Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.07.2021, Az.: L 16 KR 414/20

Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung; Erforderlichkeit einer stationären Behandlung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.07.2021
Aktenzeichen
L 16 KR 414/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 52197
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2021:0720.L16KR414.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 21.09.2020 - AZ: S 4 KR 412/16

Fundstelle

  • MedR 2022, 348-353

Amtlicher Leitsatz

Die Abgrenzung zwischen vollstationärer Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation erfolgt im Wesentlichen nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel der Behandlung, die sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegeln (BSG, Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 14/07 R –, SozR 4-2500 § 39 Nr 14, RdNr 19). Frührehabilitative Leistungen können von den Krankenhäusern nur als integraler Bestandteil der eigentlichen akutstationären Behandlung erbracht werden (BSG vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 26/13 R - juris RdNr 18 - SozR 4-2500 § 301 Nr 3).

Das zwingende Erfordernis wöchentlicher Teambesprechungen unter Beteiligung aller Berufsgruppen (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 19/17 R) im OPS Kode 8-550 in der OPS Version 2014 ist nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Klarstellung des DIMDI in seiner Corrigenda zum OPS 2019 rückwirkend entfallen.

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 15. September 2020 wird aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin mehr als 3.204,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10. November 2015 zu zahlen.

Die Klage wird insoweit abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte 2/3, die Klägerin 1/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 4.812,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung eines Mitglieds der Beklagten im Hause der Klägerin.

2

Die Klägerin ist Trägerin eines gemäß § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses. Dort wurde zunächst im Zentrum für Innere Medizin und später in der Klinik für Geriatrie im Zeitraum 19. April 2014 bis 16. Mai 2014 die bei der Beklagten versicherte, am I. Januar 19J. geborene K. behandelt. Die Versicherte wurde am 19. April 2014 mit akut einsetzenden Schmerzen und einer massiven Schwellung des linken Beines als Notfall stationär aufgenommen. Die Diagnostik ergab eine tiefe Bein- und Beckenvenenthrombose, die mit Marcumar und Heparin behandelt wurde. Aufgrund einer Harnwegsinfektion wurde außerdem eine Antibiotika-Therapie durchgeführt. Aufgrund der durch die Thrombose deutlich eingeschränkten Mobilität der Versicherten erfolgte am 25. April 2014 eine Verlegung in die Klinik für Geriatrie zur Durchführung einer akutgeriatrischen, frührehabilitativen Behandlung. Dort wurden die Medikamente erneut eingestellt. Außerdem wurde aufgrund von Schmerzen im rechten Schultergelenk eine Röntgenuntersuchung durchgeführt. In einem Konsil mit einem hinzugezogenen Unfallchirurgen wurde eine Schultereckgelenksarthrose diagnostiziert, die mit Schmerzmitteln, Salben und lokaler Kühlung behandelt wurde. Funktionell war die Versicherte anfänglich nur mit viel Hilfe in der Lage, den Bewegungsübergang in die Horizontale zu schaffen. Im Verlauf konnte sie die Bewegungsübergänge immer besser bewältigen, ging am Rollator und schaffte die Treppe alleine im Nachstellschritt. Am 16. Mai 2014 wurde sie nach Hause entlassen.

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Am 26. Mai 2014 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung auf Grundlage der Diagnosis Related Group (DRG) F48Z (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems) 7.171,76 Euro in Rechnung. Dabei kodierte sie unter anderem die OPS 8-550.1 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung über mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten). Die Beklagte glich die Rechnung zunächst vollständig aus, schaltete aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Überprüfung ein. Dieser kam mit Gutachten vom 8. Dezember 2014 zu dem Ergebnis, die Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung habe nur bis zum 2. Mai 2014 bestanden. Nach siebentägiger frührehabilitativer geriatrischer Therapie und insgesamt 14-tägiger stationärer Behandlung habe die rehabilitative Therapie nach § 40 SGB V im Vordergrund der Behandlung gestanden. Die Anpassung der Schmerzmedikation und Gerinnungskontrollen unter Marcumar hätten auch während einer geriatrischen Rehabilitation erfolgen können. Dadurch seien die erforderlichen 14 Behandlungstage für die Kodierung des OPS 8-550.1 nicht mehr erfüllt. Außerdem seien die Nebendiagnosen N18.3 (Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3), S42.03 (Fraktur im Bereich der Schulter und des Oberarmes, laterales Drittel) und E66.02 (Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr, Body-Mass-Index [BMI] von 40 und mehr) zu streichen. Die DRG sei daher in F73B (Instabile Angina pectoris ohne äußerst schwere CC) zu ändern. In einem nach Widerspruch der Klägerin eingeholten zweiten Gutachten vom 10. August 2015 verblieb der MDK bei seiner Einschätzung.

4

Nach erfolgloser Rückforderung des sich aus der Differenz zwischen F48Z und F73B ergebenden Betrags von 4.812,50 Euro verrechnete die Beklagte diesen am 10. November 2015 mit weiteren unstreitigen Forderungen der Klägerin.

5

Am 23. November 2016 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und die Zahlung des streitigen Betrags gefordert. Sie hat vorgetragen, bei der Versicherten habe es sich um eine zum Übergangszeitraum schwer beeinträchtigte, in allen Bereichen hilfebedürftige und immobile Patientin gehandelt. Der Barthel-Index habe bei 40 Punkten, der Tinnetti bei 2 Punkten gelegen. Der time-up-and-go-Test sei nicht durchführbar gewesen. Die Versicherte sei in ausgeprägtem Maße schmerzbeeinträchtigt gewesen. Bei Übernahme in die Klinik für Geriatrie sei noch eine intravenöse Heparin-Therapie notwendig gewesen; es habe eine überlappende orale Antikoagulation durchgeführt werden müssen. Parallel zur notwendigen medikamentösen Neueinstellung sowie unter engmaschiger Anpassung der Schmerztherapie habe lediglich eine langsame Remobilisierung im Rahmen der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung erfolgen können. Insbesondere habe die Schmerzmedikation auch über den 2. Mai 2014 hinaus bei gleichzeitiger engmaschiger Kontrolle an die zunehmende Mobilität angepasst werden müssen. Die Versicherte habe daher sowohl der akutmedizinischen Intervention als auch der frührehabilitativen geriatrischen Komplexbehandlung bedurft.

6

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr L., Arzt für Innere Medizin, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Klinische Geriatrie, der unter dem 3. Juli 2017 zu der Einschätzung gelangte, die stationäre Behandlung der Versicherten sei über den gesamten Zeitraum 19. April 2014 bis 16. Mai 2014 hinweg medizinisch erforderlich gewesen. In einer erneuten Stellungnahme vom 8. Juni 2018 hat der MDK weiterhin vertreten, dass ein akutstationärer Behandlungsbedarf bei der Klägerin nur bis zum 2. Mai 2015 bestanden habe. Des Weiteren fehle es für den OPS 8-550.- an dem formalen Mindestmerkmal bzgl der Teamkonferenzen (Teilnahme aller Berufsgruppen), so dass er komplett zu streichen sei. Das Gericht hat unter dem 4. Mai 2019 eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt, in der dieser bei seiner Auffassung verblieb. Hinsichtlich der Einzelheiten der Gutachten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

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Die Beklagte hat sich der Auffassung des MDK angeschlossen und eine stationäre Behandlung nur bis zum 2. Mai 2014 für erforderlich gehalten. Des Weiteren hat sie ausgeführt, dass die Voraussetzungen des Merkmals „wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen“ für die OPS 8-550.- entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts nicht erfüllt gewesen seien. Eine rückwirkende Änderung oder Erweiterung des OPS-Kodes durch das frühere Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) sei nicht möglich gewesen, da dieser auf Bundesverbandsebene vereinbart werde. Eine entsprechende Befugnis des DIMDI sei verfassungswidrig bzw zumindest rechtswidrig.

8

Die Klägerin hat sich hierzu dahingehend eingelassen, dass der Gesetzgeber im November 2018 in § 301 Abs 2 Satz 4 SGB V eine Rechtgrundlage für rückwirkende Klarstellungen des DIMDI bei Auslegungsfragen zur ICD-10-GM und zum OPS geschaffen habe. Diese Kompetenz habe das DIMDI für den OPS 8-550 genutzt und klargestellt, dass für die Teambesprechungen die Dokumentation der Beiträge der patientenbezogenen beteiligten Berufsgruppen ausreichend sei. Hierüber habe bis zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Dezember 2017 ohnehin bundesweit Konsens bestanden. Es bestünden daher keine Anhaltspunkte für eine Rechts- oder Verfassungswidrigkeit einer rückwirkenden Klarstellung. Im konkreten Patientenfall habe kein Anlass für eine logopädische Behandlung bestanden, so dass in diesem Bereich keine patientenbezogene Beteiligung vorgelegen habe. Im Bereich Neuropsychologie sei dokumentiert, dass der Test „Mini-Mental-State“ zur Kontrolle der Gedächtnisleistung durchgeführt worden und durch die Therapeuten festgestellt worden sei, dass die Gedächtnisleistung nachlasse. Diese patientenbezogene Dokumentation sei ausreichend gewesen.

9

Mit Urteil vom 15. September 2020 hat das SG die Beklagte zur Zahlung der beantragten 4.812,50 Euro nebst Zinsen und einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,- Euro verurteilt. Die formalen Mindestmerkmale der Kodierung nach OPS 8-550.1 seien gegeben. Die OPS habe ursprünglich als allgemeines Mindestmerkmal eine wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung „aller Berufsgruppen“ einschließlich der fachärztlichen Behandlungsleitung gefordert. Diese Regelung hätten die Beteiligten so verstanden, dass nur alle am konkreten Behandlungsfall beteiligten Berufsgruppen dokumentiert sein müssten. Im Laufe des Klageverfahrens habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass buchstäblich „alle“ Berufsgruppen, also hier auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Neuropsychologen an den Teambesprechungen teilnehmen müssten, auch wenn sie an der konkreten Behandlung nicht beteiligt seien ( Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 19/17, RdNr 35 ). Zwischenzeitlich habe aber das DIMDI 2019 klargestellt, dass die Regelung rückwirkend ab 2013 anders zu verstehen sei. Dementsprechend reiche es aus, wenn die patientenbezogenen beteiligten Berufsgruppen an den wöchentlichen Teambesprechungen teilnähmen. Diese Interpretation stelle keine Rückwirkung dar, weil die OPS entgegen dem BSG schon immer so zu verstehen gewesen sei. Eine andere Interpretation sei nicht praxisverständlich und nicht nachvollziehbar. Die Klägerin habe vorliegend unwidersprochen und schlüssig erklärt, dass im konkreten Fall keine logopädische Beteiligung notwendig gewesen und daher auch nicht erfolgt sei. Eine neurologische Testung sei erfolgt.

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Auch die vom OPS-Kode 8-550.1 geforderte Mindestbehandlungszeit von 14 Behandlungstagen sei erfüllt. Die stationäre Behandlung der Versicherten in der Geriatrie ab dem 2. Mai 2014 sei notwendig im Sinne des § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V gewesen. Die akutstationäre Behandlung umfasse hiernach auch die im Einzelfall erforderliche und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Vorrangiges Ziel dieser frühen Rehabilitation sei die Wiederherstellung der Basisfähigkeiten, wozu neben der Mobilität die weitgehende Unabhängigkeit in den einfachen Aktivitäten des täglichen Lebens gehöre sowie die Kommunikation mit und die Orientierung in der Umwelt; hinzu kämen die frühzeitige Auseinandersetzung mit Fähigkeitsstörungen in der Folge von Erkrankungen/Unfällen und der frühzeitige Einstieg in das Erlernen von Bewältigungsstrategien. Im Rahmen der Abgrenzung der vorgenommenen Behandlung der Versicherten zur rehabilitativen Therapie im Sinne des § 40 SGB V halte das Gericht die Ausführungen des Sachverständigen Dr L. dabei für überzeugend. Die Kammer halte insbesondere die Ausführungen des Sachverständigen zur Gefahr von Lungenembolien für nachvollziehbar. Auch die Ausführungen des Chefarztes der Klägerin, eine rehabilitative Weiterbehandlung gemäß § 40 SGB V sei aufgrund der eingeschränkten Mobilität und der fehlenden kardiopulmonalen Belastbarkeit sowie der Überwachungsbedürftigkeit der Versicherten nicht möglich gewesen, seien nicht zu beanstanden. Es habe demnach trotz vorgenommener rehabilitativer Maßnahmen bei der Versicherten die akute Behandlung bzw die Überwachung möglicher Nachkomplikationen der 4-Etagen-Thrombose im Vordergrund gestanden.

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Gegen das ihr am 23. September 2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Oktober 2020 Berufung eingelegt.

12

Sie ist der Auffassung, ab dem 2. Mai 2014 seien keine Maßnahmen mehr durchgeführt worden, die nicht auch in einer Reha-Einrichtung hätten erfolgen können. Eine solche wäre auch zur Mobilisierung der Versicherten sinnvoll gewesen. Der Gutachter gehe bei seiner Bewertung lediglich davon aus, dass aufgrund einer nicht ausgeschlossenen Gefahr des Auftretens einer Lungenembolie aus einer tiefen Beinvenenthrombose heraus aus Vorsicht eine weitere akutstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen sei. Er belege seine These aber nicht mit Belegen aus der Patientendokumentation. Zudem seien auch die Mindestmerkmale für eine Kodierung des OPS 8-550.1 nicht erfüllt gewesen. Die Teilnahme der Berufsgruppen Logopädie und Neuropsychologie als Mitglieder des geriatrischen Teams sei zu keiner der drei Teamkonferenzen dokumentiert. Die Begründung des SG widerspreche der klaren höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die dort geäußerte Ansicht impliziere, dass der Behandlungsleiter prüfen und entscheiden könne, ob ein psychologischer Behandlungsbedarf bestehe. Dies komme nicht in Betracht, da die Teilnahme aller Berufsgruppen gerade dazu dienen solle, den Behandlungsbedarf aus erster Hand festzustellen. Hieran habe sich auch durch die Änderung durch das DIMDI nichts geändert. Wörtlich werde nach wie vor die Beteiligung aller Berufsgruppen gefordert und nicht lediglich der patientenbezogenen beteiligten Berufsgruppen. Die Klarstellung führe lediglich zu Erleichterungen in der Dokumentationspflicht der Teambesprechung. Es bestünden auch keine Bedenken gegen die Anwendung der BSG-Rechtsprechung auf rückwirkende Fälle. Es handele sich dabei nicht um ein Gesetz, sondern um einen Streitentscheid zu einer Auslegungsfrage. Soweit die Klägerin heute nicht mehr nachvollziehen könne, wer an den Teambesprechungen teilgenommen habe, gingen Dokumentationsdefizite zu ihren Lasten.

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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

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das Urteil des SG Bremen vom 21. September 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und schließt sich den dort genannten Gründen an. Eine sekundäre Fehlbelegung habe nicht vorgelegen. Zum Zeitpunkt des von der Beklagten geforderten fiktiven Entlassungszeitpunktes sei noch kein stabiler Kräfte- und konstanter Mobilitätsstaus erreicht gewesen. Zudem habe es sich bei dem Krankheitsbild der Versicherten um ein primär risikobehaftetes, potentiell instabiles Krankheitsbild gehandelt, dessen mögliche Komplikationen in einer nachfolgenden Rehabilitationsklinik in einer eintretenden vital bedrohlichen Situation nur unzureichend hätten behandelt werden können. Bei Behandlung der Thrombose des gesamten Beines und langsamer Mobilisierung der Versicherten im Rahmen der Frührehabilitation lösten sich die Thromben und könnten durch den Körper aufgelöst werden. Gelangten allerdings größere Stücke der durch die Behandlung aufgelösten Thromben in die Lungenvene, resultiere daraus eine sofort intensivmedizinisch zu behandelnde Notfallsituation. Das individuelle Risiko der Versicherten im Hinblick auf eine mögliche Lungenembolie sei durch die nachgewiesene fulminante 4-Etagen-Thrombose des linken Beines, die Gabe von Blutverdünnern und die durchgeführte langsame und beaufsichtigte Mobilisation der Versicherten bestimmt gewesen. Auch die Voraussetzungen der OPS 8-550 hätten vorgelegen. Ergänzend zu den erstinstanzlichen Ausführungen sei die heutige Berufung der Beklagten auf einen angeblichen Dokumentationsmangel im Jahr 2014 auch treuwidrig. Einer derartigen Argumentation stehe der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen aufgrund langjährigem anderen Verständnisses der Dokumentationspflichten zur streitgegenständlichen OPS. Zwischen den Beteiligten sei völlig unstreitig, dass eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung hinsichtlich der zuvor bettlägerigen Patientin durchgeführt worden sei. Unstreitig sei auch, dass die drei Teamsitzungen tatsächlich stattgefunden hätten. Hätte 2014 bereits die Auffassung zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bestanden, dass nicht nur die inhaltlichen Behandlungsergebnisse und –ziele, sondern auch die formelle Anwesenheit der Teammitglieder zu dokumentieren wäre, hätte dies mit einem Aufwand von nur wenigen Sekunden unschwer erfolgen können. Das damalige gemeinsame Verständnis der OPS habe im Hause der Klägerin jedoch dazu geführt, dass in Fällen, in denen wie hier eindeutig kein logopädischer Behandlungsbedarf bestanden habe, in der Zeile für die Logopäden ein Zeichen für „nicht erforderlich“ eingetragen worden sei. Diese Einträge belegten weder positiv noch negativ, ob die Logopäden bei der Teambesprechung in den Minuten der Besprechung dieser konkreten Patientin anwesend gewesen seien. Die heutige Berufung der Beklagten auf die Dokumentationspflicht hinsichtlich der Teilnahme der Logopäden sei vor diesem Hintergrund rechtsmissbräuchlich. Dies gelte umso mehr, als auch der MDK die Dokumentation der Teambesprechung anfänglich zu keinem Zeitpunkt bemängelt habe.

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Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 8. Februar 2021 und 23. Februar 2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte, den Inhalt der Patientenakte der Klägerin sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe

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Gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

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Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgemäß eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch teilweise begründet.

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Die Klage ist zulässig.Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG. Bei der Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist ( stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12 ).

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Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung der unstreitig entstandenen Forderungen in Höhe von weiteren 3.204,15 Euro. Im Übrigen erlosch der Anspruch dadurch, dass die Beklagte wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog § 387 BGB die Aufrechnung erklärte ( zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung vgl zB BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 9 ff mwN, stRspr ). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren gegenseitig und gleichartig ( vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16 ), der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar. Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung waren in Höhe von 1.608,35 Euro erfüllt. Dieser Betrag entspricht nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten der Differenz zwischen dem Gesamtrechnungsbetrag der Klägerin und dem Vergütungsanspruch unter Streichung der OPS 8-550.1. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt ua voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat ( vgl zB BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 15, stRspr ). So liegt es hier. Die Beklagte beglich die Rechnung der Klägerin vom 26. Mai 2014 für die stationäre Behandlung der Versicherten K. teilweise ohne Rechtsgrund. Zwar hatte die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung der Behandlung für den gesamten Belegzeitraum 19. April 2014 bis 16. Mai 2014 (hierzu unter 1.); allerdings war statt der abgerechneten DRG F48Z lediglich die niedriger bewertete F63B abzurechnen (hierzu unter 2.).

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1.) Anspruchsgrundlage für die Vergütung ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der vorliegend für den Behandlungs- und Abrechnungsfall im Jahr 2014 maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2014 (Fallpauschalenvereinbarung 2014 - FPV- 2014) sowie der Entgelt- und Pflegesatzvereinbarung der Gesundheit M. gGmbH für den Standort Klinikum N. des Jahres 2014.

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Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist ( stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN ). Diese Voraussetzungen lagen hier vor.

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Die Klägerin hat eine stationäre Krankenhausbehandlung und nicht etwa eine Rehabilitationsleistung durchgeführt. Die Abgrenzung zwischen vollstationärer Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation erfolgt im Wesentlichen nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel der Behandlung, die sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegeln ( BSG, Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 14/07 R –, SozR 4-2500 § 39 Nr 14, RdNr 19 ). Nach Maßgabe des § 107 SGB V ist für eine Rehabilitationseinrichtung insbesondere kennzeichnend, dass die Behandlungsziele nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie zu verfolgen sind (§ 107 Abs 2 Nr 2 SGB V). Demgegenüber ist ein Krankenhaus mit jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet, die Behandlungsziele vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen zu erbringen (§ 107 Abs 1 Nr 3 SGB V). Die Zuordnung einer Versorgung entweder zum Sektor der Krankenhausbehandlung oder zu dem der stationären Rehabilitation hängt deshalb weitgehend von der Intensität der ärztlichen Tätigkeit und den verfolgten Behandlungszielen ab ( BSG, aaO, RdNr 20 ). Dabei können allerdings Leistungen zur Frührehabilitation gemäß § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V noch Teil der akutstationären Behandlung sein. Bei der Versicherten K. wurden vorliegend über den gesamten Behandlungszeitraum die besonderen Mittel eines Krankenhauses eingesetzt. Dies ergibt sich aus den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Dieser legt in seinem Gutachten dar, dass eine dopplersonographische und echokardiologische Diagnostik durchgeführt worden, die Gerinnungsparameter überwacht, eine Behandlung mittels Heparin zur Auflösung der Gerinnsel durchgeführt sowie die weitere Einstellung auf eine neue Antikoagulation mittels Heparin, Marcumar und übergreifend auch einem niedermolekularen Heparin durchgeführt worden sei. Daneben sei eine umfangreiche Schmerztherapie bei einem komplexen Schmerzsyndrom aufgrund einer Coxarthrose rechts, aktivierter Schultergelenksarthrose und Schmerzsyndrom im Bereich des linken Beines nach tiefer Beinvenenthrombose durchgeführt worden. Wegen des vorliegenden Krankheitsbildes sei die laufende ärztliche Überwachung durch geschultes Personal mit täglicher Überwachung der Vitalparameter erfolgt, um ggf mögliche Komplikationen im Rahmen der diagnostizierten Venenthrombose zu erfassen.

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Die stationäre Behandlung war auch insgesamt erforderlich. Nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V ist die Aufnahme erforderlich, wenn das Behandlungsziel nach Prüfung durch das Krankenhaus nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Damit ist die vollstationäre Krankenhausbehandlung nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung ( Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 39 SGB V [Stand: 02. März 2021], RdNr 55 ). Die Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit durch den verantwortlichen Krankenhausarzt (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) ist in einem Abrechnungsstreit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse immer daraufhin zu überprüfen, ob nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung und dem damals verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des Krankenhausarztes - ex ante - eine Krankenhausbehandlung erforderlich war, seine Beurteilung also den medizinischen Richtlinien, Leitlinien und Standards entsprach und nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung stand. Dies gilt sowohl für die erstmalige Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit als auch für die jeweiligen Folgeentscheidungen, wenn es um die Verlängerung eines Krankenhausaufenthaltes geht ( BSG, Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 14/07 R –, SozR 4-2500 § 39 Nr 14, RdNr 36 ). Entscheidend sind dabei allein medizinische Erfordernisse ( BSG, Beschluss vom 25. September 2007 – GS 1/06 –, BSGE 99, 111-122, SozR 4-2500 § 39 Nr 10 ). Andere Unterbringungsgründe wie Pflegebedürftigkeit (BSG vom 16. Februar 2005 - B 1 KR 18/03 R - juris RdNr 21 - BSGE 94, 161 [BSG 16.02.2005 - B 1 KR 18/03 R]) oder allgemeine soziale, humanitäre oder familiäre Gründe ( BSG vom 24. Januar 1990 - 3 RK 7/89 - juris RdNr 10 ) reichen selbst dann nicht aus, wenn sie auf eine Krankheit zurückzuführen sind ( BSG vom 04. April 2006 - B 1 KR 32/04 R - juris RdNr 18 ).

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Zur Überzeugung des Senats war die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten K. im gesamten Zeitraum 19. April 2014 bis 16. Mai 2014 medizinisch erforderlich. Der Senat folgt auch insoweit dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens sowie der ergänzenden Stellungnahme. Dabei folgt die medizinische Erforderlichkeit noch nicht aus der vom Sachverständigen angeführten verzögerten Mobilisierung der Versicherten. Soweit dieser erklärt, dass aufgrund des Zustandes der noch weitgehenden Immobilität der Patientin die Fortsetzung der frührehabilitativen Behandlung aufgrund eines für eine nachfolgende Rehabilitation noch nicht ausreichenden Mobilisationsstatus bis zum 14. Mai weiterhin notwendig gewesen sei, handelt es sich bei diesem Umstand nicht um einen medizinischen Grund.Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die vollstationäre Versorgung im Krankenhaus auch Leistungen zur Frührehabilitation umfasst. Sinn und Zweck der Regelung zur Frührehabilitation in § 39 Abs 1 Satz 3 HS 2 SGB V ist es nicht, den Krankenhäusern die eigenständige Erbringung von medizinischen Rehabilitationsleistungen zu ermöglichen. Die Regelung dient vielmehr allein dazu, klarzustellen, dass im Rahmen der akutstationären Krankenhausbehandlung die Chancen der medizinischen Rehabilitation konsequent genutzt werden sollen, ohne dass dadurch Rehabilitationsmaßnahmen in Rehabilitationseinrichtungen – insbesondere Anschlussheilbehandlungen (§ 107 Abs 2 Nr 1b SGB V) – ersetzt werden sollen ( BT-Drs. 14/5074, S. 117 ). Frührehabilitative Leistungen können von den Krankenhäusern daher nur als integraler Bestandteil der eigentlichen akutstationären Behandlung erbracht werden ( BSG vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 26/13 R - juris RdNr 18 - SozR 4-2500 § 301 Nr 3 ).Sollen Leistungen zur Frührehabilitation Gegenstand der Krankenhausbehandlung sein, müssen sie daher innerhalb der für die Akutbehandlung erforderlichen Verweildauer erfolgen; eine Verlängerung der Verweildauer vermögen sie nicht zu rechtfertigen ( Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 39 SGB V [Stand: 02. März 2021], RdNr 98 ). Insofern ist die Frührehabilitation nicht vollständig den Krankenhäusern zugeordnet. Für die Frührehabilitation sind diese nur solange zuständig, wie ein akutstationärer Interventionsbedarf besteht. Ist dies nicht oder nicht mehr der Fall, haben auch frühzeitig einsetzende medizinische Rehabilitationsmaßnahmen in Rehabilitationseinrichtungen zu erfolgen ( Fuchs, SozSich 2005, 168, 171 ).

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Neben der verzögerten Mobilisierung betont der Sachverständige als Grund für die fortbestehende (Akut-)Behandlungsbedürftigkeit allerdings auch das risikobehaftete, potentiell instabil primäre Krankheitsbild der Versicherten mit einem Zustand nach gerade abgelaufener 4-Etagen-Beinvenen-/Beckenvenenthrombose. Aufgrund der Gefahr der Ausbildung einer Lungenembolie unter Mobilisation durch Abgehen eines Thrombus aus einer großen Leistenvene sei der Verbleib in einem Akutkrankenhaus notwendig gewesen, um im entsprechenden Notfall sofort akut und intensivmedizinisch eingreifen zu können. Diese Einschätzung überzeugt. Die Auffassung des MDK und der Beklagten, der Gutachter argumentiere nicht anhand des speziellen Falles, sondern anhand objektiver, nicht auszuschließender Gefahren, teilt der Senat nicht. Vielmehr stellt der Sachverständige gerade auf die konkrete Gesamtkonstellation der betagten Versicherten mit multiplen Vorerkrankungen und ausgeprägter Adipositas bei erschwerter Einstellung einer konstanten Gerinnungshemmung ab, bei der insbesondere im Rahmen der mobilisierenden Maßnahmen die Gefahr des Auftretens einer Lungenembolie bestanden habe. Dem tritt der Gutachter des MDK nicht substantiiert entgegen. Zwar grenzt er umfänglich die Anforderungen an eine akutgeriatrische bzw geriatrisch-frührehabilitative Behandlung von denen an eine geriatrisch-rehabilitative Behandlung ab und subsummiert unter die einzelnen Merkmale; soweit er auf bestehende Begleiterkrankungen und schädigungstypische Komplikationen eingeht, stellt er jedoch lediglich fest, dass die Behandlung der Patientin mit den Möglichkeiten einer geriatrischen Rehabilitation bei Stabilität der Blutdruckwerte unter der vorbestehenden antihypertensiven Therapie sowie stabilen Blutzuckerwerten unter bestehender oraler Diabetesmedikation möglich gewesen wäre. Auf das individuelle Risiko der Versicherten, eine Embolie zu erleiden, geht er jedoch nicht ein. Auch der Hinweis der Beklagten, eine embolische Komplikation sei tatsächlich nicht eingetreten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn maßgeblich ist nicht, wie sich der stationäre Aufenthalt letzten Endes entwickelt hat, sondern wie sich die Lage ex ante für den Krankenhausarzt darstellte ( sieheBSG v. 25.09.2007 - GS 1/06 - juris Rn. 32 f. - BSGE 99, 111 ). In dieser Situation war das Risiko einer schwerwiegenden Komplikation nach der überzeugenden Darlegung des Sachverständigen gegeben. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an.

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2.) Die Höhe des dem Krankenhaus zustehenden Vergütungsanspruches bemisst sich gemäß § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe des KHG und des KHEntgG. Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr 1 iVm § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit hiervon zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge (Nr 1), einen Katalog ergänzender Zusatzentgelte (Nr 2) sowie die Abrechnungsbestimmungen für die Fallpauschalen und die sonstigen Entgelte (Nr 3).

31

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom DIMDI (seit Mai 2020 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 S 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS-301 eine bestimmte DRG angesteuert ( vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 16 ).

32

Ausgehend von diesen Grundsätzen war im vorliegenden Fall nicht die abgerechnete DRG F48Z, sondern die – niedriger bewertete – DRG F63B zu kodieren. Insbesondere durfte die im Streit stehende OPS 8-550.1 nicht verschlüsselt werden.Nach Abschnitt P001f der Kodierrichtlinien 2014 sind alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen wurden und im OPS abbildbar sind, zu kodieren. Dieses schließt diagnostische, therapeutische und pflegerische Prozeduren ein.

33

Die Prozedur OPS 8-550 ist in der OPS-Version 2014 wie folgt beschrieben:

34

8-550Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung

35

Exkl:

36

Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation (8-552 ff.)

37

Fachübergreifende und andere Frührehabilitation (8-559 ff.)

38

Physikalisch-medizinische Komplexbehandlung (8-563 ff.)

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Hinw:Mindestmerkmale:

40

- Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich Klinische Geriatrie erforderlich). Die fachärztliche Behandlungsleitung muss überwiegend in der zugehörigen geriatrischen Einheit tätig sein

41

- Standardisiertes geriatrisches Assessment zu Beginn der Behandlung in mindestens 4 Bereichen (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion) und vor der Entlassung in mindestens 2 Bereichen (Selbständigkeit, Mobilität). Lässt der Zustand des Patienten die Erhebung einzelner Assessmentbestandteile nicht zu, ist dies zu dokumentieren. Wenn der Zustand des Patienten es erlaubt, ist die Erhebung nachzuholen

42

- Soziales Assessment zum bisherigen Status in mindestens 5 Bereichen (soziales Umfeld, Wohnumfeld, häusliche/außerhäusliche Aktivitäten, Pflege-/Hilfsmittelbedarf, rechtliche Verfügungen). Lässt der Zustand des Patienten die Erhebung einzelner Assessmentbestandteile nicht zu, ist dies zu dokumentieren. Sofern möglich sind die fehlenden Bestandteile fremdanamnestisch zu erheben bzw. ist die Erhebung nachzuholen, wenn der Zustand des Patienten es erlaubt

43

- Wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen einschließlich der fachärztlichen Behandlungsleitung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele

44

- Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal. Mindestens eine Pflegefachkraft des geriatrischen Teams muss eine strukturierte curriculare geriatriespezifische Zusatzqualifikation im Umfang von mindestens 180 Stunden sowie eine mindestens 6-monatige Erfahrung in einer geriatrischen Einrichtung nachweisen. Sofern diese nicht vorliegen, ist zur Aufrechterhaltung bestehender geriatrischer Versorgungsangebote übergangsweise bis zum Jahresende 2014 eine 2-jährige Berufserfahrung in einer geriatrischen Einrichtung ausreichend

45

- Teamintegrierter Einsatz von mindestens 2 der folgenden 4 Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie

46

Eine gleichzeitige (dauernde oder intermittierende) akutmedizinische Diagnostik bzw. Behandlung ist gesondert zu kodieren.

47

Vorliegend ist eine wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen nicht nachgewiesen. Das BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 19. Dezember 2017 ( B 1 KR 19/17 R, juris RdNr 35 ) ausgeführt, zu dokumentieren seien konkret wochenbezogen jeweils Behandlungsergebnisse und eigenständige Behandlungsziele je Therapiebereich aufgrund der wöchentlich stattfindenden gemeinsamen Teambesprechung einschließlich der personenbezogenen Benennung aller teilnehmenden Berufsgruppen nach ihren Vertretern und der fachärztlichen Behandlungsleitung. Dies erfordere nach allgemeinem Sprachgebrauch eine planvolle, geordnete zielgerichtete Zusammenfassung. Es gehe um die konzentrierte Darstellung eines strukturierten Dialogs (der wöchentlichen Teambesprechung) nach fachärztlicher Behandlungsleitung, teilnehmenden Berufsgruppen, Ausgangspunkt (bisherige Behandlungsergebnisse) und Ergebnis der Besprechung (weitere Behandlungsziele). Inhalte hätten alle Berufsgruppen (ärztliche Behandlung, die vier benannten Therapiebereiche, Pflege, Sozialdienst), nicht nur die bislang tätig gewordenen Therapiebereiche beizusteuern. Die Therapiebereiche, die in der vergangenen Woche seit der letzten Teambesprechung den jeweiligen Versicherten behandelt hätten, hätten erreichte und damit zugleich ggf (noch) nicht erreichte, aber schon angestrebte konkrete Behandlungsergebnisse mitzuteilen. Dies schließe mit ein, dass die bislang nicht tätig gewordenen Berufsgruppen ihrerseits ihren Sachverstand mit einbrächten, Vorschläge für ihren Bereich unterbreiteten und sich an der Festlegung der Behandlungsziele für die jeweils nächste Woche diskursiv beteiligten. Die Behandlungsziele seien angesichts des im Wortlaut mehrfach hervorgehobenen Teamgedankens das Ergebnis der gemeinsamen Beratung von Vertretern aller Berufsgruppen unter dokumentiert fachärztlicher Behandlungsleitung. Dem zu bezeichnenden Facharzt mit Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich "Klinische Geriatrie" komme dabei die Moderation und Gesamtverantwortung zu.

48

Bei den vier in der OPS benannten Therapiebereichen handelt es sich um die Physiotherapie/Physikalische Therapie, die Ergotherapie, die Logopädie/fazioorale Therapie sowie die Psychologie/Neuropsychologie. Im Falle der Versicherten fehlt es unstreitig jedenfalls an der Dokumentation einer Beteiligung des Bereichs Logopädie/fazioorale Therapie. Das entsprechende Feld enthält für die Besprechung am 7. Mai 2014 einen Strich, der nach Angabe der Klägerin nach dem damaligen Verständnis einen Nachweis für die fehlende Erforderlichkeit einer derartigen Behandlung darstellte. Das Feld für die Logopädie bei den Besprechungen am 30. April 2014 und 14. Mai 2014 ist jeweils leer. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die vorhandenen Einträge weder positiv noch negativ bewiesen, ob die Logopäden bei der Teambesprechung in den Minuten der Besprechung dieser konkreten Patientin anwesend gewesen seien, ist dies zutreffend. Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast), nach dem ein nicht zu beweisender Sachverhalt zu Lasten des Beteiligten geht, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet( vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 19 mwN; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 28 mwN ), trägt sie jedoch das Risiko der Nichterweislichkeit, da sie sich auf die korrekte Abrechnung des OPS 8-550 beruft.

49

Entgegen der Auffassung der Klägerin und des SG ist das zwingende Erfordernis der Teilnahme des Therapiebereichs Logopädie/fazioorale Therapie auch nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Klarstellung des DIMDI in seiner Corrigenda zum OPS 2019 entfallen. Das DIMDI hat hierin klargestellt, dass die OPS 8-550 rückwirkend ab dem 1. Januar 2013 wie folgt zu verstehen ist:

50

Die wöchentliche Teambesprechung erfolgt unter Beteiligung aller Berufsgruppen einschließlich der fachärztlichen Behandlungsleitung. Die für diesen Kode erforderliche wochenbezogene Dokumentation ist erfüllt, wenn sie die Ergebnisse der bisherigen Behandlung und die weiteren Behandlungsziele umfasst. Hierfür sind die Beiträge der patientenbezogenen beteiligten Berufsgruppen ausreichend.

51

Über die in diesem Kode genannten Berufsgruppen hinaus ist eine Beteiligung weiterer Berufsgruppen, insbesondere des Sozialdienstes, nicht erforderlich. Weitere Nachweise zur Durchführung der Teambesprechung sind nicht erforderlich.

52

Die Klarstellung führt damit lediglich zu Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten betreffend den Inhalt der Teambesprechungen. Anders, als das BSG die OPS ausgelegt hat, müssen Inhalte nicht (mehr) alle Berufsgruppen beisteuern, sondern es genügen die Beiträge der patientenbezogenen beteiligten Berufsgruppen. Außerdem gibt das DIMDI an, dass eine Beteiligung von im Kode nicht genannten Berufsgruppen (Sozialdienst) nicht erforderlich ist. Auch diese Klarstellung erfolgte als Resonanz auf das Urteil des BSG, das eine Teilnahme auch des Sozialdienstes und der Pflege forderte. Im ersten Satz der Klarstellung wird dagegen nach wie vor eine „Beteiligung aller Berufsgruppen einschließlich der fachärztlichen Behandlungsleitung“ vorausgesetzt. An dem Erfordernis der Anwesenheit aller Therapiebereiche ändert die Corrigenda des DIMDI damit nichts ( so auch SG Hildesheim, Urteil vom 25. August 2020 – S 20 KR 446/17; SG Dortmund, Urteil vom 24. Juli 2020 – S 74 KR 1768/17; SG München, Urteil vom 14. November 2019 – S 15 KR 733/18; vgl auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Januar 2021 – L 16 KR 401/20 NZB ). Da die Vergütungsregelungen streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben sind ( siehe BSG Urteil vom 18. Juli 2013 - B 3 KR 7/12 R -, SozR 4-2500 § 109 Nr. 30, juris RdNr 132 – 133 ), besteht für eine abweichende Auslegung kein Raum. Dabei bestehen jedoch ohnehin keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsparteien eine obligatorische Beteiligung aller vier Therapiebereiche sowie der fachärztlichen Behandlungsleitung nicht gewollt haben könnten. Der OPS 8-550 unterscheidet sich von den anderen Prozeduren mit Dokumentationspflicht dadurch, dass sie als einziger vierstelliger OPS-Kode ausdrücklich die Beteiligung aller Berufsgruppen anordnet ( BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 19/17 R ). Zudem wäre zu erwarten gewesen, dass das DIMDI in Kenntnis der Problematik und bei der ohnehin erfolgten Reaktion auf die Entscheidung des BSG auch diese Formulierung geändert hätte, wenn es von dem Erfordernis der Anwesenheit aller Berufsgruppen hätte Abstand nehmen wollen. Stattdessen erfolgte diesbezüglich eine Änderung erst im OPS 2020, in dem es nunmehr sogar explizit heißt „Die wöchentliche Teambesprechung erfolgt unter Beteiligung der fachärztlichen Behandlungsleitung und jeweils mindestens eines Vertreters der Pflege sowie der Therapiebereiche Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie und Psychologie“. Für eine anderweitige Auslegung bleibt vor diesem Hintergrund – sowohl vor als auch nach der Klarstellung des DIMDI – kein Raum. Dahinstehen kann daher, inwiefern die in § 301 Abs 2 Satz 4 SGB V enthaltende Ermächtigung zum rückwirkenden Erlass von Klarstellungen und Ergänzungen zu den OPS-Kodes verfassungsgemäß ist ( siehe zu dieser Frage SG München, Vorlagebeschluss vom 25. Juni 2020 – S 12 KR 1865/18; Bockholt, juris PR-SozR 21/2020 Anm1 ).

53

Die (nachträgliche) Berufung der Beklagten auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des OPS stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar. Dies gilt schon deshalb, weil die Rechnung für den Krankenhausaufenthalt der Versicherten K. die gesamte Zeit über im Streit stand und – auch vor dem Hintergrund des Amtsermittlungsgrundsatzes – nicht auf die Verweildauer beschränkt war bzw beschränkt werden konnte. Auch liegt eine Abkehr von gefestigter, anderslautender und daher ggf vertrauensbildender höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht vor ( siehe hierzu auchBSG, Urteil vom 20. Januar 2021 – B 1 KR 31/20 R, RdNr 38 ).

54

Die vom MDK ebenfalls gestrichenen Nebendiagnosen N18.3, S42.03 und E66.02 sind nicht erlösrelevant, so dass die Korrektheit ihrer Kodierung im Fall K. nicht überprüft werden musste.

55

Da der Abrechnungsbetrag der Rechnung der Klägerin zu mindern war, hat sie keinen Anspruch auf die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,- Euro nach Maßgabe des § 275 Abs 1c Satz 3 in der Fassung vom 22. Dezember 2011.

56

Der Zinsanspruch folgt aus § 13 Nr 2 der Entgelt- und Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2014.

57

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs 1, 155 Abs 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.

58

Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).

59

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 43 Abs 2, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).