Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 14.12.2005, Az.: 1 A 46/04

Anzeigepflicht; Behördenführungszeugnis; Geschäftsführer; Geschäftsführerwechsel; Zuverlässigkeit; Zuverlässigkeitsprüfung; Zweigstelle

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
14.12.2005
Aktenzeichen
1 A 46/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50883
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Beim Wechsel des Geschäftsführers einer überregional tätigen juristischen Person mit unselbständigen Zweigstellen i. S. v. § 14 Abs. 1 GewO, für die Gaststättenerlaubnisse bestehen, können die Erlaubnisbehörden im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung nach § 4 Abs. 2 GastG die Vorlage eines "Behördenführungszeugnisses" nach § 30 Abs. 5 BZRG verlangen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Erforderlichkeit der Vorlage eines polizeilichen "Behörden"-Führungszeugnisses im Rahmen der Anzeigepflicht beim Wechsel/ Hinzukommen eines neuen Vertreters einer juristischen Person, die bereits im Besitz einer Erlaubnis nach dem Gaststättengesetz ist.

2

Die Klägerin hat ihren Sitz in Bremerhaven und ist die persönlich haftende Gesellschafterin der „E.“ Fischspezialitäten GmbH & Co. KG. Nach ihren Angaben ist sie Inhaberin von mehr als 350 Gaststättenerlaubnissen für die von der GmbH & Co. KG bundesweit als unselbständige Zweigstellen (i. S. v. § 14 Abs. 1 GewO) betriebenen Fischrestaurants, von denen sich auch zwei in Braunschweig befinden. Nach einer formwechselnden Umwandlung erhielt die Klägerin auf ihren Antrag (dem u. a. die Namen und Anschriften ihrer damaligen vier Geschäftsführer nebst Fotokopien von Führungszeugnissen zur Vorlage bei einer Behörde - ausgestellt im Januar/ Februar 1999 - beigefügt waren) mit Bescheiden der Beklagten vom 20.05.1999 für beide Betriebsstätten in Braunschweig neue Gaststättenerlaubnisse.

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Mit Schreiben vom 25.02.2002 zeigte die Klägerin bei der Beklagten die Bestellung eines neuen Geschäftsführers an. Als Beleg für dessen gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit legte sie neben anderen Unterlagen die Kopie eines Führungszeugnis für private Zwecke bei. Die Forderung der Beklagten, ein innerhalb des letzten ½ Jahres ausgestelltes Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde (Belegart 0) nachzureichen, hielt die Klägerin im Rahmen der Meldung nach § 4 Abs. 2 GastG für unberechtigt, weil damit die gleichen Anforderungen an den Erlaubnisinhaber gestellt würden wie bei der ursprünglichen Erteilung der Erlaubnis. Würde jede Behörde mit der Meldung des Eintritts eines neuen Geschäftsführers ein Führungszeugnis der Belegart „0“ verlangen, ergäben sich allein deshalb für ihre etwa 400 Filialen Kosten in Höhe von fast 6.000,- EUR. Die Beklagte hielt an ihrer Forderung fest, schlug zur Verringerung der Kosten und des Aufwandes aber vor, dass die Klägerin von einer Erlaubnisbehörde, z. B. am Hauptsitz unter Anwendung der Vorschriften des Bundeslandes mit den strengsten Anforderungen die Zuverlässigkeitsprüfung durchführen lassen soll. Nach Abschluss der Prüfung sei von dieser Behörde unter Auflistung der verwendeten Prüfungsunterlagen zu bestätigen, dass Tatsachen, die eine gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit des neuen Geschäftsführers bedingen, nicht vorliegen.

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Nachdem die Klägerin auf diesen Vorschlag nicht reagierte, forderte die Beklagte sie mit Bescheid vom 03.09.2002 auf, unverzüglich den Nachweis zu erbringen, dass für den neuen Geschäftsführer F. bei der zuständigen Einwohnermeldebehörde ein Führungszeugnis für die Vorlage bei einer Behörde (Belegart 0) beantragt wurde und drohte für den Fall der Nichtbeachtung dieser Aufforderung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500 EUR an. Zur Begründung führte sie aus, die Anzeige nach § 4 Abs. 2 GastG solle sie in die Lage versetzen, die gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit eines neuen Vertreters ebenso zu überprüfen, wie die Zuverlässigkeit der Vertreter, die bei der Erteilung der Gaststättenerlaubnis bereits berufen gewesen seien.

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Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 16.09.2002 Widerspruch, in dem sie darauf verwies, dass sich aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 GastG eine weitere Verpflichtung als die Bekanntgabe, dass Herr G. zum neuen Geschäftsführer bestellt worden sei, nicht ergebe. Mit den Unterlagen, die sie der Anzeige vom 25.02.2002 beigefügt habe, habe sie bereits mehr als gesetzlich vorgeschrieben getan.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2004 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück

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Am 11.02.2004 hat die Klägerin Klage erhoben und trägt weiter vor: Die Gaststättenerlaubnis bleibe von dem Wechsel, der nach § 4 Abs. 2 GastG angezeigt werde, völlig unberührt. Wenn die Behörde eine Zuverlässigkeitsprüfung durchführen wolle, müsse sie sich die diesbezüglichen Unterlagen auf ihre Kosten selbst beschaffen (mit Ausnahme des Nachweises nach § 4 Abs. 1 Ziff. 4 GastG). Die Klägerin habe stets freiwillig ein Führungszeugnis der Belegart N in Fotokopie vorgelegt, womit sich die Beklagte in der Vergangenheit auch begnügt habe.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 03.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig vom 21.01.2004 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und tritt dem Vorbringen der Klägerin aus den Gründen der angefochten Entscheidung entgegen. Sie ergänzt: Die Ablehnung eines Führungszeugnisses der Belegart N beruhe auf der Korrektur einer früher üblichen, aber als fehlerhaft erkannten Verwaltungspraxis. Mittlerweile sei es gängige Praxis , bei der Anzeige eines Geschäftsführerwechsels ebenso wie bei der Zuverlässigkeitsprüfung im Erlaubnisverfahren ein Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde zu verlangen. In Fällen von bundesweit tätigen Unternehmen frage sie nunmehr aber bei der Behörde am Ort der Hauptniederlassung nach, ob dort bereits eine Überprüfung stattgefunden habe. Bei einer Bestätigung sei die Vorlage der Unterlagen ihr - der Beklagten - gegenüber dann entbehrlich. Eine gerichtliche Klärung der Frage einer Verpflichtung zur Vorlage eines Behördenführungszeugnisses in Fällen des Geschäftsführerwechsels sei weiterhin erwünscht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist nicht begründet.

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Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht aufgefordert, den Nachweis zu erbringen, dass sie für ihren neuen Geschäftsführer bei der für ihn zuständigen Einwohnermeldebehörde ein Führungszeugnis für die Vorlage bei einer Behörde (Belegart „0“) angefordert hat.

16

Rechtsgrundlage für die Forderung der Beklagten ist § 4 Abs. 2 GastG. Danach ist der Erlaubnisbehörde unverzüglich anzuzeigen, wenn bei juristischen Personen nach Erteilung der Erlaubnis eine andere Person zur Vertretung berufen wird.

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Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift lediglich die „Anzeige“ des Wechsels bzw. Neuhinzutretens einer vertretungsberechtigten Person vorschreibt, bedeutet dies nicht, dass der Vorschrift mit der bloßen Bekanntgabe des Namens eines neuen gesetzlichen Vertreters genügt würde. Die Vorschrift verfolgt vielmehr einen doppelten Zweck: Zum einen dient sie der Vereinfachung, weil aus ihr deutlich wird, dass es bei einem später eintretenden Wechsel des gesetzlichen Vertreters einer Ergänzung der bereits bestehenden Erlaubnis nicht bedarf. Zum anderen stellt die Anzeigepflicht sicher, dass der Behörde Wechsel der vertretungsberechtigten Personen bekannt werden und ermöglicht dadurch gerade eine Zuverlässigkeitsprüfung in Bezug auf den neuen Vertreter (Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 14. Aufl. § 4 Rn. 96; Metzner, Gaststättengesetz, 5. Aufl. § 4 Rn. 118; Pöltl, Gaststättenrecht, 5. Aufl. § 4 Rn. 195). Eine gesetzliche Vermutung für die Zuverlässigkeit der vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person mit zahlreichen Betriebsstätten wie der Klägerin, die als solche zuverlässig ist, besteht hingegen nicht, so dass diese Prüfung nicht zu umgehen ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 22.02.1952 - III a A 418/51 -, DVBl 1952, 671 [VGH Hessen 15.02.1952 - OS. I. 173/50]). Das Erfordernis der Prüfung folgt im übrigen auch daraus, dass beim Vorliegen von Gründen für die Annahme der Unzuverlässigkeit der vertretungsberechtigten Person ein Versagungsgrund nach § 4 Abs. 1 GastG vorliegt und die Behörde nach § 15 Abs. 2 GastG die Gaststättenerlaubnis zwingend zu Lasten der juristischen Person widerrufen muss (die allerdings aufgrund vorheriger Anhörung noch die Gelegenheit hat, einen anderen Vertreter zu berufen).

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Die Prüfung der Zuverlässigkeit im Rahmen des § 4 Abs. 2 GastG setzt voraus, dass die Erlaubnisbehörde bezüglich der neu hinzutretenden Person die zur Prüfung der Zuverlässigkeit erforderlichen Unterlagen verlangen kann. Hierzu gehören - wie beim Erlaubnisverfahren - vor allem das polizeiliche Führungszeugnis, ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister und die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Der Musterentwurf VwVGastG, eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Gaststättengesetzes, nach der sich die niedersächsischen Behörden richten, schreibt in Ziff. 10.1.1.1 Abs. 1 vor, dass die Behörde vom Antragsteller im Verfahren betreffend die Erlaubnis nach § 2 Abs.1 GastG zu verlangen hat, dass er für sich u. a. ein Führungszeugnis für Behörden (§ 30 Abs. 5 BZRG) beibringt. Ziff. 10.1.1.1 Abs. 2 der VwVGastG schreibt weiter vor, dass bei juristischen Personen diese Unterlagen für alle vertretungsberechtigten Personen erforderlich sind. Sind die persönlichen Verhältnisse der genannten Personen bekannt oder bestehen gegen die Zuverlässigkeit offensichtlich keine Bedenken, kann auf die Vorlage dieser Unterlagen verzichtet werden.

19

Dass die Beklagte Ziff. 10.1.1.1 Abs. 1 der VwVGastG bezogen auf den neuen Geschäftsführer der Klägerin angewandt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden, zumal hier einer der Gründe für einen Verzicht auf die Vorlage der Unterlagen nach Abs. 2 Satz 2 nicht ersichtlich ist. Der in der Hauptverwaltung in Bremerhaven ansässige Geschäftsführer bzw. dessen persönliche Verhältnisse sind der Beklagten nicht bekannt. Insbesondere erscheint die Forderung eines Behördenführungszeugnisses nicht unangemessen. Der Inhalt des Behördenführungszeugnisses geht über das des Privatführungszeugnisses hinaus; dort werden auch Eintragungen aufgenommen, die im Führungszeugnis für private Zwecke nicht erscheinen. So sind u. a. nach § 32 Abs. 3 Nr. 2 BZRG in ein Führungszeugnis für Behörden entgegen § 32 Abs. 2 (der für private Führungszeugnisse gerade die Nichtaufnahme vorsieht) Eintragungen nach § 10 BZRG, wenn die Entscheidung nicht länger als 10 Jahre zurückliegt, aufzunehmen. § 10 Abs. 2 BZRG sieht die Eintragung von verwaltungsbehördlichen Entscheidungen bei Unzuverlässigkeit, Ungeeignetheit sowie Unwürdigkeit und damit zusammenhängenden Berufsausübungs- und Gewerbeuntersagungen, Ablehnungen von Zulassungen zu einem Beruf oder Gewerbe und Zurücknahme und Widerruf einer erteilten Erlaubnis vor. Schon deshalb erscheint es sachgerecht, für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit ein Führungszeugnis der Belegart "0" zu verlangen; das private Führungszeugnis vermittelt insoweit nur ein lückenhaftes, unvollständiges Bild über den Antragsteller.

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Die Beklagte muss das Behördenführungszeugnis auch nicht selbst und auf eigene Kosten beantragen. Zwar sieht § 31 BZRG vor, dass die Behörde dies in bestimmten Fällen tun kann; sie ist dazu jedoch nicht verpflichtet. Es handelt sich insoweit um eine Ausnahmevorschrift, denn das Behördenführungszeugnis ist nach § 30 Abs. 5 BZRG grundsätzlich vom Betroffenen selbst zu beantragen. Der Klägerin als Erlaubnisinhaberin obliegt aufgrund der allgemeinen verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflicht, die für die Zuverlässigkeitsprüfung erforderlichen Unterlagen auf ihre Kosten vorzulegen bzw. zu veranlassen, dass die Beklagte diese erhält.

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Die Klägerin als bundesweit tätiges Unternehmen wird durch die Forderung im Bescheid der Beklagten auch nicht unverhältnismäßig belastet. Soweit sie einwendet, es könne ihr wegen der damit verbundenen hohen Kosten nicht zugemutet werden, für jeden neuen Geschäftsführer bei jeder Erlaubnisbehörde an den Orten ihrer Betriebsstätten ein Führungszeugnis nach § 30 Abs. 5 BZRG vorzulegen, übersieht sie, dass dies von ihr auch nicht verlangt wird. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 03.09.2002 verlangt lediglich, den Nachweis zu erbringen, dass für den neuen Geschäftsführer ein Führungszeugnis Belegart "0" beantragt wurde. Dies ermöglicht, bei der Behörde, an die das Führungszeugnis unmittelbar nach § 30 Abs. 5 BZRG übersandt wurde, Kopien anzufordern. Auf diese Weise ist nach Aktenlage auch bei dem Erlaubnisverfahren im Jahre 1999 vorgegangen worden, indem die Klägerin der Beklagten Fotokopien von Behördenführungszeugnissen, die im Original an das Ordnungsamt der Stadt Nürnberg übersandt worden waren, vorgelegt hat.

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Abgesehen davon kann der Einwand der hohen Kosten auch deshalb nicht greifen, weil die Beklagte der Klägerin bereits im April 2002 die Zuverlässigkeitsprüfung des neuen Vertretungsberechtigten unter Einschaltung der für den Hauptsitz zuständigen Erlaubnisbehörde vorgeschlagen hat. Dabei hätte es sich ebenfalls um ein sehr viel kostengünstigeres Verfahren gehandelt, das allgemein Anerkennung findet (vgl. Michel/Kienzle, a. a. O. § 4 GastG Rn. 96) und nicht erfordert, für sämtliche (350) Erlaubnisbehörden jeweils ein Führungszeugnis der Belegart "0" zu beantragen.

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Die Zwangsgeldandrohung beruht auf § 70 NVwVG i. V. m. den §§ 64, 65, 67 und 70 Nds. SOG und ist nicht zu beanstanden.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.