Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.04.2009, Az.: 1 A 235/08

Ermessen; Realverband; Sondernutzung; Wegenutzung; Windenergieanlage

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.04.2009
Aktenzeichen
1 A 235/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 44105
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2009:0422.1A235.08.0A

Amtlicher Leitsatz

Die Nutzung eines landwirtschaftlichen Realverbandsweges zum Transport von Anlagenteile für ein Windrad übersteigt übliche Nutzung.

Tatbestand:

1

Der Kläger will mit seiner am 18.06.2008 eingereichten Klage erreichen, dass er das Wegenetz des beklagten Realverbandes zum Bau von Windkraftanlagen auf seinem Grundstück nutzen darf.

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Der Kläger ist Eigentümer eines im Gebiet des Realverbandes liegenden Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von K. Blatt 1117 unter der laufenden Nummer 41, Flurstück 44/1, Flur 9. Es befindet sich in einem Windenergiestandort, in dem öffentlich-rechtlich die Errichtung von Windkraftanlagen zulässig ist.

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Der beklagte Realverband ist unter anderem Eigentümer des Grundbesitzes K. Blatt 1379, Gemarkung K. mit den Flurstücken 92/2, Flur 1 (laufende Nummer 115); 92/1, Flur 1 (laufende Nummer 115); 81/1, Flur 9 (laufende Nummer 81); 108, Flur 1 (laufende Nummer 41); 107, Flur 1 (laufende Nummer 40); 76, Flur 9 (laufende Nummer 77); 91, Flur 1 (laufende Nummer 92). Es handelt sich um Wege.

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Der Kläger beabsichtigt auf seinem Grundstück Windkraftanlagen errichten zu lassen, wofür er Wege des Beklagten benutzen muss. Außergerichtliche Versuche einer einvernehmlichen vertraglichen Regelung blieben erfolglos. Der Vorstand des Realverbandes hat zudem beschlossen, einen vom Kläger vorgelegten Nutzungsvertrag nicht zu unterzeichnen.

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Der Kläger vertritt die Ansicht, dass es sich bei der von ihm beabsichtigten Nutzung der Realverbandswege um eine Nutzung im Rahmen der üblichen Nutzung i.S.d. § 7 Realverbandsgesetz (RealverbG) handele. Da der Beklagte bestreite, dass der Kläger zur Benutzung der Wege zur Errichtung der Windkraftanlagen mit Schwerlastverkehr berechtigt ist, liege für die Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse vor. Nur bei der Errichtung der Anlagen sei Schwerlastverkehr erforderlich, nämlich zum einen zum Gießen der Fundamente und zum anderen zum Transport der Windkraftanlagen. Für den Transport sei normalerweise der Einsatz von 3 Lkw pro Anlage erforderlich, deren Achslast aber keinesfalls 10 Tonnen übersteige. Die Realverbandswege würden z.B. im Rahmen der Flurbereinigung auf 12 Tonnen Achslast dimensioniert. Die vom ihm beabsichtigte Nutzung der Wege halte sich auch im Rahmen des normalen landwirtschaftlichen Verkehrs, beispielsweise vergleichbar mit dem Befahren mit landwirtschaftlichen Großmaschinen. Die Wege der Beklagten seien für die von ihm beabsichtigte Nutzung auch geeignet, da sie teilweise erst in den neunziger Jahren ausgekoffert und neu mit Kalkschotter hergestellt worden seien. Insgesamt seien dabei 700 m3 Kalkschotter eingebaut worden. Ein derartiger, neu hergestellter Weg sei mit einem Lkw befahrbar, ohne dass Schäden entstehen würden. Unabhängig davon sei er selbstverständlich dazu bereit, etwaige entstehende Schäden auf eigene Kosten zu beseitigen. Er habe dem Beklagten sogar für die Nutzung ein Entgelt angeboten. Sobald die Windkraftanlagen errichtet und in Betrieb seien, bedürfe es lediglich periodisch einer Nutzung der Wege zur Kontrolle und Wartung der Anlage. Dies erfolge mit einem Pkw oder einem kleinen Lieferwagen.

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Entscheidend sei aber, dass der Beklagte selbst die mit der Klage geltend gemachten Rechte grundsätzlich für gegeben halte. Er habe derartige Rechte bereits im Jahr 2002 dem Windunternehmen "EnerSys Gesellschaft für regenerative Energien mbH" eingeräumt. Zugunsten der EnerSys GmbH sei im Grundbuch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eintragen worden mit dem Inhalt, dass dem Windkraftunternehmen auch ein Wegerecht und ein Kabelverlegungsrecht zustehen sollte. In diesem Zusammenhang sei der Gesellschaft somit auch das von ihm begehrte Befahren der Verbandswege zur Errichtung von Windkraftanlagen gestattet worden. Der Beklagte verweigere ihm die beabsichtigte Nutzung aus sachfremden Erwägungen.

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Nachdem der Kläger zunächst die Verpflichtung des Beklagten, ihm alle oben genannten Wege zum Bau von Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen, beantragt hatte, beantragt er nunmehr,

  1. festzustellen, dass es sich bei der Nutzung der Wege Flurstücke 92/1, 92/2 und 108 des Beklagten durch den Kläger zum Zwecke des Aufbaus von Windkraftanlagen, nämlich um Fundamente zu gießen und Anlagenteile anzuliefern, um eine zulässige Nutzung im Sinne des § 7 Abs. 1 Realverbandsgesetz handelt,

  2. hilfsweise,

  3. die Beklagte zu verpflichten, der Nutzung der Wege Flurstücke 92/1, 92/2 und 108 des Beklagten durch den Kläger zum Zwecke des Aufbaus von Windkraftanlagen, nämlich um Fundamente zu gießen und Anlagenteile anzuliefern, zuzustimmen.

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Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, dass es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehle und die Klage bereits unzulässig sei.

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Ferner übersteige die vom Kläger beabsichtigte Nutzung die bisherige und übliche Nutzung der Wege. Das Wegenetz des Beklagten sei für Schwerlastverkehr nicht ausgelegt. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang nicht - wie vom Kläger vorgetragen - die jeweilige Achslast, sondern vor allem die Bereifung der Fahrzeuge. Nur landwirtschaftliche Fahrzeuge würden eine solche Bereifung aufweisen, die die Achslast auf eine größere Fläche verteile. Hinzu käme, dass in K. eine Flurbereinigung nicht durchgeführt worden sei und die landwirtschaftlichen Wege daher nicht dazu geeignet seien, 12 Tonnen Achslast aufzunehmen. Es handele sich bei den Wegen, die im Rahmen der vom Kläger geplanten Baumaßnahmen befahren werden müssten, zum großen Teil um einfache Wiesen- bzw. Graswege zu Feldern. Sie seien nur durch das regelmäßige Befahren entstanden. Daher würden diese Wege überhaupt keinen Unterbau aufweisen mit der Folge, dass beim Befahren mit Schwerlastverkehr Spurrillen entstünden, die ein nachfolgendes Befahren kaum ermöglichen würden. Zudem seien - entgegen dem klägerischen Vortrag - bis 1995 an den Verbandswegen keinerlei Baumaßnahmen durchgeführt worden. Auch in der Folgezeit sei lediglich ein Streckenstück von insgesamt etwa 1000 Meter Länge mit etwa 350 m3 Kalkschotter verbessert worden. Dabei habe man im Durchschnitt ungefähr 10 Zentimeter Kalkschotter aufgebracht. Dies habe aber keinesfalls eine Festigkeit bewirkt, die für ein Befahrenwerden mit Schwerlastverkehr im Rahmen der Errichtung von Windkraftanlagen erforderlich sei. Hinzu komme, dass der Kläger für die von ihm begehrte Errichtung der Windkraftanlagen auch weitere, gar nicht befestigte Wege mit Schwerlastverkehr befahren müsste.

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Darüber hinaus treffe der Vortrag des Klägers hinsichtlich des damaligen Vertrages mit dem Windkraftunternehmen EnerSys GmbH nicht zu. Unter dem Vorsitz des Adoptivvaters des Klägers sei seinerzeit nur eine vorläufige Verbindung zwischen dem beklagten Realverband und dem Energieunternehmen eingegangen worden. Das Projekt sei jedoch nicht zur Durchführung gelangt. Die Erfahrungen, die der Beklagte damals gesammelt habe, hätten ihn dazu veranlasst zu beschließen, das Wegenetz zukünftig für den Bau von Windkraftanlagen in keiner Form zur Verfügung zu stellen. Außerdem entspreche der klägerische Antrag nicht den wirklichen Absichten des Klägers, weshalb nach Ansicht des Beklagten die Worthülse "zur Verfügung zu stellen" verwendet worden sei. In Wahrheit begehre der Kläger auch eine dingliche Sicherung, denn eine Baugenehmigung für eine Windkraftanlage würde ohne entsprechende dingliche Absicherung für die Verkabelung und Versorgungsleitungen nicht erteilt werden. Es sei zu befürchten, dass der Kläger - sofern ein Urteil mit dem beantragten Wortlaut erginge - anschließend mit der Forderung käme, nunmehr das Wegenetz dinglich zu belasten oder eine Baulast einzutragen. Der Beklagte sei aber weder dazu verpflichtet noch bereit, dem Kläger die begehrte "Sondernutzung" zu erteilen. Der Beklagte lasse sich zudem auf eine Herrichtung des Wegenetzes für die vom Kläger beabsichtigte Nutzung oder das Versprechen einer Beseitigung entstandener Schäden nicht ein.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass er eine gerichtliche Entscheidung nur noch in Bezug auf die Befugnis, drei Verbandswege mit Schwerlastverkehr befahren zu dürfen, begehre, liegt darin eine teilweise Klagerücknahme im Sinne des § 92 Abs. 1 VwGO. Insoweit war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

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Die im Übrigen aufrechterhaltene Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags zwar zulässig, aber unbegründet. Hinsichtlich des Hilfsantrags ist die Klage zulässig, hat aber nur insoweit Erfolg, als der Beklagte verpflichtet wird, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

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Der Verwaltungsrechtsweg i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO ist gegeben, denn es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Der Realverband, der gem. § 2 RealverbG eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, verfügt über hoheitliche Befugnisse, sofern sich seine Entscheidungen und Maßnahmen gegen Mitglieder richten (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22.09.2008 - 10 LA 178/07 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank: www.dbovg.niedersachsen.de - im Folgenden: dbovg -). Im Verhältnis zu Außenstehenden muss der Realverband hingegen privatrechtlich handeln (vgl. Thomas/Tesmer, Das niedersächsische Realverbandsgesetz, 7. Auflage, 2008, § 2 Anm. 1.2). Vorliegend handelt es sich um einen Rechtsstreit zwischen dem Realverband und einem seiner Mitglieder, da der Kläger Eigentümer eines Grundstücks im Gebiet des Realverbandes und damit gem. § 6 Abs. 1 RealverbG als Inhaber eines Verbandsanteils automatisch Mitglied des Realverbandes ist.

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1. Der Hauptantrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

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Insoweit handelt es sich um eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung kann hingegen gemäß § 43 Abs. 2 VwGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

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Der Grundsatz der Nachrangigkeit der Feststellungsklage gegenüber Gestaltungsklagen steht der Zulässigkeit der Feststellung nach § 43 VwGO hier nicht entgegen, da der Kläger primär festgestellt wissen will, dass es sich bei der von ihm begehrten Nutzung der Wege mit Schwerlastverkehr um eine Nutzung des Zwecksvermögens des Realverbandes in den Grenzen seiner Zweckbestimmung i.S.d. § 7 RealverbG handelt. Für diese Feststellung ist die Feststellungsklage die statthafte Klageart, denn die zwischen den Parteien streitige Frage kann sachgerecht und dem Rechtsschutzinteresse des Klägers Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden. Das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, da der Beklagte bestreitet, dass es sich bei der vom Kläger beabsichtigten Nutzung um eine solche in den Grenzen des § 7 RealverbG handelt. Dem Kläger ist es deshalb verwehrt, ohne die erstrebte Feststellung seine Mitgliedschaftsrechte in dem von ihm gewünschten Umfang auszuüben.

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Der Feststellungsantrag ist aber nicht begründet.

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Nach § 7 Abs. 1 RealverbG ist der Inhaber eines Verbandsanteils zur Benutzung des Verbandsvermögens berechtigt. Dabei ist das Recht zur Benutzung des Zweckvermögens quotenmäßig nicht beschränkt (vgl. Thomas/Tesmer, a.a.O., § 7 Anm. 3). Der Kläger ist als Eigentümer eines Grundstücks in dem Gebiet des beklagten Realverbandes Inhaber eines Verbandsanteils. Er begehrt die Nutzung des Verbandswegenetzes zum Bau von Windkraftanlagen. Bei den Verbandswegen handelt es sich gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RealverbG um Zweckvermögen. Die Mitglieder des Realverbandes können das Zweckvermögen in den Grenzen seiner Zweckbestimmung benutzen. Die vom Kläger für den Bau der Windkraftanlagen beabsichtigte Nutzung der Verbandswege mit Schwerlastverkehr entspricht aber nicht der Zweckbestimmung der Wege und geht über die "normale übliche Nutzung" i.S.d. § 7 RealverbG hinaus.

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Für den Umfang und die Grenzen der Zweckbestimmung ist die bisherige Nutzungs- und Überlassungspraxis unter Berücksichtigung der dem Realverband nach § 3 RealverbG obliegenden Aufgaben maßgebend (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22.09.2008, a.a.O.).

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Nach Maßgabe dessen handelt es sich bei dem Befahren der Wege mit Schwerlastverkehr nicht um eine übliche Nutzung der Verbandswege. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass die entsprechenden Wege zur Bewirtschaftung von Feldern genutzt werden, auf denen Getreide angebaut wird. Die Wege werden bisher mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen wie Treckern mit Anhängern, Mähdreschern und Ähnlichem befahren. Es handelt sich also um eine Nutzung der Wege für den einfachen landwirtschaftlichen Verkehr. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass der Kläger die landwirtschaftliche Nutzung seiner Felder jederzeit umstellen könnte und die Wege dann möglicherweise von anderen Fahrzeugen befahren werden würden. Entscheidend ist allein die bisherige Nutzungs- und Überlassungspraxis bezüglich der jeweiligen Wege. Daher ist es vorliegend auch nicht von Bedeutung, welche Art von Verkehr auf den Parallelwegen des Realverbandes stattgefunden hat. Zudem stellt das Befahren von Wiesenwegen mit Schwerlastverkehr zur Errichtung von Windkraftanlagen im Verhältnis zu der bisherigen gelegentlichen Nutzung der Wege für landwirtschaftlichen Verkehr gerade nicht eine generell gleichartige Nutzung dar, bei der infolge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung lediglich die Nutzungsintensität steigt (vgl. Thomas/Tesmer, a.a.O., § 29 Anm. 2). Vielmehr liegt eine Nutzung für andersartige Zwecke vor, die aber nicht zwangsläufige Folge einer technischen oder wirtschaftlichen Entwicklung oder der Steigerung der Nutzungsintensität ist.

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Zum anderen stellt das Befahren der Wege mit Schwerlastverkehr eine Nutzung in größerem Ausmaß als ursprünglich vorgesehen i.S.d. § 29 Abs. 2 Satz 2 RealverbG dar. Nach beiderseitigem Vortrag handelt es sich bei den Wegen, die im Rahmen der vom Kläger geplanten Errichtung der Windkraftanlagen befahren werden müssten, zumindest zum Teil um einfache Wiesen- bzw. Graswege zu Feldern, die nur dadurch entstanden sind, dass die entsprechenden Flächen regelmäßig befahren wurden. Es handelt sich also teilweise um Wege ohne Unterbau. In K. ist zudem eine Flurbereinigung nicht durchgeführt worden. Lediglich auf einer Teilstrecke von ungefähr 1000 m ist eine Schicht von etwa 10 cm Kalkschotter aufgebracht worden. Nach der "Richtlinie für den ländlichen Wegebau 1999", die die Beschaffenheit von Wirtschafts- und Feldwegen festlegt, erfordert aber bereits die geringste Beanspruchung eines Weges, der nur eine untergeordnete Funktion im Wegenetz aufweist und in der Regel von Fahrzeugen mit einer Achslast von bis zu 5 Tonnen (ausnahmsweise von Fahrzeugen mit einer Achslast von bis zu 11,5 Tonnen) befahren wird, eine Trageschicht aus Schotter von mindestens 20 cm. Nicht einmal die ausgebesserte Strecke entspricht also den Anforderungen, die an die geringste Beanspruchung im Sinne dieser Richtlinie gestellt werden. Das ist ein starkes Indiz dafür, dass die vom Kläger begehrte Nutzung dieser Wege mit Schwerlastverkehr mit einer Achslast von etwa 10 Tonnen die Grenzen der bau- und verkehrstechnischen Beschaffenheit der Verbandswege überschreitet. Eine Überschreitung dieser Grenzen ist erst recht für diejenigen Streckenabschnitte des Verbandswegenetzes anzunehmen, auf die überhaupt kein Kalkschotter oder ähnliches Befestigungsmaterial aufgebracht worden ist und die daher jeglicher Tragfähigkeit des Untergrundes im Sinne der oben genannten Richtlinie entbehren. Die vom Kläger beabsichtigte Nutzung der Wege mit Schwerlastverkehr entspricht nach alledem nicht der Tragekonstruktion der Wege und stellt daher keine übliche Nutzung i.S.d. § 7 RealverbG dar.

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Insoweit kann der Kläger auch nicht erfolgreich einwenden, dass er die Wege nur bei der Errichtung der Windkraftanlagen (Gießen des Fundamentes und Anlieferung der Anlagenteile) mit Schwerlastverkehr befahren müsse, sich diese Form der Nutzung also pro Windkraftanlage auf ein etwa fünfmaliges Befahren der Verbandswege mit Schwerlastverkehr beschränke. Später sei lediglich eine Überprüfung der Windkraftanlagen mit Pkw oder kleinen Lastwagen erforderlich. Entscheidend ist, dass gerade das begehrte Befahren der Wege mit Schwerlastverkehr nicht mehr der bisherigen, normalen Nutzung entspricht.

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Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Nutzungs- und Überlassungspraxis in Bezug auf die Verbandswege im Jahr 2002 geändert worden sei und die von ihm begehrte Nutzung einer derartigen geänderten Nutzung entspreche. Die ursprüngliche Zweckbestimmung der Verbandswege und auch die bisherige Nutzungspraxis wurden gerade nicht dadurch abgeändert oder erweitert, indem der Beklagte dem Windunternehmen EnerSys GmbH die Befugnis eingeräumt hat, die Wege auch im Zusammenhang mit der Errichtung der damals geplanten Windkraftanlage zu benutzen. Bei dem vom Kläger aufgeführten Vertrag zwischen dem Beklagten und dem Windunternehmen EnerSys GmbH handelte es sich lediglich um einen Vorvertrag. Es ist aber nicht zu der beabsichtigten Errichtung der Windkraftanlagen gekommen und daher auch nicht zu einem Befahren der Verbandswege mit Schwerlastverkehr, so dass faktisch keine Änderung der bisherigen Nutzungs- und Überlassungspraxis eingetreten ist.

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2. Da der Hauptantrag somit abzuweisen ist, hat das Gericht über den Hilfsantrag zu entscheiden. Für die vom Kläger begehrte Sondernutzung ist die Zustimmung des Realverbandes i.S.d. § 29 RealverbG erforderlich. Die Entscheidung des Realverbandes, einer Sondernutzung zuzustimmen, liegt in seinem Ermessen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22.09.2008, a.a.O.). Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage i.S.d. § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO, die zulässig, aber nur teilweise begründet ist.

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Die Zustimmung des Realverbandes gegenüber einem Mitglied stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG dar, dessen Erlass der Kläger von dem Beklagten mit dem Hilfsantrag begehrt. Zwar hat der Kläger vor der Klageerhebung nicht im eigentlichen Sinne bei dem Beklagten die Zustimmung des Realverbandes betreffend die Nutzung der Verbandswege zur Errichtung von Windkraftanlagen beantragt. Dementsprechend liegt auch kein förmlicher ablehnender Bescheid des Beklagten vor, so dass es im förmlichen Sinne an einem Vorverfahren fehlt. Aus den zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen ergibt sich aber, dass sich vorgerichtlich sowohl ein vom Kläger beauftragter Vermittlungs- und Beratungsdienst als auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers (wenn auch unter dem Namen des Adoptivvaters des Klägers) an den Beklagten gewandt und versucht haben, mit dem Beklagten eine Einigung über die Befugnisse des Klägers betreffend die Errichtung der Windkraftanlagen zu erzielen. Dabei ging es auch um eine Nutzung der Wege gegen Entgelt, also der Sache nach auch um eine Nutzung gegen Beitragserhebung i.S.d. § 29 RealverbG. Eine Einigung konnte aber zwischen den Parteien nicht erzielt werden, da der Beklagte der vom Kläger beabsichtigten Wegenutzung generell nicht zustimmte. Aufgrund dieser Vorgeschichte kann auf eine Beantragung der Zustimmung im förmlichen Sinne verzichtet werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beklagte in einem förmlichen Antragsverfahren anders entschieden hätte. Hiervon durfte der Kläger aufgrund des Verhaltens des Beklagten auch ausgehen. Insofern würde es eine reine Förmelei darstellen, für die Zulässigkeit der hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklage eine förmliche Antragstellung zu verlangen. Hinzu kommt, dass der Beklagte im Klageverfahren auch nicht geltend gemacht hat, dass es an einer erforderlichen Durchführung eines "vorherigen Behördenverfahrens" fehle. Der Beklagte hat sich daher insoweit rügelos eingelassen, so dass über den Hilfsantrag entschieden werden kann.

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Der Verpflichtungsantrag ist insoweit begründet, als der Beklagte verpflichtet wird, über das Begehren des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

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Der Kläger hat vorliegend keinen Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zu der beabsichtigten Sondernutzung, weil das dem Beklagten hinsichtlich dieser Entscheidung eingeräumte Ermessen nicht auf Null reduziert ist, also lediglich die Erteilung der Erlaubnis zur Sondernutzung die einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung darstellen würde. Die Tatsache allein, dass der Kläger Mitglied des Realverbandes ist und sich gegenüber dem Realverband bereit erklärt hat, etwaige künftige Schäden an den Verbandswegen, die durch das Befahren der Wege durch Schwerlastverkehr eventuell entstehen, auf eigene Kosten zu beheben, führt nicht zu einer Reduzierung des Ermessens des Beklagten. Denn nach dem Realverbandsgesetz besteht keine Verpflichtung des Realverbandes, die Nutzung gegen eine Schadensübernahmezusage zuzulassen. Aus der Bestimmung des § 29 Abs. 2 Satz 2 RealverbG ergibt sich lediglich, dass der Realverband die Möglichkeit hat, eine über das übliche Maß hinausgehende Nutzung des Verbandsvermögens zuzulassen und unter den dort aufgeführten Voraussetzungen dafür einen erhöhten Beitrag zu erheben. Aus der Vorschrift lässt sich aber kein Anspruch gegen den Realverband dahingehend ableiten, das Verbandsvermögen in einer solchen Weise nutzen zu können (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22.09.2008, a.a.O.).

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Der beklagte Realverband ist allerdings verpflichtet, das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Frage, ob er eine Sondernutzungserlaubnis i.S.d. § 29 Abs. 2 Satz 2 RealverbG erteilt, auch auszuüben. An einer derartigen Ermessensausübung fehlt es hier. Aus dem Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Beklagten vom 04.11.2007 geht vielmehr hervor, dass der Beklagte generell kritisch gegenüber der Errichtung von Windrädern ist. So wird auf negative Auswirkungen auf die Wohnqualität, auf Schattenschlag und Lärm sowie Probleme für die Jagd hingewiesen. Eine Abwägung der unterschiedlichen Interessen wird nicht deutlich.

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Der Beklagte konnte derartige Ermessenserwägungen auch nicht gem. § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren vornehmen. § 114 Satz 2 VwGO gestattet nur die Ergänzung von Ermessenserwägungen, nicht aber die vollständige Nachholung oder die Auswechselung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.09.2006 - 1 C 20/05 -, DVBl. 2007, 260 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, 2007, § 114 Rn 50). Hier fehlte es aber bisher gänzlich an einer derartigen Ermessensausübung, die dem Beklagten nach Auffassung des Gerichts aber möglich gewesen wäre.

32

Das Gericht ist auch nicht befugt, selbst eine Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu treffen, denn damit würde es unzulässigerweise sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Beklagten setzen. Mangels Spruchreife war der Beklagte daher zu verpflichten, über das Begehren des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO neu zu entscheiden. Der Beklagte wird bei seiner Entscheidung, ob einer Sondernutzung zugestimmt wird, die Interessen der Allgemeinheit, der Gesamtheit der Mitglieder und des Klägers an der Nutzung der Verbandswege entsprechend ihrem jeweiligen Gewicht zu beachten und abzuwägen haben. Zugunsten des Klägers muss im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden, dass sich sein Grundstück in einem Gebiet befindet, das besonders für die Errichtung von Windkraftanlagen ausgewiesen wurde (s. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Diese Grundentscheidung hat der Beklagte zu akzeptieren und kann sie nicht durch eine generelle Ablehnung von Windernergieanlagen unterlaufen. Auf der anderen Seite muss der Beklagte die Nutzung nicht bedingungslos zulassen. Als Ermessensgesichtspunkte sind drohende Substanzschäden an dem Verbandsvermögen, eine Schadensübernahmezusage des Klägers oder eventuell andere Anfahrtmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22.09.2008, a.a.O.). In diesem Zusammenhang müsste der beklagte Realverband gegebenenfalls aber darlegen, warum er dem Kläger das begehrte Nutzungsrecht nicht unter der Bedingung einräumen will, dass der Kläger die streitgegenständlichen Wege bereits vor dem Befahren mit Schwerlastverkehr auf eigene Kosten entsprechend herrichtet. Alternativ dazu könnte der Kläger sich dazu bereit erklären, die Wege generell nur bei trockenem Wetter zu befahren, so dass eine Beschädigung der Wege eher verhindert werden kann. Für den Fall, dass trotz dieser vorbeugenden Maßnahmen eine Beschädigung der Wege durch Schwerlastverkehr erfolgen sollte, könnte der Kläger sich verpflichten, den entstandenen Schaden auf eigene Kosten zu beseitigen. Ferner kann der Beklagte bei der Entscheidung berücksichtigen, dass die Nutzung der Wege zum Zweck der Errichtung von Windkraftanlagen erfolgt und dafür die dingliche Sicherung von Wegerechten sowie das Verlegen von Kabeln usw. notwendig ist, für die es bisher keine Einigung zwischen den Parteien gibt.