Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 12.01.2017, Az.: 1 B 7215/16

öffentliche Einrichtung; Vorwegnahme der Hauptsache; Widmung; Wildtierverbot; Zirkus; Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.01.2017
Aktenzeichen
1 B 7215/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53805
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Einer Kommune ist es nicht gestattet, im Rahmen einer Widmung einer öffentlichen Einrichtung Wildtierverbot in Zirkussen zu beschließen. Die Widmung darf sich ausschließlich auf kommunale Angelegenheiten beziehen. Ein Wildtierverbot in Zirkussen kann nur vom Bundesgesetzgeber geregelt werden.

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über den Antrag der Antragstellerin auf Nutzung des D. zwischen dem 2. April 2017 und dem 5. April 2017 zu Zwecken der Durchführung des am 14. September 2015 beantragten Zirkusgastspiels binnen einer Frist von 2 Wochen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 48.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin möchte den im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden E. zur Durchführung eines Zirkusgastspieles zwischen dem 2. und 5. April 2017 nutzen.

Die Antragstellerin, ein deutsches Zirkusunternehmen, beantragte mit Schreiben vom 14. September 2015 bei der Antragsgegnerin eine Gastspielerlaubnis für das 1. Halbjahr 2017. In den Vorstellungen sollen auch Wildtiere gezeigt werden. Im Rahmen eines Telefonates zwischen den Beteiligten im März 2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass ein Wildtierverbot im Rat diskutiert werde. In der Sitzung vom 15. Juni 2016 beschloss der Rat der Antragsgegnerin einstimmig, dass kommunale Flächen nur noch für Zirkusbetriebe zur Verfügung gestellt werden sollen, die keine Tiere wildlebender Arten mit sich führen. Durch E-Mail vom 18. August 2016 teilte die Antragsgegnerin dem Tourneeleiter der Antragstellerin mit, dass wegen der vorgelegten Tierbestandsbücher und der dort geführten Kängurus, Seelöwen, Zebras, Lamas und Kamele ein Gastspiel nicht in Betracht komme. Per Mail vom 11. Oktober 2016 wiederholte die Antragsgegnerin ihre ablehnende Haltung gegenüber der Antragstellerin. Rechtsbehelfsbelehrungen erhielten die E-Mails nicht.

Durch anwaltliches Schreiben vom 24. November 2016 erhob die Antragstellerin „Widerspruch“ gegen die Ablehnung ihres Antrages und bekräftigte, sie habe einen Anspruch auf Zugang zu den Flächen des D.. Über ihren Antrag sei nach bisherigen Kriterien zu entscheiden, da der Antrag zu einer Zeit eingereicht worden sei, als der Beschluss des Rates der Antragsgegnerin über das Wildtierverbot noch nicht existierte. Es lägen eine Ungleichbehandlung und ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit vor. Zirkusse mit Wildtieren würden gegenüber Zirkussen ohne Wildtiere benachteiligt. Auch habe die Antragsgegnerin ihre rechtlichen Kompetenzen überschritten. Die Antragstellerin verfüge über Genehmigungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 d) TierSchG. Gemäß § 11 Abs. 4 TierSchG könne nur das zuständige Bundesministerium das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Art an wechselnden Orten beschränken.

Mit ihrem am 5. Dezember 2016 gestellten Eilantrag und ihrer am 9. Dezember 2016 nach gerichtlichem Hinweis auf § 80 NJG erhobenen Verpflichtungsklage (Az. 1 A 7483/16) verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Zusätzlich zu ihren im außergerichtlichen Verfahren geäußerten Rechtsansichten teilt sie mit, es sei ihr aufgrund der Ablehnung im Oktober 2016, die erst ein Jahr nach der Antragstellung erfolgt sei, nicht mehr möglich, einen Ausweichstandort zu finden. Größere Abweichungen von der geplanten Route seien nicht möglich, weil die Antragstellerin an einem Tag mit Auf- und Abbau unter wirtschaftlicher Routenplanung maximal 180 km zurücklegen könne. Für jeden Tag des Stillstandes fielen 12.000 EUR Fixkosten an. Ausweichplätze stünden auch nicht zur Verfügung. Weil das Hauptsacheverfahren nicht bis April 2017 entschieden werde, müsse um einstweiligen Rechtsschutz ersucht werden. Da eine Entscheidung in der Hauptsache verspätet sei, sei eine Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes statthaft. Weil der streitgegenständliche Platz Zirkussen zur Verfügung gestellt werde, habe auch die Antragstellerin einen Anspruch auf Zugang aus § 30 NKomVG und Art. 3 Abs. 1 GG. Aus Art. 28 Abs. 2 GG leite sich kein Recht einer Gemeinde ab, durch Verwaltungsmaßnahmen untergesetzlicher Art in Grundrechte Dritter einzugreifen und Kompetenzen des Bundesgesetzgebers an sich zu ziehen. Aufgrund des Verstoßes gegen Art. 3, Art. 12 und Art. 14 GG lägen Ermessensfehler der Antragsgegnerin vor. Die Antragsgegnerin hätte aus Verhältnismäßigkeitsgründen erwägen müssen, eine eingeschränkte Erlaubnis ohne Wildtiere zu erteilen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr die Nutzung des D. zwischen dem 2. April 2017 und dem 5. April 2017 zu Zwecken der Durchführung des am 14. September 2015 beantragten Zirkusgastspiels zu gestatten und ihr eine entsprechende Gastspielerlaubnis zu erteilen,

hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von einer vertraglichen Zugangsbeziehung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ausgehen sollte, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit der Antragstellerin einen Nutzungsvertrag über die Nutzung des D. zwischen dem 2. April 2017 und dem   5. April 2017 zu Zwecken der Durchführung des am 14. September 2015 beantragten Zirkusgastspiels abzuschließen.

Die Antragsgegnerin hat bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Antrag im Eilverfahren gestellt.

Sie führt aus, der F. sei nicht über ein formales Verfahren der Öffentlichkeit gewidmet. Die Platzzusagen erfolgten nicht per Bescheid, sondern in privatwirtschaftlicher Form eines Nutzungsvertrages. Es werde nach dem Opportunitätsprinzip entschieden. Nicht alle Zirkusauftritte in G. fänden auf dem F. statt. Die Kritik an Gastspielen mit Wildtieren habe in der Öffentlichkeit zugenommen. Die Antragstellerin habe zudem nie angeboten, Vorstellungen ohne Wildtiere durchzuführen. Das Wildtierverbot bezwecke den Schutz von bestimmten Tierarten. Dieser Schutz beschränke sich nicht auf die Aufführungen, sondern betreffe auch die Folgen der Tierhaltung und des Transportes. Daher sei eine Teilgenehmigung nicht sinnvoll.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.

Unabhängig von der Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses bezüglich des H. handelt es sich bei der Frage des „Obs“ des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung um eine öffentliche-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil streitentscheidende Normen solche des öffentlichen Rechtes sind. Aus diesem Grunde kommt es entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin hier auch nicht darauf an, dass hinsichtlich der Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses privatwirtschaftliche Verträge geschlossen werden.

Der Zulässigkeit des Antrags stehen auch nicht die beiden Mitteilungen über die ablehnende Haltung der Antragsgegnerin vom 18. August 2016 und 11. Oktober 2016 entgegen. Diese waren nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, sodass die Verpflichtungsklage binnen eines Jahres nach Bekanntgabe erhoben werden konnte, §§ 74, 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Der Antrag ist auch überwiegend begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, der hier allein in Betracht kommt, kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung der in § 123 Abs. 1 VwGO genannten Voraussetzungen ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund bestehen, d.h. die Gefahr vorliegt, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder erschwert werden kann oder die Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Ein Anordnungsanspruch ist zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 123 Rn. 23-26). Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und der Grund für die notwendige vorläufige Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO).

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch aus § 30 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 NKomVG glaubhaft gemacht. Ein Obsiegen in der Hauptsache ist nach summarischer Prüfung im tenorierten Umfang zu erwarten.

Gem. § 30 Abs. 1 NKomVG sind Einwohner einer Kommune im Rahmen der bestehenden Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Kommune zu benutzen. Nach Abs. 2 Satz 1 der Norm gilt dies auch für Gewerbetreibende, die ihren Wohnsitz nicht in der Kommune haben.

Konstitutives Merkmal einer öffentlichen Einrichtung ist deren Widmung, mit der die Zweckbestimmung der Einrichtung (Widmungszweck) festgelegt wird, ihre Öffentlichkeit und damit der allgemeine kommunalrechtliche Zulassungsanspruch geschaffen wird. Die Widmung kann durch formalen Akt (etwa durch Satzung oder Beschluss)  oder durch konkludentes Handeln erfolgen. § 4 Satz 2 NKomVG lässt sich entnehmen, dass eine öffentliche Einrichtung der Kommune im Sinne des § 30 Abs. 1 NKomVG nur dann vorliegt, wenn sie von dieser „bereitgestellt“ worden ist (Nds. OVG, Beschluss vom 11. Dezember 2012 – 10 ME 130/12 –, Rn. 20, juris).

Der E. ist eine öffentliche Einrichtung in diesem Sinne, die unstreitig auch für die Durchführung von Zirkusveranstaltungen genutzt wird. Daher ist eine entsprechende konkludent getroffene Widmung des Platzes gegeben. Über die Zulassung der Antragstellerin zur Nutzung des Platzes hat die Antragsgegnerin im Rahmen dieser Widmung zu entscheiden.

Zwar hat die Antragsgegnerin bei der Vergabe von Veranstaltungsplätzen einen weiten Gestaltungsspielraum. Die Antragstellerin wiederum hat, wenn sich ihr Zulassungsbegehren im Rahmen der "bestehenden Vorschriften" (§ 30 Abs. 1 NKomVG), also auch der Widmung der öffentlichen Einrichtung, hält und Vergaberegelungen oder Vergabegrundsätze nicht entgegenstehen, einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die begehrte Nutzung. Die von der Antragstellerin begehrte Nutzung des H. bewegt sich im Rahmen der bestehenden Vorschriften, denn die sie einschränkende Regelung in Gestalt des „Wildtierverbotes“ ist rechtsfehlerhaft.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Nutzung des Platzes allein mit der Begründung versagt, dass der Rat der Antragstellerin beschlossen habe, öffentliche Einrichtungen Zirkussen mit Wildtieren nicht weiter zur Verfügung zu stellen. Eine derartige Beschränkung einer (konkludenten) Widmung ist allerdings rechtswidrig, weil sie in unzulässiger Weise in die Grundrechte der Antragstellerin eingreift.

Das VG Darmstadt (Beschluss vom 19. Februar 2013 – 3 L 89/13.DA –, Rn. 15-18, juris) hat zum Wildtierverbot in Zirkussen auf kommunaler Ebene Folgendes ausgeführt:

„Mit dem Verbot, die im Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 11.10.2012 aufgeführten Tiere mitzuführen und auftreten zu lassen, greift die Antragsgegnerin in die Freiheit der Berufsausübung der Antragstellerin ein. Unter "Beruf" ist dabei jede erlaubte Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer berechnet ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient (BVerfG, Urt. v. 11.06.1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 377). Die Berufsausübung umfasst die gesamte berufliche oder gewerbliche Tätigkeit, d.h. die Form, Mittel sowie die Bestimmung des Umfangs und des Inhalts der Betätigung. Eine in die Berufsausübung eingreifende Regelung ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen (BVerfG, Urt. v. 11.06.1958, a.a.O.). An solchen Rechtsgrundlagen fehlt es vorliegend jedoch.

Zunächst stellt die Befugnis der Gemeinden, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von grundrechtseinschränkenden Satzungsbestimmungen dar. Dies gilt erst recht auch für Beschlüsse der Gemeindevertretung, die, wie vorliegend, Einschränkungen des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses enthalten. Die Kammer neigt zu der Ansicht, dass die Einschränkungen für die Platzüberlassungsverträge als Nutzungseinschränkungen des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses durch eine Satzung hätten geregelt werden müssen, da dem Bürger die Vorhersehbarkeit der von ihm zu erwartenden Belastungen gewährleistet werden muss. Die Beantwortung dieser Frage kann jedoch einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, da eine Einschränkung durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung jedenfalls nicht durch eine einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist.

Das Tierschutzgesetz gibt keine Grundlage für ein Verbot der Haltung bzw. des Auftritts bestimmter Tierarten in Zirkussen her. Für das Zur-Schau-Stellen von Tieren in Zirkusbetrieben besteht gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. d) TierschutzG ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Nach dieser Bestimmung bedarf der Erlaubnis, wer gewerbsmäßig Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen will. Ein Verbot der Zirkustierhaltung insgesamt oder der Haltung bestimmter Wildtierarten hat der Bundesgesetzgeber nicht vorgesehen. Die Antragsgegnerin trägt zwar vor, da sich immer wieder zeige, dass eine Wildtierhaltung in Zirkusbetrieben mit tierschutzrechtlichen Missständen verbunden sei, könnten Schutzmaßnahmen zum Wohl der Tiere (nur?) durch Verbote durchgesetzt werden, berücksichtigt dabei aber nicht, dass solche Verbote einer gesetzlichen Grundlage bedürfen und im Übrigen auch gar nicht nachgewiesen ist, dass "tierschutzrechtliche Missstände" im konkreten Fall auch von der Antragstellerin verursacht werden. Immerhin besitzt sie - unstreitig - die erforderliche Erlaubnis nach dem Tierschutzgesetz.

Schließlich ist auch das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde keine ausreichende Rechtsgrundlage für den Grundrechtseingriff. Durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist den Gemeinden das Recht gewährleistet, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Darunter sind solche Aufgaben zu verstehen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf die örtliche Gemeinschaft einen spezifischen Bezug haben. Damit sind Angelegenheiten gemeint, die den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen. Zwar fördern die Städte und Gemeinden gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 HGO in freier Selbstverwaltung das Wohl ihrer Bürger, die Gemeinde und ihre Organe haben aber kein allgemeinpolitisches Mandat (BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619/83 u. a. -, BVerfGE 79, 127 = NVwZ 1989, 347; Schmidt-Aßmann/Röhl in Schmidt-Aßmann/Schoch, BesVerwR, 14. Aufl., 1. Kap., Rdnr. 15; VG Darmstadt, Urt. v. 05.02.2013 - 3 K 1190/12.DA -). Zudem besteht die der Gemeinde obliegende Neutralitätspflicht (vgl. dazu VG Darmstadt, a.a.O.) nicht nur im politischen Raum, sondern sie erstreckt sich auch auf den weltanschaulichen und moralischen Bereich (Ossenbühl, a.a.O., S. 299). Das vorrangige Rechtsstaatsprinzip gestattet deshalb keine Ausgestaltung der allgemeinen gemeindlichen Satzungsautonomie derart, dass Grundrechtseingriffe ohne besondere Rechtsgrundlage zulässig wären. Eine an den Sinn und Zweck der Selbstverwaltung anknüpfende Ausnahme kommt allenfalls für den Fall in Betracht, dass es sich nicht um Vorgänge mit einem nur je örtlichen Bezug, sondern mit einem spezifisch örtlichen Bezug handelt, der also gerade nur den Bereich dieser einen Körperschaft erfasst (Bay. VGH, Urt. v. 22.01.1992 - 20 N 91.2850 u.a. -, NVwZ 1992, 1004 [VGH Bayern 22.01.1992 - 2 N 91.2850]). Das ist hier offensichtlich nicht der Fall; das Problem der Wildtierhaltung in Zirkusunternehmen stellt sich landesweit den Gebietskörperschaften (so auch VG Chemnitz, Beschl. v. 30.07.2008, a.a.O.).“

Das VG Chemnitz (Beschluss vom 30. Juli 2008 – 1 L 206/08 –, Rn. 24-26, juris) vertritt dieselbe Ansicht und führt aus:

„Der Antragsteller hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Tierschutzgesetz gerade kein Verbot der Haltung bzw. des Zur-Schau-Stellens bestimmter Tierarten in Zirkussen vorsieht. Eine formell gesetzliche Ermächtigung für die einschränkende Benutzungsregelung des Stadtratsbeschlusses der Antragsgegnerin existiert (jedenfalls derzeit) nicht. Vielmehr gilt für das Zur-Schau-Stellen von Tieren in Zirkusbetrieben gemäß § 11 TierSchG ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. So bedarf nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 d TierSchG der Erlaubnis, wer gewerbsmäßig Tiere zur Schau stellt oder für solche Zwecke zur Verfügung stellt. Gemäß § 16 Abs. 1 Nrn. 4 und 6 TierSchG unterliegen Zirkusbetriebe der Aufsicht durch die zuständigen Behörden. Gemäß § 16 Abs. 1 a TierSchG ist jeder Ortswechsel spätestens beim Verlassen des bisherigen Aufenthaltsortes der zuständigen Behörde des beabsichtigten Aufenthaltsortes anzuzeigen. Ein Verbot der Zirkustierhaltung insgesamt oder bestimmter Wildtierarten hat der Bundesgesetzgeber nicht vorgesehen. Nichts anderes ergibt sich aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 09.02.2000. Dort wird unter Nr. 12.2.4.1. zur Prüfung im Rahmen von § 11 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG lediglich darauf hingewiesen, dass die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten oder von den obersten Landesbehörden herausgegebenen einschlägigen Gutachten in der jeweils aktuellen Fassung zugrunde gelegt werden können, ebenso von Fachverbänden erstellte Unterlagen, wie zum Beispiel die von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. herausgegebenen Checklisten zur Überprüfung der Tierhaltung im Zoofachhandel. Zur Prüfung im Rahmen von § 11 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG kann also die zuständige Behörde auch die Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen – Zirkusleitlinien – heranziehen, die unter Mitwirkung verschiedener Interessengruppen ausgearbeitet wurden. Dort wird in Nr. II.1. darauf hingewiesen, dass die Autoren die Erteilung neuer tierschutzrechtlicher Erlaubnisse für die Haltung oder das Mitführen von Menschenaffen, Tümmlern, Delfinen, Greifvögeln, Flamingos, Pinguinen, Nashörnern und Wölfen in Zirkussen ablehnen. Diese Tiere sollen also nicht neu in den Zirkus aufgenommen werden. Für die im Stadtratsbeschluss der Antragsgegnerin vom 24.10.2007 ebenfalls aufgeführten Elefantenbullen und Giraffen ergibt sich ein Vorschlag zum Verzicht dieser Tierarten im Zirkus lediglich aus dem Differenzprotokoll II der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz und der Bundestierärztekammer. Bei diesem Differenzprotokoll handelt es sich um eine ergänzende Stellungnahme der an der Ausarbeitung der Zirkusleitlinien beteiligten Interessengruppen, in denen diese ihre von der Mehrheitsmeinung abweichende Auffassung zum Ausdruck gebracht haben. So haben neben der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz und der Bundestierärztekammer auch das Bündnis Tierschutz und der Berufsverband der Tierlehrer andere divergierende Ansichten zu Protokoll gegeben. Eine rechtliche Bindungswirkung ergibt sich hieraus nicht.

Auch das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde führt nicht dazu, dass Grundrechtseingriffe ohne besondere Rechtsgrundlage zulässig wären. Eine an den Sinn und Zweck der Selbstverwaltung anknüpfende Ausnahme kommt allenfalls für den Fall in Betracht, wenn es sich nicht um Vorgänge mit einem nur je örtlichen Bezug, sondern mit einen spezifisch örtlichen Bezug handelt, der also gerade nur den Bereich dieser einen Körperschaft erfasst (vgl. BayVGH, a. a. O.). Dieser Fall ist hier jedoch offensichtlich nicht gegeben. Das Problem der Zur-Schau-Stellung von Wildtieren in Zirkusveranstaltungen stellt sich in gleicher Weise auch in anderen Gemeinden des Landes. Es liegt auf der Hand, dass der Stadtratsbeschluss der Antragsgegnerin die an ein formelles Gesetz zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin kann sich ihrer Grundrechtsbindung auch nicht durch eine Flucht in das Privatrecht entledigen und hat diese somit auch bei einer Aufnahme der den Vorgaben des Stadtratsbeschlusses entsprechenden Klausel in die jeweiligen Pachtverträge zu beachten.“

Dem schließt sich die Kammer vollumfänglich an, wobei anzumerken ist, dass sich das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für das Zur-Schau-Stellen von Tieren in Zirkusbetrieben nunmehr aus § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 d) TierSchG und nicht mehr aus    § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 d) TierSchG ergibt. Inhabern einer solchen Erlaubnis ist bundesrechtlich ermöglicht, die vom Beschluss des Rates der Antragsgegnerin erfassten Wildtiere öffentlich zur Schau zu stellen. Mit einem kommunalen Wildtierverbot soll für kommunale Flächen verboten werden, was bundesrechtlich erlaubt ist.

Die entgegenstehenden Ausführungen des VG München überzeugen nicht. Es vertritt die folgende Ansicht (Urteil vom 6. August 2014 – M 7 K 13.2449 –, Rn. 32, juris):

„Bei freiwilligen Einrichtungen ist es grundsätzlich den Gemeinden überlassen, welche Einrichtungen sie schaffen, wie sie sie widmen und wie sie die Benutzung ausgestalten wollen (BVerwG, U. v. 18. Juli 1969 - VII C 56.68 - juris Rn 37). Es unterliegt der Ausgestaltungsbefugnis der Gemeinde, den räumlichen und inhaltlichen Umfang der Nutzung des Volksfestplatzes sowie das Gesamtbild der dort stattfindenden Veranstaltungen zu bestimmen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, aaO, Art. 21 GO, Anm. 5.3). Wäre die Beklagte verpflichtet, den Volksfestplatz jedem Inhaber eines rechtlich zulässigen Schausteller-, Handwerks- oder (Kunst-)Gewerbes zur Nutzung zu überlassen, sofern der Platz zu dem gewünschten Termin noch nicht vergeben ist, verbliebe ihr praktisch kein Gestaltungsspielraum. Vielmehr wäre sie dazu gezwungen, eine öffentliche Einrichtung für Unterhaltungen und Vergnügungen jeder Art zu unterhalten und die Veranstalter damit indirekt zu subventionieren, wozu sie rechtlich indes nicht verpflichtet ist (vgl. VGH BW, B. v. 15. Oktober 2003 - 9 S 1858/03 - juris Rn 4 m.w.N.: kein Anspruch eines privaten Kulturschaffenden auf finanzielle Förderung durch eine Gebietskörperschaft hat; BayVGH, B. v. 15. September 1995 - 4 CE 95. 2973 - NJW 1996, 1165/1166: kein Anspruch eines Künstlers auf Publikation und Ausstellung seines Werkes im Rahmen einer kommunalen Kunstausstellung oder auf finanzielle Förderung). Auch gelten die Grundsätze der Marktfreiheit, darunter insbesondere § 70 Abs. 2 GewO, im Bereich des kommunalen Zulassungsanspruchs nicht (Hölzl/Hien/Huber, aaO, Art. 21 GO, Anm. 5.3).“

Im Rahmen einer Widmung i.S.d. § 30 Abs. 1 NKomVG hat die Kommune den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Das bedeutet, dass die Begrenzung einer Widmung auf kommunalrechtlichen Erwägungen beruhen muss (Wefelmeier in Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Stand: September 2016, § 30 NKomVG Rn. 15). Der Ausschluss von Zirkussen mit Wildtieren von der Nutzung kommunaler Einrichtungen kommt einem Verbot entsprechender Schausteller auf kommunalem Grund gleich, welcher jedoch - wie bereits ausgeführt - kompetenzrechtlich nicht in die Zuständigkeit einer Kommune fällt.

Die Kammer vertritt im Übrigen die Auffassung, dass eine nichtgerechtfertigte Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG durch die Antragsgegnerin deshalb vorliegt, weil sie die Nutzung des D. Zirkussen ohne Wildtieren gestattet, Zirkussen mit Wildtieren hingegen nicht. Die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden ist im Rechtsstaat auch dann niemals völlig frei, wenn die Verwaltungsbehörden aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nach ihrem Ermessen vorzugehen berechtigt sind. Auch dann bleiben sie an die allgemeinen Erfordernisse des Rechtsstaats gebunden, vor allem an den Gleichheitssatz und an den Grundsatz, dass von jeder Ermächtigung zum Verwaltungshandeln nur im Sinne des Gesetzeszweckes Gebrauch gemacht werden darf (Leibholz/Rinck/Hesselberger in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 72. Lieferung 08/2016, Art. 3 GG, Rn. 178). Den Zweck des Gesetzes (hier das Recht der Antragsgegnerin, im Rahmen einer Widmung nach § 30 NKomVG über ihre eigenen - kommunalen - Angelegenheiten eigenverantwortlich zu entscheiden) hat die Antragsgegnerin hier überschritten, indem sie im Rahmen ihrer Widmung nicht in ihre Kompetenz fallende Belange eingestellt hat. Aus diesem Grunde ist auch der Vortrag der Antragsgegnerin, die Kritik an Gastspielen mit Wildtieren habe in der Öffentlichkeit zugenommen, nicht erheblich.

Die Antragstellerin hat zudem einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eine abschließende Entscheidung im Hauptsacheverfahren vor April 2017 wird nicht erfolgen können. Hier würde ein Klageverfahren nach dem geplanten Gastspieltermin für die Antragstellerin keinen Sinn mehr ergeben. Zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile ist sie darauf angewiesen, Klarheit bezüglich der Bescheidung ihres Antrages auf Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung zu erhalten, um den Betrieb in ihrem Unternehmen aufrecht zu erhalten, zumal die Touren durch die Bundesrepublik eine gewisse Vorplanung erfordern. Ein Ausfall der Vorstellung würde zu enormen Kosten bei der Antragstellerin führen. Sie trägt unwidersprochen vor, für jeden Tag des Stillstandes würden 12.000 EUR Fixkosten anfallen.

Zwar liegt hier eine Vorwegnahme der Hauptsache vor, weil die Entscheidung und ihre Folgen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nach der Hauptsacheentscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 123 Rn. 14). Dies ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich unzulässig. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG  jedoch statthaft, wenn ohne die Vorwegnahme die Durchsetzung der Rechte eines Beteiligten vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Dies ist hier der Fall. Es wird auf die Ausführungen zum Anordnungsgrund verwiesen.

Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnung zur Erreichung des Zweckes erforderlich ist. Hier steht zwischen den Beteiligten in Streit, ob die Nutzung des D. mit der Begründung versagt werden kann, dass die Antragsgegnerin die Nutzung des Platzes durch Zirkusse mit Wildtieren nicht mehr gestatten möchte. Es ist daher ausreichend, im Zuge des Eilverfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen, den Antrag nicht mit dieser Begründung abzulehnen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu entscheiden. Ob der Nutzung des Platzes andere Gründe, wie beispielsweise eine mangelnde Verfügbarkeit des Platzes, entgegenstehen, wird die Antragsgegnerin zu klären haben. Das Gericht kann solche Hindernisse aktuell nicht erkennen.

Die Kammer hält es gleichwohl im einstweiligen Rechtsschutz nicht für geboten, sogleich die der Antragsgegnerin obliegende Entscheidung zu treffen, ob die Umsetzung des Nutzungsrechts der Antragstellerin durch Erteilung einer Gastspielerlaubnis oder durch einen Vertrag verwirklicht werden soll. Eine weitergehende als die tenorierte Verpflichtung der Antragsgegnerin spricht das Gericht daher nicht aus, sodass das über eine Verpflichtung zur Neubescheidung hinausgehende Begehren abzulehnen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Unterliegensanteil der Antragstellerin fällt nicht ins Gewicht, sodass der Antragsgegnerin die Kosten insgesamt aufzuerlegen sind.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat den Streitwert auf 48.000 EUR festgesetzt, weil das Gastspiel vier Tage dauern soll. Bei Fixkosten von 12.000 EUR pro Tag des Stillstandes liegt das Interesse der Antragstellerin an der Durchführung des Gastspiels bei 48.000 EUR.