Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 15.07.2021, Az.: L 15 AS 260/20
Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; Unzulässigkeit einer Berufung wegen fehlender Benennung einer ladungsfähigen Anschrift einer Klagepartei; Prüfung der Vollmacht eines Rechtsanwalts ohne Rüge der Gegenseite
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 15.07.2021
- Aktenzeichen
- L 15 AS 260/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 52196
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2021:0715.L15AS260.20.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 29.09.2020 - AZ: S 36 AS 1709/19
Rechtsgrundlagen
- § 63 Abs. 2 SGG
- § 73 Abs. 6 S. 1 und S. 4-5 SGG
- § 92 Abs. 1 S. 1 SGG
- § 158 S. 1 SGG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert im Regelfall, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtsuchenden genannt wird.
- 2.
Zur Prüfung der Vollmacht eines Rechtsanwalts ohne Rüge der Gegenseite, wenn das Verhalten des Rechtsanwalts ernsthafte Zweifel daran aufkommen lässt, dass er über die notwendige Vollmacht verfügt.
Tenor:
Die Berufung wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 1. Februar 2019 bis 31. Januar 2020.
Die N. geborene Klägerin zu 1, ihr Ehemann, der N. geborene Kläger zu 2, und ihre O. und P. geborenen Kinder, die Klägerinnen zu 3 und 4, verfügen über die Q. Staatsangehörigkeit und bezogen in der Vergangenheit Leistungen nach dem SGB II.
Im Februar 2019 beantragten die Kläger die Gewährung von (ergänzenden) Leistungen nach dem SGB II. In den Antragsformularen gaben sie u.a. an, dass Kindergeld „nur für 1 Kind“ gezahlt werde bzw. dass das Kindergeld für ein Kind in Höhe von 194 € einbehalten werde. Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. März 2019 bis 31. Juli 2019 in Höhe von monatlich 1.651 €. Dabei berücksichtigte er Kindergeld in Höhe von 388 € (194 € pro Kind). Für Februar 2019 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungsgewährung aufgrund übersteigenden Einkommens ab. Mit einem weiteren Bescheid vom 8. Mai 2019 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungsgewährung für den Monat Februar 2019 ab. Gegen den Bescheid vom 8. Mai 2019, der den Bewilligungszeitraum bis Juli 2019 regelt, legten die Kläger am 19. Mai 2019 Widerspruch ein und führten aus, ihnen würden derzeit nur monatlich 194 € Kindergeld zufließen, da die Familienkasse im Übrigen mit Erstattungsansprüchen aufrechnen würde. Mit Änderungsbescheid vom 1. Juni 2019 bewilligte der Beklagte für Juli 2019 Leistungen in Höhe von 1.631 € und berücksichtigte nunmehr Kindergeld in Höhe von 408 €. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 16. Juni 2019 stellten die Kläger einen Weiterbewilligungsantrag; dabei gaben sie u.a. an, dass Kindergeld für die beiden Kinder in Höhe von jeweils 204 € monatlich gezahlt werde. Mit Bescheid vom 27. Juni 2019 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen nach dem SGB II ab 1. August 2019 bis 31. Januar 2020 in Höhe von 161 € und berücksichtigte neben dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit Kindergeld in Höhe von monatlich 408 €. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 11. Juli 2019 Widerspruch ein und reichten eine mit zwei nicht lesbaren Kürzeln versehene Vollmacht vom 29. Juli 2019, die nach ihrem Wortlaut „für alle Verfahren“ gegenüber dem Beklagten gelten sollte. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit Änderungsbescheid vom 26. September 2019 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen ab 1. September 2019 bis 31. Januar 2020 in Höhe von monatlich 661 €; dabei berücksichtigte er Erwerbseinkommen des Klägers zu 2 sowie Kindergeld in Höhe von monatlich 408 €.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Oktober 2019 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für Juli 2019 hinsichtlich der Kläger zu 2, 3 und 4 teilweise auf und machte Erstattungsforderungen geltend in Höhe von 350,66 € (Kläger zu 2) bzw. 169,51 € (jeweils Klägerin zu 3 und 4). Mit weiterem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Oktober 2019 machte der Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1 mit entsprechender Begründung eine Forderung in Höhe von 350,66 € geltend. In diesen Bescheiden legte der Beklagte ebenfalls Kindergeld in Höhe von insgesamt monatlich 408 € zugrunde.
Mit Bescheid vom 21. November 2019 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum 1. August 2019 bis 31. Januar 2020 abschließend Leistungen in Höhe von 679 € (August und September 2019), 1.590,44 € (Oktober 2019) bzw. 1.631 € (November 2019 bis Januar 2020). Dabei legte er monatlich 408 € als Kindergeld (Einkommen) zugrunde. Mit Änderungsbescheid vom 22. November 2019 bewilligte der Beklagte den Klägern für Dezember 2019 nunmehr Leistungen in Höhe von 1.667,80 €, für Januar 2020 in Höhe von 1.695,94 € und berücksichtigte zusätzlich einen Mehrbedarf für werdende Mütter. Mit Änderungsbescheid vom 23. November 2019 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für Januar 2020 in Höhe von 1.723,13 € und berücksichtigte die angehobenen Regelbedarfe.
Bereits am 8. September bzw. am 13. September 2019 haben die Kläger unter Berufung auf die in den Verwaltungsakten befindliche allgemeine Prozessvollmacht jeweils Klage im Hinblick auf die beiden ergangenen Widerspruchsbescheide vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben; das SG hat die Klagen durch Beschluss vom 7. Juli 2020 verbunden. Zur Begründung haben die Kläger Bezug genommen auf ein Schreiben der Familienkasse R. vom 23. August 2018. Danach sollte der Anspruch auf Erstattung von Kindergeld nach § 75 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ab Juni 2018 in Höhe von 194 € monatlich gegen das laufende Kindergeld aufgerechnet werden. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Aufrechnung sei nicht zu berücksichtigen, insbesondere deshalb, weil die Kläger durch entsprechenden Nachweis der Hilfebedürftigkeit gegenüber der Familienkasse die Aufrechnung hätten abwenden können.
Das SG hat die Kläger in der Folge zweimal vergeblich aufgefordert, eine Schweigepflichtentbindungserklärung gegenüber der Familienkasse vorzulegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. September 2020 hat das SG die Klagen abgewiesen und dabei als streitgegenständlich angesehen den Bescheid vom 8. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 sowie den Bescheid vom 27. Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2019. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger hätten nicht nachgewiesen, dass das Kindergeld ihnen im streitigen Zeitraum nicht vollständig zugeflossen sei. Trotz entsprechender Aufforderung hätten sie lediglich auf das Schreiben der Familienkasse verwiesen. Hinzu komme, dass sie im Weiterbewilligungsantrag vom 17. Juni 2019 angegeben hätten, dass für beide Kinder Kindergeld in Höhe von 204 € gezahlt werde. Dem Gericht sei eine weitere Aufklärung von Amts wegen nicht möglich gewesen, da die Kläger eine entsprechende Entbindungserklärung von der Schweigepflicht nicht abgegeben hätten.
Gegen den ihnen am 1. Oktober 2020 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am Montag, den 2. November 2020 Berufung eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung hat Rechtsanwalt S. beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 29. September 2020 aufzuheben,
2. den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 8. Mai 2019 und 1. Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 und der Bescheide vom 29. Oktober 2019 zu verurteilen, den Klägern im Zeitraum 1. März 2019 bis 31. Juli 2019 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren,
3. den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 21., 22 und 23. November 2019 zu verurteilen, den Klägern für den Zeitraum 1. August 2019 bis 31. Januar 2020 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung des SG Bremen für zutreffend. Es bestünden erhebliche Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung der Klägerinnen. Ihm sei bekannt, dass Mandanten von Rechtsanwalt S., die persönlich zum Gerichtstermin geladen worden seien, von laufenden Verfahren keine Kenntnis gehabt hätten. Soweit tatsächlich ein laufendes Mandat vorliege, könne es diesem keine Schwierigkeiten bereiten, eine aktuelle Vollmacht vorzulegen.
Auf Anfrage des Senats hat die Familienkasse R. am 15. Dezember 2020 mitgeteilt, dass ab Juni 2018 bis einschließlich Januar 2020 hälftiges Kindergeld zur Tilgung einer bestehenden Forderung der Familienkasse aufgerechnet worden sei. Die Klägerin zu 1 hat danach von Juni 2018 bis Juni 2019 Kindergeld in Höhe von 194 €, von Juli 2019 bis Januar 2020 in Höhe von 204 € erhalten. Seit Februar 2020 steht die Klägerin zu 1 nicht mehr im Bezug von Kindergeld. Gegenüber der Familienkasse wurde danach zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass ein SGB II-Leistungsbezug vorliege.
Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 7. Januar 2021 darauf hingewiesen, dass die Kläger laut Melderegister unbekannt verzogen sind und zugleich Rechtsanwalt S. aufgefordert, eine aktuelle Prozessvollmacht vorzulegen und die aktuelle Anschrift der Kläger mitzuteilen. Nachdem diese Aufforderung ergebnislos geblieben ist, hat der Senat mit am 15. März 2021 zugegangener Verfügung auf die Zweifel des Senats am Vorliegen einer wirksamen Bevollmächtigung hingewiesen und Rechtsanwalt S. aufgefordert, binnen eines Monats eine aktuelle Vollmacht zum Berufungsverfahren zu übersenden und die aktuelle Adresse der Kläger mitzuteilen. Rechtsanwalt S. hat daraufhin die Übersendung einer aktuellen Vollmacht mit Schriftsatz vom 25. März 2021 ausdrücklich abgelehnt, da die vom Senat benannten Verfahren nicht geeignet seien, Zweifel an der Wirksamkeit der Generalvollmacht zu begründen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Kläger war als unzulässig zu verwerfen.
Die Berufung ist bereits unzulässig, weil es an der ungeschriebenen Sachurteilsvoraussetzung der Benennung einer ladungsfähigen Anschrift der Kläger fehlt.
Die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung beschränkt sich nicht nur auf die in § 158 S. 1 SGG ausdrücklich genannten Punkte der Statthaftigkeit (§§ 143, 144 SGG), Frist (§ 143 Abs. 1 SGG) und Form der Berufung (§§ 151 Abs. 1, 65 a SGG). Vielmehr umfasst die Norm alle anderen Gründe, die zur Unzulässigkeit führen, wie z. B. die fehlende Beschwer des Berufungsklägers, Prozessunfähigkeit, ordnungsgemäße Vollmachtserteilung oder mangelnde Beteiligtenfähigkeit (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. Juli 2011 – B 13 R 97/11 B – juris Rn. 10; Sommer in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, § 158 Rn. 6, Stand: 1. Januar 2021)
Nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGG, der über die Verweisungsnorm des § 153 Abs. 1 SGG entsprechend gilt, muss die Klage- bzw. Berufungsschrift den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Das erfordert grundsätzlich auch die Angabe des vollständigen Namens und der ladungsfähigen Anschrift - d. h. der Anschrift mit Wohnungsangabe nach Ort, Straße, Hausnummer aufgeschlüsselt und ggf. weiteren Unterscheidungsmerkmalen ohne Rücksicht auf den Wohnsitz im Rechtssinne (dazu Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24/97 - juris Rn. 28; Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 4. März 1986 - VI ZR 242/84 - juris Rn. 4 m. w. N.) - unter der der Beteiligte tatsächlich jedenfalls für eine gewisse Zeit zu erreichen ist; die bloße Angabe einer Email-Adresse, einer Telefonnummer oder eines Postfachs genügen nicht (BSG, Beschluss vom 18. November 2003 – B 1 KR 1/02 S - juris Rn. 4, 9 m. w. N.; LSG Baden-Württemberg – L 7 SO 4619/15 – juris Rn. 20; Bayerisches LSG, Beschluss vom 1. März 2012 - L 8 SO 3/12 B ER - juris Rn. 19). Bei dem Erfordernis der Anschriftenangabe des Rechtsuchenden handelt es sich um eine wesentliche, ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung eines jeden Rechtsschutzbegehrens, also auch der Berufung. Unterlässt der Kläger die Angabe seiner (aktuellen) Anschrift und ergibt sich diese auch nicht aus den Akten oder durch weitere Ermittlungen, ist das Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unzulässig (BSG, Beschluss vom 18. November 2003 - B 1 KR 1/02 S – juris Rn. 2 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Februar 2019 – L 19 AS 1398/115 – juris Rn. 32 m. w. N.; Senatsurteil vom 20. Januar 2021 – L 15 AS 123/19; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2016, a. a. O.; Bayerisches LSG, Urteil vom 24. April 2012 - L 8 SO 182/11 - juris Rn. 25; LSG Hamburg, Beschluss vom 10. Oktober 2005 – L 1 B 300/05 ER KR - juris Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, a. a. O. zu § 82 Abs. 1 VwGO; Sommer, a. a. O., § 151 Rn. 36, Stand: 1. Januar 2021). Die Anschrift des Klägers muss danach zwar grundsätzlich nicht vom Kläger angegeben oder wiederholt werden, wenn sie sich aus den Leistungsakten der Behörde ergibt, sonst bekannt ist oder sich auf andere Weise ohne Schwierigkeiten feststellen lässt. Es obliegt allerdings nach Auffassung des Senats dem Kläger im Rahmen der gesetzlich geregelten Mitwirkungspflichten nach § 103 SGG, eine Änderung der Adresse während des Verfahrens mitzuteilen und dadurch zu gewährleisten, dass er während des gesamten Verfahrens für das Gericht erreichbar bleibt (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 6. November 2009 – 2 BvL 4/07 zu § 65 Abs. 1 FGO – einzusehen unter www.bverfg.de, Rn. 27 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Februar 2019, a. a. O., Rn. 34). Unerheblich ist dabei, dass der Kläger anwaltlich vertreten ist, denn die Pflicht zur Angabe der Anschrift besteht auch im Fall der Vertretung (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 – 1 C 24/97 – juris Rn. 39; BGH, Urteil vom 9. Dezember 1987 – IVb ZR 4/87 – juris Rn. 8; Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 30. Juni 2015 – X B 28/15 – juris Rn. 11 m. w. N; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Februar 2019, a. a. O., Rn. 34).
Die aktuelle Adresse der Kläger lässt sich nicht ermitteln, da diese laut Melderegister bzw. Auskunft der Stadt T., nachdem sie zuvor unter der Anschrift U., V. T. gemeldet gewesen sind, unbekannt verzogen bzw. von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden sind. Rechtsanwalt S. ist nach Auskunft in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, die aktuelle Anschrift der Klägerinnen mitzuteilen. Er ist den Aufforderungen des Senats zur Mitteilung der aktuellen Anschrift nicht nachgekommen. Allein die Tatsache, dass Rechtsanwalt S. mitgeteilt hat, er habe während einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung über einen Mittelsmann eine Mobilfunknummer der Kläger in Erfahrung gebracht, wobei der Versuch eines Anrufs unter dieser Nummer dann erfolgslos verlaufen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis.
Weder aus der Akte noch aus dem Vortrag des Rechtsanwalts ergeben sich zudem Anhaltspunkte dafür, dass für die Nichtangabe der aktuellen Adresse ein zureichender Grund bestehen könnte (z. B. schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen, zu den Einzelheiten vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1999, a. a. O., Rn. 40 m. w. N.).
Die Berufung der Kläger ist aber – und dies stellt eine selbständig tragende Erwägung des Senats dar - auch deshalb als unzulässig zu verwerfen ist, weil Rechtsanwalt S. nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist gemäß § 73 Abs. 6 Satz 2 SGG die angeforderte aktuelle Vollmacht der Kläger zum Berufungsverfahren übersandt hat.
Nach § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen; sie kann nachgereicht werden, wobei das Gericht hierfür eine Frist bestimmen kann (Satz 2). Danach muss derjenige, der als Prozessvertreter eines anderen auftritt, seine Bevollmächtigung durch schriftliche Vollmacht nachweisen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden (§ 73 Abs. 6 Satz 4 SGG). Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt (§ 73 Abs. 6 Satz 5 SGG). Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Mit dem Wegfall der Pflicht den Mangel der Vollmacht in einer solchen Konstellation von Amts wegen zu berücksichtigen, ist jedoch nicht zugleich die Befugnis den Mangel unabhängig von einer Rüge anderer zu prüfen und zu berücksichtigen entfallen (BSG, Beschluss vom 12. Mai 2021 – B 4 AS 76/21 B; BSG, Urteil vom 12. Februar 2020 – B 4 AS 8/20 B – juris Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2011 – 8 A 1/10 – juris Rn. 16 zu § 67 Abs. 6 VwGO; Schenk in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juni 2016, § 67 Rn. 101). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG – der der Senat folgt – umso mehr, als § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG das Recht, den Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Verfahrens geltend zu machen, anders als § 88 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) – an den die Norm nach der Begründung des Gesetzentwurfes angeglichen werden sollte (vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 33, 90, 96) – nicht auf den Gegner beschränkt. Das Gericht ist daher jedenfalls dann im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens (BSG, Beschluss vom 12. Mai 2021 a. a. O.; Straßfeld in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, § 73 Rn. 136, Stand 1. Mai 2021; BFH, Urteil vom 11. November 2009 - I B 152/09 – juris Rn 5 zu § 62 Abs. 6 Satz 4 FGO) zumindest berechtigt (nach dem BFH verpflichtet, vgl. Urteil vom 21. September 2001 – III B 79/01 – juris Rn. 7) die Vorlage der Vollmacht auch ohne Rüge der Gegenseite unter Fristsetzung zu verlangen, wenn ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2020 – B 4 AS 8/20 B – juris Rn. 4 m. w. N.; Beschluss vom 12. Mai 2021 a. a. O.; BGH vom 5. April 2001 – IX ZR 309/00 – juris Rn. 11 zum gleichlautenden § 88 Abs. 2 ZPO; Urteil des Senats vom 20. Januar 2021 – L 15 AS 123/19). Zweifel am Fortbestand einer einem Rechtsanwalt früher erteilten Generalvollmacht können z. B. bestehen, wenn feststeht, dass der Rechtsanwalt in einer größeren Anzahl von Fällen unter Rückgriff auf solche Generalvollmachten Rechtsbehelfe oder –mittel eingelegt hat, obwohl das Mandatsverhältnis von den Mandanten bereits beendet worden war (BSG, Urteil vom 17. März 2016 – B 4 AS 684/15 B – juris Rn. 11; Beschluss vom 12. Mai 2021 a. a. O.). Entgegen der Rechtsauffassung des Rechtsanwalts S. bedarf es keines Belegs, dass eine einmal erteilte Vollmacht ausdrücklich widerrufen worden ist. Ausreichend sind vielmehr Zweifel, ob die Vollmacht mittlerweile im Innenverhältnis erloschen ist. Das hat das BSG nunmehr in dem Beschluss vom 12. Mai 2021 klargestellt. Dabei können sich diese Zweifel auch aus dem Verhalten des Rechtsanwalts in früheren Verfahren unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls ergeben, zu denen auch die zeitliche Dimension gehört (BSG, Beschluss vom 12. Mai 2021 a. a. O.). Das Gericht muss bei Zweifeln am Vorliegen einer Vollmacht aufgrund von in anderen Verfahren zu Tage getretenen Umständen nicht die dortigen Umstände aufklären, vielmehr dient gerade und allein die Aufforderung für das zu entscheidende Verfahren eine aktuelle Vollmacht vorzulegen, der Verifizierung oder Falsifizierung der Zweifel (BSG, Beschluss vom 12. Mai 2021 a. a. O.). Diese Voraussetzungen für die Anforderung einer aktuellen Vollmachtsurkunde lagen hier vor.
Es ist gerichtsbekannt, dass Rechtsanwalt S. in einer Vielzahl von Verfahren unter missbräuchlicher Berufung auf Vollmachten beim LSG Niedersachsen-Bremen Rechtsmittel ohne Wissen und Wollen der Kläger und Klägerinnen eingelegt hat. So hat die Klägerin in den vor dem Senat geführten Berufungsverfahren L 15 AS 233/19 und L 15 AS 234/19 in der mündlichen Verhandlung keinen Zweifel daran gelassen, dass sie weder Kenntnis von den von Rechtsanwalt S. in ihrem Namen geführten Berufungsverfahren, noch von den weiteren beim SG Bremen anhängigen Verfahren hatte und dass sie – auch wenn die in den Verwaltungsakten befindliche Vollmacht wohl von ihr unterschrieben sei – Rechtsanwalt S. weder kenne noch jemals gesehen und ihm für die Berufungsverfahren auch keine Vollmacht erteilt habe. Die Klägerin hat auch in der Verhandlung angegeben, dass sie in den angeblich in ihrem Namen geführten Verfahren niemals Post von Rechtsanwalt S. erhalten habe. In einem weiteren vor dem Senat geführten Verfahren mit dem Aktenzeichen L 15 AS 253/19 hat der Kläger, in dessen Namen Rechtsanwalt S. das Verfahren geführt hat, mitgeteilt, dass er nach dem 16. November 2016 keine Vollmacht unterschrieben habe und das laufende Berufungsverfahren weder kenne noch führen wolle. Eine weitere Klägerin, in deren Namen Rechtsanwalt S. unter dem Aktenzeichen S 44 AS 218/17 ein Klageverfahren vor dem SG Lüneburg geführt hat, hat gegenüber dem SG erklärt, dass sie erst aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. März 2019 Kenntnis von dem Verfahren erlangt habe und dass sie zu keinem Zeitpunkt ein Klageverfahren gewollt bzw. von einem solchen gewusst habe. Sie habe lediglich einen einmaligen Beratungstermin bei Rechtsanwalt S. wahrgenommen. Darüber hinaus ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass Rechtsanwalt S. Verfahren ehemaliger Mandanten, von denen er ursprünglich einmal bevollmächtigt worden war, (fort-)geführt hat, obwohl diese inzwischen von einem anderen Prozessbevollmächtigten vertreten wurden oder unbekannt verzogen sind. In einem vor dem SG Bremen unter dem Aktenzeichen S 16 AS 1815/17 geführten Rechtsstreit hat sich nach Erhebung der Klage durch ihn ein weiterer Rechtsanwalt für den Kläger durch Vollmacht legitimiert. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger wiederholt, dass er keinerlei Kontakt zu Rechtsanwalt S. gehabt habe. Dieser sei ausschließlich über das Sekretariatsbüro gelaufen. Unterlagen habe er nicht von ihm erhalten, so dass er nicht wisse, was in den jeweiligen Verfahren Klagegegenstand sein solle. In dem ebenfalls vor dem Senat unter dem Aktenzeichen L 15 AS 322/18 geführten Verfahren hat Rechtsanwalt S. vor dem SG Bremen (Aktenzeichen S 42 AS 410/17) Klage erhoben, obgleich der Kläger nach Auskunft der Meldebehörden bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung unbekannt verzogen war und ihm nach seiner Stellungnahme im Berufungsverfahren kein anderer Aufenthaltsort des Klägers, als der in der Klageschrift genannte, bekannt gewesen ist. Der Kläger dürfte deshalb auch in diesem Verfahren weder über das Klage- noch Berufungsverfahren in Kenntnis gesetzt worden sein.
Auch hat Rechtsanwalt S. in mehreren Berufungsbegründungen – gestützt auf mehrere Jahre alte Generalvollmachten - seine Sicht der Dinge schildernd ausdrücklich hervorgehoben, dass es kein Handeln ohne Vollmacht darstelle, wenn er bei Vorliegen einer Generalvollmacht ohne Kenntnis des Mandanten Klage erhebe, denn auch die Verletzung von Informationspflichten gegenüber dem Mandanten führe nicht dazu, dass die Klage ohne Vollmacht erhoben worden sei. In diesem Zusammenhang ist auch ein weiterer vor dem SG Bremen unter dem Aktenzeichen S 18 AS 625/20 geführter Rechtsstreit zu sehen, in dem Rechtsanwalt S. ausdrücklich erklärt hat, dass eine etwaige Kenntnis der Mandanten von dem Klageverfahren nichts mit seiner Bevollmächtigung zu tun habe. Diese Äußerung spricht deutlich dafür, dass Rechtsanwalt S. in der Vergangenheit erteilte (ältere) Generalvollmachten nutzt, um ohne Wissen und Klärung der Interessen der Mandanten Klage- und Berufungsverfahren durchzuführen. Diese Vorgehensweise widerspricht nach Auffassung des Senats erkennbar dem Sinn und Zweck einer anwaltlichen Bevollmächtigung. Auch diese Darlegungen lassen - erst recht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich in zahlreichen Verfahren herausgestellt hat, dass Rechtsanwalt S. zu den Mandanten offenbar seit geraumer Zeit keinen Kontakt mehr hat und einen Adressenwechsel weder mitgeteilt hat noch dazu in der Lage gewesen ist, einen solchen mitzuteilen – grundsätzliche Zweifel aufkommen, dass er tatsächlich bevollmächtigt ist, auch weitere neue Verfahren zu betreiben bzw. Rechtsmittel einzulegen.
Die von Rechtsanwalt S. im Schriftsatz vom 25. März 2021 dargelegten Argumente sind nicht geeignet, die Zweifel des Senats an seiner Vollmacht zur Durchführung des Berufungsverfahrens zu beseitigen. Der Senat hat mit der an Rechtsanwalt S. gerichteten Verfügung vom 15. März 2021 ausführlich dargelegt, dass ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen und unter Hinweis auf verschiedene konkret benannte Umstände sowie auf weitere Verfahren ausgeführt, worauf er diese Zweifel stützt. Argumente, die es rechtfertigen könnten, die Vorlage einer aktuellen Vollmacht weiterhin zu verweigern sind nicht vorgetragen. Soweit Rechtsanwalt S. darauf hinweist, dass der Senat in seiner Verfügung vom 15. März 2021 keine „größere Zahl“ von Verfahren im Sinne der Rechtsprechung des BSG benannt habe, die Zweifel an seiner Bevollmächtigung rechtfertigen könnten, ist dem nicht zu folgen. Insbesondere kommt es entgegen der Auffassung des Rechtsanwalts – dieser behauptet, er habe in den letzten Jahren mehrere Tausend Verfahren beim SG Bremen und vor dem bisher allein zuständigen erkennenden Senat geführt - nicht auf den Anteil der Zweifel verursachenden Verfahren an der Gesamtzahl der von ihm betriebenen Rechtsstreitigkeiten an; ausreichend ist vielmehr eine größere, weil über den Einzelfall hinausgehende Anzahl, die den Schluss zulässt, dass es sich nicht um ein Büroversehen oder ähnliche Umstände handelt (so ausdrücklich BSG, Beschluss vom 12. Mai 2021 a. a. O. m. w. N.). Vorliegend sind in der Verfügung unter Einschluss dieses Verfahrens acht Verfahren benannt, was einer größeren Zahl entspricht, zumal zu bedenken ist, dass allein fünf der benannten Verfahren des deutschlandweit tätigen Rechtsanwaltes vor dem Senat geführt worden sind. Auch der Hinweis auf die zivilrechtlichen Vorschriften des Geschäftsbesorgungsvertrags, nach denen der Unterzeichner nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sei, die zur Wahrung der Rechte der Mandanten notwendigen rechtlichen Schritte zu ergreifen und ein Umzug der Mandanten nicht zum Erlöschen der Vollmacht führe, liegt neben der Sache. Rechtsanwalt S. legt mit diesem Argument allenfalls sein mögliches Motiv – anwaltliche Vorsorge – zur Einlegung von Rechtsmitteln dar. Die Argumentation bestätigt allerdings auch, dass er aufgrund der erteilten Generalvollmachten die Klärung der Beauftragung zur Einlegung von kostenauslösenden Rechtsmitteln für nicht erforderlich hält und, wie die aufgeführten Beispiele zeigen, in zahlreichen Fällen gegen den Willen der Mandanten handelt und dies auch unter Berufung auf die Generalvollmacht bewusst in Kauf nimmt. Gerade der bestehende Geschäftsbesorgungsvertrag entbindet Rechtsanwalt S. als Organ der Rechtspflege nicht davon, mit den Mandanten nach Abschluss eines Verfahrensabschnitts die weitere (kostenauslösende) Vorgehensweise abzuklären.
Soweit Rechtsanwalt S. darauf hinweist, dass die erteilte Vollmacht zeitlich nicht begrenzt sei und deren Alter nicht zu ihrem Erlöschen führe, stimmt der Senat dieser Einschätzung grundsätzlich zu. Diese Argumentation geht allerdings am Kern der eigentlichen Problematik vorbei, denn der Senat begründet seine Zweifel nicht mit dem Alter der in zahlreichen Verfahren eingesetzten Generalvollmachten, sondern vielmehr mit den aus den benannten Verfahren gewonnenen Erkenntnissen über eine nicht mit den Mandanten abgeklärte und auch nicht gewollte Einleitung von Klagen und Rechtsmitteln.
Soweit Rechtsanwalt X. meint, dass es nicht plausibel sei, wenn die Kläger der Verfahren L 15 AS 233/19 und L 15 AS 234/19 bestreiten würden, ihn zu kennen, da eine von ihnen unterzeichnete Vollmacht vorgelegt worden sei, weist er selbst darauf hin, dass eine Beauftragung auch ohne persönlichen Kontakt erfolgen kann. Letztlich kommt es auf diesen Punkt allerdings nicht an, denn die Klägerin der benannten Verfahren hat überhaupt nicht bestritten, dass sich auf der Vollmacht ihre Unterschrift befunden hat. Entscheidend ist vielmehr, dass sie erklärt hat, keine Kenntnis von den von Rechtsanwalt S. in ihrem Namen geführten Berufungs- und weiteren vor dem SG Bremen geführten Verfahren zu haben und auch keine Post zu den Verfahren erhalten zu haben, was im Übrigen von Rechtsanwalt S. nicht bestritten wird. Nachweise, dass Schriftsätze und Verfügungen des SG bzw. des Senats an diese Klägerin weitergeleitet worden sind, werden nicht vorgelegt. Dass die Einlegung der Berufung für die Klägerin lediglich einem Büroversehen zuzuordnen ist, trägt Rechtsanwalt S. weder vor noch legt er dazu Nachweise vor. Auch bestreitet Rechtsanwalt S. nicht, dass die Klägerin in dem vor dem SG Lüneburg unter dem Aktenzeichen S 44 AS 218/17 geführten Verfahren erklärt hat, dass sie zu keinem Zeitpunkt ein Klageverfahren gewollt bzw. von einem solchen gewusst habe. In dem Verfahren L 15 AS 253/19 bestätigt Rechtsanwalt S. sogar, dass der Kläger des Verfahrens erklärt hat, weder das Berufungsverfahren gekannt noch gewollt zu haben. Soweit Rechtsanwalt S. darauf hinweist, dass nicht er, sondern Frau Rechtsanwältin W. die Klage erhoben habe, mag das zutreffend sein. Entscheidend ist jedoch, dass Rechtsanwalt S. am 19. Oktober 2019 Berufung im Namen des Klägers eingelegt hat, ohne zuvor mit diesem zu klären, ob das Verfahren tatsächlich fortgeführt werden soll. Soweit Rechtsanwalt S. dazu vorträgt, dass es sich seiner Kenntnis entziehe, welche Vereinbarungen zwischen Rechtsanwältin W. und dem Kläger getroffen worden seien, bestärkt diese Äußerung die grundsätzlichen Zweifel des Senats am Vorliegen einer Bevollmächtigung des Rechtsanwalts S.. Dieser hätte sich doch gerade nach Übernahme der Bearbeitung des Mandats veranlasst sehen müssen, mit dem Kläger zu klären, ob Berufung eingelegt werden soll, zumal er vorträgt, keine Kenntnis von den Vereinbarungen zwischen Frau Rechtsanwältin W. und dem Kläger gehabt zu haben. Die Ausführungen des Rechtsanwalts S. im Schriftsatz vom 7. Oktober 2020 zu einem vor dem SG Bremen unter dem Aktenzeichen S 22 AS 1816/17 geführten Rechtsstreits bedürfen keiner weiteren Erörterung, denn dieser Rechtsstreit war dem Senat bislang nicht bekannt und auch nicht Gegenstand der Senatsverfügung.
Die aufgeführten Beispiele zeigen zur Überzeugung des Senats, dass Rechtsanwalt S. in einer Vielzahl von Verfahren ohne Willen und Wollen der Klägerinnen und Kläger tätig geworden ist. Die in diesen Verfahren geführte schriftliche Korrespondenz jedenfalls ist nachweislich in einigen Verfahren nicht an die Klägerinnen und Kläger weitergeleitet worden. Der Senat sieht sich deshalb – gerade im Interesse und zum Schutz der Klägerinnen und Kläger vor der Einleitung nicht autorisierter kostenauslösender Rechtsmittel – gehalten, die Bevollmächtigung des Rechtsanwalt S. zur Durchführung des Berufungsverfahrens zu klären. Vorliegend kommt hinzu, dass durchgreifende Zweifel bestehen, dass Rechtsanwalt S. noch Kontakt zu den Klägern hat. So hat er die aktuelle Anschrift der Kläger nicht mitgeteilt. Zudem ist davon auszugehen, dass er bereits zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung seit längerem keinen Kontakt zu den Klägern hatte, denn nach Kenntnisstand des Senats sind diese bereits seit Frühjahr 2020 unbekannten Aufenthalts.
Schließlich hat auch der Beklagte das Fehlen einer Bevollmächtigung mit Schriftsatz vom 29. März 2021 gerügt. Bei einer Rüge i. S. v. § 73 Absatz 6 S. 4 SGG ist das Gericht verpflichtet, unabhängig vom Vorliegen der Vermutungswirkungen des § 73 Absatz 6 S. 3 und 5 SGG das Vorliegen einer wirksamen Vollmacht von Amts wegen aufzuklären (Straßfeld, a. a. O. § 73 Rn. 139). Es gilt der Freibeweis. Auch auf die Rüge des Beklagten hat Rechtsanwalt S. die aktuelle Vollmacht nicht vorgelegt.
Da Rechtsanwalt S. die Zweifel des Senats an einer Bevollmächtigung zur Durchführung des Berufungsverfahrens nicht ausgeräumt und eine aktuelle auf ihn lautende Vollmacht der Kläger nicht innerhalb der gesetzten Frist – auch nicht auf Rüge des Beklagten - vorgelegt hat, war die Berufung nach zuvor erfolgtem Hinweis auf diese Rechtsfolge als unzulässig zu verwerfen.
Die Entscheidung ergeht, auch wenn keine Vollmacht vorgelegt wurde, gegen den Beteiligten und ist diesem zuzustellen (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 73, Rn. 76 m. w. N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).