Staatsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 08.02.2022, Az.: StGH 1/21

Antwortverweigerung; Landtag; Abgeordneter; Antwort; Grundrechte; Kleine Anfrage; Prognose; schutzwürdiges Interesse; Teilantwort; Wolf

Bibliographie

Gericht
StGH Niedersachsen
Datum
08.02.2022
Aktenzeichen
StGH 1/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 61676
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bestehen Anfragen nach Art. 24 Abs. 1 NV aus mehreren Fragen bzw. werden verschiedene Einzelinformationen begehrt, hat die Landesregierung die Möglichkeit von Teilantworten zu prüfen. Eine Pflicht zu Teilantworten besteht immer dann, wenn dies dem in der Anfrage zum Ausdruck kommenden Informationsinteresse der Abgeordneten bei objektiver Betrachtung entspricht und der geltend gemachte Verweigerungsgrund Teilantworten bereits tatbestandlich nicht entgegensteht.

2. Zur Bestimmung des Informationsinteresses muss die Landesregierung den wesentlichen Inhalt der Frage und deren Begründung aufgreifen, den wirklichen Willen und das daraus erkennbare Informationsbedürfnis des Fragestellers ermitteln und danach Art und Umfang einer möglichen Teilantwort ausrichten. Verbleiben nach der Auslegung Zweifel, kann die Regierung nachfragen oder die vollständige Antwort verweigern. Dabei muss sie herausstellen, dass sie Teilantworten nicht von der Fragestellung umfasst sieht.

3. Im Rahmen der nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV anzustellenden Prognose muss die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen Dritter nicht unmittelbar als Folge der Antwort eintreten; die prognostische Entscheidung der Landesregierung kann ein durch die Antwort ausgelöstes nachfolgendes Gefährdungsverhalten Dritter einbeziehen.

4. Die Prognose kann nur auf Quellen und Vorfälle gestützt werden, die zum Zeitpunkt der Beantwortung der Anfrage bekannt waren. Später bekanntgewordene Tatsachen haben unabhängig davon, ob sie die Prognose stützen oder widerlegen, bei der verfassungsrechtlichen Prüfung außer Betracht zu bleiben.

Tenor:

Soweit die Antragsteller die Anträge zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.

Die Antragsgegnerin hat die Antragsteller zu 1. und 3. durch die Antworten auf die Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage LT-Drs. 18/8630 „NOZ: ‚Geheimsache Wolf‘ - Welche Abschussgenehmigungen für Wölfe bestehen in Niedersachsen?“ nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Art. 24 Abs. 1 NV insoweit verletzt, als sie keine Teilauskünfte erteilt hat.

Der weitergehende Antrag der Antragsteller zu 1. und 3. wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Frage, ob die Antragsgegnerin ihrer Auskunftspflicht nach Art. 24 Abs. 1 NV nachgekommen ist.

I.

Die Antragsteller zu 1. und 3. sind Mitglieder des Niedersächsischen Landtages und gehören der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an. Der Antragsteller zu 2. ist nach seiner Wahl in den Deutschen Bundestag am 13. Oktober 2021 aus dem Niedersächsischen Landtag ausgeschieden. Die Antragsteller richteten unter dem 8. Februar 2021 an die Antragsgegnerin eine Kleine Anfrage (LT-Drs. 18/8509) und begehrten Auskunft:

„Wann und von welcher Behörde wurden über die bekannten vier Fälle hinaus bislang Ausnahmegenehmigungen zur Entnahme von Wölfen erteilt (bitte jeweils Kennung des Wolfs, Territorium und gegebenenfalls Rudel angeben)?“ (Frage 1)

und:

„Wie werden die Genehmigungen jeweils begründet (sofern Nutztierrisse zur Begründung herangezogen werden, bitte jeweils Kennnummer des Falls, Datum, Ort, Tierart, Art des Grundschutzes, gegebenenfalls Zaunart und -höhe, Schwachstellen des Herdenschutzes, nachgewiesenen Verursacher sowie Schadenshöhe aufführen)?“ (Frage 2)

Die Antragsgegnerin unterrichtete im Rahmen einer vertraulichen Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz am 17. Februar 2020 über alle bisher erlassenen Ausnahmegenehmigungen. Sie nahm sodann in der schriftlichen Antwort vom 26. Februar 2021 (LT-Drs. 18/8630) in einer Vorbemerkung wie folgt Stellung:

„Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 26.06.2020 (4 ME 116/20) festgestellt hat, dass die Genehmigung zur Tötung der beiden genannten Wölfe bei summarischer Prüfung rechtmäßig war. Der Bescheid war nur insoweit rechtswidrig, als dass er nicht den engen zeitlichen Zusammenhang ausreichend bestimmt hat, innerhalb dessen nach einem Rissereignis Wölfe ohne konkrete Identifizierung getötet werden dürfen. Dies ändert nichts daran, dass die Tötung als solche ausreichend begründet, verhältnismäßig und rechtmäßig war. Die Bestimmung des zeitlichen Zusammenhangs wurde bei nachfolgenden Genehmigungen ergänzt und durch einen Beschluss vom OVG Lüneburg vom 24.11.2020 (4 ME 199/20) bestätigt.

Der Verweigerungsgrund für die Herausgabe von Informationen über weitere Ausnahmegenehmigungen nach Artikel 24 Abs. 3 Satz 1 NV beruht darauf, dass die Landesregierung als Teil der Exekutive nach Artikel 1 Abs. 3 GG in Verbindung mit Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 NV an die Grundrechte gebunden ist. Im vorliegenden Fall sind insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG), aus dem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgt, sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG Dritter betroffen. Beide Grundrechte gewähren nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern stellen zugleich eine objektive Wertentscheidung der Verfassung dar, die staatliche Schutzpflichten begründet.

Im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Abgeordneten und dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Dritten, insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung der Bedeutung der Pflicht zur erschöpfenden Beantwortung parlamentarischer Informationsbitten, wurden die unterschiedlichen Interessen im Wege der praktischen Konkordanz abgewogen, damit beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten.

Die Landesregierung verweigert die Auskunft bezüglich des Vorliegens weiterer Ausnahmegenehmigungen in öffentlichem Rahmen, da zu befürchten ist, dass den in den Vollzug eingebundenen Personen nach Bekanntwerden umfangreiche Repressalien im persönlichen Bereich drohen würden. Insbesondere ist hier mit Mobbing, Beleidigung und auch Angriffen auf die betroffenen Personen zu rechnen. Diese Vermutung bezieht sich dabei nicht nur auf den gesellschaftlichen (oft enthemmten) Umgang in den Sozialen Medien, sondern auch auf den Vollzugseinsatz vor Ort (Vollzugsstörung).

Die konkreten Erfahrungen aus den bisher öffentlich bekannten Ausnahmegenehmigungsverfahren haben gezeigt, dass diese zu einer starken Polarisierung führen können, die über einen normalen gesellschaftlichen Diskurs hinausgehen. Sowohl die Antragsteller als auch Jäger und Mitarbeiter der Vollzugsbehörden waren und sind konstant Angriffen unter Namensnennung ausgesetzt, die bis zur Androhung empfindlicher Übel gehen. Insofern besteht die berechtigte Prognose, dass es auch bei öffentlichem Bekanntwerden weiterer Ausnahmegenehmigungen zu einer Verletzung der oben genannten Grundrechte kommen würde.“

Die Antragsgegnerin beantwortete die Frage 1 sodann wie folgt:

„Über die bereits in der Drucksache 18/8302 erwähnten Ausnahmegenehmigungen hinaus wurde am 11.09.2020 eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung durch den NLWKN unter Einbindung des Umweltministeriums erteilt. Die Genehmigung mit der detaillierten Begründung ist in der Anlage beigefügt.

Darüberhinausgehende Angaben über weitere Ausnahmegenehmigungen werden auch weiterhin unter Bezugnahme auf Artikel 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung (NV) nicht öffentlich getätigt, da schutzwürdige Interessen Dritter dem entgegenstehen (siehe Vorbemerkung der Landesregierung für weitere Erläuterungen zum Verweigerungsgrund).“

Auf Frage 2 antwortete die Antragsgegnerin:

„Es wird auf die Antwort zu Frage 1) und die Vorbemerkung verwiesen.“

Die in der Anlage beigefügte anonymisierte Entnahmegenehmigung vom 11. September 2020 war befristet bis zum 31. Dezember 2020 und bezog sich auf die Entnahme des Wolfes „GW 1111m“ aus dem Herzlaker Rudel.

II.

Das Niedersächsische Landtagsdokumentationssystem weist für die 18. Wahlperiode zahlreiche Nachweise über parlamentarische Vorgänge zum Thema „Wolf“ aus. Unter www.nlwkn-niedersachsen.de (Wolfsbüro) werden alle toten Wölfe mit Todesursache sowie alle durch Wolfsrisse verursachten Nutztierschäden aufgelistet; auch über vollzogene Wolfsentnahmen wird dort informiert. Auf einer weiteren Website wird über einzelne Wolfsrudel insbesondere in Burgdorf, Rodewald, Munster, Ebstorf und Herzlake berichtet.

Im Zusammenhang mit öffentlich gewordenen Entnahmegenehmigungen wurden in sozialen Netzwerken Herdenhalter und entnahmeberechtigte Personen namentlich benannt und verbal u.a. wie folgt angegriffen:

„Der WOLFSKILLER heißt mit Nick-Name (Namensnennung) und wohnt in (Ortsnennung).“
„… Eins kann ich Ihnen aber versichern, auch wenn es für sie und ihre Helfershelfer eine Strafe von bis zu fünf Jahren geben kann, wird das Echo, dass sie erhalten werden, von RECHTSSTAAT treuen Menschen, viel viel schlimmer für sie werden. Sie sollten sich dringend bei einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht (…) beraten lassen, bevor sie sich und ihre Familie ins Unglück stürzen.
(…)

„(Namensnennung) hat seit über 10 Jahren Wölfe um sich rum... Schaut diesen Typen genau auf die Finger! Lasst euch nicht auf den Arm nehmen! Teilt bitte meinen Beitrag damit die Welt weiß, dass wir die PROBLEMSCHÄFER beim Namen benennen und sie beschämen!“

„Nun werden wir (Namensnennung) und seine Schafe begleiten, bis er endlich wolfsabweisend zäunt! Die wissen anscheinend nicht, wie wir das im Roddyland gemacht haben. Und die beiden beauftragten Wolfstodesschützen = Jäger habe ich auch schon mal besucht, damit (Vornamensnennung mit abgekürztem Nachnamen) aus (Ortsnennung) und (Vornamensnennung mit abgekürztem Nachnamen) aus (Ortsnennung) Bescheid wissen. Bitte teilt es“.

„Der Problemschäfer (Namensnennung) aus (Ortsnennung) hat wieder zugeschlagen (…)“

„(…) Das sind alles möchte gern Mörder, sie wollen die Wölfe tot sehen. Abartig sind die alle!“

„(…) Wenn C einen auf Geheimniskrämerei macht, dann wird er das Echo erhalten. Dann spielen wir sozusagen „Schiffe versenken“, wir rätseln uns an diejenigen heran. Die Leute haben es selbst in der Hand dazu zu stehen, was sie getan haben! (…)“

„Meine Strafe wird viel schlimmer sein, wenn ein Jäger im Roddy Revier einen Wolf tötet.“

„Korruption und Betrug … Hammer was in Deutschland mit Behördlicher Genehmigung alles möglich ist … . Es müssen langsam Köpfe Rollen, sonst wird das, dass tägliche Geschäft einer kriminellen Vereinigung.“

„Gnade dir Gott du Jaegerlein der du die Faehe geschossen hast. Dann wirst du ohne grossen Aufwand bestraft! Und dann wird hoffentlich jedem Jaeger klar sein, auf was fuer einen Irrsinn die sich da eingelassen haben! (…)“

„Sehr geehrter Herr C, ich habe eine Vision. Nachts fahre ich auf einer kleinen Straße und sehe ein verunglücktes Auto. Ich steige spontan aus um zu helfen. Dann sehe ich, dass sie es sind bzw. einer ihrer Mitarbeiter. Lachend steige ich wieder ins Auto und hoffe, dass es ihnen genauso geht wie den unschuldigen Wölfen, die sie rechtswidrig zum Abschuss freigegeben haben. (…)“

Am 12. Oktober 2020 zeigte ein Jagdausübungsberechtigter und Revierpächter im Bereich Rodewald Einschusslöcher einer großkalibrigen Schusswaffe in den Kanzeln zweier Jägerhochsitze an. Im räumlichen Geltungsbereich einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung zur Wolfsentnahme brannte am 8. März 2021 ein von unbekannten Tätern angezündeter Hochsitz in Brockhöfe, am 22. April 2021 fand sich an einem Hochsitz in Burgdorf eine computerschriftliche Nachricht mit dem Inhalt:

„Finger weg vom Wolf. Sonst gehen eure Hochsitze in Flammen auf. Wir kriegen es raus wer geschossen hat …!!!!!“

Im Bereich Steimbke nahe Rodewald wurden im räumlichen Bereich einer artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigung Schraubenfallen in frei zugänglichen Waldwegen eingebracht. Im Zeitraum vom 24. April 2021 bis 28. April 2021 kam es dadurch zu Beschädigungen an einem Fahrrad und an Fahrzeugreifen; eine Spaziergängerin trat im genannten Waldgebiet in eine abgesägte Schraube und musste ärztlich versorgt werden. Mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr konnte die Polizei mehrere Schraubenfallen finden und sichern.

III.

Die Antragsteller machen mit ihrem am 28. April 2021 eingegangenen Antrag im Organstreitverfahren geltend, sie seien in ihrem Interpellationsrecht aus Art. 24 Abs. 1 NV verletzt. Sie begehren die Feststellung einer Pflichtverletzung der Antragsgegnerin sowie deren Verpflichtung, diese und zukünftige entsprechende Anfragen vollständig zu beantworten. Das parlamentarische Fragerecht habe grundsätzliche Bedeutung für die Wahrnehmung des Abgeordnetenmandates und die Kontrolle der Landesregierung. Die konkrete Information darüber, ob und mit welcher Begründung welche Wölfe zum Abschuss freigegeben seien, sei vor dem Hintergrund des strengen Schutzstatus des Wolfes von besonderer Bedeutung. Die Bereitstellung lediglich einer beispielhaften Entnahmegenehmigung sei unzureichend. Ob die Voraussetzungen von § 45a BNatSchG zur Entnahme eines Wolfes gegeben seien, müsse politisch und rechtlich überprüfbar sein. Die Opposition könne eine politische Debatte nur führen, wenn sie über die erteilten Abschussgenehmigungen in Kenntnis gesetzt werde und diese Informationen öffentlich verwerten dürfe. Auch die gerichtliche Kontrolle des Handelns der Landesregierung durch klagebefugte anerkannte Umweltschutzverbände werde durch die Auskunftsverweigerung unmöglich gemacht, obwohl frühere Abschussgenehmigungen vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zumindest teilweise für rechtswidrig erklärt worden seien.

Schutzwürdige Interessen Dritter stünden der erbetenen Auskunft nicht entgegen. Ein direkter Zusammenhang zwischen bisherigen Landtagsanfragen und den von der Antragsgegnerin ins Verfahren eingebrachten Interneteinträgen bestehe nicht. Die lediglich abstrakte Möglichkeit einer Rechtsgutverletzung durch die öffentliche Beantwortung der Anfrage rechtfertige nicht die Antwortverweigerung; anderenfalls liefe das Fragerecht des Art. 24 NV ins Leere. Es gebe keinen Beleg dafür, dass die Geheimhaltung der Abschussgenehmigungen Rechtsgutverletzungen vermeide. Die Landesregierung könne nicht deshalb Informationen dem Parlament verweigern, weil sie zu einer starken Polarisierung führten oder das Thema in den sozialen Medien enthemmt diskutiert werde; dies beträfe auch vergleichbare Fälle wie Genehmigungen von Kraftwerken, Tierställen, Einleitungen in Gewässer oder Nachfragen zu umstrittenen Polizeieinsätzen. Eine mögliche „Vollzugsstörung“ sei von den Verweigerungsgründen nach Art. 24 Abs. 3 NV nicht gedeckt.

Die Antragsteller missbilligten Bedrohungen, Beleidigungen, tätliche Angriffe und andere Rechtsgutverletzungen auf das Schärfste. Personenbezogene Daten beauftragter Schützen oder Tierhalter würden bewusst nicht erfragt. Diesbezügliche Hinweise könnten durch Schwärzungen unkenntlich gemacht werden; ob eine anonymisierte Entnahmegenehmigung für die Antragsteller noch verwertbar sei, obliege nicht der Beurteilung der Antragsgegnerin.

Die Verweigerung der Auskunft sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Antragsgegnerin bisher Rissereignisse und Abschussgenehmigungen mit Ortsangabe und Nennung des genetischen Namens des Tieres aktiv kommuniziert habe. Sie gebe vollzogene Abschüsse zudem mit Ortsangabe und Nennung des genetischen Namens des Tieres durch Pressemitteilung bekannt. Mindestens hätte die Antragsgegnerin eine Teilantwort etwa durch Nennung der Zahl der erteilten Abschussgenehmigungen geben müssen; die vollständige Verweigerung der Informationen mache eine öffentliche Kritik unmöglich. Die vertrauliche Unterrichtung des Umweltausschusses sei unzureichend, weil die Weitergabe oder Kommentierung der erteilten Informationen wegen der Vertraulichkeit nicht möglich sei.

Nach Rücknahme des Verpflichtungsantrags sowie des Antrags des Antragstellers zu 2. auch im Übrigen beantragen die Antragsteller zu 1. und 3.

festzustellen,

dass die Antragsgegnerin mit der Antwort auf die Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage Drs. 18/8630 „Neue Osnabrücker Zeitung: Geheimsache Wolf“ - Welche Abschussgenehmigungen für Wölfe bestehen in Niedersachsen?“ der Abgeordneten A, Helge Limburg und B der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nach § 46 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages gegen ihre Pflicht nach Art. 24 Abs. 1 NV verstoßen hat.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antrag sei unbegründet. Mit der begehrten Auskunft wären schutzwürdige Interessen der Antragsteller einer Entnahmegenehmigung (Weidetierhalter), der Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie der unteren Naturschutzbehörde, der Jagdausübungsberechtigten sowie weiterer Unbeteiligter verletzt worden. Nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV habe die Antragsgegnerin deshalb zu Recht dem Auskunftsverlangen nicht entsprochen. Sie habe so weitgehend Auskunft erteilt, wie es ihr unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen Dritter möglich gewesen sei. Die beigefügte anonymisierte Entnahmegenehmigung zeige Begründungsmuster und Begründungstiefe der erteilten Genehmigungen auf und entspreche der einschlägigen aktuellen Rechtsprechung. Dem Informationsinteresse diene zudem das vielfältige, auf den Internetseiten des Landes frei abrufbare Informationsangebot; hinzugekommen sei vorliegend die Unterrichtung über alle nicht vollzogenen Genehmigungen zur Wolfsentnahme in der vertraulichen Ausschusssitzung des Ausschusses für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz am 17. Februar 2021 durch den Minister.

Bei der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung habe sie die besondere Bedeutung des parlamentarischen Interpellationsrechts berücksichtigt und keine Bewertung der Ziele und Beweggründe der Antragsteller vorgenommen. Berührt sei auf Seiten der betroffenen Dritten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, welches u.a. die Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten schütze. Mit den mit der Auskunft erbetenen Informationen und den frei zugänglichen Datenmaterialien könnten Weidetierhalter, Jagdausübungsberechtigte, Behördenmitarbeiter und Kreisjägermeister identifiziert werden. Das absichts- und planvolle, internetbasierte, strukturierte Zusammentragen und die anschließende Veröffentlichung personenbezogener Daten („sog. Doxing“) habe in der Vergangenheit zu zahlreichen Beiträgen in sozialen Netzwerken mit Beleidigungen und Drohungen geführt. Kinder eines Jägers seien Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Es sei deshalb nicht erheblich, dass die Antragsteller keine konkrete Namensnennung begehrten. Um das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Dritten zu schützen, müsse die Gefahr ihrer Identifizierung mit Hilfe der begehrten Auskünfte verhindert werden.

Als schutzwürdiges Interesse der Dritten sei auch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen. Die körperliche Unversehrtheit Dritter sei, wie die verschiedenen Vorfälle und Drohungen für Leib und Leben in den sozialen Medien zeigten, bedroht. Der Antragsgegnerin obliege die staatliche Schutzpflicht, für die körperliche Unversehrtheit der Dritten zu sorgen und Risiken entgegenzutreten. Sie habe eine prognostische Betrachtung und Bewertung vornehmen müssen. Dabei habe sie auf den Erfahrungswert zurückgreifen können, dass die Reaktionen und spezifischen Anfeindungen und Angriffe gegenüber Beteiligten und unbeteiligten Familienangehörigen umso gravierender gewesen seien, je konkreter die Inhalte einer Entnahmegenehmigung bekannt gewesen seien. Wo Entnahmegenehmigungen in der Öffentlichkeit nicht bekannt gewesen seien, habe es keine Gefährdungen Dritter gegeben.

In Anbetracht der Schwere und der Intensität der Grundrechtsverletzung komme den geschützten Interessen ein hohes Gewicht zu. Der Ausgleich der Interessen der Antragsteller sowie der Dritten sei im Wege praktischer Konkordanz durch die Antragsgegnerin hergestellt worden. Es sei legitimer Zweck, geschützte Interessen Dritter zu berücksichtigen. Die Auskunftsverweigerung sei erforderlich, weil ein geeignetes milderes Mittel nicht vorhanden gewesen sei. Dies zeige sich daran, dass bereits die vertrauliche nichtöffentliche Unterrichtung durch den Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Lies im Ausschuss am 17. Februar 2021 zu Presseberichten an den folgenden Tagen geführt habe, in denen Ausnahmegenehmigungen thematisiert worden seien.

Die Gewichtung des Interpellations- und Fragerechts gegenüber den schutzwürdigen Interessen Dritter sei auch nicht deshalb unzutreffend, weil eine gerichtliche und politische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entnahmegenehmigungen unmöglich würde. Das Interpellationsrecht diene nicht dem Zweck, klagebefugten Verbänden Kenntnis von ansonsten nicht öffentlichen Vorgängen zu verschaffen. Umweltverbände hätten die Möglichkeit, über einen Anspruch nach § 3 NUIG - gegebenenfalls klageweise - Zugang zu den entsprechenden Informationen zu bekommen. Die frühere abweichende Veröffentlichungspraxis über veranlasste Wolfsentnahmen binde nicht gegenüber einer späteren besseren Erkenntnis, die durch die eingetretenen Vorfälle vermittelt worden sei.

Der Erforderlichkeit der Auskunftsverweigerung stehe nicht entgegen, dass auf den Internetseiten des Landes umfangreiches Datenmaterial frei abrufbar sei. Dieses Material ermögliche allenfalls unkonkrete Mutmaßungen über die Existenz von Ausnahmegenehmigungen; eine Gefährdungslage für die schutzwürdigen Interessen Dritter trete erst mit der verlangten Auskunft über in Vollzug befindliche Ausnahmegenehmigungen ein.

Die Verweigerung der Auskunft sei angemessen. Der politische Diskurs werde nicht beeinträchtigt; Informationen über Nutztierrisse und Wolfsentnahmen seien vielfältig verfügbar. Es habe berücksichtigt werden müssen, dass die Auseinandersetzungen im Kontext der Wolfsentnahme immer aggressiver und enthemmter geführt und geschützte Rechte der eingebundenen Personen in der Vergangenheit massiv gefährdet worden seien. Andere Alternativen wie das polizeiliche Absperren des Entnahmegebietes seien undurchführbar.

IV.

Dem Niedersächsischen Landtag wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Er hat von einer Stellungnahme abgesehen.

B.

I.

Soweit die Antragsteller ihre Anträge zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.

II.

Der noch streitgegenständliche Antrag auf Durchführung des Organstreitverfahrens ist nach Art. 54 Nr. 1 der Niedersächsischen Verfassung - NV - vom 19. Mai 1993 (Nds. GVBl. S. 107), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Dezember 2020 (Nds. GVBl. S. 464), und § 8 Nr. 6 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof - NStGHG - vom 1. Juli 1996 (Nds. GVBl. S. 342), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Oktober 2016 (Nds. GVBl. S. 238), statthaft. Die Beteiligten streiten über den Umfang der wechselseitigen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Auskunft nach Art. 24 NV und damit über die Abgrenzung von verfassungsrechtlichen Aufgaben und Kompetenzen.

III.

Der Antrag ist zulässig.

1. Der Antrag ist auf einen zulässigen Antragsgegenstand gerichtet. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Befugnis der Antragsgegnerin, die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage nach Art 24 Abs. 1 Satz 3 NV zu verweigern und damit gemäß § 30 NStGHG i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG eine Maßnahme bzw. ein Unterlassen, das geeignet ist, die verfassungsrechtliche Rechtsstellung der Antragsteller zu beeinträchtigen.

2. Antragsberechtigung und Antragsbefugnis ergeben sich aus Art. 24 Abs. 1, Art. 54 Nr. 1 NV in Verbindung mit § 8 Nr. 6, § 30 NStGHG, § 64 Abs. 1 BVerfGG. Die Antragsfrist ist gewahrt. Der Antrag im Organstreitverfahren muss nach § 30 NStGHG in Verbindung mit § 64 Abs. 3 BVerfGG binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden. Die Antwort der Antragsgegnerin wurde mit LT-Drs. 18/8630 am 5. März 2021 verteilt. Die Antragsschrift ist am 28. April 2021 und damit rechtzeitig eingegangen.

C.

Der Antrag ist teilweise begründet. Die Antragsgegnerin hat mit der Antwort auf Frage 1 und 2 der Kleinen Anfrage vom 8. Februar 2021 (LT-Drs. 18/8509) insoweit gegen ihre Pflicht aus Art. 24 Abs. 1 NV verstoßen, als sie auch die Auskünfte nicht erteilt hat, die keine Identifizierung betroffener Dritter ermöglichen.

I.

Gemäß Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Alt. 3 NV braucht die Landesregierung dem Auskunftsverlangen nicht zu entsprechen, soweit zu befürchten ist, dass durch das Bekanntwerden von Tatsachen schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden. Die Entscheidung ist gemäß Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV zu begründen.

1. Der Verweigerungsgrund nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Alt. 3 NV beruht darauf, dass sowohl die Landesregierung als Teil der Exekutive als auch der Landtag nach Art. 1 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 NV an die Grundrechte gebunden sind. Die schutzwürdigen Interessen Dritter im Sinne des Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Alt. 3 NV werden durch die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte natürlicher und juristischer Personen konkretisiert (NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 33; Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 89).

2. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV sind die im Grundgesetz festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte Bestandteil der Niedersächsischen Verfassung. Sie binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Landesrecht (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 NV) und setzen daher jedem staatlichen Handeln Grenzen (NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 34).

3. Im Rahmen der Grundrechtsbindung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 40; Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 89). Da sich gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützte Positionen - das Auskunftsrecht der Abgeordneten auf der einen und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite - gegenüberstehen, gilt das Prinzip der praktischen Konkordanz, wonach kollidierende Verfassungsrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so in Ausgleich zu bringen sind, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 21.10.2014 - 2 BvE 5/11 -, BVerfGE 137, 185, juris Rn. 186). Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV bringt das daraus folgende Erfordernis einer Abwägung mit den Worten zum Ausdruck, dass die Landesregierung dem Auskunftsverlangen in bestimmten Fällen nicht zu entsprechen braucht. Mit dieser Formulierung räumt die Verfassung der Antragsgegnerin kein Ermessen im rechtstechnischen Sinne ein. Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV statuiert ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Die Verweigerung der Antwort auf eine parlamentarische Frage ist ein begründungsbedürftiger Sonderfall. Ob die Verweigerung einer Antwort gerechtfertigt ist, ergibt sich erst im Wege einer Abwägung der kollidierenden Verfassungsrechtspositionen (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 41).

4. Das in Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Alt. 3 NV angelegte Entscheidungsprogramm verlangt, dass die Antragsgegnerin alle für und gegen die Beantwortung der Anfrage sprechenden Belange vollständig ermittelt, zutreffend gewichtet und gegeneinander abwägt. Dabei ist die Bedeutung parlamentarischer Anfragen im System der Gewaltenteilung zu würdigen. Die Gewichtung der konkreten Frageinteressen der Abgeordneten im Rahmen der nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV erforderlichen Abwägung darf weder in den Bereich der politischen Bewertung der Beweggründe und Ziele des fragenden Abgeordneten hineinreichen noch auf eine eigene Einschätzung der entscheidenden Stelle zurückgreifen, inwieweit sie das Informations- bzw. Kontrollinteresse insgesamt oder bezogen auf einzelne Anfragegegenstände für sachgerecht, sinnvoll oder bedeutsam hält (BerlVerfGH, Urt. v. 14.7.2010 - 57/08 -, DÖV 2010, 863, juris Rn. 91). Beachten muss sie, dass dem parlamentarischen Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht zukommt, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße oder vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht. Umgekehrt darf sie in ihre Abwägung einstellen, inwieweit die begehrte Antwort unter Zugrundelegung des von den Abgeordneten dargelegten Informationsinteresses erforderlich ist, um dem Kontrollauftrag nachzukommen. Berücksichtigen darf sie schließlich, ob es sich um eine die Öffentlichkeit besonders berührende Fragestellung handelt (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 42).

5. Nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV muss zu befürchten sein, dass die schutzwürdigen Interessen Dritter verletzt werden. Diese Formulierung macht deutlich, dass die Landesregierung auf der Grundlage der ihr zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegenden Erkenntnisse eine Prognose zu erstellen hat, bei der eine bloße Betroffenheit schutzwürdiger Interessen die Antwortverweigerung nicht rechtfertigt (NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 43). Dabei muss die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen Dritter nicht unmittelbar als Folge der Antwort eintreten; die prognostische Entscheidung der Landesregierung kann ein durch die Antwort ausgelöstes nachfolgendes Gefährdungsverhalten Dritter einbeziehen. Eine Antwortverweigerung kommt umso eher in Betracht, je intensiver die drohende Grundrechtsbeeinträchtigung ausfällt. Zu berücksichtigen sind insoweit das jeweilige Gewicht des betroffenen Grundrechts wie die Schwere der konkret drohenden Beeinträchtigung und das Verhalten des Dritten, also beispielsweise die Frage, inwieweit er mit seinem Handeln Anlass zu einer parlamentarischen Kontrolle gegeben hat (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 43).

6. Schließlich ist zu prüfen, ob und wie weit („soweit“) das Gewicht der betroffenen Interessen zur Verweigerung einer Antwort berechtigt. Die jeweiligen Belange sind im Rahmen der Abwägung so gegenüberzustellen, dass die kollidierenden Positionen zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden. Das kann in besonderen Einzelfällen die Möglichkeit einschließen, eine Frage in vertraulicher Sitzung zu beantworten oder eine Antwort nur teilweise zu verweigern (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 44; Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 89; BVerfG, Urt. v. 7.11.2017 - 2 BvE 2/11 -, BVerfGE 147, 50, juris Rn. 206 ff.).

7. Eine Pflicht zu Teilantworten besteht immer dann, wenn dies dem in der Anfrage zum Ausdruck kommenden Informationsinteresse der Abgeordneten bei objektiver Betrachtung entspricht und der geltend gemachte Verweigerungsgrund Teilantworten bereits tatbestandlich nicht entgegensteht oder aber bei der gebotenen Abwägung kein hinreichendes Gewicht entfaltet, um eine vollständige Antwortverweigerung zu rechtfertigen. In Bezug auf das Informationsinteresse kann angesichts der hohen Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts von dem Fragesteller eine sorgfältige Formulierung seiner Fragen erwartet werden. Allerdings ist der Informationsvorsprung der Regierung und das häufig bestehende Informationsdefizit des Fragestellers zu berücksichtigen, das nicht selten die differenzierte Formulierung einer Frage erschwert. Zur Bestimmung des Informationsinteresses muss die Landesregierung den wesentlichen Inhalt der Frage und deren Begründung aufgreifen, den wirklichen Willen und das daraus erkennbare Informationsbedürfnis des Fragestellers ermitteln und danach Art und Umfang einer möglichen Teilantwort ausrichten. Verbleiben nach der Auslegung der Frage Zweifel an deren Inhalt und Reichweite oder ist das zugrundeliegende Informationsinteresse nicht eindeutig zu bestimmen, kann die Regierung nachfragen oder die vollständige Antwort verweigern. Dabei muss sie herausstellen, dass sie Teilantworten nicht von der Fragestellung umfasst sieht. Damit gibt sie dem Fragesteller Gelegenheit, seine Frage und sein auch auf Teilantworten gerichtetes Informationsinteresse zu verdeutlichen (vgl. zur Auslegung parlamentarischer Anfragen bereits NdsStGH, Urt. v. 22.10.2012 - StGH 1/12 -, Nds. StGHE 5, 123, juris Rn. 56; BVerfG, Urt. v. 7.11.2017 - 2 BvE 2/11 -, BVerfGE 147, 50, juris Rn. 251 ff.; beide m.w.N.).

8. Nach Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV hat die Landesregierung ihre Entscheidung, die Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage zu verweigern, zu begründen. Die Begründung ist gegenüber dem Fragesteller im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verweigerung der Antwort abzugeben. Das Nachholen einer fehlenden oder die Ergänzung einer unzureichenden Begründung im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist ausgeschlossen. Der Staatsgerichtshof beschränkt sich auf eine Überprüfung der von der Antragsgegnerin rechtzeitig geltend gemachten Verweigerungsgründe, ohne das Vorliegen weiterer, von dieser nicht geltend gemachter Verweigerungsgründe von Amts wegen zu erforschen (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 45; Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 90 zur Verweigerung der Aktenvorlage; BerlVerfGH, Urt. v. 14.7.2010 - 57/08 -, DÖV 2010, 863, juris Rn. 102; VerfG Bbg, Urt. v. 9.12.2004 - 6/04 -, NVwZ-RR 2005, 299, 302 [VerfG Brandenburg 09.12.2004 - VfGBbg 6/04]).

II.

Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze sind die Anforderungen an die Verweigerung der Antwort nur teilweise erfüllt. Die Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage in der LT-Drs. 18/8630 „NOZ: „Geheimsache Wolf“ - Welche Abschussgenehmigungen für Wölfe bestehen in Niedersachsen?“ schließen Teilantworten nicht aus (1). Die Antragsgegnerin hat die schutzwürdigen Interessen der von den Abschussgenehmigungen berührten Dritten zutreffend ermittelt, aber die Prognosegrundlagen nur teilweise fehlerfrei gewürdigt (2). Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die Interessen der Antragsteller und der betroffenen Dritten ohne Fehler ermittelt und abgewogen (3). Insoweit ist die Auskunftsverweigerung ausreichend begründet (4).

1. Die Fragen 1 und 2 in der Kleinen Anfrage sind bei der gebotenen objektiven Betrachtung auch auf eine nur teilweise Beantwortung gerichtet. Weder aus der Formulierung der Fragen noch der gesamten Anfrage ergeben sich hier Umstände, die Teilantworten ausschließen und den Schluss rechtfertigen, dass an nur einzelnen Informationen kein Interesse besteht. Frage 1 richtet sich darauf zu erfahren, welche artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen zum Abschuss von Wölfen erteilt wurden. Gefragt ist nach der genehmigenden Behörde, nach dem Genehmigungsdatum, dem betroffenen Wolf, seinem Territorium und gegebenenfalls seinem Rudel. Frage 2 zielt auf Angaben zur Begründung der Ausnahmegenehmigungen insbesondere in Bezug auf Nutztierrisse ab. Erfragt sind die Kennnummer des Falls, Datum, Ort, Tierart, Art des Grundschutzes, gegebenenfalls Zaunart und -höhe, Schwachstellen des Herdenschutzes, nachgewiesener Verursacher sowie Schadenshöhe. Es handelt sich jeweils um abgrenzbare Einzelinformationen, die auch für sich genommen einen Informationswert haben. Angesichts der hohen politischen Relevanz der Wolfspolitik in Niedersachsen war die Kleine Anfrage der Antragsteller darauf gerichtet, möglichst umfassende Auskünfte über bestehende Ausnahmegenehmigungen zu erhalten.

Soweit die Antragsteller in den Vorbemerkungen ausdrücklich unter Hinweis auf Entscheidungen des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes ihr hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung der Fragen zum Ausdruck gebracht haben, steht dies einer teilweisen Beantwortung nicht entgegen. Sie haben in der mündlichen Verhandlung überzeugend begründet, dass sie die Antragsgegnerin lediglich darauf hinweisen wollten, gegebenenfalls vor der Beantwortung auch Informationen nachgeordneter Behörden einzuholen. Ein Ausschluss von Teilantworten sei damit nicht verbunden gewesen. Die in den Vorbemerkungen benannten konkreten Fundstellen aus Entscheidungen des Staatsgerichtshofs stützen diesen Vortrag.

Die Antragsgegnerin hat ihre Antwortverweigerung demgegenüber darauf gestützt, dass diese erfragten Informationen zu einer Identifizierung gefährdeter Personen führen. Dies erfordert nicht zwangsläufig eine vollständige Antwortverweigerung und schließt es insbesondere nicht aus, die einzelnen Informationen gesondert darauf zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Auskünfte eine Identifizierung ermöglichen und nur diese Auskünfte zu verweigern. Im Übrigen ist die Antragsgegnerin selbst davon ausgegangen, dass auch eine teilweise Beantwortung der Fragen möglich war, indem sie zu Frage 1 eine anonymisierte Ausnahmegenehmigung als Muster beifügt hat.

2. Die Antragsgegnerin hat die schutzwürdigen Interessen Dritter zutreffend ermittelt (a). Die Prognose zu befürchtender Verletzungen trägt allerdings nur teilweise (b). Soweit das Bekanntwerden der erfragten Auskünfte eine Identifizierung von mit der Wolfsentnahme befassten Dritten ermöglicht, hat die Antragsgegnerin eine Gefährdung zu Recht prognostiziert (c). Ob der Antragsgegnerin im Rahmen der Prognose ein Beurteilungsspielraum zusteht oder ob die Entscheidung durch den Staatsgerichtshof voll überprüfbar ist, kann deshalb offenbleiben.

a) Nach der Begründung der Antwortverweigerung befürchtet die Antragsgegnerin, dass den in den Vollzug einer Ausnahmegenehmigung eingebundenen Personen (Tierhalter, Jäger, Mitarbeiter der Vollzugsbehörden) nach Bekanntwerden von Ausnahmegenehmigungen umfangreiche Repressalien im persönlichen Bereich drohen. Es sei insbesondere mit Mobbing, Beleidigungen und auch Angriffen auf die betroffenen Personen zu rechnen. Die konkreten Erfahrungen aus bisher veröffentlichten Genehmigungen ließen Angriffe auf die eingebundenen Personen unter Namensnennung befürchten. Benannt sind damit die Gefährdung des Rechts auf persönliche Ehre (aa) sowie des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (cc) jeweils als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und das Recht auf körperliche Unversehrtheit (bb) aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Weitere Grundrechte oder Verweigerungsgründe, beispielsweise Nachteile für das „Wohl des Landes“ unter dem Aspekt der Vollzugsstörung, hat die Antragsgegnerin in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage nicht geltend gemacht; sie sind deshalb nicht zu prüfen.

aa) Das aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht begründet als Abwehrrecht und - dies ist hier maßgeblich - staatliche Schutzpflicht den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -, BVerfGE 114, 339, juris Rn. 25 f.). Es sichert jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 - 1 BvL 17/87 -, BVerfGE 79, 256, juris Rn. 44). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die persönliche Ehre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.6.1980 - 1 BvR 185/77 -, BVerfGE 54, 148, juris Rn. 14; Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -, BVerfGE 114, 339, juris Rn. 25; Beschl. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 -, BVerfGE 119, 1, juris Rn. 70) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007 - 1 BvR 1783/05 -, BVerfGE 119, 1, juris Rn. 71). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Wesentlich ist insofern das Recht jeder Person, selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und wie sie sich in die Öffentlichkeit begibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019 - 1 BvR 16/13 -, BVerfGE 152, 152, juris Rn. 80 f.). Indem Tierhalter und Jäger in sozialen Netzwerken mit Namen benannt und als „Wolfskiller“, „Problemschäfer“ oder „Möchtegernkiller“ bezeichnet werden, ist das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in seinen vorgenannten Wirkformen betroffen.

bb) Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.8.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24, juris Rn. 65; Beschl. v. 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, BVerfGE 115, 320 [BVerfG 04.04.2006 - 1 BvR 518/02], juris Rn. 92). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Übergriffe Dritter zu befürchten sind (s. zu V-Leuten BVerfG, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 BvE 1/15 -, BVerfGE 146, 1, juris Rn. 101). Beiträge in sozialen Netzwerken, wie beispielsweise „Meine Strafe wird viel schlimmer sein, wenn ein Jäger im Roddy Revier einen Wolf tötet“, „ …Es müssen langsam Köpfe rollen..“ oder „Gnade dir Gott du Jägerlein, der Du die Fähe geschossen hast. Dann wirst du ohne großen Aufwand bestraft!“, sind geeignet, die Gefahr von körperlichen Übergriffen und damit eine Betroffenheit des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit zu begründen.

cc) Das aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i. V. m Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung gibt dem Einzelnen die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.2011 - 2 BvR 2500/09 -, BVerfGE 130, 1 [BVerfG 07.12.2011 - 2 BvR 2500/09; 2 BvR 1857/10], juris Rn. 137) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, BVerfGE 115, 320 [BVerfG 04.04.2006 - 1 BvR 518/02], juris Rn. 69 m.w.N.). Es handelt sich um ein Abwehrrecht gegen eine unbefugte Weitergabe individualisierter oder individualisierbarer Daten (st. Rspr., vgl. BVerfG, Urt. v. 7.11.2017 - 2 BvE 2/11 -, BVerfGE 147, 50, juris Rn. 236 m.w.N.). Ob der Schutzbereich dieses Grundrechts hier betroffen ist, ist nicht eindeutig. Bewusst fragen die Antragsteller nicht nach Namen oder anderen Daten, die unmittelbar mit einer bestimmten Person verknüpft werden können. Ein konkreter Personenbezug kann sich deshalb nur daraus ergeben, dass Dritte die in der Antwort enthaltenen Informationen mit weiteren frei verfügbaren Informationen - etwa aus dem Internet und aus Veröffentlichungen in den Medien - kombinieren und so bestimmten Personen zuordnen. Ob und inwieweit in derartigen Fällen, in denen der Staat „neutrale“ Informationen verarbeitet, die erst von Dritten unter Nutzung weiterer Quellen personalisiert werden, von einem Umgang mit personenbezogenen Daten auszugehen ist, ist nicht abschließend geklärt (vgl. Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, 3, Aufl. 2020, Art. 4 DSGVO Rn. 25 ff.). Die Frage kann hier offenbleiben, da aus diesem Recht jedenfalls kein gegenüber dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie auf körperliche Unversehrtheit weitergehender Schutz folgen würde.

b) Die Prognose der Antragsgegnerin zu befürchtender Grundrechtsverletzungen der in den Vollzug einer Ausnahmegenehmigung eingebundenen Personen ist nur teilweise zutreffend. Sie beruht auf der Annahme, dass eine Beantwortung der beiden gestellten Fragen zu einer Identifizierbarkeit der betroffenen Personen führt. Dabei sind beide Fragen und die betroffenen Personen (Tierhalter, Jäger und Behördenmitarbeiter) grundsätzlich getrennt zu betrachten.

Soweit mit Frage 1 die eine Ausnahmegenehmigung erteilende Behörde erfragt wird, sind über den Behördennamen zuständige Mitarbeiter regelmäßig über die öffentlich zugänglichen Organisationspläne identifizierbar. Über die erfragte Kennung eines Wolfes, das Territorium sowie das Rudel ist über eine Internetrecherche (z. B. www.wolfsmonitoring.com) die regionale Eingrenzung einer Ausnahmegenehmigung möglich. Dies führt durch eine Verknüpfung mit der frei zugänglichen Liste der Kreisjägermeister zur Feststellung des Namens des zuständigen Kreisjägermeisters, der den Abschuss eines Wolfes zu koordinieren hat. Namen der in dem jeweiligen Gebiet befindlichen Jagdausübungsberechtigten sind zwar nicht durch eine Internetrecherche ohne weiteres zu finden. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung aber überzeugend dargelegt, dass die Wolfsschützer sehr gut örtlich vernetzt sind und deshalb vor Ort allgemein bekannt sei, wer jagdausübungsberechtigt ist. Über das Internet werden die Namen sehr schnell verbreitet. Insoweit ist die Prognose der Antragsgegnerin zu einer Identifizierung der gefährdeten Personen nachvollziehbar dargelegt. Anderes gilt für die Angabe der Zahl und des Datums erteilter Ausnahmegenehmigungen. Inwieweit diese Informationen zu einer Gefährdung von Tierhaltern, Jägern oder Behördenmitarbeiter führen können, ist auch nicht erkennbar. Der Gefährdungsprognose fehlt in diesem Umfang die Grundlage. Insoweit ist die Verweigerung dieser Angaben verfassungswidrig.

Frage 2 zielt auf Angaben zur Begründung der Ausnahmegenehmigungen insbesondere in Bezug auf Nutztierrisse ab. Erfragt sind die Kennnummer des Falls, Datum, Ort, Tierart, Art des Grundschutzes, gegebenenfalls Zaunart und -höhe, Schwachstellen des Herdenschutzes, nachgewiesener Verursacher sowie Schadenshöhe. Diese Angaben sind - wie die Antragsteller zutreffend vortragen - mittels der vom NLWKN öffentlich bereitgestellten Umweltkarten mit Ausnahme der konkreten Zaunart und -höhe sowie der Schadenshöhe öffentlich verfügbar. Eine Antwort auf die Frage führte dazu, dass eine bestimmte Ausnahmegenehmigung mit bestimmten Nutztierrissen verknüpft werden kann; dies grenzt den Kreis der möglichen Antragsteller auf die von den Rissen betroffenen Tierhalter ein. Nach diesen Tierhaltern ist jedoch nicht gefragt; gefragt ist nach der räumlichen Verortung, die in den Ausnahmegenehmigungen nur durch die Angabe der Gemeinde erfolgt. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die örtlich sehr gut vernetzten Wolfsschützer aber auch insoweit überzeugend dargelegt, dass die von Wolfsrissen betroffenen Tierhalter in der Region bekannt seien und die Namen über das Internet schnell weiterverbreitet werden. Aber nicht alle von den Antragstellern in der Frage 2 verlangten Auskünfte führen zur einer Individualisierung der betroffenen Tierhalter. Eine räumliche Einordnung ermöglichen nur die Angabe der Kennnummer, das Datum und der Ort des Nutztierrisses. Angaben zur Tierart führen regelmäßig nicht zu einer Identifizierung der Herdentierhalter, es sei denn, es handelt sich um ein seltenes Herdentier (z.B. Alpaka). Gleiches gilt für die Art des Grundschutzes, für Angaben zu Zaunart und -höhe und für Schwachstellen des Herdenschutzes sowie die Schadenshöhe. Im Regelfall erlauben solche Angaben keine Rückschlüsse auf den Herdenhalter. Die Verweigerung der Auskunft dieser Informationen ist als Grundlage für die Gefährdungsprognose deshalb nicht geeignet und trägt diese insoweit nicht. Anderes gilt nur dann, wenn erfragte Angaben im Einzelfall die Identifizierung von Tierhaltern dennoch ermöglichen (z.B. bei einem besonders hohen Schaden). Derartige besondere Umstände hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen.

Im Ergebnis hat die Antragsgegnerin hier zu Unrecht angenommen, dass die Angabe der Zahl und des Datums erteilter Ausnahmegenehmigungen sowie bei Nutztierrissen Angaben zu Tierarten, zur Art des Grundschutzes, zu Zaunart und -höhe, zu Schwachstellen des Herdenschutzes und zur Schadenshöhe eine Identifizierung von in den Vollzug einer Ausnahmegenehmigung eingebundenen Personen ermöglichen. Die Prognose war insoweit rechtswidrig, und die Verweigerung dieser Angaben verstößt gegen die Auskunftspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 24 Abs. 1 NV.

Die erfragten Auskünfte über die eine Ausnahmegenehmigung erstellende Behörde, die Kennung des für Nutztierrisse verantwortlichen Wolfes, sein Territorium und sein Rudel sowie die Angabe der Kennnummer, das Datum und der Ort des Nutztierrisses ermöglichen dagegen regelmäßig eine Identifizierung und waren damit eine geeignete Grundlage für die Gefährdungsprognose der Antragsgegnerin.

c) Soweit die zuvor genannten Informationen eine Identifizierung von Tierhaltern, Jägern und Behördenmitarbeitern ermöglichen, hat die Antragsgegnerin zu Recht deren Gefährdung angenommen. Dabei kann die Prognose allerdings nur auf Quellen und Vorfälle gestützt werden, die zum Zeitpunkt der Beantwortung der Kleinen Anfrage Ende Februar 2021 bekannt waren. Später bekanntgewordene Tatsachen haben unabhängig davon, ob sie die Prognose stützen oder widerlegen, bei der verfassungsrechtlichen Prüfung außer Betracht zu bleiben. Die Hochsitzvorfälle in Brockhöfe (8.3.2021) und in Burgdorf (22. 4.2021) sowie die Schraubenfallen auf Waldwegen im Bereich Steimbke (24.4. - 28.4.2021) sind deshalb nicht zu berücksichtigen.

Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Postings aus sozialen Netzwerken enthalten Bedrohungen, Schmähungen und Beleidigungen gegenüber Tierhaltern, Jägern und Behördenmitarbeitern. Die Antragsgegnerin hat überzeugend dargelegt, dass diese Postings in direktem Zusammenhang mit bekanntgewordenen Ausnahmegenehmigungen standen. Dies wird auch von den Antragstellern nicht bezweifelt. Die Posts belegen nachdrücklich, dass die Wolfsdebatte sehr aufgeheizt und emotional geführt wird. Die Befürchtung der Antragsgegnerin, dass bei Bekanntwerden der verweigerten Auskünfte beleidigende und ehrverletzende Äußerungen im Internet unter Nennung der Namen von Personen, die in den Vollzug der Entnahme eines Wolfes eingebunden sind, erfolgen, ist überzeugend und anhand zahlreicher Beispiele belegt. Derartige Posts stellen Personen, die selbst die Öffentlichkeit nicht suchen, mit einem hohen Verbreitungsgrad an den Pranger und sind deshalb geeignet, sich abträglich auf deren Ansehen, insbesondere deren Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Diese Personen werden ohne ihre Zustimmung Gegenstand einer emotional und verbal übergriffig geführten Diskussion. Sie haben keine Möglichkeit, sich den ehrverletzenden Zuschreibungen zu entziehen; zivil- und strafrechtliche Abwehrmöglichkeiten sind aufwändig und angesichts der im Internet verbreiteten Anonymität häufig wenig erfolgversprechend. Die Antragsgegnerin durfte das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit deshalb als ernsthaft gefährdet ansehen.

Gleiches gilt für die Gefährdung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit. Die aufgeheizte Debatte, die Gewaltneigung einzelner Debattenteilnehmer aus der militanten Tierschützerszene sowie tätliche Übergriffe, wie der Einsatz von Pyrotechnik im Nahbereich einer Herde und das Lösen von Radmuttern, rechtfertigen den Schluss, dass Anfeindungen über das Internet hinausgehen. Auch wenn die Vorfälle nicht sicher den Wolfsschützern zurechenbar sind, war die Prognose der Antragsgegnerin in der Gesamtschau aller Umstände plausibel. Ein unmittelbarer Kausalitätsnachweis war aus diesem Grund nicht erforderlich.

Dem steht im Hinblick auf die Jäger nicht entgegen, dass die im Entnahmegebiet eines Wolfes Jagdausübungsberechtigten nicht zwingend an der Jagd eines Wolfes beteiligt werden. Die Antragsgegnerin hat anhand von Postings nachvollziehbar ausgeführt, dass alle örtlich namentlich bekannten Jäger in den Fokus geraten waren, unabhängig davon, ob sie tatsächlich in die Wolfsjagd eingebunden waren. Von den Wolfschützern wurden sie als potentielle Wolfsjäger betrachtet. Damit durfte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass alle Jagdausübungsberechtigten grundsätzlich von Übergriffen bedroht waren.

Dass die Antragsgegnerin Ausnahmegenehmigungen nach deren Vollzug selbst öffentlich bekannt macht, erschüttert die Prognose nicht. Die Antragsgegnerin hat, ohne dass die Antragsteller dem konkret entgegengetreten sind, überzeugend dargelegt, dass die schutzwürdigen Interessen Dritter insbesondere vor dem Vollzug der Entnahmegenehmigungen gefährdet wurden, während dies nach dem Vollzug nicht oder nicht in vergleichbarer Weise der Fall war. Das ist nachvollziehbar, weil es den Tierschützern vorrangig darum geht, den Abschuss des Wolfes zu verhindern. Vor der geplanten Entnahme eines Wolfes getätigte Beiträge in den sozialen Medien („Meine Strafe wird viel schlimmer sein, wenn ein Jäger im Roddy Revier einen Wolf tötet“ und „„Finger weg vom Wolf. Sonst gehen eure Hochsitze in Flammen auf. Wir kriegen es raus wer geschossen hat …!!!!!“) bestätigen dies.

4. Die Antragsgegnerin hat die berührten Interessen richtig gewichtet (a) und eingeschätzt (b). Ihre Entscheidung, den grundrechtlich geschützten Interessen der in den Vollzug einer Ausnahmegenehmigung eingebundenen, identifizierbaren Personen den Vorrang einzuräumen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Antragsgegnerin hat einerseits erkannt, dass dem Auskunftsrecht der Abgeordneten aus Art. 24 Abs. 1 NV ein hohes verfassungsrechtliches Gewicht zukommt und die ausnahmsweise Verweigerung der Auskunft daher auf besondere Gründe zu stützen ist. Das Fragerecht hat in diesem Fall ein besonders hohes Gewicht, weil es in der Kleinen Anfrage um die besonders in der niedersächsischen Öffentlichkeit relevante Debatte über die Wolfspolitik geht. Es handelt sich um ein für die Antragsteller und ihre Partei bedeutendes politisches Thema, in dem sie im Zentrum der Diskussion stehen. Sie sind deshalb auf Informationen angewiesen, um sich umfassend an der Debatte auch als Gegenpol zu der Landesregierung beteiligen sowie Mutmaßungen, Spekulationen und Fehlinformationen entgegentreten zu können.

Andererseits hat die Antragsgegnerin die besonders gewichtigen Rechtsgüter - das Recht auf persönliche Ehre und auf körperliche Unversehrtheit - der Tierhalter, Jäger und Behördenmitarbeiter in die Abwägung eingestellt. Der Schutz dieser Personengruppe ist auch deshalb von hohem Gewicht, weil sie eine legitime und erforderliche Aufgabe im öffentlichen Interesse wahrnehmen. Gegen die Übergriffe Dritter, die maßgeblich im Internet erfolgen, haben sie nur geringe Abwehr- und Schutzmöglichkeiten.

b) Die Verweigerung der Auskünfte, die eine Identifizierung ermöglichen, war geeignet, erforderlich und angemessen. Der Eignung steht nicht die von Minister Lies am 17. Februar 2021 erfolgte umfassende Information über alle bestehenden Ausnahmegenehmigungen in vertraulicher Sitzung des Umweltausschusses entgegen. Eine solche Beantwortung in vertraulicher Sitzung (vgl. dazu NdsStGH, Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 89; Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, juris Rn. 61) verbietet den Abgeordneten die öffentliche Verwendung der Informationen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass alle erfragten Informationen gleichwohl bekannt geworden waren.

Die Antwortverweigerung, soweit sie die Auskünfte betraf, die eine Identifizierung ermöglichen, war auch angemessen. Die Antragsteller haben zwar in der mündlichen Verhandlung noch einmal deutlich gemacht, dass sie auf eine vollständige Beantwortung ihrer Anfrage angewiesen waren. Nur so könnten sie auf Augenhöhe mit der Landesregierung über die, viele Menschen in Niedersachsen bewegende, Wolfspolitik diskutieren, ihren Standpunkt darlegen und ihre Kontrollfunktion gegenüber der Regierung wahrnehmen. Die Auskunftsverweigerung erschwert diese Anliegen. Allerdings betreffen die verweigerten Auskünfte nur einen kleinen Teil der Informationen, die in der Debatte zur Wolfspolitik von Relevanz sind. Sie betreffen allein Angaben, die zur Identifizierung von Personen führen können. Die Antragsteller haben ausdrücklich erklärt, dass sie Namen und sonstige personenbezogene Daten der in den Vollzug von Ausnahmegenehmigungen eingebundenen Personen nicht begehren. Im Grundsatz kann die Wolfspolitik der Antragsgegnerin anhand der öffentlich zugänglichen Informationen dennoch nachvollzogen werden. Die Antragsgegnerin informiert auf Internetseiten umfassend über Wölfe, entnommene Wölfe, Todesursachen und Aufenthaltsorte der Rudel; anhand der vorgelegten (vollzogenen) Ausnahmegenehmigung vom 11. September 2020 können die Antragsteller das Begründungsmuster nachvollziehen und erkennen, auf Grundlage welcher Informationen und nach welcher Gewichtung eine Entnahmegenehmigung erteilt wird. Die Antragsteller verfügen damit über erhebliche Informationen, um eine politische Debatte über die richtige Wolfspolitik bestreiten zu können. Sie sind nicht generell gehindert, an der Diskussion teilzunehmen.

Soweit die Antragsteller das Ziel verfolgen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 45a BNatSchG bei jeder Entnahmegenehmigung verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen, ist dies legitim, stellt die Angemessenheit der Auskunftsverweigerung aber nicht in Frage. Die (gerichtliche) Kontrolle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 45a BNatSchG hinsichtlich erteilter Wolfsentnahmegenehmigungen durch klagebefugte Verbände ist grundsätzlich weiterhin möglich. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat im Übrigen inzwischen das Prüf- und Begründungsprogramm der Antragsgegnerin im Rahmen eines Eilverfahrens ausdrücklich gebilligt (Beschl. v. 24.11.2020 - 4 ME 199/20 -, juris); dieses wird den Entnahmegenehmigungen nunmehr zugrunde gelegt.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller werden mit einer Auskunftsverweigerung zukünftige Auskunftsbegehren zu anderen öffentlich streitigen Themen nicht präjudiziert. Jede Auskunftsverweigerung ist im besonderen Einzelfall anhand der Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 3 NV zu prüfen. Auch die weiteren Argumente der Antragsteller sind nicht maßgeblich. Die Antragsgegnerin kann eine in der Vergangenheit praktizierte abweichende Veröffentlichungspraxis ändern. Dies muss sie verfassungsrechtlich auch, wenn neue Erkenntnisse zu einer abweichenden Abwägung der wechselseitig betroffenen Interessen führen. Die Veröffentlichung vollzogener Wolfsentnahmen durch Pressemitteilung und/oder Internetdokumentation spricht gleichfalls nicht gegen eine vorherige Auskunftsverweigerung. Sie dient dem Öffentlichkeitsinteresse und der Ermöglichung der politischen Debatte über die Wolfspolitik.

Es ist deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin dem Schutz des Rechts auf persönliche Ehre und auf körperliche Unversehrtheit der Tierhalter, Jäger und Behördenmitarbeiter den Vorrang vor dem parlamentarischen Informationsrecht eingeräumt hat, soweit die erbetenen Auskünfte zu deren Identifizierung führen können.

5. Die Begründung der Landesregierung für die Verweigerung der Auskunft genügt den Anforderungen des Artikel 24 Abs. 3 Satz 2 NV. In der Vorbemerkung der Landesregierung zur LT-Drs. 18/8630 führt sie die betroffenen Grundrechte Dritter erschöpfend auf. Die Begründung gibt wieder, dass den in den Vollzug eingebundenen Personen nach Bekanntwerden ihrer Identität umfangreiche Repressalien im persönlichen Bereich drohten und insbesondere mit Mobbing, Beleidigung und Angriffen zu rechnen sei. Die Begründung ist zwar knapp gehalten, sie geht aber über eine rein formelhafte und schematische Begründung hinaus, indem sie die aus Sicht der Antragsgegnerin einer Antwort entgegenstehenden schutzwürdigen Rechte Dritter und den konkreten Konflikt beschreibt.

Mit der Verweigerung der erfragten Auskünfte, die keine Identifizierung von Tierhaltern, Jäger und Behördenmitarbeiter ermöglichen, hat die Antragsgegnerin gegen ihre Pflicht aus Art. 24 Abs. 1 NV verstoßen. Im Übrigen war die Antwortverweigerung verfassungsgemäß.

D.

Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof ist gemäß § 21 Abs. 1 StGHG kostenfrei. Auslagen werden gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 StGHG nicht erstattet.