Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 29.08.2023, Az.: 7 A 302/19

Dienstunfall; Meldung Dienstunfall; Mündlich Meldung; Zweijährige Ausschlussfrist; Anforderungen an eine mündliche Dienstunfallmeldung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
29.08.2023
Aktenzeichen
7 A 302/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 35162
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2023:0829.7A302.19.00

Fundstelle

  • NVwZ-RR 2024, 339-341

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    An die Meldung eines Dienstunfalls stellt die Vorschrift des § 51 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG kein Formerfordernis (etwa schriftlich oder elektronisch, so aber § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG n. F.), sodass ein Dienstunfall auch mündlich gegenüber dem Dienstvorgesetzten gemeldet werden kann.

  2. 2.

    Wer seinem Dienstvorgesetzten zeitnah von einem Unfallgeschehen während des Dienstes erzählt und ihn nach feststehender Diagnose daraufhin hier etwa 6 Wochen nach dem Unfallereignis über die Unfallfolgen in Kenntnis setzt, hat einen Dienstunfall gemeldet.

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 9. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, die Mitteilung der Klägerin über den Unfall am 7. Oktober 2015 als Unfallanzeige zu bearbeiten und eine Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls zu treffen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteil zu vollstreckenden Betrag abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Anerkennung eines Schadensereignisses als Dienstunfall.

Die im Jahre 1976 geborene Klägerin ist als Lehrerin an der Grundschule I. tätig. Sie erlitt am 7. Oktober 2015 während des Unterrichts einen Unfall, bei welchem sie ausrutschte, stürzte und mit ihrem Genick und ihrem Hinterkopf auf eine Stuhlkante aufschlug. Daraufhin suchte sie den Facharzt für Orthopädie Dr. B., welcher ihr Vater ist, am gleichen Tage auf. Dieser stellte folgende Diagnose:

"Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule ist nach allen Seiten hochgradig dolent [schmerzhaft, Einfügung durch das Gericht] eingeschränkt, besonders die Retroflexion und Rotation nach beiden Seiten betreffend. Klopf- und Stauchungsschmerzen der Halswirbelsäule. Im Bereich der mit der Halswirbelsäule dorsal [am Rücken, Einfügung durch das Gericht] druckschmerzhafte Schwellung.

Neurologisch keine Auffälligkeit, kein Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall.

Der Befund spricht für eine lokale Traumatisierung.

Therapieempfehlung

tragen einer Halskrause, lokale Einreibungen, Analgetika und Muskelrelaxantien."

Am 20. November 2015 suchte die Klägerin Dr. B. erneut auf. Im Bericht vom gleichen Tage heißt es:

"Ein wegen dauerhafter Beschwerden durchgeführtes MRT bei Frau B., geb. am 10.03.1976 hatte folgenden Befund ergeben:

Der 6. HWK im Bereich der Deckplatte hatte eine Infraktion derselben ergeben mit ausgeprägtem Knochenmarksödem.

Diagnose: traumatisch bedingter Einbruch der Deckplatte des 6. Halswirbelkörpers ohne Dislokation."

Am 24. Juni 2019 meldete sich die Klägerin telefonisch bei der Beklagten und erklärte, dass sie im Oktober 2015 einen Dienstunfall erlitten habe, bei welchem sie sich den 6. Halswirbelkörper gebrochen habe, im November 2015 eine Unfallanzeige gemacht und diese der Schulleitung vorgelegt habe. Die Schulleitung solle es versäumt haben, die Unfallanzeige an die Beklagte weiterzuleiten.

Mit einem per Fax an die Beklagte übersandten Schreiben vom 25. Juni 2019 teilte die Schulleiterin der Grundschule I., Frau A., mit, dass die Klägerin am 7. Oktober 2015 während ihres Unterrichts in der 1. Stunde ein Dienstunfall erlitten habe, bei dem sie ihr Genick in Mitleidenschaft gezogen habe. Nachdem sich herausgestellt habe, dass sich die Klägerin durch den Unfall einen Bruch ihres Halswirbels zugezogen habe, sei der Dienstunfall am 26. November 2015 angezeigt worden. Leider sei es versäumt worden, den Antrag an die Landesschulbehörde weiterzuleiten. Dies habe sie am 24. Juni 2019 bemerkt. Dem Schreiben füge sie die Anzeige des Dienstunfalls in Kopie als Anlage bei. Die beigefügte Unfallanzeige wurde von der Klägerin sowie der Schulleiterin Frau A. unterschrieben. Als Datum der Unterschriften ist jeweils der 26. November 2015 angegeben. Am linken unteren Rand der Seite 1 der Unfallanzeige ist seitlich zur auszufüllenden Tabelle "09.2016" auf dem Formular abgedruckt.

Die Beklagte erkundigte sich daraufhin bei der Beihilfestelle, ob die Klägerin zu der Zeit des Unfalls Kosten aufgrund eines Dienstunfalles eingereicht habe, was die Beihilfestelle verneinte. Es sei jedoch ein Dienstunfall der Klägerin aus dem Jahr 2014 als Dienstunfall abgerechnet worden.

Ausweislich der Gesprächsnotiz der Beklagten vom 26. Juni 2019 (Bl. 6 der Beiakte 001) habe die Beklagte bei der Schulleiterin Frau A. angerufen, welche bestätigt habe, dass sie die Unfallanzeige zum damaligen Zeitpunkt am 26. November 2015 unterschrieben habe. Auf den Vorhalt, dass das benutzte Formular erst seit September 2016 im Umlauf sei, habe Frau A. entgegnet, dass sie das Formular dann später unterschrieben haben müsse, sie sich aber nicht mehr wirklich an den Vorgang erinnern könne.

Aus der Gesprächsnotiz vom 28. Juni 2019 (Bl. 7 der Beiakte 001) ergibt sich, dass die Klägerin bei der Beklagten angerufen und erklärt hat, dass die Schulleiterin Frau A. sich versehen habe und die Unfallanzeige später als das angegebene Datum unterschrieben worden sei. Auf Nachfrage, wann dies geschehen sei, hat die Klägerin erklärt, dass sie ihre Unterlagen ziemlich schnell erledige und es spätestens im Februar/März 2016 gewesen sei. Auf Nachfrage, warum die Klägerin den Unfall nicht bei der Beihilfestelle als Dienstunfall angegeben habe, habe sie erwidert, dass es damals eine andere Schulleitung gegeben habe und Schadensersatzansprüche bestanden hätten.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung des Unfalls vom 7. Oktober 2015 als Dienstunfall ab. Dies begründete sie damit, dass der Unfall nicht innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Jahren im Sinne des § 51 Abs. 1 Nds. Beamtenversorgungsgesetz (NBeamtVG) gemeldet worden sei. Zwar könne gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 NBeamtVG eine Anerkennung auch dann erfolgen, wenn seit dem Unfallereignis noch nicht zehn Jahre vergangen sind, allerdings nur, sofern Körperschäden als Folge eines dienstlichen Ereignisses erst später bemerkt worden seien und der Unfall innerhalb von drei Monaten, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf unfallfürsorgebegründenden Folge des Unfalls habe gerechnet werden können. Hierbei handele es sich um Ausschlussfristen, die Ermessenserwägungen nicht zuließen. Nach deren Ablauf sei die Anerkennung nicht mehr möglich, es komme daher nicht darauf an, wie wahrscheinlich der betreffende Unfall für die Entstehung eines Körperschadens gewesen sei. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 51 Abs. 2 Satz 2 NBeamtVG sei es, Streitigkeiten über die Entstehung eines Körperschadens als Folge eines Unfallereignisses zu verhindern. Grund hierfür sei die Schaffung eines Rechtsfriedens, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Nachweisbarkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und sich später entwickelnden Körperschäden mit fortschreitender Zeit erheblich erschwert bzw. ganz unmöglich gemacht werde. Die Beklagte habe die Unfallanzeige vom 26. November 2015 sowie die Stellungnahme der Schulleitung, dass es versäumt worden sei, die Unfallanzeige weiterzuleiten, am 25. Juni 2019 per Fax erhalten. Bei der Bearbeitung sei aufgefallen, dass sowohl die Klägerin als auch die Schulleiterin Frau A. die Unfallanzeige am 26. November 2015 unterschrieben hätten, das verwendete Formular aber erst seit September 2016 im Umlauf sei. Die Telefonate mit der Schulleiterin Frau A. sowie der Klägerin hätten keine hinreichende Klärung ergeben. Es könne nicht mehr nachvollzogen werden, ob der Dienstunfall in der Ausschlussfrist von zwei Jahren gemeldet worden sei, weshalb der Antrag auf Anerkennung des Unfalls als Dienstunfall abzulehnen sei.

Gegen den Bescheid vom 9. Juli 2019 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 2. August 2019 Widerspruch, den sie im Wesentlichen wie folgt begründete: Sie habe am 7. Oktober 2015 in den Schulräumen ein Dienstunfall erlitten, der Kollegen und Schülern bekannt gewesen sei. Am 26. November 2015 sei die Dienstunfallanzeige gegenüber der Schulleiterin erfolgt. Das Verfahren habe auf dem Dienstweg begonnen, die Beklagte jedoch nicht erreicht. Dies sei erst am 24. Juni 2019 bemerkt worden. Daraufhin sei ein Antrag auf dem aktuellen Formular erstellt worden, dass als Zweitschrift gedacht gewesen sei und deshalb auf den Zeitpunkt der ersten Anzeige zurückdatiert worden sei. Die Risiken der Übermittlung der Anzeige auf dem Dienstweg von der Schule zur Beklagten lägen nicht in der Risikosphäre der Beamtin, sondern in der staatlichen Verfahrensorganisation. § 51 Abs. 2 NBeamtVG sehe Ausnahmefälle vor, dass Unfallfürsorge innerhalb von zehn Jahren seit dem Unfall gewährt werden könne, wenn die Beamtin durch außerhalb ihres Willens liegende Umstände gehindert worden sei, den Unfall zu melden. Sie habe keinen Grund gehabt daran zu zweifeln, dass ihre damalige Anzeige zum Ziel geführt habe. Insofern sei sie gehindert gewesen, erneut die Initiative zu ergreifen. Es habe also außerhalb ihres Willens liegende Gründe gegeben, die sie daran hindert hätten, den Unfall erneut zu melden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung ergänzend zu den Ausführungen im Ausgangsbescheid aus: Im Schreiben der Schulleiterin Frau A. vom 25. Juni 2019 stehe, dass die Weiterleitung der Unfallanzeige versäumt worden sei, dass eine Zweitschrift angefertigt worden sei, sei hingegen nicht erwähnt worden. Auch auf telefonische Nachfrage bei der Schulleiterin und der Klägerin hätten beide nicht erwähnt, dass sie das neue Unfallanzeigeformular als Zweitschrift verwendet hätten. Die Klägerin habe bereits im Jahr 2014 einen Dienstunfall erlitten, welcher von ihr gemeldet und auch bei der Abrechnung der Heilbehandlungskosten mit dem Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV) angegeben worden sei. Sie habe zu dem Dienstunfall im Jahr 2014 ein Anerkennungsschreiben erhalten und die unfallbedingten Heilbehandlungskosten als Folge eines Dienstunfalls beim NLBV kenntlich gemacht. Daher sei ihr das Verfahren der Meldung, des Erhalts eines Anerkennungsschreibens und die Abrechnung der unfallbedingten Heilbehandlungskosten bekannt gewesen. Die Kosten der Behandlung des Unfalls vom 7. Oktober 2015 habe die Klägerin hingegen nicht als unfallbedingte Heilbehandlungskosten aufgrund eines Dienstunfalls mit dem NLBV abgerechnet. Da ihr der Ablauf des Verfahrens der Meldung und der Abrechnung eines Dienstunfalls bekannt gewesen sei, hätte die nicht zielführende Meldung des Unfalls einen Grund zum Zweifeln geben müssen. Die zweijährige Frist zur Meldung von Dienstunfällen nach § 51 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG habe die Klägerin nicht eingehalten. Auch auf die zehnjährige Anmeldefrist im Sinne des § 51 Abs. 2 Satz 1 NBeamtVG könne sie sich nicht berufen, da die Klägerin keinen Unfall erlitten habe, dessen Unfallfolge zunächst nicht bemerkbar gewesen sei. Vielmehr habe die Klägerin bereits am Tag des Unfalls den Orthopäden aufgesucht, der unter anderem festgestellt habe, dass die Beweglichkeit der Halswirbelsäule nach allen Seiten hochgradig dolent eingeschränkt sei. Am 20. November 2015 habe er sogar einen traumatisch bedingten Einbruch der Deckplatte des 6. Halswirbelkörpers ohne Dislokation diagnostiziert. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr also bereits bekannt gewesen, dass ein Unfall, der einen Anspruch auf Unfallfürsorge begründen könnte, vorgelegen habe.

Am 30. August 2019 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus: Etwaige Mitwirkungspflichten bei der Anzeige des Dienstunfalls habe sie nicht verletzt. Im Hinblick auf den Dienstunfall im Jahre 2014 sei die ärztliche Versorgung damals von dem behandelnden Arzt Dr. J. vorgenommen worden, welcher ihr gegenüber jedoch keine Behandlungskosten abgerechnet habe. Weil sie nicht in Anspruch genommen worden sei, sei ihr auch kein Verfahren zur Abrechnung des Dienstunfalls erinnerlich. Vielmehr habe sie nach dem streitgegenständlichen Unfall das Verfahren zur Anerkennung eines Dienstunfalls nicht gekannt und geglaubt, mit der Dienstunfallanzeige vom 26. November 2015 gegenüber der Schulleiterin alles Erforderliche getan zu haben.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 9. Juli 2019 und den Widerspruchsbescheid vom 8. August 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihre Mitteilung über den Unfall am 7. Oktober 2015 als Dienstunfallanzeige zu bearbeiten und eine Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls zu treffen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 9. Juli 2019 und Widerspruchsbescheid vom 8. August 2019 Bezug und ergänzt: Der Dienstherr gewähre als Ausprägung seiner Fürsorgepflicht umfangreiche Dienstunfallvorsorgeleistungen. Diese gewähre er aber nicht von Amts wegen, sondern auf Initiative des Beamten. Der Beamte müsse in zweierlei Weise tätig werden, nämlich den Unfall bzw. die Unfallfolge melden und in der Regel die konkrete Leistung beantragen. Dieses System würde unterlaufen, wenn auch ohne Unfallmeldung des Beamten das Unterbleiben einer Entscheidung nach § 45 Abs. 3 BeamtVG ihm gegenüber als Fürsorgepflichtverletzung qualifiziert würde, die die Einhaltung der Meldepflichten entbehrlich machen würde. Dasselbe gelte auch für die sinngemäß gleichartigen Regelungen des §§ 34 ff. und § 51 NBeamtVG. Die Klägerin trage insoweit die Beweislast, den Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls innerhalb der Zweijahresfrist gestellt zu haben. Es lasse sich jedoch nicht zweifelsfrei feststellen, dass die Unfallanzeige am 26. November 2015 von der Schulleiterin unterschrieben worden sei, da das benutzte Formular erst seit September 2016 im Umlauf sei. Nur in diesem Fall wäre die Unfallanzeige fristgerecht eingegangen und ein Verfahren zur Anerkennung als Dienstunfall wäre auch nach Ablauf der Zweijahresfrist eingeleitet worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A. und Dr. B.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29. August 2023 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 9. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Klägerin steht ein Anspruch auf Bearbeitung ihrer Unfallanzeige über ihren Unfall am 7. Oktober 2015 und eine Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls zu, da sie ihren Unfall rechtzeitig gemeldet hat.

Ein Dienstunfall ist nach § 34 Abs. 1 NBeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Als Ursache im Rechtssinn sind dabei nur solche Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinn anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.2019 - 2 A 6/18 -, juris Rn. 17).

Ein solcher Dienstunfall ist entsprechend der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG zu melden.

Danach sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorge Ansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei der oder dem Dienstvorgesetzten der oder des Verletzten zu melden. Adressat der Meldung ist der Dienstvorgesetzte und damit vorliegend die Schulleiterin, Frau A., gewesen.

Bei den Fristen des § 51 NBeamtVG handelt es sich um strikte Ausschlussfristen, deren Versäumung die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfall ausschließt. Diese Ausschlussfristen dienen dem Interesse des Dienstherrn, die tatsächlichen Umstände der Schädigung seines Beamten zeitnah aufzuklären und gegebenenfalls präventive Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden bei diesem oder bei anderen Betroffenen zu ergreifen (vgl. zur wortgleichen Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a. F.: BVerwG, Urt. v. 28.4.2011 - 2 C 55/09 -, juris Rn. 28).

Im Dienstunfallrecht gelten die allgemeinen Beweisgrundsätze. Die Verteilung der materiellen Beweislast ergibt sich aus der im Einzelfall relevanten materiellen Norm. Derjenige, der aus einer Norm eine ihm günstigere Rechtsfolge ableitet, trägt die materielle Beweislast, wenn das Gericht in Erfüllung seiner Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen zu seiner vollen Überzeugungsgewissheit ("mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit") weder feststellen noch ausschließen kann und wenn sich aus der materiellen Anspruchsnorm nichts Abweichendes ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.2011 - 2 C 55/09 -, juris Rn. 12 m. w. N.). Der Beamte trägt damit auch für die rechtzeitige Meldung des Unfallgeschehens die materielle Beweislast, wenn das Gericht die erforderlichen, d. h. vernünftigen Zweifel ausschließende Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen kann (vgl. Reich, in: BeamtVG/Reich, 2. Aufl. 2019, BeamtVG § 45 Rn. 4).

Die Klägerin hat den Dienstunfall zur Überzeugung der Kammer innerhalb der zweijährigen Ausschlussfrist des § 51 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG gemeldet.

Zwar ließ sich nicht zur Gewissheit des Gerichts aufklären, wann die förmliche Dienstunfallanzeige durch ein auf dem Dienstweg vorzulegendes Formular der Unfallanzeige tatsächlich von der Klägerin an die Schulleiterin übergeben wurde.

Hierzu führte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung aus, sie habe ihre Schulleiterin zunächst telefonisch im Beisein ihres Vaters, der Facharzt für Orthopädie ist, im November 2015 über den von ihrem Vater diagnostizierten Wirbelbruch informiert. Darüber hinaus habe sie im Februar oder März 2016 eine schriftliche Anzeige des Dienstunfalls mit dem entsprechenden Formular auf den Platz der Schulleiterin gelegt. Damit sei sie davon ausgegangen, dass der Vorgang bearbeitet werde. Als sie dann im Jahr 2019 die Sekretärin der Schulleiterin gebeten habe, den Antrag herauszusuchen, habe diese ihr gesagt, dass sie den Antrag nicht mehr finde.

Diese Behauptung der Klägerin steht im Widerspruch zu ihrem ursprünglichen Vortrag im Verwaltungsverfahren. Dort gab sie gegenüber dem Beklagten zunächst an, den Unfall mittels förmlicher Unfallanzeige vom 26. November 2015 bei der Schulleiterin angezeigt zu haben. Erst als dem Beklagten auffiel, dass dies nicht möglich gewesen sein kann, da das im Jahr 2019 vorgelegte und angeblich 2015 unterzeichnete Formular erst seit September 2016 im Umlauf gewesen ist und er die Klägerin hiermit konfrontierte, änderte sie ihren Vortrag. Sodann erklärte sie, dass die förmliche Unfallanzeige verloren gegangen sei und dass im Jahr 2019 der Beklagten vorgelegte Formular als "Zweitschrift" angefertigt und zurückdatiert worden sei.

Die Vernehmung der Zeugin A. blieb hinsichtlich der Frage, ob und wann eine schriftliche Unfallanzeige erfolgt sein soll, gänzlich unergiebig, da sich die Zeugin an die gesamte Bearbeitung des Dienstunfalls praktisch gar nicht mehr erinnern konnte. So erklärte sie lediglich, dass sie es nicht ausschließen könne, dass ihr eine schriftliche Dienstunfallanzeige der Klägerin Anfang des Jahres 2016 auf den Tisch gekommen sei.

Aufgrund dieses widersprüchlichen und in der mündlichen Verhandlung nicht aufklärbaren Vortrags konnte zur Überzeugung des Gerichts nicht festgestellt werden, ob die Klägerin der Zeugin A. im Jahr 2015 oder 2016 eine schriftliche Dienstunfallanzeige vorgelegt hat.

Wann die Klägerin der Zeugin A. die förmliche Unfallanzeige (Bl. 2 f. der Beiakte 001), welche von ihr und der Zeugin A. mit Datum vom 26. November 2015 unterschrieben sein soll, tatsächlich gegeben hat, kann jedoch vorliegend dahinstehen.

Denn eine bestimmte Form der Meldung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sie kann demnach auch mündlich erfolgen (vgl. zu der bis zum 31.7.2021 geltenden wortgleichen Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a. F.: BayVGH, Urt. v. 17.3.2016 - 3 B 14.2652 -, juris Rn. 27; Reich, in: BeamtVG/Reich, 2. Aufl. 2019, BeamtVG § 45 Rn. 3). Diese Rechtsprechung zu der bis zum 31. Juli 2021 geltenden wortgleichen Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 1 (Bundes-)BeamtVG a. F. lässt sich auf die niedersächsische Regelung übertragen. Zwar ist ein Dienstunfall nach der seit dem 1. August 2021 geltenden Fassung des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG n. F. nunmehr schriftlich oder elektronisch anzuzeigen, eine solche Formvorschrift enthält die niedersächsische Regelung des § 51 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG hingegen nicht.

Auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich nicht die Pflicht zur schriftlichen Anzeige des Unfalls. Denn Anknüpfungspunkt der Fristenregelung des § 51 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG ist weder eine Unfallfolge noch ein bereits entstandener Anspruch, sondern der Unfall selbst. Unabhängig davon, ob der Beamte das Ereignis als Dienstunfall einstuft, soll er seinen Dienstherrn in die Lage versetzen, selbst die hierfür erforderlichen Ermittlungen anzustellen und eine zeitnahe Klärung des Sachverhalts sicherzustellen. Damit werden einerseits Aufklärungsschwierigkeiten vermieden, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben könnten; zum anderen wird der Dienstherr in die Lage versetzt, präventive Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden zu ergreifen (vgl. zu § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a. F.: BVerwG, Beschl. v. 11.7.2014 - 2 B 37/14 - juris Rn. 8 m. w. N.).

Diesen Anforderungen genügt die mündliche Meldung der Klägerin, die in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen erfolgte.

Nach Anhörung der Klägerin sowie Vernehmung des Zeugen Dr. B. steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin den Dienstunfall innerhalb der Zweijahresfrist bei ihrer damaligen Vorgesetzten, Frau A., - zumindest mündlich - gemeldet hat.

Die Klägerin erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass sie aufgrund anhaltender Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule ein MRT hat durchführen lassen, zu dessen Besprechung sie im November 2015 bei ihrem Vater - dem Zeugen Dr. B. -, der Facharzt für Orthopädie ist, gewesen sei. Dieser habe einen Wirbelbruch diagnostiziert und sie gefragt, ob ihre Schulleiterin bereits davon wisse. Als sie dies verneint habe, habe er sie aufgefordert, ihre Schulleiterin direkt anzurufen und ihr das Ergebnis des MRT mitzuteilen. Dies sei dann in Gegenwart des Zeugen Dr. B. erfolgt. Dass sie sich noch so gut an dieses Telefonat mit der Zeugin A. erinnere, liege daran, dass dies im Zusammenhang mit der Besprechung des kurz zuvor durchgeführten MRT bei ihrem Vater passiert sei und dieser sie nachdrücklich aufgefordert habe, ihre Schulleiterin sofort von der Verletzung aufgrund des Unfalls am 7. Oktober 2015 in Kenntnis zu setzen.

Dies deckt sich mit der Aussage des Zeugen Dr. B., der erklärte, er habe der Klägerin aufgrund anhaltender Schmerzen gesagt, sie solle ein MRT machen lassen und ihr hierfür einen Termin bei einem Kollegen besorgt habe. Nach der Untersuchung sei die Klägerin mit dem Ergebnis des MRT Ende November 2015 zu ihm gekommen. Er habe sodann einen Einbruch der Deckplatte des 6. Halswirbelkörpers festgestellt und ihr sofort gesagt, dass sie diesen Befund der Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall melden müsse. Daran könne er sich deshalb so genau erinnern, weil die Klägerin ihn im Anschluss darüber belehrt habe, dass man als Lehrerin eine Beamtin sei und nicht in den Zuständigkeitsbereich der Berufsgenossenschaft falle, sondern derartige Unfälle dem Dienstherrn zu melden habe. Daraufhin habe der Zeuge sie gleich aufgefordert, eine entsprechende Information an ihre Schulleitung weiterzugeben. Dieser Aufforderung sei die Klägerin umgehend nachgekommen und habe die Schulleiterin, Frau A., in seinem Beisein angerufen. Zwar könne er sich nicht genau daran erinnern, ob das Wort "Dienstunfall" in dem Gespräch gefallen sei. Allerdings könne er sich genau daran erinnern, dass die Klägerin gegenüber Frau A. erwähnt habe, dass sie ihr schon gesagt habe, dass ein entsprechender Unfall passiert sei und nun dabei herausgekommen sei, dass sie sich ein Halswirbel angeknackst habe.

Die Aussage des Zeugen Dr. B. ist im Hinblick auf das stattgefundene Telefonat der Klägerin mit der Zeugin A. glaubhaft. Aufgrund der persönlichen Beziehung des Zeugen zu der Klägerin und der Schwere der Verletzung ist nachvollziehbar, dass er sich auch fast acht Jahre später noch daran erinnert, wie er mit seiner Tochter das MRT angeschaut und er diese danach aufgefordert habe ihre Schulleiterin von der Unfallfolge in Kenntnis zu setzen. Insbesondere die Diskussion, gegenüber wem der Unfall zu melden sei schien dem Zeugen noch lebhaft in Erinnerung zu sein, der sich an die Belehrung seiner Tochter, dass Beamte nicht in den Zuständigkeitsbereich der Berufsgenossenschaft fallen, gut erinnern konnte.

Spätestens im Zeitpunkt dieses Telefonats, dessen Zeitpunkt sich nicht taggenau feststellen ließ, jedoch aber Ende November 2015 stattgefunden hat, hat die Klägerin das minimal Erforderliche getan, um den Dienstunfall gegenüber ihrer Vorgesetzten zu melden.

Dieser Überzeugung des Gerichts steht auch die Aussage der Zeugin A. nicht entgegen. Diese erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass sie sich nur noch vage an den Tag des Unfalls erinnern können. Sie könne sich daran erinnern, dass sie während der Arbeit in der Schule von dem Unfall erfahren habe. Vermutlich habe sie sich zu dem Zeitpunkt gerade mit ihrer Sekretärin im Büro befunden, als Frau B. ins Büro kam und ihr davon erzählt habe. An ein Telefonat im Beisein des Vaters der Klägerin aus November 2015 könne sie sich nicht erinnern. Sie wisse lediglich, dass die Klägerin wohl eine Wirbelverletzung erlitten haben müsse. Zwar ist grundsätzlich anzunehmen, dass sich die Zeugin besser an ein solches Ereignis erinnern können sollte, da, wie sie selbst ausführte, Dienstunfälle von Bediensteten äußerst selten gewesen seien und sie sich - neben dem streitgegenständlichen - lediglich an einen Unfall des Hausmeisters erinnere. Allerdings ist der Zeugin - wie diese auch mehrfach betonte - zuzugestehen, dass der Vorgang im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits etwa acht Jahre zurücklag.

Die Schulleiterin hatte demnach spätestens im Zeitpunkt des Telefonats Kenntnis darüber, dass die Klägerin am 7. Oktober 2015 im Unterricht gestürzt war und sich dabei einen Einbruch der Deckplatte des 6. Halswirbelkörpers zugezogen hat. Dieses Wissen der Schulleiterin muss sich der Beklagte zurechnen lassen. Die Klägerin hat der Schulleiterin damit eindeutig einen dienstlichen Zusammenhang des Unfalls und der daraus resultierenden Verletzung vorgetragen (vgl. dazu: BayVGH, Urt. v. 17.3.2016 - 3 B 14.2652 -, juris Rn. 28; BayVGH, B.v. 4.12.2009 - 3 ZB 09.657 - juris Rn. 7). Zudem ging die Meldung über eine reine Krankmeldung hinaus (vgl. dazu: BayVGH, Urt. v. 17.3.2016 - 3 B 14.2652 -, juris Rn. 28). Dies genügt den Anforderungen an die Meldung eines Dienstunfalls. Denn nach § 51 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG ist nur der Unfall als solcher meldepflichtig (vgl. zu § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a. F.: OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 2.6.2015 - 2 LB 10/13 -, juris Rn. 59; BayVGH, Urt. v. 17.3.2016 - 3 B 14.2652 -, juris Rn. 29). Der Beamte selbst muss das Ereignis nicht als Dienstunfall einstufen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.7.2014 - 2 B 37/14 -, juris Rn. 8; BayVGH, Urt. v. 17.3.2016 - 3 B 14.2652 -, juris Rn. 29).

Bei der Neubescheidung wird der Beklagte zu klären haben, ob der Körperschaden "Einbruch der Deckplatte des 6. Halswirbelkörpers" als Dienstunfallfolge des Unfallereignisses vom 7. Oktober 2015 anzuerkennen ist und der Klägerin die gesetzlichen beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeleistungen zu gewähren sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Unfallfolgen nur dann durch einen Dienstunfall verursacht anerkannt werden können, wenn dieser zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache im Rechtssinne bildet. Diese unabdingbare Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Eufach0000000030s, nur dann erfüllt, wenn der Nachweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht ist (BVerwG, Urt. v. 7.2.1989 - 2 B 179/88 -, juris, BVerwG, Beschl. v. 23.10.2013 - 2 B 324.12 -, juris; BayVGH, Urt. v. 14.12.2015 - 3 B 13.920 -, juris Rn. 41; BayVGH, Urt. v. 17.3.2016 - 3 B 14.2652 -, juris Rn. 29).

Damit ist der Klage mit der für die Beklagten negativen Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe, gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.