Landgericht Oldenburg
Urt. v. 07.11.1997, Az.: 2 S 895/97
Anspruch von Schadensersatz in Höhe von 15 % des Kaufpreises aus der Bestellung eines Gebrauchtfahrzeuges; Pauschalierter Schadensersatzanspruch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen; Gebrauchtwagenverkauf und pauschale Nichtabnahmeentschädigung
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 07.11.1997
- Aktenzeichen
- 2 S 895/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 25702
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1997:1107.2S895.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cloppenburg - 02.07.1997 - AZ: 1 C 202/97
Rechtsgrundlage
- § 11 Ziff. 5 a AGBG
Fundstellen
- BB 1998, 1280-1281 (Volltext mit amtl. LS)
- DAR 1998, 318 (red. Leitsatz)
- MDR 1998, 714-715 (Volltext mit red. LS)
- VuR 1998, 89-91
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Oktober 1997
unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten des Landgerichts ...
der Richterin am Landgericht ...
und des Richters am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 02. Juli 1997 verkündete Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Beklagte hatte bei der Klägerin, die mit Neuwagen und Gebrauchtwagen handelt und Vertragshändler für VW- und Audi-Fahrzeuge ist, am 24.01.1997 einen gebrauchten Pkw Daimler Benz zum Kaufpreis von 12.200,- DM bestellt. Die Klägerin konnte die Bestellung nach den in der unterschriebenen Erklärung in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger binnen einer Frist von zehn Tagen annehmen. Der Beklagte teilte am Tag nach der Unterzeichnung der Bestellung mit, er sei nicht bereit, das Fahrzeug abzunehmen. Die Klägerin forderte den Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 27.01.1997 unter Fristsetzung zur Abnahme des Gebrauchtwagens auf. Da der Beklagte dem nicht entsprach, macht die Klägerin gemäß V. 4. der Geschäftsbedingungen einen Schadensersatz in Höhe von 15 % des vereinbarten Kaufpreises geltend.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel weiter. Der Beklagte behauptet in der Berufungsinstanz erstmalig, er habe den unterzeichneten Text der Bestellung und der Geschäftsbedingungen nicht lesen können, da er weder lesen noch schreiben könne. Er sei nur in der Lage, seinen Namen zu schreiben.
Von der weiteren Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 15 % des Kaufpreises aus der Bestellung eines Gebrauchtfahrzeuges Daimler Benz vom 24.01.1997 zu.
Zwischen den Vertragsparteien ist ein Vertragsverhältnis begründet worden Dieses folgt noch nicht allein aus der schriftlichen Bestellung seitens des Beklagten vom 24.01.1997, denn diese ist lediglich als Angebot zum Abschluß eines Kaufvertrages zu bewerten. Dieses Angebot konnte die Klägerin binnen einer Frist von zehn Tagen gemäß Ziff. I. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge schriftlich annehmen, sofern nicht zuvor die Lieferung ausgeführt wurde. Eine entsprechende Annahmeerklärung ist dem Schreiben der Klägerin vom 27.01.1997 zu entnehmen, in dem sie den Beklagten unter Setzung einer Frist zur Abnahme des Pkw aufgefordert hat. Dem daraus folgenden Vertragsschluß steht nicht entgegen, daß der Beklagte bereits am 25.01.1997 sein Angebot widerrufen hat Dieses war, wie sich aus der bereits angeführten Ziff. I der Geschäftsbedingungen ergibt, bindend für einen Zeitraum zehn Tagen. Die Geschäftsbedingungen sind durch die Unterschrift des Beklagten unter die Bestellung Bestandteil seiner Erklärung geworden. Dies folgt aus der Tatsache, daß die Bestellung bereits vor den Angaben zur Person des Beklagten einen deutlichen drucktechnisch hervorgehobenen Hinweis auf die Geschäftsbedingungen enthält. Der Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, er sei Analphabet. Denn Willenserklärungen sind nach dem objektiven Erklärungswert so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 133 Rn. 9). Da der Beklagte nicht behauptet hat, daß er die Klägerin auf seine fehlende Lesefähigkeit hingewiesen hat, mußte diese davon ausgehen, daß der Inhalt der Erklärung vom Beklagten wahrgenommen werden konnte. Das allein ist entscheidend (§ 2 AGBG).
Ein pauschaler Schadensersatzanspruch ergibt sich trotz Vereinbarung der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dennoch nicht aus deren Ziff. V. 4. Dort ist für den Fall der Nichtabnahme und erfolgloser Fristsetzung, die sich dem Schreiben vom 27.01.1997 entnehmen läßt, geregelt: "Verlangt der Verkäufer Schadensersatz, so beträgt dieser 15 % des vereinbarten Kaufpreises." Eine derartige pauschale Ersatzleistung verstößt gegen § 11 Ziff. 5 a AGBG. Nach der gesetzlichen Regelung ist die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unzulässig, wenn die Pauschale den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. Dies ist dann der Fall, wenn ein Vertragshändler eines Automobilherstellers, für dessen Geschäftstätigkeit das Neuwagengeschäft prägend ist, beim Gebrauchtwagenverkauf eine pauschale Nichtabnahmeentschädigung von 15 % des Kaufpreises verlangt (OLG Köln, NJW-RR 1993, 1404 [OLG Köln 27.05.1993 - 12 U 141/92]). Der Entscheidung des OLG Köln lag eine mit dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit wortgleiche Vereinbarung zugrunde. Auch im übrigen stimmen die Sachverhalte in den entscheidungserheblichen Punkten überein. So tritt die Klägerin bekanntermaßen als Vertragshändlerin für VW- und Audi-Fahrzeuge auf und bietet in ihren Ausstellungsräumen Neuwagen an Daneben handelt sie mit Gebrauchtwagen. Dies rechtfertigt den Schluß, daß das Gebrauchtwagengeschäft nur ein Anhängsel der übrigen Geschäftstätigkeit ist. Besondere Umstände dafür, daß die Klägerin in Abweichung von den der Entscheidung des OLG Köln zugrundeliegenden Tatsachen besonderes Gewicht auf den Gebrauchtwagenhandel legt und in diesem Bereich auch durch verstärkte Ankaufbestrebungen tätig wird, hat die Klägerin nicht dargetan. Die Tatsache, daß sie eine Werkstatt unterhält, begründet kein anderes Ergebnis. Gerade Vertragshändler bieten üblicherweise eine entsprechenden Service, während dieser im Gebrauchtwagenhandel nicht immer vorzufinden ist.
Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, daß der Gebrauchtwagenhandel aus den zutreffenden Gründen der Entscheidung des OLG Köln häufig eine Folge des Wunsches der Kunden ist, die beim Kauf eines Neufahrzeuges ein von ihnen gefahrenes Kfz in Zahlung geben wollen. Dabei ist es nicht unüblich, durch überhöhte Ankaufpreise einen Anreiz zum Erwerb einen Neuwagens zu schaffen. Da die Gewinnerzielungsabsicht beim Ankauf und anschließenden Verkauf eines Gebrauchtwagens nicht zwingend im Vordergrund steht, ist es nicht gerechtfertigt, pauschale Ersatzleistungsansprüche in Höhe von 15 % des Verkaufspreises festzusetzen. Bei dieser Bewertung war auch die in der Entscheidung des OLG Köln angeführte Einschätzung, wonach im Gebrauchtwagengeschäft niedrige Bruttoerträge erzielt werden, zu beachten. Dem stellte das Urteil des LG Hagen (DAR 1987, 226), wonach ein pauschaler Schadensersatz in Höhe von 20 % des Kaufpreises zulässig sein soll, keine Begründung entgegen. Zu berücksichtigen war ferner, daß in der Literatur zunehmend Kritik an der Schadensersatzpauschale von 15 % bei Nichtabnahme geäußert wird (vgl. Ulmer, Brandner, Hensen, AGBG, 7. Aufl., Anhang §§ 9-11 Rn. 436 m.w.N.) und auch der BGH in seiner Entscheidung vom 29.06.1994 (= NJW 1994, 2478, 2479) im Rahmen der Hinweise, die das Berufungsgericht bei der erneuten Entscheidung zu berücksichtigen hatte, Bedenken gegen die Pauschale hervorgehoben hatte. Es ist nicht von Bedeutung, daß eine entsprechende Schadensberechnung im Neuwagenkauf anerkannt ist (vgl. BGH NJW 1982, 2316, 2317 [BGH 16.06.1982 - VIII ZR 89/81]). Hier wird ein Vertragshändler bereits zur Abdeckung der Gesamtkosten anders kalkulieren müssen. Ferner ist ein Käufer beim Erwerb eine Neufahrzeuges generell wählerischer, so daß die anderweitige Veräußerung eines bestellen, aber nicht abgenommenen neuen Pkw nicht in jedem Fall unproblematisch sein muß.
Die Klägerin hat einen konkreten Schaden durch die Nichtabnahme des vom Beklagten bestellten Pkw nicht dargetan.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.