Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 04.07.2006, Az.: 2 A 431/05

Anlage; Arbeitsmarkt; Ausnahme; Autobahn; Außenbereich; Befreiung; Beseitigung; Errichtung; genehmigungsfähig; Gesundheit; Interesse; Ortsdurchfahrt; Ortsteil; Schutz; Untersagung; verhältnismäßig; Werbeanlage; Werbeschild; Werbung; Zusammenhang

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
04.07.2006
Aktenzeichen
2 A 431/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53201
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer die Firma D., die sich mit der Aufstellung von Werbebeschilderung beschäftigt.

2

Im November des Jahres 2003 stellte der Kläger ohne Baugenehmigung im Auftrag der Firma McDonald auf einem angepachteten Privatgrundstück in der Gemarkung M., Flur xx, Flurstück xx/xx ein Werbeschild auf, das auf einen Restaurationsbetrieb des Auftraggebers in J. hinweist. Dieses Schild befand sich auf Höhe des km xxx der Bundesautobahn xx in einer Entfernung von 138 m zur Fahrbahn. Es hatte eine Fläche von 6 qm (2 x 3 m).

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Mit Schreiben vom 27.05.2004 an die Firma McDonald´s wies die Beklagte darauf hin, dass es sich bei der Werbebeschilderung um eine genehmigungspflichtige Anlage handele, eine Baugenehmigung weder beantragt noch erteilt sei. Auch verstoße die Beschilderung gegen das öffentliche Baurecht, so dass sie auch nicht genehmigungsfähig sei. Zur Begründung wurde hierzu ausgeführt, es handele sich bei dem Schild um eine nicht genehmigungsfähige Werbeanlage im Außenbereich. Schließlich stellte die Beklagte ein bauordnungsamtliches Einschreiten in Aussicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.06.2004 teilte der Kläger mit, das Schild sei entgegen der Auffassung der Beklagten genehmigungsfähig, da es sich um ein Hinweisschild i.S.d. § 49 Abs. 3 Nr. 2 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) handele. Dennoch baute er das Schild im Dezember 2004 zunächst ab. Im Januar 2005 errichtete er es an gleicher Stelle in gleicher Ausführung erneut.

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Nach vorheriger, mit der Verfügung vom 27.05.2004 inhaltsgleicher Anhörung verpflichtete die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 14.03.2005, die Werbeanlage bis zum 29.04.2005 zu beseitigen. Zudem untersagte sie dem Kläger das Aufstellen von ungenehmigten Werbeanlagen auf dem Grundstück für die Zukunft. Die Beseitigungsverfügung begründete die Beklagte im Wesentlichen damit, die Werbeanlage sei trotz Genehmigungspflichtigkeit ohne Baugenehmigung errichtet und verstoße gegen § 49 NBauO. Das Schild stelle aufgrund seiner Lage eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit dar. Demgegenüber hätten die wirtschaftlichen Interessen des Klägers zurückzustehen.

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Den hiergegen im Wesentlichen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs bestehe nicht, da Schilder in Autobahnnähe mittlerweile durchaus üblich seien und die Fahrer deshalb nicht abgelenkt würden und das Schild diene der Erhaltung von Arbeitsplätzen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2005 (zugestellt am 30.08.2005) zurück. Das Schild verstoße nicht nur gegen § 49 Abs. 3 NBauO sondern sei auch bauplanungsrechtlich unzulässig. Es liege im bauplanungsrechtlichen Außenbereich und beeinträchtige öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB. In seiner Form und Größe sowie in Anbetracht des Standorts störe es den Gesamteindruck der ländlich geprägten Umgebung. Die Inanspruchnahme des Klägers erfolge im Interesse der effektiven Gefahrenabwehr. Er habe das Schild errichtet und habe Zugriff auf es.

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Am 30.09.2005 hat der Kläger per Telefax Klage erhoben.

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Zur Begründung trägt er vor, es handele sich bei dem Schild um ein ausnahmsweise zulässiges Hinweisschild im Sinne des § 49 Abs. 3 Nr. 2 NBauO, da es den die xx benutzenden Autofahrer auf den Restaurationsbetrieb McDonald´s in J. hinweise. Es diene der leichteren Auffindbarkeit des Restaurants und verhindere unnötigen Suchverkehr. Die öffentliche Sicherheit sei durch das Schild nicht gefährdet, da es standsicher aufgebaut sei und Autofahrer an Werbeanlagen an den Straßen gewöhnt seien. sei die Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft, da sie die Bedeutung des Schildes für die Erhaltung von Arbeitsplätzen in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit verkenne.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2005 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22.08.2005, aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt, auf ihre Widerspruchsbegründung Bezug nehmend,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten dieses und des Parallelverfahrens 2 A 518/05, über das die Kammer mit Urteil von heute ebenfalls entschieden hat, sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

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Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und der Kläger wird durch ihn nicht in seinen Rechten verletzt (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für den Erlass der Beseitigungsverfügung ist § 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NBauO, für die Unterlassungsverfügung § 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NBauO.

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Gemäß § 89 Abs. 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde u.a. die Beseitigung von baulichen Anlagen verlangen, die dem öffentlichen Baurecht widersprechen. Dies ist der Fall.

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Die Werbeanlage ist zunächst formell illegal, weil ohne Baugenehmigung errichtet. Ihre Baugenehmigungsbedürftigkeit ergibt sich aus § 68 Abs. 1 NBauO. Bei der Errichtung des Werbeschildes handelt es sich um eine Baumaßnahme, da mit ihm eine bauliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 NBauO errichtet wird (§ 2 Abs. 5 NBauO). Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht nach § 69 Abs. 1 NBauO in Verbindung mit Nr. 10 des Anhangs zur NBauO kommt nicht in Betracht, da das Schild eine Fläche von 6 qm hat, damit größer als die genehmigungsfreien Werbeanlagen mit einer Ansichtsfläche von 1 qm ist und auch sonst eine der Ausnahmevorschriften der Nr. 10 des Anhangs nicht erfüllt ist.

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Das Schild verstößt auch inhaltlich gegen öffentliches Baurecht, da es nicht genehmigungsfähig ist. Seine Errichtung verstößt gegen § 49 Abs. 3 Satz 1 NBauO. Danach sind Werbeanlagen im Außenbereich unzulässig und dürfen auch nicht erheblich in den Außenbereich hineinwirken.

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Als Hinweis auf ein Gewerbe, der von allgemein zugänglichen Verkehrsflächen aus sichtbar ist, handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Schild um eine Werbeanlage im Sinne der Bestimmung. Die Anlage befindet sich auch im Außenbereich, nämlich auf dem Grundstück in der Gemarkung M., Flur xx, Flurstück xx/xx an der xx. Ein Zusammenhang mit bebauten Ortsteilen ist hier nicht gegeben.

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Die Werbeanlage ist nicht gemäß § 49 Abs. 3 Satz 2 NBauO ausnahmsweise zulässig. In Betracht kommen allenfalls die Nr. 1 und 2 der Vorschrift. Sie finden jedoch keine Anwendung.

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Es handelt sich bei dem Schild nicht um eine Werbeanlage an der Stätte der Leistung im Sinne des § 49 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 NBauO, da es nicht in unmittelbarer Nähe der Leistungsstätte gelegen ist. Zwischen dem Schild und dem beworbenen Restaurant liegt eine Entfernung von mehr als einem Kilometer.

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Auch die Ausnahmeregelung des § 49 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 NBauO ist nicht einschlägig. Denn das Schild ist weder an einer Ortsdurchfahrt angebracht, noch wird mit ihm auf eine Mehrzahl von Gewerbebetrieben, die sich in dem jeweiligen Ort befinden, hingewiesen.

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Eine Befreiung des Klägers von den Vorschriften des § 49 NBauO nach § 86 NBauO scheidet hier schon deshalb aus, weil der Kläger einen entsprechenden Befreiungsantrag nicht gestellt hat. Im Übrigen liegt in der Sache eine offenbar nicht beabsichtigte Härte nicht vor. Der Kläger wird von dem Verbot, die Anlage aufzustellen wie jeder andere im Außenbereich Werbewillige betroffen.

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Die Entscheidung der Beklagten ist auch ermessensfehlerfrei.

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Das der Beklagten bei einem bauordnungsrechtlichen Einschreiten im Rahmen des § 89 NBauO eingeräumte Ermessen ist von dieser gemäß § 40 VwVfG dem Zweck der Ermächtigung entsprechend sowie innerhalb der gesetzlichen Grenzen und damit rechtmäßig ausgeübt worden.

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Die Anordnung der Beseitigung war geeignet und erforderlich zur Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände. Ein anderes, für den Kläger weniger belastendes Mittel als die Beseitigung ist nicht ersichtlich. Auch die Untersagungsverfügung ist geeignet und erforderlich, da der Kläger aufgrund seines Verhaltens im Vorfeld des Prozesses gezeigt hat, dass er wiederholt Werbeanlagen entgegen den baurechtlichen Vorschriften und trotz einer entsprechenden Verfügung der Beklagten aufgestellt hat. Zudem kommt dieser Untersagungsverfügung nur deklaratorischer Charakter zu, da sie nur das in § 75 NBauO enthaltene Verbot baurechtswidriger Baumaßnahmen wiederholt.

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Die angeordneten Maßnahmen sind auch verhältnismäßig.

28

Die Beklagte hat alle widerstreitenden Interessen erkannt und angemessen berücksichtigt. Die dem Erhalt des Schildes entgegenstehenden Interessen überwiegen eindeutig das Interesse des Klägers am Erhalt des Schildes.

29

Zwar hat der Kläger als Inhaber eines Werbeunternehmens ein schützenswertes wirtschaftliches Interesse am Erhalt der Werbeanlage. Auch ist die Wirtschaftsförderung und Erhaltung/Schaffung von Arbeitsplätzen ein durchaus hoch anzusiedelndes Interesse der Allgemeinheit. Ungeachtet der Frage aber, ob sich ein einzelnes 6 qm großes Werbeschild überhaupt auf den deutschen Arbeitsmarkt und die gesamtwirtschaftliche Lage auswirkt, spricht für eine Beseitigung der Werbeanlage die Erhaltung der Verkehrssicherheit. Hierbei handelt es sich um ein hochrangiges Gut der Allgemeinheit, da mit ihm die Gesundheit der Verkehrsteilnehmer geschützt werden soll. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt die Werbeanlage eine Gefährdung der Verkehrssicherheit dar. Sie ist aufgrund ihrer Lage und Beschaffenheit geeignet, die Aufmerksamkeit der Autofahrer vom Straßenverkehr abzulenken. Ein Fahrer muss, um den Inhalt des Schildes vollständig zu erfassen, den Blick von der Straße abwenden. Dadurch wird das Unfallrisiko deutlich erhöht. Diese Situation ist mit den von der Deutschen Verkehrswacht direkt an der Fahrbahn angebrachten Schildern nicht zu vergleichen. Sie dienen anders als das Schild des Klägers nicht einem privatnützigen Zweck, sondern der allgemeinen Verkehrssicherheit und erfordern es auch nicht, den Blick von der Fahrbahn abzuwenden, da sie unmittelbar an ihrem Rand angebracht sind. Schließlich kann die Verkehrssituation an einer von Werbeschildern grundsätzlich freien Autobahn entgegen der Ansicht des Klägers nicht mit derjenigen in Großstädten und deren Ausfallstraßen verglichen werden. Es mag sein, dass sich hier die Errichtung großflächiger Werbeschilder eingebürgert hat - wobei das Gericht offen lässt, ob es sich durchgängig um im Außenbereich errichtete Schilder handelt -. Der Straßenverkehr auf Bundesfernstraßen wie Autobahnen und Bundesstraßen ist demgegenüber besonders schutzbedürftig, was sich aus § 9 Abs. 6 und 2 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) ergibt.

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Schließlich ist auch die Störerauswahl der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat alle in Frage kommenden Störer (Eigentümer des Grundstücks, Nutznießer und Auftraggeber der Werbung und den Kläger) erkannt und sich aufgrund ermessensfehlerfreier Erwägungen für eine Inanspruchnahme des Klägers entschieden. Der Kläger hat aufgrund der Errichtung der Anlage und aufgrund eines Pachtvertrages mit dem Grundstückseigentümer die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit und das Zugriffsrecht auf die in seinem Eigentum stehenden Werbeschilder.

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Auf die Frage, ob die Errichtung des Werbeschildes auch nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB unzulässig ist, kommt es danach nicht mehr an.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.