Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.04.1999, Az.: 2 U 41/99

Maßgeblichkeit der zuletzt ausgeübten Tätigkeit bei der Ermittlung der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.04.1999
Aktenzeichen
2 U 41/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 29129
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1999:0428.2U41.99.0A

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2000, 48-49

Amtlicher Leitsatz

Berufsunfähigkeitsversicherung: Berufsunfähigkeit einer als Hotelfachfrau ausgebildeten Hausdame eines Hotelbetriebs.

Tatbestand

1

§ 1 Abs. 1 B-BUZ setzt für eine Leistungspflicht der Beklagten eine Berufsunfähigkeit des Versicherten von mindestens 50 % voraus. Nach § 2 Abs. 1 B-BUZ liegt eine vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Gemäß § 2 Abs. 2 B-BUZ liegt eine teilweise Berufsunfähigkeit vor, wenn die in § 2 Abs. 1 B-BUZ genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich dauernd erfüllt sind.

2

Dies bedeutet, dass im Rahmen der Ermittlung der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit grundsätzlich die zuletzt vom Versicherten in ihrer konkreten Ausgestaltung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend ist (BGH VersR 1989, 579 [BGH 05.04.1989 - IV a ZR 35/88], BGH VersR 1993, 1470; BGH r + s 1997, 35, 36; Voit, BUZ, Rn. 301; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 2 BUZ Rn. 9). Entsprechendes gilt, wenn es auf die Feststellung eines bestimmten Grads der Berufsunfähigkeit ankommt; auch dabei ist die konkret bisher vom Versicherten ausgeübte Tätigkeit entscheidend (BGH VersR 1993, 1470; Prölss/Martin, § 2 BUZ Rn. 61; Voit Rn. 309 ff.). Bei der Bemessung des Grads der Berufsunfähigkeit kann der Anteil der Arbeitszeit, in welcher der Versicherte ihm zugewiesene Tätigkeiten noch ausführen kann, ein geeigneter Maßstab sein (OLG Hamm VersR 1990, 605, 607[OLG Hamm 06.10.1989 - 20 U 20/89]; OLG Köln r + s 1995, 236; Senat r + s 1996, 328; Bruck/Möller/Winter, VVG, 8. Aufl., Bd. V, G 38). Betrifft - wie dies vorliegend der Fall ist - die Gesundheitsbeeinträchtigung des Versicherten allerdings nicht alle Einzelverrichtungen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit gleichzeitig oder in gleichem Maße, ist zu prüfen, ob die Resttätigkeit, die der Versicherte noch ausüben kann, noch "mit seinem Beruf" gleichzusetzen ist (Voit Rn. 310). Entscheidend ist, welches Gewicht die Einzelverrichtungen, die der Versicherte wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht mehr vornehmen kann, für seine Gesamttätigkeit haben (Senat a.a.O.; Prölss/Martin § 2 BUZ Rn. 62; Voit Rn. 311).

Entscheidungsgründe

3

Auf Grund des Vortrags der beweispflichtigen Klägerin lässt sich anhand der vorgenannten Grundsätze nicht feststellen, dass sie zu mindestens 50 % berufsunfähig ist. Außer Betracht zu bleiben hat bei der Bewertung zunächst die behauptete Tätigkeit im Rahmen von Umbau- und Renovierungsarbeiten. Es handelt sich dabei nämlich um eine frühere und vorübergehende Sondertätigkeit der Klägerin, die naturgemäß nach Abschluss der Arbeiten in absehbarer Zeit nicht wieder anfallen wird. Sie prägt mithin nicht die Berufstätigkeit der Klägerin.

4

Stellt man folglich allein auf den behaupteten zeitlichen Umfang der sonstigen auch zukünftig anfallenden bandscheibenbelastenden Tätigkeiten ab, die täglich 3 Stunden des 8-stündigen Arbeitstags nach der Behauptung der Klägerin einnehmen sollen, ergibt sich, dass sie lediglich rund 38 % ihrer bisherigen Tätigkeit nicht ausüben kann. Es ist auch nicht feststellbar, dass die angeblich von der Klägerin nicht mehr ausführbaren Arbeiten ihren zuletzt ausgeübten Beruf derart geprägt haben, dass die ihr mögliche Resttätigkeit nicht mehr als im wesentlichen ihr bisheriger Beruf bezeichnet werden kann. Bei der Gewichtung der Einzelverrichtungen kommt es wesentlich auf die dafür notwendige Qualifikation gerade des Versicherten an; insbesondere untergeordnete Verrichtungen, die anstatt des Versicherten genausogut eine Hilfskraft wahrnehmen kann, sind unerheblich oder nur von geringem Gewicht (Voit Rn. 303 und 311). So liegt es hier; jedenfalls lässt sich Gegenteiliges auf Grund des Vortrags der Klägerin nicht feststellen. Sie ist nämlich nach eigenem Vortrag als gelernte Hotelfachfrau, die zudem mehrere Jahre lang eine Hotelfachschule besucht hat, für die Gesamtorganisation eines größeren Hotels mit 100 Betten zweifellos in verantwortungsvoller Stellung qualifiziert tätig gewesen. Dieser qualifizierten Tätigkeit, die die Klägerin weiterhin ausüben kann und die den zeitlich überwiegenden Teil ihres zuletzt ausgeübten Berufs dargestellt hat, stehen lediglich einfachste Hilfstätigkeiten wie insbesondere das Bettenmachen und das Tragen von Kisten und Wäsche gegenüber. Bezeichnenderweise hat die Klägerin in der Klageschrift diese Tätigkeiten durchaus zutreffend lediglich als "eventuell notwendige Zusatzarbeiten" bezeichnet. Darin kommt auch die eigene Einschätzung zum Ausdruck, dass ihr Beruf im wesentlichen durch ihre Gesamtorganisationstätigkeit im Hotel und nicht durch ihre Hilfsarbeiten geprägt worden ist. Auf die mangelnde Schlüssigkeit des Vorbringens hat die Beklagte in der Berufungserwiderung hingewiesen. Die Problematik ist zudem im Senatstermin eingehend erörtert worden, ohne dass die Klägerin dies zum Anlass weiteren Vortrags genommen hat.

5

Eine Berufsunfähigkeit der Klägerin lässt sich auch nicht unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 3 der B-BUZ feststellen. Durch diese Klausel wird lediglich die Prognose fehlender Besserung unwiderlegbar festgelegt, nicht jedoch der - hier streitige - Grad der Beeinträchtigung des Gesundheitszustands in seiner Auswirkung auf die bisherige Berufsausübung (BGH VersR 1989, 903, 904 [BGH 14.06.1989 - VI a ZR 74/88]; Prölss/Martin, § 2 BUZ Rn. 64).