zum Wohnhaus herüberziehen und dort Menschen gefährden könnte.

Bei der Tat war die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln infolge des Alkoholkonsums nicht ausschließbar erheblich vermindert.

3. Die Feststellungen der Kammer zum äußeren Tatgeschehen beruhen insbesondere auf den Aussagen der Polizeibeamten, die den Angeklagten im Ermittlungsverfahren vernommen haben und denen gegenüber der Angeklagte die Tat eingestanden und detaillierte Angaben zum Tatablauf gemacht hat.

Zur Frage der Schuldfähigkeit hat das Landgericht ausgeführt, der festgestellte Alkoholkonsum des Angeklagten im Laufe des 29.07.2011 und die Beobachtungen der Zeugin C. zu seinem Verhalten während des Brandes sprächen für dessen erhebliche Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt. Zwar habe die Kammer keine konkreten Feststellungen zum Trinkzeitraum treffen können. Zugunsten des Angeklagten sei aber von einer "erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit" in der Tatnacht auszugehen. Feststellungen dazu, dass der Angeklagte ohne Schuld gehandelt haben könnte, halte die Kammer für so fernliegend, dass ein Gutachten insoweit nicht habe eingeholt werden müssen. Der Angeklagte habe sich mit Täterwissen noch gut an die Tatnacht und sein Verhalten erinnern können. Die Zeugin C. habe zudem berichtet, dass er sich noch habe artikulieren können. Demgegenüber habe sie nicht berichtet, dass er sich "nicht mehr auf den Beinen" habe halten können. Dass sich der Angeklagte als langjähriger Alkoholiker infolge des Genusses von Bier in einen Zustand der Schuldunfähigkeit getrunken haben könnte, halte die Kammer für ausgeschlossen.

Das Landgericht hat die Tat als fahrlässige Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Brandstiftung gewertet, die Strafe dem gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 306d Abs. 1 StGB entnommen und auf eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten erkannt.

Zur Bewährungsentscheidung hat die Kammer ausgeführt, es erscheine trotz des nicht zu verkennenden Alkoholproblems des Angeklagten nicht wahrscheinlich, dass er in absehbarer Zukunft erneut derartig handeln werde, da er sich in den letzten 14 Jahren straffrei gehalten habe.

4. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts und erhebt zwei Verfahrensrügen. Nach seiner Auffassung sei in der Berufungshauptverhandlung gegen § 248 StPO verstoßen worden, als sich die Zeugin W. während ihrer Vernehmung ohne Genehmigung des Vorsitzenden für einige Minuten aus dem Sitzungssaal entfernte. Zudem habe die Kammer einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass ein technischer Defekt brandursächlich gewesen sei, rechtsfehlerhaft abgelehnt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,

die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.

Die Revision ist zulässig und hat mit der Sachrüge - jedenfalls vorläufig - in dem aus dem Beschlussinhalt zu entnehmenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Verfahrensrügen erweisen sich als unzulässig, da ihre Darstellung nicht den sich aus § 344 Abs. 2 S. 2 StPO ergebenden Anforderungen entspricht.

a) § 248 StPO

Die Rüge der Verletzung des § 248 StPO kann nur darauf gestützt werden, dass das Gericht einen Zeugen ermessens- oder verfahrensfehlerhaft entlassen hat (vgl. LR-Becker, StPO, 26. Auflage, § 248 Rn. 13). Zu den Umständen der Entlassung der Zeugin enthält das Revisionsvorbringen indes keine Angaben. Darüber hinaus setzt die Revision voraus, dass gegen eine Entlassungsanordnung des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 2 StPO die Entscheidung des Gerichts herbeigeführt wurde (vgl. LR-Becker, a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 248 Rn. 4; Karlsruher Kommentar-Diemer, StPO, 6. Auflage, § 248 Rn. 4, jeweils m.w.N.). Auch hierzu trägt der Angeklagte nichts vor.

b) § 244 Abs. 3 StPO

Zur Zulässigkeit einer Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts gehört der Vortrag des gestellten Antrags einschließlich seiner Begründung. Fehlt es daran, kann nicht geprüft werden, ob es sich überhaupt um einen förmlichen Beweisantrag oder aber lediglich um einen Beweisermittlungsantrag oder eine Beweisanregung handelt (vgl. BGH NStZ 2009, 649 [BGH 28.05.2009 - 5 StR 191/09]). Diesen Anforderungen wird das Revisionsvorbringen nicht gerecht. Die Begründung des Antrags wird nicht mitgeteilt.

2. Die Ausführungen des Landgerichts zum Ausschluss der Schuldunfähigkeit des Angeklagten begegnen allerdings durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die Kammer hat keine konkreten Feststellungen zur Alkoholisierung des Angeklagten im Tatzeitpunkt getroffen und sich zur Annahme einer erhalten gebliebenen Reststeuerungsfähigkeit ausschließlich auf Feststellungen zu dessen Leistungsverhalten gestützt. Die Blutalkoholkonzentration (BAK) des Angeklagten im Tatzeitpunkt teilt das Urteil nicht mit. Dieser kommt indes für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ein erhebliches indizielles Gewicht zu. Daher darf die Höhe der BAK grundsätzlich nicht offen gelassen werden (vgl. Fischer, StGB, 60. Auflage, § 20 Rn. 23). Nur wenn jegliche Anknüpfungspunkte für die Feststellung der Tatzeit-BAK fehlen, ist die Beurteilung allein nach psychodiagnostischen Kriterien zu richten. Lückenhafte Angaben zu Trinkmengen und -zeiten entheben den Tatrichter nicht in jedem Fall von der Verpflichtung, eine Berechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit anzustellen (vgl. BGH NStZ 1991, 126 [BGH 22.11.1990 - 4 StR 431/90]; BGH StV 1993, 519). Vielmehr ist diese - aufgrund von Schätzungen unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes - grundsätzlich auch dann vorzunehmen, wenn die Einlassung des Angeklagten keine sichere Berechnungsgrundlage ergibt. Voraussetzung ist, dass die Trinkmengenangaben jedenfalls eine ungefähre zeitliche und mengenmäßige Eingrenzung des Alkoholkonsums ermöglichen (vgl. BGH StV 1993, 466, 467; 519).

Das ist hier der Fall. Nach den Feststellungen der Kammer hat der Angeklagte über einen Zeitraum von maximal 25 Stunden (29.07.2011 0.00 Uhr bis 30.07.2011 01.00 Uhr) mindestens 10 Liter Bier konsumiert. Hat sich der Tatrichter aber seine Überzeugung von der vom Angeklagten vor der Tat genossenen Alkoholmenge verschafft, so hat er daraus die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration zu errechnen (vgl. BGH NStZ 1991, 126 [BGH 22.11.1990 - 4 StR 431/90]). Hierbei gilt, ähnlich wie bei der Rückrechnung aus einer Blutprobe, dass die durch den vorangegangenen Genuss einer bestimmten Alkoholmenge zu einem späteren Tatzeitpunkt individuell aufgebaute Blutalkoholkonzentration nachträglich nicht rekonstruierbar ist. Der Zweifelssatz gebietet es daher, den Blutalkoholwert zu berechnen, den der Angeklagte zur Tatzeit gehabt haben kann. Zu seinen Gunsten ist daher mit dem nach medizinischen Erkenntnissen niedrigsten Abbauwert, Resorptionsdefizit und Reduktionsfaktor zu rechnen (vgl. BGH a.a.O.). Unter Zugrundelegung der Feststellungen der Kammer zur Trinkmenge und zur maximalen Trinkdauer kommt eine Tatzeit-BAK des Angeklagten von deutlich mehr als 3 g Promille in Betracht. Der Senat kann vor diesem Hintergrund nicht ausschließen, dass die Kammer unter Berücksichtigung einer entsprechenden konkreten Tatzeit-BAK hinsichtlich der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Darüber hinaus erweisen sich die Ausführungen der Kammer zum Leistungsverhalten des Angeklagten und dem allein hieraus abgeleiteten Erhalt einer Reststeuerungsfähigkeit nicht als tragfähig. Die Kammer führt insoweit an, dass sich der Angeklagte nach Bekundung der Zeugin C. in der Tatnacht noch auf den Beinen halten und den Satz "Ich war es nicht!" artikulieren konnte. Darüber hinaus habe er sich bei seiner polizeilichen Vernehmung noch gut an sein Verhalten in der Tatnacht erinnern können. All dies schließt indes eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht zwingend aus. Bei - wie hier festgestellter - hoher Alkoholgewöhnung können äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit durchaus weit auseinander fallen. Eine durch Übung erworbene Kompensationsfähigkeit im Bereich grobmotorischer Auffälligkeiten kann zu äußerer Unauffälligkeit selbst bei extrem hoher BAK und Aufhebung der Steuerungsfähigkeit führen (vgl. Fischer, a.a.O., Rn. 23a; BGH NStZ 2007, 696 [BGH 12.06.2007 - 4 StR 187/07]). Auch intakt gebliebenes Erinnerungsvermögen steht weder einer erheblichen Einschränkung noch einer Aufhebung der Steuerungsfähigkeit entgegen (vgl. Fischer, a.a.O Rn. 24a, m.w.N.). Zudem hat die Kammer bei ihrer Bewertung nicht in den Blick genommen, dass sich der Angeklagte während des Brandes nur teilweise bekleidet immer wieder zu dem brennenden Schuppen bewegte und damit eine eher irrationale, ggf. auf eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit hindeutende Verhaltensweise an den Tag legte. Auch insoweit kann der Senat nicht ausschließen, dass die Kammer unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Erwägungen und des Verhaltens des Angeklagten während des Brandes dessen Schuldfähigkeit anders bewertet hätte.

3. Die zur Tat und zum Vorleben des Angeklagten getroffenen Feststellungen hätten die Kammer außerdem zur Prüfung der Frage drängen müssen, ob eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen ist. Zwar beschwert die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB den Angeklagten grundsätzlich nicht. Seine Revision wäre also unzulässig, wenn er mit dem Rechtsmittel allein das Unterbleiben der Maßregelanordnung geltend machte (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 252; Senat, Beschluss vom 29.10.2009, 32 Ss 137/09). Das Revisionsgericht ist allerdings auf eine zulässig erhobene Revision nicht gehindert, das angefochtene Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen zu einer solchen Prüfung gedrängt hätten (BGH a. a. O.; Senat a. a. O.). Da der Angeklagte die Nichtanwendung des § 64 StGB von seinem Rechtsmittelangriff nicht ausgenommen hat, ist sie aufgrund der allgemeinen Sachrüge in der Revisionsinstanz zu überprüfen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte alkoholkrank und trinkt im Übermaß. Aus seinen Vorstrafen ergeben sich zudem immerhin drei Entscheidungen aus den Jahren 1990, 1992 und 1998, bei denen Gegenstand der Verurteilung entweder Trunkenheit im Verkehr oder (in einem Fall) unter Alkoholeinfluss begangene Brandstiftungen waren. Auch bei der verfahrensgegenständlichen Tat war der Angeklagte erheblich alkoholisiert. Dass die letzte Vortat erhebliche Zeit zurückliegt, schließt angesichts der neuerlichen Begehung eines Brandstiftungsdeliktes eine von dem Angeklagten ausgehende Gefahr erheblicher Straftaten nicht von vorneherein aus. Das vom Landgericht festgestellte Brandstiftungsdelikt ist ferner keine Bagatelltat, bei der eine Unterbringung nach § 62 StGB unverhältnismäßig wäre. Das Urteil enthält auch keine Hinweise darauf, dass eine Behandlung in einer Entziehungsanstalt keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht hätte.

Die angefochtene Entscheidung konnte daher weder im Schuld- noch im Rechtsfolgenausspruch Bestand haben. Dies gilt jedoch nicht für die Feststellungen zur äußeren Tatseite, die rechtsfehlerfrei getroffen worden sind.

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

a) Der neue Tatrichter wird - neben der Frage der Maßregelanordnung (§ 246a Satz 2 StPO) - auch die Frage der Schuldunfähigkeit des Angeklagten unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu bewerten haben.

b) Das Verschlechterungsverbot steht einer möglichen Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht entgegen, § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO. Ob die Vollstreckung dieser Unterbringung ggf. gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wird einer gesonderten Prüfung bedürfen.

Zwar kann die Entscheidung über die Aussetzung einer ggf. erneut auszusprechenden Freiheitsstrafe wegen des Verschlechterungsverbots nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 331 Rn. 13; LR-Gössel, StPO, 26. Auflage, § 331 Rn. 81f.). Maßregelaussetzung und Strafaussetzung folgen aber unterschiedlichen Prognosebezugspunkten. Bei ersterer bezieht sich die Prognose auf die Zweckerreichung auch ohne Maßregelvollstreckung mit der Folge, dass es allein um die Erwartung anordnungsrelevanter Taten geht; bei letzterer geht es um sämtliche Straftaten (MK-Veh, StGB, § 67b Rn. 21). Rechtlich nicht ausgeschlossen ist daher die Aussetzung der Freiheitsstrafe bei gleichzeitiger Anordnung und Nichtaussetzung der Maßregel (MK-Veh, a.a.O.).

Dem würde auch nicht entgegenstehen, dass das Landgericht auf eine Aussetzung der Freiheitsstrafe des Angeklagten erkannt und nur der Angeklagte (erfolgreich) Revision eingelegt hat. Das Verschlechterungsverbot gilt auch für die Maßregelaussetzung nicht (vgl. LK-Rissing van Saan/Peglau, 12. Auflage, § 67b Rn. 65; MK-Veh, a.a.O. Rn. 25). Auch eine zunächst gewährte Maßregelaussetzung kann durch das später entscheidende Gericht versagt werden (vgl. LK-Rissing van Saan/Peglau, a.a.O.). Daher kann auch eine aufgrund des Verschlechterungsverbots unabänderliche Aussetzung einer ggf. auszusprechenden Freiheitsstrafe nicht die Wirkung entfalten, dass eine in der neuen Hauptverhandlung daneben angeordnete Maßregel ebenfalls und selbst dann auszusetzen wäre, wenn die Voraussetzungen für eine Aussetzung an sich nicht vorliegen.