Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 19.01.2017, Az.: 11 B 460/17

Zweitantrag; Griechenland; systemische Mängel; Sachprüfung; Anhörung; sicherer Drittstaat

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
19.01.2017
Aktenzeichen
11 B 460/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53584
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG liegt nur vor, wenn das betreffende Asylverfahren gemäß der Definition des sicheren Drittstaats in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG in Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durchgeführt worden ist.
2. In Griechenland war für vor dem 7. Juni 2013 gestellte Asylanträge eine hinreichende inhaltliche Prüfung der Asylgründe nicht sichergestellt.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 5. Januar 2017 (Az.: 11 A 456/17) gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes vom 27. Dezember 2016 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Der Kläger hat mit seinem sinngemäßen Antrag,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage (Az.: 11 A 456/17) gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes vom 27. Dezember 2016 anzuordnen,

Erfolg.

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG zulässig, da die Klage gemäß §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 75 Abs. 1, 71a Abs. 4, 36 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung hat.

Der Antrag ist auch begründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 71a Abs. 4, 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG setzt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes des Bundesamtes bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes einer rechtlichen Prüfung im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich nicht standhalten wird. Dies ist hier der Fall.

Rechtsgrundlage des Bescheids vom 27. Dezember 2016 sind die §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Fall eines Asylantrags im Bundesgebiet (Zweitantrag) ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG (Wiederaufgreifen des Verfahrens) vorliegen. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrages nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

Diese Voraussetzungen für die Einordnung des Asylantrages des Antragstellers vom 14. Oktober 2016 als Zweitantrag im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG liegen nicht vor. § 71a Abs. 1 AsylG verlangt den erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat i.S.d. § 26a AsylG und Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG. Griechenland ist zwar als Mitgliedstaat der Europäischen Union grundsätzlich als sicherer Drittstaat anzusehen, § 26a Abs. 2 AsylG, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.

Allerdings ist § 71a AsylG dahingehend auszulegen, dass ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat nur vorliegt, wenn das betreffende Asylverfahren gemäß der Definition des sicheren Drittstaats in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG in Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durchgeführt worden ist (VG München, Urteil vom 26. Oktober 2016 – M 17 K 15.31601 –, juris Rn. 39; VG Aachen, Beschluss vom 4. August 2015 – 8 L 171/15.A –, juris Rn. 9). Das Konzept sicherer Drittstaaten beruht auf dem Gedanken, dass in Deutschland keine Schutzwürdigkeit besitzt, wer in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat sich bei der Bestimmung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu sicheren Drittstaaten davon leiten lassen, dass in allen Mitgliedstaaten die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention gelten und ferner davon, dass diese Konventionen auf der Grundlage gemeinsamer Grundüberzeugungen im Rahmen der Flüchtlingspolitik prinzipiell auch angewendet werden (BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, juris Rn. 157-160). Die Regelung des Art. 16a Abs. 2 GG über die sicheren Drittstaaten eröffnet vom Wortlaut keine Möglichkeit, diese verfassungsrechtlich verankerte Feststellung bezogen auf den vom Verfassungsgeber generell als sicher eingestuften Mitgliedstaat der Europäischen Union durch individuelles Vorbringen auszuräumen.

Bei der Anwendung der Regelungen über die sicheren Drittstaaten gilt nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts allerdings ausnahmsweise etwas anderes in fünf in seiner Entscheidung näher bezeichneten Fallkonstellationen aufgrund von besonderen Umständen, die vom Verfassungs- beziehungsweise Gesetzgeber nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung berücksichtigt werden konnten beziehungsweise die von vornherein außerhalb des „Blickfeldes“ des deutschen Verfassungsgesetzgebers lagen und die der Durchführung eines solchen Konzepts von daher gewissermaßen aus sich heraus verfassungsrechtliche Grenzen setzen. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den sicheren Drittstaat sind danach unter anderem Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK greift und dadurch selbst zum „Verfolgerstaat“ wird (BVerfG a.a.O. Rn. 189). Eine unmenschliche Behandlung, die einen Verstoß gegen Art. 13 EMRK i.V.m. Art. 3 EMRK begründet, kann dabei auch in Mängeln bei der Prüfung des Asylantrags liegen sowie in der Gefahr, dass ein Antragsteller in sein Herkunftsland abgeschoben wird, ohne dass ernsthaft geprüft worden ist, ob sein Asylantrag begründet ist, und ohne dass er einen wirksamen Rechtsbehelf einlegen konnte (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece Rn. 321; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10, C-411/10, C-493/10 –, juris). Voraussetzung der Einordnung eines Staates als sicherer Drittstaat ist unter dem Gesichtspunkt von Verstößen gegen Art. 3 EMRK damit insbesondere, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel des Asylverfahrens gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2016 – 1 A 11081/14 –, juris Rn. 23).

Diese nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu bejahenden Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall anzunehmen. Das Asylverfahren des Antragstellers in Griechenland kann nicht als Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat angesehen werden, weil nicht sichergestellt ist, dass das Asylverfahren gemäß dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durchgeführt worden ist.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Januar 2011 (30696/09; M.S.S. v. Belgium and Greece) wies das Asylsystem in Griechenland zum Zeitpunkt der damaligen Entscheidung erhebliche strukturelle Mängel auf, weshalb Asylbewerber sehr geringe Chancen hätten, dass ihr Antrag und ihre Beschwerde von den griechischen Behörden ernsthaft geprüft würden. Mangels eines wirksamen Rechtsbehelfs seien sie nicht gegen eine willkürliche Abschiebung in ihr Herkunftsland geschützt. Im Einzelnen: Es bestehe kein verlässliches Kommunikationssystem zwischen den griechischen Behörden und den Asylsuchenden. Zuständig für die Durchführung der Anhörungen und der Entscheidung über die Asylanträge seien Polizeibeamte. Diese Entscheider verfügten nur über eine unzureichende Ausbildung. Weiterhin bestehe ein Mangel an Dolmetschern. Fast alle erstinstanzlichen Entscheidungen über Asylbegehren seien negativ und in einer stereotypen Art und Weise verfasst, die keinerlei Details über die Gründe für die getroffenen Entscheidungen enthielten. Im Jahr 2008 sei in lediglich 0,04 % der getroffenen Entscheidungen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden (11 Personen) und in 0,06% der getroffenen Entscheidungen ein Schutzstatus aus humanitären Gründen bzw. ein subsidiärer Schutzstatus (18 Personen). Die Überwachung der Entscheidungen durch das refugee advisory committee sei abgeschafft worden, und auch der UNHCR spiele im Asylverfahren keine Rolle mehr. Das Rechtsbehelfssystem sei in der Praxis ineffektiv. Es sei schon sehr unsicher, ob die Asylbewerber schnell genug Kenntnis von der Entscheidung erhalten würden, um rechtzeitig Rechtsbehelfe einlegen zu können. Im Übrigen fehlten den Asylbewerbern die erforderlichen Mittel, um einen Anwalt zu bezahlen. Die Informationen über eine rechtliche Beratung seien unzureichend, und es bestehe ein Mangel an Anwälten auf der Liste des „legal aid systems“. Diese Situation verletze die Asylantragsteller in ihren Rechten aus Art. 13 EMRK und Art. 3 EMRK (vgl. zum Vorstehenden: EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece Rn. 125, 187, 300-321). Im Hinblick auf die Mängel im griechischen Asylsystem hat die Bundesrepublik Deutschland seit dem 19. Januar 2011, zunächst befristet für ein Jahr, keine Überstellungen mehr nach Griechenland nach der Dublin-Verordnung vorgenommen (vgl. Pressemitteilung des BMI vom 19. Januar 2011, abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/cln_156/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2011/01/selbsteintrittsrecht.html?nn=303936%20%20&).

Die Ausgestaltung des Asylverfahrens in Griechenland hatte sich nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln zum Zeitpunkt des Asylverfahrens des Antragstellers in Griechenland im Jahr 2013 noch nicht entscheidend verbessert. Dies indiziert bereits die Anerkennungsquote, die im Jahr 2013 in Griechenland immer noch weit unterdurchschnittlich war. So wurden insgesamt rund 92% ablehnende Entscheidungen getroffen, lediglich in 3% der entschiedenen Fälle wurden den Antragstellern die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (National Country Report Greece der Asylum Information Database - aida - vom 31. Juli 2014, S. 6). Zwar wurde in Griechenland im Jahr 2011 ein neues Gesetz zur Reformierung des Asylsystems verabschiedet. Aufgrund von Verzögerungen bei der Einrichtung der neuen Asylbehörde wurden jedoch vor dem 7. Juni 2013 gestellte Asylanträge noch nach dem alten Verfahrensrecht behandelt (National Country Report Greece der Asylum Information Database vom 1. Dezember 2013, S. 11-12). Damit fiel auch der am 2. April 2013 gestellte und am 17. April 2013 abgelehnte Asylantrag des Antragstellers in Griechenland noch unter das alte Verfahrensrecht. Dabei zeigt die Asylstatistik Griechenlands für das Jahr 2014, dass die Anerkennungsquote bei Anträgen, die noch nach dem alten Verfahrensregime behandelt wurden, deutlich niedriger war als bei Anträgen nach dem neuen Verfahrensregime (vgl. National Country Report Greece der Asylum Information Database vom 27. April 2015, S. 6).

Ausweislich der aida-Berichte in den Jahren 2013 bis 2015 war eine sorgfältige Sachprüfung der Asylanträge in Griechenland im Jahr 2013 nach dem alten Verfahrensregime nicht gewährleistet. Für die Prüfung der Asylanträge sei die Polizei zuständig gewesen. Die Polizisten hätten oft nicht über das notwendige Wissen über die Herkunftsländer verfügt und hätten dementsprechend ihrer Aufgabe, die Asylanträge zu prüfen, nicht gerecht werden können. Voreingenommenheit der Polizisten und Willkür seien verbreitet gewesen. In der Praxis seien für die persönlichen Anhörungen oft keine Dolmetscher verfügbar gewesen, so dass Anhörungen mehrmals verschoben worden seien. Es sei von unzureichender Qualität der Übersetzungen berichtet worden. Zudem sei von Fällen berichtet worden, in denen die Übersetzer von den Asylbewerbern Geld für ihre Tätigkeit verlangt hätten. Den Asylbewerbern seien keine detaillierten Gründe für die Ablehnung ihrer Asylanträge mitgeteilt worden. Ein rechtliches Vorgehen gegen die ablehnende Entscheidung sei den Antragstellern dadurch erschwert worden, dass sie über die ihnen zustehenden Rechte nicht in einer ihnen verständlichen Sprache informiert worden seien. Der Mangel an Dolmetschern habe zur Folge gehabt, dass viele Rechtsbehelfe mangels Sprachkenntnissen nicht erhoben werden konnten (vgl. National Country Reports Greece der Asylum Information Database vom 1. Juni 2013, S. 15-23, vom 1. Dezember 2013, S. 18-28, vom 31. Juli 2014, S. 25-37 und vom 27. April 2015, S. 30-43). Auch das U.S. Department of State führt aus, dass Nichtregierungsorganisationen im Hinblick auf das griechische Asylsystem im Jahr 2014 von Problemen hinsichtlich des Rechtsbehelfssystems und von unzureichender Übersetzung, unzureichender rechtlicher Beratung und von Diskriminierung berichtet hätten (Human Rights Report 2014 des U.S. Department of State vom 25. Juni 2015, S. 14).

Überdies hat auch das Bundesinnenministerium für das Jahr 2013, in dem die Asylanträge des Antragstellers geprüft worden sind, erklärt, dass das griechische Asylsystem noch „schwerwiegende Mängel“ aufweise, die in erheblichem Umfang weitere Reformen erforderlich machten, und deshalb weiterhin keine Dublin-Überstellungen erfolgen würden (Pressemitteilung des BMI vom 14. Dezember 2012, abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/12/dublin-ueberstellung.html). Die Aussetzung von Überstellungen nach Griechenland ist durch das Bundesinnenministerium auch in den folgenden Jahren jeweils verlängert worden. Gerade die Aussetzung von Abschiebungen nach Griechenland auch noch in den Jahren 2014, 2015 und 2016 legt nahe, dass auch die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2013 noch nicht von einem funktionsfähigen Asylsystem in Griechenland ausgegangen ist. Nach neuesten Meldungen sollen nun erstmals im März 2017 wieder Überstellungen nach Griechenland stattfinden (FAZ vom 13. Januar 2017: Dublin lebt, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/dublin-abkommen-soll-bald-wieder-in-kraft-treten-14621701.html). Aus dieser Sachlage ergibt sich nach Ansicht des Gerichts, dass nicht feststeht, dass im Jahr 2013 eine hinreichende inhaltliche Prüfung der Asylgründe des Antragstellers in Griechenland stattgefunden hat.

Kann folglich nicht davon ausgegangen werden, dass in dem Asylverfahren des Antragstellers in Griechenland im Jahr 2013 die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt gewesen ist, liegt ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat i.S.d. § 71a Abs. 1 AsylG nicht vor.

Auch die Tatsache, dass der Antragsteller in Griechenland im Jahr 2014 ein zweites Asylverfahren durchlaufen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. In diesem Verfahren ist nämlich sein Asylantrag bereits als unzulässig abgelehnt worden, so dass - unabhängig von bis dahin eventuell eingetretenen Verbesserungen des griechischen Asylsystems - auch insoweit nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine ernsthafte Sachprüfung seines Asylantrags stattgefunden hat.

Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung bestehen unabhängig davon auch deshalb, weil die Antragsgegnerin den Antragsteller vor der Entscheidung nicht angehört hat. Nach § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylG gelten für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 AsylG entsprechend. Ein Asylsuchender ist nach § 25 AsylG zu seinem Verfolgungsschicksal persönlich anzuhören. Nach § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG kann von der Anhörung nur dann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. Hiervon dürfte von vornherein nur dann ausgegangen werden können, wenn das Bundesamt die Akten des Asylverfahrens eines anderen Mitgliedstaats oder zumindest nähere Informationen über die Entscheidung des anderen Mitgliedstaates vorliegen hat. Denn nur dann ist der von § 51 VwVfG vorausgesetzte Vergleich möglich, ob ein neues Vorbringen vorliegt (vgl. VG Aachen, Beschluss vom 4. August 2015 – 8 L 171/15.A –, juris Rn. 24). Gleiches dürfte gelten, wenn aufgrund etwa vorliegender schriftlicher Ausführungen des Antragstellers je nach deren Ausführlichkeit bereits zuverlässig und sicher beurteilt werden kann, dass das Vorbringen eindeutig offensichtlich unschlüssig ist (VG München, Urteil vom 26. Oktober 2016 – M 17 K 15.31601 –, juris Rn. 31). Bereits der Wortlaut des § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG („kann abgesehen werden, soweit“) zeigt, dass es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt. Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend aber nicht gegeben, da weder zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offenkundig (gewesen) ist, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist.

Die schriftliche Stellungnahme des Klägers vom 1. Dezember 2016 genügt nicht, um nach den Anforderungen des § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG von einer persönlichen Anhörung abzusehen. Aus dieser kann nicht bereits zuverlässig und sicher das Vorbringen als eindeutig offensichtlich unschlüssig beurteilt werden. Der Kläger hat hierin behauptet, dass er Drohungen von terroristischen Gruppen wie Lashkar-e- Jangwi erhalten habe und dass jemand ihn töten wolle. In seiner Anhörung wolle er alles detailliert berichten. Dass dieser Vortrag von vornherein und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Verfolgungsgrund oder ein Abschiebungsverbot zu begründen vermag, kann nicht mit der gebotenen Sicherheit dargetan werden.

Das Bundesamt durfte auch nicht mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des § 51 VwVfG offensichtlich nicht gegeben seien, von der Anhörung absehen. Insbesondere ist nicht offenkundig, dass kein neues berücksichtigungsfähiges Vorbringen des Antragstellers vorliegt. Das Bundesamt hat die Akten über das Verfahren des Klägers in Griechenland nicht beigezogen. Es hat auch keinerlei Mitteilung über den sachlichen Inhalt der Entscheidung der griechischen Behörden erhalten. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, wie das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zu der Schlussfolgerung gelangt, der Antragsteller habe keine neuen Gründe genannt, die er nicht bereits im Rahmen seiner in Griechenland gestellten Anträge vorgebracht habe. Vorliegend ist gerade angesichts der obigen Ausführungen zum Asylsystem in Griechenland in besonderem Maße zweifelhaft, ob der Kläger sämtliche Verfolgungsgründe bereits in dem griechischen Asylverfahren vorgebracht hat bzw. dort hätte vorbringen können. Eine Anhörung des Antragstellers war hier insofern für die Prüfung der Voraussetzungen des § 51 VwVfG erforderlich, weil dem Bundesamt jegliche andere Erkenntnisquellen zu dieser Frage fehlten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 80 AsylG).