Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 23.04.1997, Az.: 9. T. 215/97

Vertretung durch einen vollmachtlosen Vertreter bei Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages; Schriftformerfordernis der Genehmigung der Erklärungen des vollmachtlosen Vertreters ; Amtspflichtwidriges Handeln des Notars bei Ablehnung des Vollzuges des Kaufvertrages ; Pflicht des Notars zu unparteiischer Amtsführung

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
23.04.1997
Aktenzeichen
9. T. 215/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 24220
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1997:0423.9.T.215.97.0A

Fundstelle

  • MDR 1997, 814 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Verweigerung einer Amtstätigkeit durch den Notar

In dem Rechtsstreit
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
am 23.04.1997
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

Der ... wird angewiesen, den Kaufvertrag vom ... der Urkundenrolle ... zwischen dem ... und ... über das Grundstück, eingetragen im Grundbuch von ... vertragsgemäß zu vollziehen und nach Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen zur Umschreibung dem Grundbuchamt anzutragen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Der ... hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten zu erstatten, im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Beschwerdewert: 20.000,- DM

Gründe

1

Am ... beurkundete der ... einen Grundstückskaufvertrag (...), mit welchem der Beschwerdeführer ein in ..., Flurstück ... gelegenes Grundstück an den ... verkaufte. Der ... wurde anläßlich der Beurkundung durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten. Mit einem am ... bei dem ... eingegangenen Schreiben vom ... forderte der Käufer den ... zur Erklärung über die Genehmigung des Kaufvertrages bis zum ... auf, anderenfalls er die Erfüllung des Kaufvertrages ablehnen werde. Bereits mit Schreiben vom ... hatte der ... um die Übersendung einer Vertragsgenehmigung in der Form von § 29 GBO gebeten. Mit einem dem ... am ... zugegangen Schreiben vom ... teilte der ... dem ... und dem ... mit, daß er den Kaufvertrag genehmige. Mit Schreiben vom 07.10.1996 erklärte der ... sich gehindert zu sehen, in die Abwicklung einzutreten. Dagegen erhob der Beschwerdeführer erstmalig am ... Beschwerde, die durch Beschluß des Landgerichts Oldenburg vom ... rechtskräftig durch Beschluß des Oberlandesgerichts Oldenburg vom ... (Az. 5 W 17/97), zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte die Kammer aus, die Genehmigung der Erklärungen des vollmachtlosen Vertreters bedürften zum Zwecke der Umschreibung beim Grundbuchamt der - zum damaligen Zeitpunkt nicht vorliegenden - Form des § 29 GBO. Unter dem ... erklärte die ... die nunmehr notariell beglaubigte Genehmigung des Kaufvertrages. Unter Hinweis darauf, daß der ... die Vertragserfüllung ablehne, erklärte der ... mit Schreiben vom ..., sich nach wie gehindert zu sehen, in den Vollzug des Kaufvertrages einzutreten.

2

Dagegen richtet sich die erneute Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer beantragt,

den Notar zu verpflichten, den Kaufvertrag ..., Nummer ... der Urkundenrolle ... zwischen dem ... über das Grundstück, eingetragen im Grundbuch von ... vertragsgemäß zu vollziehen und nach Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen zur Umschreibung dem Grundbuchamt anzutragen.

3

Die nach § 15 BNotO zulässige Beschwerde ist begründet.

4

Der ... handelt amtspflichtwidrig, wenn er den Vollzug des Kaufvertrages ablehnt. Denn der ... hat den von einem vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag wirksam genehmigt. Nach § 177 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 und S. 2 Halbs. 1 BGB hat für den Fall, daß der andere Teil den Vertragspartner zur Erklärung über die Genehmigung auffordert, die Erklärung darüber dem Vertragspartner gegenüber vor dem Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung zu erfolgen. Das ist vorliegend geschehen. Denn mit dem am ... bei dem ... eingegangenen Schreiben vom ... hat der ... den ... zur Erklärung über die Genehmigung des Kaufvertrages aufgefordert, woraufhin der ... dem ... mit dem am ... zugegangen Schreiben vom ... mitgeteilt hat, daß er den Kaufvertrag genehmige. Dabei spielte es insoweit keine Rolle, daß dieses Schreiben - anders als im Falle des § 29 GBO - nicht der Form des § 925 BGB entsprach, da es dessen hier nicht bedurfte (Demharter, Grundbuchordnung, 21. A., § 20 Rn. 22 m.w.N.; Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 55. A., § 177, 178 Rn. 7). Anhaltspunkte dafür, daß die beteiligten Organe des ... die für sie festgelegten Förmlichkeiten nicht beachtet haben, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich nicht aus der Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung vom 16.08.1993 (GVBl. für den Freistaat Thüringen 1993, 501), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.06.1995 (GVBl. für den Freistaat Thüringen 1995, 200), daß es über das hier gewahrte, gemäß § 109 Abs. 2 ThürKO notwendige Schriftlichkeitserfordernis hinaus weiterer Formerfordernisse für die Genehmigungserklärung des Beschwerdeführers vom 10.09.1996 bedurft hätte.

5

Der Wirksamkeit der Genehmigung steht auch nicht entgegen, daß der ... den ... zur Erklärung über die Genehmigung des Kaufvertrages unter Fristsetzung bis zum ... aufgefordert hatte, vorliegend der Beschwerdeführer dem Käufer jedoch erst mit dem am ... zugegangen Schreiben vom 10.09.1996 mitgeteilt hatte, daß er den Kaufvertrag genehmige. Denn die gesetzliche Frist von 2 Wochen (§ 177 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 BGB) kann nur durch eine Vereinbarung zwischen dem Vertretenen und dem Dritten verkürzt werden (Vgl. RG JW 1937, 2036; Schramm in: Münchener Kommentar, 3. A.; § 177 Rn. 20). Eine derartige Vereinbarung ist hier jedoch nicht gegeben, da die Erklärungsfrist einseitig von dem Käufer festgesetzt wurde.

6

Schließlich steht der Wirksamkeit der Vertragsgenehmigung aber auch nicht entgegen, daß der ... bereits mit Schreiben vom ... um die Übersendung derselben gebeten hatte. Denn der ... handelte insoweit nicht als Vertreter des Käufers, da ihm dieses gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO, wonach der Notar nicht Vertreter einer Partei, sondern unparteiischer Betreuer der Beteiligten ist, verwehrt war und auch nicht durch § 10 Abs. 1 des Kaufvertrages vom 22.07.1996 übertragen werden konnte (Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 55. A., § 178 Rn. 5; Holthusen-Dux, NJW 1995, 1470 [EuGH 24.03.1994 - C 275/92]; a.A.: OLG Köln 1995, 1499, 1500; Prahl, NJW 1995, 2968 [BGH 30.06.1995 - V ZR 184/94]). Zwar verbietet die Pflicht zu unparteiischer Amtsführung es dem Notar nicht grundsätzlich, für die Vertragsparteien nach dem Inhalt des Vertrages notwendige Erklärungen und Genehmigungen einzuholen und entgegenzunehmen. Allerdings kann dieser Grundsatz dann keine Geltung mehr beanspruchen, wenn dadurch einseitig Rechtsfolgen zu Lasten einer der beiden Vertragsparteien ausgelöst werden. Ein derartiges Verständnis vom Umfang der von den Parteien gewollten Bevollmächtigung widerspräche dem unparteiischem Amtspflichtverständnis eines Notars. Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 177 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 BGB würden jedoch durch die Aufforderung des Notars zur Erklärung über die Genehmigung einseitig Rechtsfolgen zu Lasten des Vertretenen ausgelöst. Infolgedessen folgt aus § 10 Abs. 1 des Kaufvertrages vom 22.07.1996 nicht, daß der Notar bevollmächtigt war, den vertretenen Beschwerdeführer zur Erklärung über die Genehmigung aufzufordern.

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Nach alledem hat der Beschwerdeführer den Grundstückskaufvertrag vom 22.07.1996 daher rechtswirksam gegenüber dem Käufer genehmigt. Weitere Ablehnungsgründe, auf die sich der Notar stützen könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere darf er sich der Vollzugshandlungen nicht aufgrund von Rechtszweifeln verweigern. Denn nur wenn in hohem Maße wahrscheinlich ist, daß der beurkundete Vertrag unwirksam ist und durch seinen Vollzug das Grundbuch unrichtig würde, darf er nicht am Vollzug mitwirken (OLG Hamm OLGZ 1994, 495, 498). Davon kann jedoch vorliegend nicht die Rede sein, so daß ihm ein ausreichender Grund zur Verweigerung seiner Urkundstätigkeit, insbesondere der Vollzugstätigkeit gemäß § 53 BeurkG, nicht zur Seite steht. Infolgedessen war der ... anzuweisen, den Kaufvertrag vom ... vertragsgemäß zu vollziehen und nach dem Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen zur Umschreibung dem Grundbuchamt anzutragen.

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Die Entscheidung über die gerichtlichen Kosten- und Auslagen beruht auf § 131 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 KostO. Die weitere Nebenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 20.000,- DM