Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 13.12.2005, Az.: 10 A 3/05

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
13.12.2005
Aktenzeichen
10 A 3/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50893
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die dem Antragsteller entstandenen anwaltlichen Kosten in Höhe von 591,68 Euro aus dem Beschlussverfahren 10 A 14/01 von der Beteiligten zu tragen sind.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Feststellung einer Verpflichtung der Beteiligten, die anwaltlichen Kosten aus einem verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren zu tragen.

2

Der Antragsteller beantragte in dem vor dieser Fachkammer durchgeführten landespersonalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren 10 A 14/01 die Feststellung, dass die als solche bezeichnete Einstellung von Zivildienstleistenden sowie von nebenamtlichen Übungsleitern des Sportzentrums der Beteiligten jeweils mitbestimmungspflichtig sei. Diesen Antrag lehnte die Fachkammer in ihrem auf den Anhörungstermin vom 05. November 2002 erlassenen Beschluss in vollem Umfang ab. Über die dagegen eingelegte Beschwerde ist von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht bisher noch nicht entschieden worden. Die Beteiligte verteidigt dort den angegriffenen Beschluss in vollem Umfang. Der Gegenstandswert für das Verfahren erster Instanz wurde auf 8.000 DM festgesetzt.

3

Auf der Grundlage dieses Gegenstandswertes ermittelte der seinerzeitige und auch jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 591,68 EUR, die er unter dem 07.11.2002 gegenüber dem Antragsteller mit der Bitte geltend machte, die Rechnung an die Beteiligte weiterzuleiten, damit diese sie begleichen möge. Unter dem 02.12.2002 lehnte die Beteiligte gegenüber dem Bevollmächtigten des Antragstellers die Erstattung der Rechtsanwaltskosten mit der Begründung ab, zum einen fehle es dafür an einem entsprechenden Beschluss des Antragstellers, zum anderen habe dieser bei vernünftiger Würdigung aller wesentlichen Umstände die Hinzuziehung eines Anwalts zur Durchsetzung, Klärung oder Wahrung seiner Befugnisse und Rechte in einem gerichtlichen Verfahren nicht für erforderlich halten dürfen. Denn ein Beschlussverfahren dürfe weder mutwillig noch aus haltlosen Gründen eingeleitet worden sein. Es liege zumindest einer dieser beiden Ausnahmetatbestände vor. Das nunmehr erneut befasste Gericht habe sich in seinem Beschluss vom 05.11.2002 erkennbar auf Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Hannover, Kammern Hildesheim, vom 20.03.1997 sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 08.12.1988, die jeweils dem Antragsteller bekannt gewesen seien, bezogen. Zudem habe das VG Braunschweig in seinem Beschluss vom 05.11.2002 nach einem sehr kurzen Anhörungstermin klargestellt, dass nebenamtliche Übungsleiter des Sportzentrums der Beteiligten schon nach dem Wortlaut des § 4 Ab. 3 Nr. 3, 2. Alt. Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz (NPersVG) keine Beschäftigten i. S. dieses Gesetzes seien. Da weder hinsichtlich der Zivildienstleistenden noch hinsichtlich der nebenamtlichen Übungsleiter Rechtsfragen zu klären gewesen seien, die nicht bereits durch Rechtsprechung beantwortet gewesen seien, hätte ein verständiger, sachgerecht handelnder Beteiligter, der für die Kosten der Prozessführung selbst einzustehen hätte, in einem gleichgelagerten Fall diese erkennbar aussichtslose Rechtsverfolgung unterlassen.

4

Dieser Auffassung trat der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 12.02.2002 unter Bezugnahme auf seine Beschwerdebegründungsschrift an das OVG Lüneburg vom selben Tage entgegen: Das angerufene VG habe in seiner Entscheidung vom 05.11.2002 angedeutet, dass eine „mitunter vertretene Auffassung“ hinsichtlich der Zustimmungspflichtigkeit der „Einstellung“ von Zivildienstleistenden zu einem anderen Ergebnis gelange. Der dort ferner vertretenen Rechtsansicht des VG, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, auch Zivildienstleistende in den persönlichen Geltungsbereich des NPersVG einzubeziehen, sei entgegenzuhalten, dass es auch keine gesetzgeberischen oder gesetzlichen Hinweise dafür gebe, Zivildienstleistende aus dem persönlichen Geltungsbereich auszuschließen. Hinsichtlich der Übungsleiter des Sportzentrums habe das VG ohnehin verkannt, dass deren „Nebenberuflichkeit“ schon begrifflich die Ausübung eines - nicht gegebenen - Hauptberufs voraussetze. Daraufhin lehnte die Beteiligte den hier verfahrensgegenständlichen Anspruch mit Schreiben vom 17.02.2003 endgültig ab.

5

Am 25.02.2003 beschloss der Antragsteller, seinen Bevollmächtigten mit der Durchführung des Kostenerstattungsverfahrens zu beauftragen. Dieser hat am 31.03.2003 das Beschlussverfahren eingeleitet. Er macht geltend, bei den Anwaltskosten für seine Tätigkeit im Beschlussverfahren 10 A 14/01 handele es sich durchaus um durch die Tätigkeit des Antragstellers entstandene notwendige Kosten, die erstattungspflichtig seien, weil das Beschlussverfahren weder mutwillig noch aus haltlosen Gründen eingeleitet worden sei. Das VG Braunschweig habe in seinem Beschluss vom 05.11.2002 zwar die Beteiligungspflichtigkeit sowohl hinsichtlich der Zivildienstleistenden als auch hinsichtlich der Übungsleiter verneint, durch die Formulierung seiner Gründe allerdings zu erkennen gegeben, dass es durchaus ernst zu nehmende abweichende Auffassungen gebe. Es sei von ihm Rechtssicherheit angestrebt worden. Zusammenfassend habe er in hinterfragenswerten Fällen nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, ein Beschlussverfahren einzuleiten und ggf. auch Rechtsmittel einzulegen, wobei diese Pflicht um so ausgeprägter sei, je größer die Rechtsunsicherheit zu der entscheidungserheblichen Frage sei.

6

Der Antragsteller beantragt,

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festzustellen, dass die ihm entstandenen anwaltlichen Kosten in Höhe von 591,68 EUR aus dem verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren 10 A 14/01 von der Beteiligten zu tragen sind.

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Die Beteiligte beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie vertritt die Ansicht, die beiden in dem Verfahren 10 A 14/01 entscheidungsrelevanten Rechtsfragen seien bereits vor jenem so eindeutig geklärt gewesen, dass ein verständiger, sachgerecht handelnder Beteiligter, der für die Kosten der Prozessführung selbst einstehen müsste, in einem gleich gelagerten Fall eine derartige Rechtsverfolgung unterlassen hätte. Es würden daher keine notwendigen Kosten i. S. des § 37 Abs. 1 Satz 1 NPersVG geltend gemacht. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spreche auch die kurze zeitliche Dauer des Anhörungstermins am 05.11.2002. Eine Verpflichtung des Antragstellers, das Beschlussverfahren einzuleiten oder gar Rechtsmittel einzulegen, könne sie ebenso wenig erkennen wie eine Verpflichtung dazu, ein Nichteinigungsverfahren durchzuführen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf den Verwaltungsvorgang der Beteiligten Bezug genommen.

II.

12

Der zulässige Antrag ist begründet.

13

Der Beteiligte ist verpflichtet, die dem Antragsteller entstandenen anwaltlichen Kosten in Höhe von 591,68 Euro aus dem verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren 10 A 14/01 zu tragen.

14

Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 NPersVG trägt die Dienststelle - hier die Beteiligte - die durch die Tätigkeit des Personalrats - hier des Antragstellers - entstehenden notwendigen Kosten nach Maßgabe des Haushaltsplans. Wenngleich diese Vorschrift keine ausdrückliche Verpflichtung der Dienststelle ausspricht, die Anwaltskosten zu tragen, ist prinzipiell anerkannt, dass auch Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts von dieser Norm erfasst werden können (vgl. etwa Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, Komm., § 37, Rn. 45; Bieler/Müller-Fritzsche, NPersVG, Komm., 11. Aufl., Rn. 47). Eine Erstattungspflicht der Dienststelle tritt ein, wenn der Personalrat im Rahmen des ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums bei vernünftiger Würdigung aller wesentlichen Umstände die Hinzuziehung eines Anwaltes zur Durchsetzung, Klärung oder Wahrung seiner Befugnisse und Rechte in einem gerichtlichen Verfahren für erforderlich halten durfte (Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., Rn. 46 m. w. N.). Dieser Beurteilungsspielraum wird dadurch begrenzt, dass das Beschlussverfahren nicht mutwillig oder aus haltlosen, unvernünftigen Gründen eingeleitet worden sein darf (Dembowki/Ladwig/Sellmann, a. a. O., Rn. 46; Bieler/Müller-Fritzsche, a. a. O., Rn. 48, 51). Dabei ist eine Rechtsverfolgung mutwillig, wenn ein verständiger, sachgerecht handelnder Beteiligter, der für die Kosten der Prozessführung selbst einzustehen hätte, in einem gleichgelagerten Fall die Rechtsverfolgung in der gewählten Form unterlassen hätte. Von einer Einleitung des Beschlussverfahrens aus haltlosen Gründen ist auszugehen, wenn die Rechtsverfolgung von vornherein offensichtlich so aussichtslos war, dass sich dem Personalrat bei verständiger Würdigung geradezu der Schluss aufdrängen musste, er könne mit seinem Rechtsstandpunkt nicht durchdringen. Diese Voraussetzungen sind insbesondere gegeben, wenn der Rechtsauffassung des Personalrats eine gefestigte, dem Personalrat bekannte obergerichtliche Rechtsprechung entgegenstand (Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., Rnr. 46, m. w. N.). Demgegenüber sind Anwaltskosten notwendig im Sinne des NPersVG, wenn der Personalrat mit vertretbaren Gründen Rechte nach dem NPersVG verfolgt oder die verbindliche Auslegung von Normen bzw. die damit häufig verbundene verbindliche Beantwortung umstrittener Fragen von akuter Bedeutung erstrebt. Dabei kommt es für die Kostenerstattung nach einem gerichtlichen Beschlussverfahren nicht darauf an, ob die Personalvertretung oder die Dienststelle endgültig Erfolg hat oder haben wird (Bieler/Müller-Fritzsche, a.a.O., Rn. 51).

15

Bei Anlegung dieser Maßstäbe stellt sich die von dem Antragsteller veranlasste Beauftragung eines Rechtsanwalts in dem Beschlussverfahren 10 A 14/01 weder als eine aus haltlosen Gründen vorgenommene noch als eine mutwillige Rechtsverfolgung dar. Die Gründe, die den Antragsteller zur Einleitung des o. g. Beschlussverfahrens bewogen, waren schon deshalb nicht haltlos, weil die Rechtsverfolgung nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos war, zumal - was sogleich zu vertiefen sein wird - dem Rechtsstandpunkt des Antragstellers keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung gegenteiligen Inhaltes entgegenstand. Letztlich aus denselben Gründen war die Rechtsverfolgung durch den Antragsteller auch nicht mutwillig: Denn auch ein verständiger, sachgerecht und daher nicht zuletzt wirtschaftlich handelnder Beteiligter, der das Risiko zu tragen hätte, für die Kosten der Prozessführung gegebenenfalls selbst einzustehen, hätte in einem gleichgelagerten Fall nicht die von dem Antragsteller betriebene Rechtsverfolgung in der gewählten Form unterlassen. Dass bereits das Verwaltungsgericht Hannover, Kammern Hildesheim, in seinem Beschluss vom 20.03.1997 - und damit nach der grundlegenden Reform des NPersVG im Jahre 1994 - entschieden hatte, dass sich der persönliche Geltungsbereich des NPersVG nicht auf Zivildienstleistende erstreckt, hätte einen verständigen, auch wirtschaftlich sachgerecht handelnden Beteiligten mit eigenem Kostenrisiko aller Voraussicht nach nicht davon abgehalten, diese Rechtsfrage erneut von einer Fachkammer beantworten zu lassen. Denn zum einen lag im Zeitpunkt sowohl der Antragstellung als auch des Anhörungstermins vor der Kammer keine diese Frage abschließend beantwortende Entscheidung eines Obergerichts vor. Zum anderen bestand zwischen der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover, Kammern Hildesheim, und dem seitens des Antragstellers erwähnten , inhaltlich entgegengesetzten Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 19.06.2001 eine inhaltliche Diskrepanz, die dadurch an Komplexität gewann, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts prinzipiell nur für den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes, nicht jedoch zwingend für denjenigen des NPersVG verbindlich ist. Der Antragsteller sah sich demnach mit der Frage konfrontiert, inwieweit obergerichtliche Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit zumindest teilweise in der Substanz auf das Personalvertretungsrecht übertragbar sein könnte. Zudem ist in der Kommentierung von Fricke/Ohnesorg, NPersVG, § 4 Rn. 11 die Auffassung vertreten worden, auch Zivildienstleistende seien „Beschäftigte“ i. S. des § 4 NPersVG, wenngleich diese Rechtsauffassung bereits dort ausdrücklich als streitig gekennzeichnet wird. Der von dem angerufenen Gericht in seinem Beschluss 10 A 14/01 zitierte Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahre 1988 ist deutlich vor der Novellierung des NPersVG im Jahre 1994 ergangen und betrifft jedenfalls unmittelbar lediglich das Personalvertretungsrecht eines anderen Bundeslandes. Soweit die Fachkammer in ihrem Beschluss 10 A 14/01 Übungsleiter am Sportzentrum der Beteiligten nicht als Beschäftigte i. S. des § 4 NPersVG angesehen hat, beruht diese Rechtsauffassung auf einer von der Kammer vorgenommenen Interpretation des § 4 Abs. 3 Nr. 3, 2. Alt. NPersVG, welche sich mangels einschlägiger obergerichtlicher Rechtsprechung erkennbar nicht an eine solche anlehnt, weshalb von einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung inhaltlich entgegenstehender Tendenz nicht im Ansatz die Rede sein kann.