Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.04.1999, Az.: 11 WF 161/98

Kosten für die Erstausstattung eines Säuglings; Voraussetzungen der Annahme eines Sonderbedarfs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.04.1999
Aktenzeichen
11 WF 161/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 29105
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1999:0427.11WF161.98.0A

Fundstellen

  • FamRZ 1999, 1684
  • FamRZ 1999, 1685 (Volltext mit amtl. LS)
  • FuR 1999, 477-478
  • NJW-RR 1999, 1163-1164 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJWE-FER 1999, 320
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 287-288

Amtlicher Leitsatz

Die Kosten für die Erstausstattung eines Säuglings sind als Sonderbedarf i.S. des § 1613 Abs. 2 BGB neben gezahltem Regelunterhalt zusätzlich zu erstatten.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin verlangt als Mutter der am 12.12.1995 geborenen nicht ehelichen Tochter vom Antragsgegner als Kindesvater Unterhalt und mit dem im Beschwerdeverfahren nur noch streitigen Antrag die Erstattung der Kosten für eine Baby-Erstausstattung in Gesamthöhe von zuletzt noch 2.250,-DM. Das Amtsgericht hatte der Antragstellerin für die Unterhaltsklage Prozesskostenhilfe bewilligt, für die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz der Baby-Erstausstattung indessen die begehrte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert. Die Kosten der Erstausstattung seien mit dem Regelunterhalt abgegolten, wie sich aus dem Willen des Gesetzgebers der Regelunterhaltsverordnung ergebe.

2

Im Rahmen der Beschwerde macht die Antragstellerin unter Hinweis auf ergangene obergerichtliche Rechtsprechung geltend, die Kosten für die Erstausstattung eines Säuglings stelle einen Sonderbedarf im Sinne des § 1613 Abs. 2 BGB dar, der zusätzlich neben dem gezahlten Regelunterhalt zu erstatten sei.

3

Das Amtsgericht hatte der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zunächst dem Landgericht Osnabrück als Beschwerdegericht vorgelegt. Das Landgericht Osnabrück hat die Beschwerde unter Hinweis auf die im Rahmen der Kindschaftsreform ab 01.07.1998 geänderte Zuständigkeitsregelung dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

4

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn die Antragstellerin kann die Kosten der Säuglingserstausstattung vom Antragsgegner zusätzlich neben dem unstreitig gezahlten Regelunterhalt erstattet verlangen.

5

Der Senat hält die Kosten der Erstausstattung für einen Säugling im vorliegenden Fall für einen erstattungspflichtigen Sonderbedarf. Dabei wird nicht verkannt, dass diese rechtliche Einordnung in der Rechtsprechung außerordentlich umstritten ist (vgl. Staudinger-Kappe/ Engler, BGB-Komm., 13.Aufl., 1997, § 1613 Rz 76 mit ausf. Hinw. auf die kontroverse Rechtsprechung, wobei die neuere obergerichtliche Rechtsprechung zunehmend einen Sonderbedarf in diesen Fällen annimmt). Richtig ist auch, dass nach der amtlichen Begründung zur Regelunterhalt-Verordnung vom 27.06.1970 (BR-Drucks 271/70, abgedruckt in DAVorm 1970, 173, 177) der durch die Erstausstattung des Neugeborenen entstehende Bedarf durch eine Erhöhung des Regelsatzes für die ersten 6 Lebensjahre mitberücksichtigt werden soll. Andererseits ist die vorgenommene - geringfügige - Erhöhung nur unzureichend und deckt den tatsächlich anfallenden Bedarf nicht ab , sodass ein besonderer Bedarf tatsächlich besteht und daher anerkannt werden sollte (Staudinger-Kappe/Engler, wie vor, Palandt-Diederichsen, BGB-Komm., 58.Aufl., § 1613 Rz 23 m.w.N.; Brühl/Göppinger/Kodal, Unterhaltsrecht, 6.Aufl., Rz 204; Wendl-Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 3.Aufl., 1995, Rz 15 m.w.N.; a.A. MünchKomm/BGB - Köhler, 3.Aufl., § 1613 Rz 9).

6

Nach der Legaldefinition des § 1613 Abs. 2 BGB ist Sonderbedarf ein unregelmäßiger und außergewöhnlich hoher Bedarf. Außergewöhnlich hoch ist der Bedarf jedenfalls dann, wenn der Bedarf nicht von der laufenden Unterhaltsrente abgedeckt wird. Das ist hier der Fall, weil der gezahlte Regelunterhalt - selbst wenn er über 6 Jahre hinweg gestreckt und unzureichend die Kosten mitabdecken helfen soll - den einmalig und sofort in voller Höhe anfallenden Bedarf nicht abdeckt, der zudem in einer Höhe anfällt, die die einfache Monatsrate einer Regelunterhaltsleistung deutlich übersteigt (vgl. dazu auch OLG Hamm FamRZ 1980, 478f m.w.N.).

7

Auch decken die Kosten für die Anschaffung der Erstausstattung nicht einen regelmäßigen Bedarf ab. Zwar fallen diese Kosten für die Kindeseltern nicht überraschend an, denn die Kosten sind nach Art, Zeitpunkt und Höhe bereits vorher abzusehen. Gleichwohl kann sich der Unterhaltsgläubiger - hier das Kind - nicht auf den voraussehbaren besonderen Bedarf einrichten. Aus den Mitteln des ungeborenen Kindes kann nichts im Voraus angespart werden, weil das ungeborene Kind noch keinen eigenen Unterhaltsanspruch hat (Wendl-Staudigl, wie vor). Mit der Regelung, die entstandenen außergewöhnlichen Kosten erst im Lauf der nächsten 6 Lebensjahre durch Zahlung des (unzureichend) erhöhten Regelsatzunterhalts zu erstatten, wird der Interessenlage von Kind und Mutter nicht ausreichend Rechnung getragen (so auch OLG Hamm FamRZ 1980, 478f).

8

Die Entscheidung BGH FamRZ 82, 145f (mit Ausführungen zum Begriff des Sonderbedarfs) steht ebenfalls nicht zwingend entgegen, weil dort konkret nicht der Fall einer Säuglingserstausstattung mit dessen spezieller Problematik zu Grunde lag.