Landgericht Oldenburg
Urt. v. 26.06.1997, Az.: 16 S 259/97
Anspruch auf Rückzahlung einer Maklerprovision wegen Nichtdurchführung eines Kaufvertrages; Ausschluss eines Vorkaufsrechts durch eine beabsichtigte Umwandlung in Wohnungseigentum; Umwandlung einer gemieteten Wohnung in Wohnungseigentum
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 26.06.1997
- Aktenzeichen
- 16 S 259/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 25065
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1997:0626.16S259.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Wildeshausen - 23.01.1997 - AZ: 4 C 590/96 III
Rechtsgrundlagen
- § 505 BGB
- § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB
- § 570b BGB
- § 652 Abs. 1 BGB
- § 812 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 8 Abs. 2 S. 2 WEG
Fundstelle
- WuM 1997, 436-437 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 1997
durch
die Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 23. Januar 1997 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wildeshausen geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 6.785,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Juli 1995 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreit werden der Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Die Kläger kauften im Dezember 1993 von ... deren Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus in D.. Den Vertrag hat die beklagte Maklerin vermittelt. Die Kläger zahlten ihr hierfür eine Provision. Mit der Klage verlangen sie die Rückzahlung, weil der Kaufvertrag nicht durchgeführt worden ist, nachdem sich die Mieter der Wohnung, die dem Rechtsstreit als Streithelfer der Kläger beigetreten sind, auf ein Vorkaufsrecht nach § 570 b BGB berufen hatten. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob das Vorkaufsrecht bestanden hat.
Eigentümerin des Hauses war ursprünglich ... Mit ihr hatten die Streithelfer am 9. Februar 1989 den Mietvertrag abgeschlossen. Sie waren Anfang März 1989 in die Wohnung gezogen. Aufgrund einer Teilungserklärung vom 31. Januar 1989, die im Mai 1989 im Grundbuch eingetragen wurde, begründete ... das Wohnungseigentum. Anschließend verkaufte und übereignete sie im Dezember 1989 die Wohnung an ...
Die Kläger sind der Ansicht, die Streithelfer seien zum Vorkauf berechtigt gewesen, weil der von der Beklagten vermittelte Vertrag der erste Verkauf der umgewandelten Eigentumswohnung war, seit die Bestimmung des § 570 b BGB gilt. Die Beklagte ist der Auffassung, ein Vorkaufsrecht der Mieter entstehe nur beim ersten Verkauf nach der Umwandlung und sei daher hier bereits verbraucht gewesen.
Das Amtsgericht hat sich der Ansicht der Beklagten angeschlossen und die Klage abgewiesen. Die Kläger vertreten mit der Berufung ihren Standpunkt weiter.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist begründet. Die Beklagte muß die Provision zurückzahlen, weil sie um den Betrag ungerechtfertigt bereichert ist (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Ein Makler verdient nach § 652 Abs. 1 BGB eine Provision, wenn der Vertrag, den er nachweisen oder vermitteln soll, infolge seiner Bemühungen zustandegekommen ist. Die Kläger wollten die Eigentumswohnung kaufen. Der Kaufvertrag ist zwar mit der Eigentümerin durch Vermittlung der Beklagten zustandegekommen. Seine Erfüllung hing jedoch vom Willen der Eigentümerin ab, nachdem die Streithelfer ihr Vorkaufsrecht nach § 570 b BGB ausgeübt hatten. Dadurch war ein weiterer Kaufvertrag mit den Streithelfern zustandegekommen (§ 505 BGB). Die Kläger hatten also keinen sicheren Erfüllungsanspruch erreicht. Ihr Kaufvertrag entsprach daher nicht dem, was sie von der Tätigkeit der Beklagten erwarteteten. Er war für sie wertlos. Für einen solchen Vertrag schuldeten sie keine Provision.
Die Streithelfer der Kläger hatten sich zu Recht auf ein Vorkaufsrecht berufen. Es steht nach § 570 b BGB Mietern von Wohnräumen zu, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden sollte, und die dann an einen Dritten verkauft werden. Diese Voraussetzungen haben hier vorgelegen.
Die Streithelfer hatten die Wohnung gemietet und übernommen, bevor sie in Wohnungseigentum umgewandelt worden war. Das ist erst mit der Anlage des Wohnungsgrundbuchs im Mai 1989 geschehen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 WEG).
Vor der Übernahme der Mietwohnung war allerdings bereits die Teilungserklärung beurkundet. Die Wohnung sollte also umgewandelt werden. Ob schon eine derartige Absicht das Vorkaufsrecht ausschließen kann, ist umstritten. Das Amtsgericht Frankfurt (abgedruckt in NJW 1995, 1034 [AG Frankfurt am Main 22.09.1994 - 33 C 2338/94 - 26] f) hat dies verneint und den Standpunkt vertreten, die zweite Alternative schränke die Rechte des Mieters nicht ein, sondern stelle nur klar, daß ein Vorkaufsrecht auch in Fällen entstehe, in denen die Mietwohnung als noch umzuwandelnde Eigentumswohnung verkauft werde (ebenso: Blank WM 1993, 573, 577 f [BVerfG 28.01.1993 - 1 BvR 1750/92]; Köhler/Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, 4. Aufl., § 122 Rdnr. 12; Schilling/Meyer ZMR 1994, 497, 503 f).
Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen. Eine beabsichtigte Umwandlung könnte das Vorkaufsrecht allenfalls dann ausschließen, wenn die Absicht dem Mieter beim Abschluß des Mietvertrages bzw. vor, der Überlassung der Wohnung bekannt war (so ausdrücklich: Langhein DNotZ 1993, 650, 657 und Rpfleger 1995, 351, 352 sowie Voelskow in Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 570 b Rdnr. 3). Das ergibt sich aus dem Schutzzweck des § 570 b BGB. Der Mieter läuft bei der Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung Gefahr, daß diese anschließend an Dritte zum eigenen Bedarf verkauft wird. Hierdurch erhöht sich das Risiko einer Kündigung wegen Eigenbedarfs. Dem soll das Vorkaufsrecht vorbeugen. Der Mieter braucht diesen Schutz nicht, wenn er eine bereits umgewandelte Eigentumswohnung mietet. Dann kennt er das erhöhte Risiko einer Eigenbedarfskündigung und kann sich hierauf schon beim Abschluß des Mietvertrages einstellen. Ob die Wohnung umgewandelt ist, kann er dem Grundbuch entnehmen. Ist kein Wohnungsgrundbuch angelegt, so kennt der Mieter die Risiken, die ihm aus einer bevorstehenden Umwandlung drohen, nur, wenn er weiß, daß die Wohnung umgewandelt werden soll. Das muß ihm dann aber mitgeteilt werden. Daß dies hier geschehen war, hat auch die Beklagte nicht behauptet.
Das Vorkaufsrecht der Streithelfer war nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kaufvertrag der Kläger nicht der erste Verkaufsfall nach der Umwandlung war. Es ist zwar allgemein anerkannt, daß der Mieter ein bestehendes Vorkaufsrecht nur beim ersten Verkauf ausüben kann. Tut er dies nicht, so ist er bei späteren Verkäufen nicht mehr schutzbedürftig. Darum geht es hier aber nicht. Die Streithelfer hatten bei dem vorangegangenen Verkauf der Wohnung an ... im Dezember 1989 kein Vorkaufsrecht. Die Bestimmung des § 570 b BGB ist erst am 1. September 1993 in Kraft getreten. Sie ist nach Art. 6 Abs. 4 des 4. Mietrechtsänderungsgesetzes vom 21. Juli 1993 (BGBl I S. 1257) nicht auf Kaufverträge anzuwenden, die vorher abgeschlossen worden sind. Es geht hier um die Frage, ob Mieter generell beim ersten Verkauf umgewandelter Eigentumswohnungen nach dem 1. September 1993 ein Vorkaufsrecht haben oder nur bei Kaufverträgen desjenigen, der die Miet- in eine Eigentumswohnung umgewandelt hat.
Das ist in der Literatur umstritten. Langbein hält ein Vorkaufsrecht nach Verkäufen vor dem 1. September 1993 für ausgeschlossen (DNotZ 1993, 650, 662). Sternel bejaht es wegen des Schutzzwecks des § 570 b BGB (Mietrecht aktuell, 1996, Rdnr. A 57). Die Kammer schließt sich der Auffassung von Sternel an.
Das Gesetz enthält keine eindeutige Regelung. Nach § 570 b BGB besteht ein Vorkaufsrecht, wenn eine umgewandelte Wohnung "an einen Dritten" verkauft wird. Hieraus ist nicht zu entnehmen, daß damit nur Verträge mit Erwerbern beim ersten Verkauf nach der Aufteilung gemeint sind. "Dritter" kann nach normalem Sprachverständnis auch jeder sein, der nicht zu den Personen gehört, für die der Vermieter wegen Eigenbedarfs nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen könnte. Ob es sich dabei um Erstkäufer oder spätere Erwerber handelt, ist damit nicht gesagt.
Die bereits erwähnte Übergangsvorschrift des Art. 6 Abs. 4 des 4. Mietrechtsänderungsgesetzes stellt dies nicht klar. Der Ausschluß des Vorkaufsrechts bei Kaufverträgen vor dem 1. September 1993 stünde einem Vorkaufsrecht aus späteren Weiterverkäufen nur dann zwingend entgegen, wenn dem Gesetz zu entnehmen wäre, daß sich das Vorkaufsrecht nur gegen denjenigen richten kann, der die Wohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt hat oder umwandeln wollte. Der "Verpflichtete" im Sinne des § 504 BGB ist aber so in § 570 b BGB nicht bezeichnet. Es kann deshalb dahinstehen, wie es sich bei dem Mietervorkaufsrecht des § 2 b des Wohnungsbindungsgesetzes verhält. Diese Bestimmung ist nicht mit § 570 b BGB identisch.
Das zusätzliche Argument, Weiterverkäufe nach dem 1. September 1993 müßten erst Recht vom Vorkaufsrecht ausgenommen werden, weil sonst Mieter bei einem einmaligen früheren Verkauf schlechter stünden (so: Langhein DNotZ 1993, 650, 662), überzeugt nicht. Die Übergangsregelung hat Altverträge ausgenommen, weil sie nicht mehr in Frage gestellt werden sollten. Dies hätte sonst zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und unbilligen Ergebnissen geführt, weil die Parteien bei Kaufverträgen vor dem 1. September 1993 mit einem vorkaufsrecht der Mieter nicht rechnen konnten. Das ist bei späteren Verträgen anders. Die Vertragsparteien konnten sich hier auf ein Vorkaufsrecht einstellen. Unterschiedliche Folgen sind bei Regelungen, die an einen Stichtag knüpfen, nicht zu vermeiden. Dies kann nicht dazu führen. Betroffenen den Schutz zu versagen, weil sich bei ihnen einschlägige Tatbestände nach dem Stichtag ereignet haben, bei anderen aber nicht.
Der Gesetzgeber hat die Bestimmung des § 570 b BGB geschaffen, um das schon im Bereich des sozialen Wohnungsbaus bestehende Vorkaufsrecht von Mietern auf den nicht geförderten oder bindungsfrei gewordenen Bestand auszudehnen. Hierdurch sollte Mietern in allen Umwandlungsfällen die Gelegenheit zum Kauf der Wohnung gegeben und so ihr Schutz vor einer Verdrängung im Zusammenhang mit einer Umwandlung verstärkt werden (BR Drs. 350/92 S. 43). Dieser Zweck legt es nahe, das Vorkaufsrecht in allen Fällen anzuerkennen, in denen Mieter es erstmals ausüben konnten, also beim ersten Verkauf nach dem 1. September 1993. Vorangegangene Veräußerungen schließen es nicht aus.
Der Einwand von Langhein (DNotZ 1993, 650, 662). Mieter hätten nach früheren Verkäufen ausreichend Zeit gehabt, sich auf die neue Sachlage einzustellen, berücksichtigt nicht hinreichend die Risiken des Mieters, die sein Vorkaufsrecht begründen. Er kann sich nur auf die Sachlage einstellen, die beim Abschluß des Mietvertrages bestanden hat. Weiterverkäufe später umgewandelter Eigentumswohnungen verringern nicht die Gefahr einer Kündigung wegen Eigenbedarfs. Der Zeitablauf bietet davor keinen Schutz.
Der eingeklagte Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288 Abs. 1, 284 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 101 ZPO.