Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 04.07.2006, Az.: 2 A 143/05
Erhebung einer Rahmengebühr für die Ausstellung eines Zeugnisses über das Nichtbestehen bzw. die Nichtausübung eines Vorkaufsrechts; Geltung des "Veranlasserprinzips" bei der Erhebung von Gebühren; Geltung des Äquivalenzprinzips im Gebührenrecht
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 04.07.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 143/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 32758
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2006:0704.2A143.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 92 Abs. 3 VwGO
- § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO
- § 2 Abs. 1 KAG,NI
- § 4 Abs. 1 KAG,NI
- § 4 Abs. 4 KAG,NI
- § 24 Abs. 1 BauGB
- § 28 Abs. 1 S. 3 BauGB
Fundstellen
- NVwZ-RR 2007, 7 (red. Leitsatz)
- NVwZ-RR 2006, VI Heft 11-12 (amtl. Leitsatz)
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Verwaltungskosten für die Erteilung eines Zeugnisses über die Nichtausübung oder das Nichtbestehen eines gemeindlichen Vorkaufsrechts durch die Beklagte.
Der Kläger schloss am 08.10.2004 mit Frau I. J. einen notariellen Kaufvertrag über das Grundstück Gemarkung K. Flur x Flurstück xxx zu einem Kaufpreis von 57.000,- EUR. Gem. § 9 des Kaufvertrages soll der Kläger als Käufer die Kosten der Durchführung des Vertrages tragen.
Auf Antrag des beauftragten Notars L. erteilte die Beklagte am 15.10.2004 gem. § 28 Abs. 2 BauGB das Zeugnis über die Nichtausübung oder das Nichtbestehen eines Vorkaufrechts der Gemeinde gem. §§ 24 ff. BauGB. Am selben Tage erließ die Beklagte einen Bescheid an den Kläger, mit welchem sie für die Erteilung des Zeugnisses eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 50,- EUR festsetzte.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den er im wesentlichen damit begründete, dass für die Prüfung des Vorkaufsrechts eine Gebühr nicht verlangt werden dürfe. Diese Prüfung finde ausschließlich im eigenen Interesse der Beklagten statt. Auch sei die Höhe der Gebühr unangemessen, da es sich bei der Prüfung nur um eine Routinehandlung der Beklagten ohne großen Aufwand handele.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Als Begründung führte sie an, es komme für das Entstehen der Verwaltungskosten nicht darauf an, dass die Prüfung in ihrem Interesse liege. Entscheidend sei, dass der Kläger durch Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB Anlass zur der mit der Prüfung in Zusammenhang stehenden Verwaltungstätigkeit gegeben habe. Die Höhe der Gebühr sei nicht zu beanstanden und führe nicht zu einem Gewinn der Beklagten. Die verwaltungsinterne Kostenkalkulation habe ergeben, dass für die Erteilung eines Zeugnisses nach § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB Aufwendungen in Höhe von 50,00 Euro anfielen. Deshalb sei die Festsetzung des höchsten Rahmenbetrages nach ihrer Verwaltungskostensatzung rechtmäßig. Die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner folge daraus, dass der Notar mit der Antragstellung angegeben hat, der Kläger trage die Kosten der Zeugniserteilung.
Am 30.03.2005 hat der Kläger Klage erhoben.
Zur Begründung beruft er sich im wesentlichen auf sein Widerspruchsvorbringen und meint ferner, es sei das gesetzliche Vorkaufsrecht selbst und nicht der Grundstückskaufvertrag, welches die Verwaltungstätigkeit auslöse.
Mit Bescheid vom 27.04.2005 hat die Beklagte den angegriffenen Gebührenbescheid insoweit geändert, als nunmehr die Gebühr nur noch auf 40,- EUR festgesetzt wurde. Die Beklagte begründet die Änderung damit, dass dies nach ihrer Verwaltungspraxis die regelmäßige Gebühr für die Zeugniserteilung nach § 28 BauGB bei Grundstücken mit einem Kaufpreis von unter 100.000,- EUR sei. Dies entspreche dem Maß des Verwaltungsaufwandes und dem Wert der Sache.
In Höhe des zurückgenommenen Betrages von 10,00 Euro haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 15.10.2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.04 2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 8. März 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, die Höhe der Verwaltungsgebühr ergebe sich daraus, dass im Rahmen der Erteilung des Zeugnisses folgende Arbeiten zu erledigen seien: Es müsse ein Lageplan gefertigt werden, vom Fachdienst Stadtplanung sei eine Stellungnahme einzuholen, das Zeugnis und der Gebührenbescheid seien zu schreiben, die Adresse des Antragstellers werde überprüft, im Kassenprogramm angelegt und zur Einziehung an die Kasse gegeben. Bei der Bemessung der Höhe der Gebühr werde der Kaufpreis des Grundstücks sowie die Vollständigkeit und die Aktualität der Katasterunterlagen berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die weitergeführte Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und der Kläger wird durch ihn nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den Erlass des Bescheides sind §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nds. Kommunalabgabengesetz -NKAG- i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Verwaltungskosten im eigenen Wirkungskreis (Verwaltungskostensatzung) vom 18.12.2000. Nach Nr. 9.4 des Kostentarif zur Verwaltungskostensatzung der Beklagten wird für die Ausstellung eines Zeugnisses über das Nichtbestehen bzw. die Nichtausübung eines Vorkaufsrechts (Negativzeugnis) nach § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB eine Rahmengebühr von 25 bis 50 Euro erhoben. Rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Verwaltungskostensatzung und ihres Zustandekommens sind nicht zu erheben. Gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung sind bei der Festsetzung dieser Rahmengebühr das Maß des Verwaltungsaufwandes sowie der Wert des Gegenstandes zur Zeit der Beendigung der Verwaltungstätigkeit zu berücksichtigen. Gemessen hieran ist die Erhebung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 40,00 Euro weder dem Grunde nach noch - nach Änderung der Gebühr auf diesen Betrag - der Höhe rechtlich zu beanstanden.
Gemäß § 1 der Verwaltungskostensatzung der Beklagten (entsprechend § 4 Abs. 1 NKAG) besteht ein Anspruch auf eine Verwaltungsgebühr dem Grunde nach. Danach werden für Amtshandlungen und sonstige Verwaltungstätigkeiten im eigenen Wirkungskreis nach dieser Satzung Gebühren und Auslagen erhoben, wenn die Beteiligten hierzu Anlass gegeben haben.
Bei der Erteilung eines Negativzeugnisses nach § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB handelt es sich um eine Amtshandlung, denn die Handlung erfolgt durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit. Das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 BauGB ruht als öffentlich-rechtliche Belastung auf den von ihm erfassten Grundstücken und dient der Sicherung der Bauleitplanung der Gemeinde. Folglich ist auch die Ausübung bzw. Nichtausübung dieses Rechts ein Hoheitsakt im eigenen Wirkungskreis der Beklagten.
Zu der Amtshandlung hat der Kläger durch den von ihm bevollmächtigten Notar L. Anlass gegeben, denn die Beklagte wurde nicht von Amts wegen, sondern aufgrund eines entsprechenden Antrags nach § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB tätig. Er ist deshalb auch Kostenschuldner im Sinne von § 7 der Verwaltungskostensatzung.
Der Kläger kann nicht mit dem Argument gehört werden, die Beklagte sei bei der Erteilung des Negativzeugnisses ausschließlich im eigenen Interesse und nicht für ihn als Bürger tätig geworden.
Es trifft schon nicht zu, dass die Beklagte bei der Erteilung eines Negativzeugnisses nach § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB ausschließlich im eigenen Interesse tätig wird. Die Erteilung dieses Zeugnisses steht auch im Interesse des Klägers als Käufer, da es eine zwingende Voraussetzung für die dingliche Umsetzung des Kaufvertrages ist. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 BauGB darf das Grundbuchamt den Käufer als Eigentümer in das Grundbuch nur eintragen, wenn ihm die Nichtausübung oder das Nichtbestehen des Vorkaufsrechts nachgewiesen ist. Selbst wenn man argumentierte, auch diese Regelung bestehe nur im öffentlichen Interesse, verhülfe das der Klage nicht zum Erfolg.
Eine Unterscheidung der Gebührenerhebung je nach Interessensphären ist dem NKAG fremd. Im Bereich der Verwaltungsgebühren gilt vielmehr allein das "Veranlasserprinzip" (Hillmann, NKAG, § 4 Rn. 1). Dem Kläger ist zwar zuzustimmen in seiner Auffassung, dass der originäre Anlass der Zeugniserteilung das Vorkaufsrecht der Gemeinden ist, allerdings begründet allein dieses Vorkaufsrecht noch nicht das Tätigwerden der Beklagten im Rahmen der Prüfung der Vorkaufsausübung. Diese Tätigkeit wurde vielmehr erst durch den Grundstückskaufvertragschluss des Klägers und die entsprechende Mitteilung an die Beklagte ausgelöst. In Anbetracht dieser Veranlassungshandlung geht die Anmerkung zu lfd. Nr. 9.4 der Verwaltungskostensatzung der Beklagten im Ergebnis zu Recht davon aus, dass ihr Tätigwerden bei der Erteilung eines Negativzeugnisses nicht allein im öffentlichen Interesse erfolgt (ebenso VGH München, Urteil vom 15.5.1995 -14 B 90.320-, NJW-RR 1996, 702). Anders als das dort zitierte bayerische Landesrecht kennt das NKAG eine Vorschrift nicht, nach der Kosten für Amtshandlungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen werden, nicht erhoben werden. In § 4 Abs. 3 NKAG ist allein die Regelung enthalten, dass von der Erhebung - nicht von der Festsetzung - der Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden kann, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht. Selbst wenn man diese Vorschrift auf die Erhebung einer Verwaltungsgebühr übertragen wollte, trägt sie den Klagantrag nicht. Denn es bleibt festzuhalten, dass die Beklagte nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag des vom Kläger beauftragten Notars L. tätig geworden ist (im Ergebnis ebenso: VGH München, a.a.O.).
Die Höhe der festgesetzten Verwaltungsgebühr ist mit 40,00 Euro nicht zu beanstanden.
Da es sich bei der Gebühr nach Tarifstelle Nr. 9.4 des Kostentarifs um eine Rahmengebühr handelt, bestimmt sich der Wert gemäß § 3 Abs. 1 der Verwaltungskostensatzung der Beklagten nach dem Maß des Verwaltungsaufwandes sowie dem Wert des Gegenstandes. Diese Regelung, die ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 4 NKAG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nds. Verwaltungskostengesetz hat, ist Ausfluss des das Gebührenrecht beherrschenden Äquivalenzprinzips. Danach muss die Leistung der Verwaltung und die Gegenleistung des Gebührenschuldners in einem angemessenen Wertverhältnis zueinander stehen. Die Höhe der Gebühr darf nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur behördlichen Leistung stehen. Weder der satzungsrechtlich verfügte Gebührenrahmen noch dessen konkrete Ausgestaltung durch den angefochtenen Bescheid vom 27.04.2005 verstoßen hiergegen.
Ein bestehender Gebührenrahmen ist dabei nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften auch auszufüllen. Es war daher rechtswidrig, dass die Beklagte ursprünglich den Höchstbetrag mit dem Argument angenommen hat, eine interne Kostenkalkulation habe diesen Wert als Durchschnittsbetrag ergeben. Diese Argumentation lässt die Bedeutung eines Gebührenrahmens, der wertend auszufüllen ist, außer Acht. Eine nunmehr nur noch erhobene Gebühr in Höhe von 40,00 Euro ist jedoch rechtmäßig.
Das Maß des Verwaltungsaufwandes ist nicht unerheblich. Die Erteilung des Negativattests selbst, vor allem die dem vorausgehende Prüfung der Ausübung des Vorkaufsrechts, erschöpft sich, wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, nicht in dem bloßen Aufwand für das Schreiben und Absenden des Zeugnisses. Zu dem untrennbar mit der Erteilung des Zeugnisses verbundenen Arbeitsaufwand gehört auch die Fertigung eines Lageplans sowie die Einholung einer Stellungnahme des Fachdienstes Stadtplanung. Ferner sind das Zeugnis und der Gebührenbescheid zu schreiben, die Adresse des Antragstellers zu überprüfen und im Kassenprogramm anzulegen und zur Einziehung an die Kasse zu gegeben. Dass es sich um eine reine Routineangelegenheit handelt und die Gemeinden bestehende Vorkaufsrechte äußerst selten ausüben, findet seinen Niederschlag in dem geringen Gebührenrahmen von 25,00 bis 50,00 Euro.
Auch das Interesse des Gebührenschuldners an der Zeugniserteilung kann nicht als so gering angesehen werden, wie der Kläger vorträgt. Die Parteien eines Grundstückskaufvertrages, insbesondere der Käufer, haben ein erhebliches Interesse daran, zu erfahren, ob die Gemeinde ein ihr zustehendes Vorkaufsrecht an dem Grundstück ausüben wird. Zudem stellt das Zeugnis eine zwingende Voraussetzung der Durchführung des Kaufvertrages dar, deren Erfüllung sowohl im Interesse beider Vertragsparteien wie auch im Interesse eines reibungslosen Grundstücksverkehrs liegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit die Klage erfolglos bleibt, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist die Beklagte in die Kosten zu verurteilen, da sie dem klägerischen Begehren insoweit entsprochen und damit die Ursache für das erledigende Ereignis gesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.