Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 19.12.2002, Az.: L 16/12 U 59/98
Witwenrente; Vorliegen einer Versorgungsehe; Alleiniges oder überwiegendes Motiv der Heirat; Vorheriges Verlöbnis
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 19.12.2002
- Aktenzeichen
- L 16/12 U 59/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 41361
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2002:1219.L16.12U59.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 16.09.1998 - AZ: S 18 U 117/98
Rechtsgrundlagen
- § 65 Abs. 1 SGB VII
- § 65 Abs. 6 SGB VII
Redaktioneller Leitsatz
1. Für die Prüfung, ob der Versorgungszweck alleiniges oder überwiegendes Motiv der Heirat war, ist entscheidend, ob die festgestellten Tatsachen die gesetzliche Vermutung über das Vorliegen einer Versorgungsehe widerlegen und daher gegen den im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss des Rentenanspruchs bei einer Eheschließung nach dem Versicherungsfall und bei Eintritt des Todes innerhalb des ersten Jahres der Ehe sprechen.
2. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob "nach den besonderen Umständen" die Annahme gerechtfertigt ist, dass es sich nicht um eine Versorgungsehe handelte.
3. Zu berücksichtigen sind alle Umstände, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst und geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen; von Bedeutung sind vor allem solche Umstände, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen.
4. Kein besonderer Umstand ist es z.B., dass der Ehe ein Verlöbnis vorausgegangen ist und dass sie früher geschlossen worden wäre, wenn eine geeignete Wohnung zur Verfügung gestanden hätte.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 16. September 1998 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung einer Witwenrente.
Die am 17. April 1949 geborene Klägerin ist die Witwe des am 6. März 1940 geborenen und am 13. März 1997 verstorbenen Versicherten I ... Die Eheleute waren seit dem 23. Juli 1996 verheiratet.
Der Versicherte war seit dem 1. Juli 1972 als Vertriebsspezialist bei der J. beschäftigt. Während seiner früheren Tätigkeit bei der Schiffswerft K. vom 1. April 1958 bis 16. September 1965 als Maschinenschlosser in der Schiffbau-Bordmontage bestand gemäß einer Auskunft dieses Unternehmens vom 20. August 1996 und einer Arbeitsplatzanalyse des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten vom 23. Oktober 1996 eine Asbeststaubexposition.
Nach eigenen Angaben des Versicherten in einem Schreiben vom 20. September 1996 begab er sich wegen atem- und bewegungsabhängiger Schmerzen am 8. Mai 1996 in die ärztliche Behandlung bei dem Allgemeinarzt Dr. med. L ... Da dieser keine Diagnose stellen konnte, suchte der Versicherte den Internisten und Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. med. M. auf. Radiologische Untersuchungen erbrachten einen rechtsseitigen Pleuraerguss, der während eines stationären Aufenthalts im N. vom 25. bis 27. Juni 1996 thorakoskopisch punktiert wurde. Aufgrund des aus der Pleura entnommenen Gewebes wurde ein bösartiger Tumor diagnostiziert (Berichte über die histologische Untersuchung und Begutachtung von Prof. Dr. med. O. vom 28. Juni 1996: Diagnose einer metastatischen Carcinose der Pleura durch ein wenig diff. Adeno-Carcinom). Das P. erstattete die "Ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit" unter dem 5. Juli 1996 (histol. Verdacht auf Anteile eines epithelialen Pleuramesothelioms). Dr. med. M. erstattete sie unter dem 10. Juli 1996 (histologisch nachgewiesenes Pleuramesotheliom nach beruflicher Asbestexposition). Der Entlassungsbericht des P. trägt das Datum des 15. Juli 1996 und den Vermerk "Diktat: 1. Juli 1996".
In der Folgezeit wurde der Versicherte ambulant von Dr. med. M. behandelt. Dieser teilte der Beklagten im Bericht vom 10. Dezember 1996 mit, histologisch handele es sich bei der Erkrankung des Klägers um ein Bronchialkarzinom. Wieweit Zusammenhänge mit der beruflichen Asbestexposition vorlägen, werde erst die Obduktion klären. Der Kläger sei über die Erkrankung aufgeklärt. Der Beratungsarzt der Beklagten, der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. med. Q., empfahl in einer Stellungnahme vom 29. Januar 1997 eine Begutachtung der Präparate durch Prof. Dr. med. L. zur Frage der Minimalasbestose und der Pleuraplaques.
Bei raschem Tumorprogress starb der Versicherte am 13. März 1997 an den Folgen eines biphasischen Pleuramesothelioms, das sich bei der Obduktion fand.
Aufgrund des Ergebnisses eines pathologischen Gutachtens (mit Sektionsprotokoll vom 14. März 1997 und einem fachpathologischen Zusatzgutachten von Prof. Dr. med. L./Dr. med. R. vom 6. Juni 1997) von Dr. med. S./Dr. med. T. von Juli 1997, in dem diese das Vorliegen einer Berufskrankheit bejahten, zahlte die Beklagte an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes gemäß Bescheid vom 7. Dezember 1997 eine Verletztenrente ab 28. Juni 1996 (Tag nach Entlassung aus der stationären Behandlung) bis 31. März 1997 die Vollrente wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfalls und des Perikards -.
Auf Anfrage der Beklagten teilte ihr Dr. med. M. mit Schreiben vom 5. September 1997 mit, zur Klärung der Frage, ob der Versicherte bei seiner Eheschließung am 23. Juli 1996 bereits in vollem Umfang über seinen Gesundheitszustand aufgeklärt gewesen sei, sei von folgendem auszugehen: Er sei zur Klärung der Diagnose vom 25. bis 27. Juni 1996 im P. untersucht worden, wo eine Thorakoskopie durchgeführt worden sei. Bevor das histologische bzw. cytologische Ergebnis vorgelegen habe, sei er bereits entlassen gewesen. Bei ihm in seiner Praxis habe sich der Versicherte am 5. Juli 1996 wieder vorgestellt. An diesem Tag sei er nach Kenntnisnahme des Entlassungsberichts über seine Erkrankung aufgeklärt worden. Da die Eheschließung am 23. Juli 1996 und die Aufklärung am 5. Juli 1996 erfolgt seien, müsse unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgebotszeit die Absicht des Versicherten zur Eheschließung vor Kenntnis der Diagnose bestanden haben. Insofern sei davon auszugehen, dass die Eheschließung nicht zum Zwecke einer Versorgungsehe geschlossen worden sei. Es gelte jedoch zu prüfen, wann das Aufgebot bestellt worden sei; sollte dieser Zeitpunkt vor dem 5. Juli 1996 liegen, wäre seine Annahme bestätigt. - Nach einer Auskunft des Standesamts U. vom 21. Oktober 1997 wurde das Aufgebot am 18. Juli 1996 bestellt.
Mit Bescheid vom 27. Januar 1998 lehnte die Beklagte die Zahlung einer Witwenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, zwar habe bei dem Ehemann der Klägerin eine Berufskrankheit vorgelegen, an deren Folgen er verstorben sei. Als Tag des Versicherungsfalls gelte der 8. Mai 1996 (Tag des Beginns der Behandlungsbedürftigkeit). Ein Anspruch auf Witwenrente bestehe grundsätzlich, wenn der Tod infolge des Versicherungsfalls eingetreten sei. Ein Anspruch bestehe jedoch nicht, wenn die Ehe erst nach dem Tag des Versicherungsfalls geschlossen worden und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten sei, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Ihre Ermittlungen hätten ergeben, dass die Ehe erst nach dem Tag des Versicherungsfalls am 23. Juli 1996 geschlossen und das Aufgebot 5 Tage zuvor, am 18. Juli 1996, bestellt worden sei. Dr. med. M. habe angegeben, er habe ihren Ehemann am 5. Juli 1996 nach seinem stationären Aufenthalt im P. umfassend über seine Erkrankung aufgeklärt. Daher sei davon auszugehen, dass sich ihr Ehemann am Tag der Aufgebotsbestellung über das Ausmaß seiner Erkrankung und seine weitere Lebenserwartung bewusst gewesen sei. Darüber hinaus spreche die Tatsache, dass die Klägerin nach langjährigem Zusammenleben erst nach Eintritt des Versicherungsfalls und kurz vor dem Tod ihres Ehemanns die Ehe geschlossen habe, eindeutig für die Vermutung, dass neben den traditionellen Werten es der überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, ihr eine Versorgung zu verschaffen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 12. Februar 1998 Widerspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, die Annahme, der überwiegende Zweck der Heirat sei es gewesen, ihr eine Versorgung zu verschaffen, sei abwegig. Sie habe mit ihrem verstorbenen Ehemann seit 1973 in Bremen-Nord zusammengewohnt. Zunächst hätten sie sich darauf verständigt, keine Ehe einzugehen, sondern während des gemeinsamen Zusammenlebens zu prüfen, ob eine dauerhafte, durch Eheschließung verfestigte Bindung eingegangen werden solle. Nachdem ihr Ehemann zunächst bei verschiedenen Unternehmen gearbeitet habe, habe er 1972 seine Tätigkeit bei der V. aufgenommen, die er in ständig sich verbessernden Positionen bis zu seinem Tod ausgebaut habe. In den letzten Jahren seiner Beschäftigung habe er eine umfassende Außendiensttätigkeit wahrnehmen müssen, die ihn gezwungen habe, nahezu ständig außerhalb Bremens zu arbeiten; dies habe sich insbesondere nach der Wende noch verstärkt. Seit etwa Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre hätten sie den Entschluss gefasst, die Ehe miteinander zu schließen, um wegen des dauernden Getrenntseins zumindest eine festere Bindung durch die Heirat herstellen zu können. Hierüber sei auch mit Bekannten und Freunden mehrfach gesprochen worden. Auch seien bereits Eheschließungstermine in Aussicht genommen worden. Jedes Mal sei es jedoch zu einer Verwerfung des vorgesehenen Termins wegen der übermäßigen zeitlichen Beanspruchung ihres Ehemanns gekommen, der oftmals nur kurzfristig an Wochenenden zu Hause in Bremen habe sein können. Jedenfalls hätten sie fest verabredet, alsbald die Ehe miteinander zu schließen. Dies sei lange vor der lebensbedrohenden Erkrankung ihres Ehemannes geschehen. Keineswegs sei das Motiv für die Eheschließung gewesen, dass ihr Ehemann erkrankt sei. Allein die Tatsache, dass er nunmehr über eine verplanbare Zeit verfügt habe, sei der Anlass gewesen, nun die lange geplante Eheschließung vorzunehmen. Ferner sei die medizinische Bewertung in dem angefochtenen Bescheid unzutreffend. Dr. med. M. habe ihren Ehemann am 5. Juli 1996 nicht umfassend über seine Erkrankung aufklären können, weil die Basis für eine derartige Aufklärung nicht konkret gegeben gewesen sei. Dr. med. M. habe sich in seinem Gespräch mit ihrem Ehemann auf die Stellungnahme des P. vom 1. Juli 1996 bezogen. In dieser sei lediglich histologisch die Verdachtsdiagnose eines epithelialen Pleuramesothelioms rechts gestellt worden (Entlassungsbericht des P. vom 1./15. Juli 1996). Deutlich habe sich bei der Untersuchung herausgestellt, dass ihr Ehemann sich in einem guten körperlichen Zustand befunden habe; weder habe es periphere Oedeme noch tastbare Lymphknoten gegeben. Auch die Aufklärung durch Dr. med. M. habe nicht mehr zum Inhalt haben können als den genannten Verdacht. Ein solcher Verdacht reiche aber nicht aus, um den Versicherungsfall festzustellen. Aus dem Gutachten von Dr. med. S./Dr. med. T. ergebe sich, dass ein bösartiger Tumor zwar diagnostiziert worden sei, jedoch die Untersuchungen in den nachfolgenden Wochen keine sicheren Brückensymptome erbracht hätten. Danach sei davon auszugehen, dass Dr. med. M. ihrem Ehemann am 5. Juli 1996 keine endgültige Diagnose habe mitteilen, sondern lediglich von Symptomen ohne Absicherung habe sprechen können. Der Versicherungsfall sei daher wesentlich später eingetreten. Hinzuweisen sei ferner darauf, dass ihr Ehemann sich erstmals bei Dr. med. M. am 24. Juni 1996 vorgestellt habe und dieser lediglich wegen des Verdachts auf eine Asbestose oder ein Pleuramesotheliom am 10. Juli 1996 eine entsprechende "Ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit" erstattet habe. Dr. med. M. habe noch in einem Schreiben vom 10. Dezember 1996 darauf hingewiesen, dass Zusammenhänge mit der beruflichen Asbestexposition erst durch eine Operation festgestellt werden könnten. Auch der Beratungsarzt der Beklagten, der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. med. Q., habe in Stellungnahmen vom 6. November 1996 und 29. Januar 1997 dargelegt, dass der Vollbeweis für das Vorliegen eines Bronchialkarzinoms nicht erbracht werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach den eigenen Angaben der Klägerin habe sie mit dem Versicherten bereits vor der Heirat lange Zeit in eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt. Tatsache sei, dass die Heirat erst innerhalb einer sehr kurzen Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalls zu einem Zeitpunkt geschlossen worden sei, zu dem ihrem verstorbenen Ehemann und ihr die Ernsthaftigkeit der lebensbedrohenden Erkrankung bekannt gewesen sei. Nicht nachvollziehbar sei ihre Behauptung, dass aufgrund beruflichen Termindrucks ihres Ehemanns keine frühere Heirat möglich gewesen sei. In der Zeit von 1990 bis 1997 habe er etwa Anspruch auf 200 Tage Urlaub gehabt, in denen die Ehe hätte geschlossen werden können. Für die Widerlegung der Versorgungsvermutung sei es nicht entscheidend, ob die Klägerin davon habe ausgehen können, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt würden. Der Begriff der Versorgung sei umfassend zu verstehen. Danach genüge es, dass ihr zumindest die Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gesichert werden sollte. Im Juli 1996 habe bereits festgestanden, dass ihr Ehemann an einer bösartigen und lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Lediglich die Frage, ob die berufliche Tätigkeit ursächlich für die Erkrankung gewesen sei, habe zu dieser Zeit noch nicht geklärt werden können. Dies sei jedoch unerheblich. Unter Berücksichtigung des Obduktionsergebnisses sei retrospektiv der Versicherungsfall mit dem 8. Mai 1996 richtig festgestellt worden.
Die Klägerin hat am 16. Juni 1998 beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben. Sie hat im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ferner vorgetragen, wenn schon nicht die Ärzte den genauen Zeitpunkt des Versicherungsfalls eindeutig hätten definieren können, seien sie und ihr Ehemann dazu ebenfalls nicht in der Lage gewesen. Es komme darauf an, wie sie und ihr Ehemann subjektiv die Erwartung nach den ihnen mitgeteilten Daten hätten bewerten können. Im Zeitpunkt der Eheschließung sei für beide nicht erkennbar gewesen, dass die Erkrankung lebensbedrohlich sein werde; im Hinblick auf eine angeblich geplante Versorgungsehe komme es auf den subjektiven Erkenntnisstand der Eheleute an. Zum Zeitpunkt der Eheschließung habe bei ihnen der Erkenntnisstand vorgelegen, dass eine ernsthafte Erkrankung nicht bestehe. Daher könne ihr nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe nur deshalb die Ehe geschlossen, weil sie eine Witwenrente beziehen wolle.
Die Beklagte hat vorgetragen, unabhängig von der Frage, ob die Lungenveränderungen berufsbedingt gewesen seien und wie die genaue Diagnose gelautet habe, habe die im Juni 1996 durchgeführte Biopsie einen bösartigen Tumor der Lunge offenbart. Dieser Befund sei Gegenstand des Aufklärungsgesprächs bei Dr. med. M. gewesen. Im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Feststellungsverfahrens seien am 16. Juli 1996 Fragebögen an den Versicherten abgesandt worden, das Aufgebot sei direkt im Anschluss daran am 18. Juli 1996 bestellt worden. Selbst bei verbliebener Unklarheit über die Einzelheiten der Erkrankung sei die Diagnose eines Karzinoms soweit gesichert gewesen, dass die Lebensbedrohung offenkundig gewesen sei.
Mit Urteil vom 16. September 1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ehe sei erst nach Eintritt des Versicherungsfalls (8. Mai 1996) geschlossen worden. Aus den gesamten Umständen der Eheschließung müsse der Schluss gezogen werden, dass es ihr überwiegender Zweck gewesen sei, der Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. Dies ergebe sich zum einen aus dem Vorbringen der Klägerin, nach dem die Partner vor der Eheschließung über mehrere Jahre zusammengelebt hätten. Auch eine überzeugend dargelegte berufliche Belastung des Verstorbenen sei bei tatsächlich bestehendem Ehewunsch kein glaubhafter Grund, die Eheschließung immer wieder hinauszuzögern. Nachdem Dr. med. M. dem Verstorbenen am 5. Juli 1996 eröffnet habe, dass die anlässlich der Thorakoskopie gewonnenen Befunde eine schwerwiegende Erkrankung ergeben hätten, habe der Verstorbene mit einer tödlich verlaufenden Krankheit rechnen müssen. Zwar sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht definitiv gesichert gewesen, ob die Krankheit berufsbedingt oder aus anderen Gründen eingetreten sei. Über den höchstwahrscheinlich tödlichen Verlauf der Erkrankung hätten der Versicherte und die Klägerin jedoch zu diesem Zeitpunkt informiert sein müssen. Wenn nach einer entsprechenden Zeit der Vorbereitung zur Beschaffung der entsprechenden Urkunden und Unterlagen das Aufgebot am 18. Juli 1996 bestellt und am 23. Juli 1996 die Ehe geschlossen worden sei, sei aus diesem Verlauf nur der Schluss gerechtfertigt, dass die Eheleute beabsichtigt hätten, der Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu sichern. Andere besondere Umstände, nach denen diese Annahme nicht gerechtfertigt sein könnte, seien nicht zu erkennen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 16. Oktober 1998 zugestellte Urteil am 6. November 1998 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Bremen Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und zweifelt weiterhin an, dass der Versicherungsfall am 8. Mai 1996 eingetreten sei. Ferner macht sie geltend, der Umstand, dass Dr. med. M. ihrem verstorbenen Ehemann am 5. Juli 1996 eröffnet habe, dass er an einer schwerwiegenden Erkrankung leide, könne nicht zwingend zu dem Schluss führen, dass sie zweifelsfrei mit einer tödlich verlaufenden Krankheit hätten rechnen müssen. Es sei noch nicht definitiv gesichert gewesen, ob eine schwere Erkrankung und ein Mesotheliom vorgelegen habe und ob die Krankheit berufsbedingt gewesen sei, zumal auch der begutachtende Arzt die spezifische Erkrankung nicht mit letzter Sicherheit habe feststellen können. Dass es ihre ernsthafte Absicht gewesen sei, ihr Zusammenleben langfristig bis hin zur Eheschließung zu organisieren, ergebe sich auch aus der Tatsache, dass sie 1974 in Bremen-Blumenthal ein Wohngrundstück erworben hätten, in dem sie, die Klägerin, noch heute wohne. Sie hätten sich schon lange vor der Heirat rechtlich und vermögensmäßig miteinander verbunden gehabt, so dass die beabsichtigte Eheschließung nur eine logische Folge dieses ersten und geplanten Schrittes gewesen sei. Dafür, dass die geplante Eheschließung erst relativ spät in die Tat umgesetzt worden sei, habe es besondere Gründe gegeben, etwa die große zeitliche Inanspruchnahme des Versicherten. Auch sie selbst, die bei der Post beschäftigt sei, habe nur schwer kurzfristig Urlaub bekommen können. Ein solcher Sonderurlaub sei in Absprache mit den Kollegen immer nur langfristig terminierbar gewesen. Erst im Jahr der tatsächlichen Eheschließung habe es die Möglichkeit zu einer relativ kurzfristigen Terminierung gegeben, weil beide Eheleute dies mit ihren jeweiligen Arbeitgebern hätten einrichten können. Jedenfalls hätten sie und die Tochter des Verstorbenen nahezu zwei Jahrzehnte lang wie eine richtige Familie zusammengelebt. Sie habe die Tochter wegen der ständigen Abwesenheit des Vaters nahezu allein aufgezogen und den Familienverbund gestärkt. Neben dem Wohngrundstück in Bremen-Blumenthal hätten sie und ihr späterer Ehemann weitere Liegenschaften in Akelsbarg (Gemeinde Großefehn), Landkreis Aurich, erworben, so dass auch die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Eheleuten bereits außerordentlich stark ausgeprägt gewesen und bis kurz vor der Eheschließung ausgebaut worden seien. Die Kosten für den Umbau des Hofes ihrer Eltern in Akelsbarg und für den Erwerb weiterer Grundstücke dort, die den Hof sinnvoll ergänzt hätten, habe überwiegend der Versicherte getragen, ohne dass dieser sich durch Grundschulden oder sonstige Rechte habe absichern lassen. Die Kosten für den Umbau hätten sich auf ca. DM 365.000,- belaufen; darüber hinaus hätten sich Baukosten für den Garagenbau bei dem Bauernhaus in Höhe von DM 107.000,- ergeben. Einer Absicherung habe es nach ihrer gemeinsamen Überzeugung wegen der schon damals bestandenen festen Heiratsabsicht nicht bedurft. Sie selbst habe in den gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann und auch von diesem allein erworbenen Objekten umfangreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt, die einen Wert von mindestens DM 30.000,00 bis DM 40.000,00 erreicht hätten. Die Klägerin hat hierzu umfangreiche Unterlagen über Grundbesitz und Baumaßnahmen überreicht (aus den Jahren 1980 - 1998). Ihr Ehemann habe ferner die halbjährlichen Einzahlungen an die "Hannoversche Landwirtschaftliche Krankenkasse" für sie zur Erhaltung ihrer Versorgungsansprüche vorgenommen. Auch hieraus werde die gegenseitige wirtschaftliche Verflechtung belegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 16. September 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 1998 zu verurteilen, ihr ab 13. März 1997 Witwenrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte macht geltend, aus den gesamten Umständen ergebe sich, dass die Klägerin und der Versicherte schon jahrelang wie ein Ehepaar gelebt hätten. Der Gesetzgeber habe jedoch nur aus der Institution der Ehe heraus eine Hinterbliebenenabsicherung schaffen wollen. In dem vorliegenden Fall sprächen die Umstände so sehr für die Annahme einer Versorgungsehe, dass eine Widerlegung unmöglich erscheine. Dass die Partner in über 20 Jahren nicht geheiratet hätten, hätten sie mit aller Wahrscheinlichkeit bewusst getan. Genauso bewusst hätten sie dann 13 Tage nach dem Aufklärungsgespräch mit Dr. med. M. das Aufgebot bestellt. Die Beklagte hat auf Urteile des LSG Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 26. Mai 1997 und 11. November 1999 verwiesen und Kopien zur Akte gereicht.
Das Gericht hat über die Behauptungen der Klägerin, seit Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre hätten sie und der Versicherte den Entschluss gefasst, die Ehe zu schließen, Termine für die Eheschließung in Aussicht genommen, diese Termine wegen der übermäßigen zeitlichen Beanspruchung des Versicherten wieder verworfen und Anlass für die am 23. Juli 1996 erfolgte Eheschließung sei der Umstand gewesen, dass der Versicherte nunmehr über verplanbare Zeit verfügt habe, Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Sekretärin W. (im Wege der Rechtshilfe durch das SG München), der Diplom-Ökonomin X., des Vertriebsleiters Y. und des Apothekers Z. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften des SG München vom 3. Februar 2000 (Bl. 85/86 Prozessakte) sowie des LSG Bremen vom 16. Juni 2000 und 14. Juli 2000 (Bl. 101-105 und Bl. 114-116 Prozessakte) Bezug genommen.
Das Gericht hat ferner eine Auskunft von Dr. med. M. vom 26. März 2001 eingeholt. Er hat darin angegeben, nach seinen Unterlagen sei der Versicherte I. am 5. Juli 1996 von ihm über die Erkrankung aufgeklärt worden. Hierzu liege eine handschriftlich erstellte Karteikarte vor, die er in Kopie übersende. Die Eintragung vom 5. Juli betreffe die Angaben über die berufliche Tätigkeit des Patienten und könne nur durch Befragung des Patienten zustande gekommen sein. Da im Anschluss am 10. Juli 1996 die BG-Anzeige erfolgt sei, die nicht ohne Einverständnis des Patienten erstellt werde, müsse davon ausgegangen werden, dass dieser am 5. Juli 1996 von ihm aufgeklärt worden sei. Woher seine Kenntnis hinsichtlich der Diagnose stamme, sei retrospektiv nicht sicher nachzuvollziehen. Denkbar wäre ein Anruf der Stationsärztin Dr. AB. im Sinne einer Vorabinformation. In der Regel werde bei der Entlassung, in diesem Fall am 27. Juni 1996, ein vorläufiger handschriftlicher Arztbrief erstellt. Dieser Arztbrief liege ihm nicht vor. Denkbar wäre allerdings, dass das Original von Herrn BB. bei ihm vorgelegt worden sei, wenn sich der Arztbrief in Form einer Kopie in der Originalkrankenakte befinde. Für ihn sei es jedoch sicher, dass ihm am 5. Juli 1996 die Diagnose bekannt gewesen und aus diesem Grund das Gespräch mit dem Patienten hinsichtlich der Daten zur beruflichen Asbestoseexposition erfolgt sei. Die Karteikarte enthält unter dem 5. Juli 1996 u. a. die Eintragung: Maschinenschlosser, 1957-63 CB., 3 Jahre Asbest, Rohrverkleidung mit Asbest. DB., Außendienst 24 J. BG: Eisen und Stahl.
Das Gericht hat ergänzend Dr. med. M. uneidlich als Zeugen über den Zeitpunkt der Information des Versicherten I. über die Art seiner Erkrankung vernommen. Wegen des Ergebnisses der Vernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Oktober 2002 (Bl. 162-164 Prozessakte) Bezug genommen.
Das Gericht hat ferner die Krankengeschichte des P., den Versicherten I. betreffend, und die Verwaltungsakte der Beklagten (Az. BKS 3.18993.960) beigezogen. Diese Unterlagen und die Prozessakte (Az. L 16/12 U 59/98, S 18 U 117/98) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG). Sie ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente.
Nach § 65 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) erhalten Witwen oder Witwer eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben. Witwen oder Witwer haben jedoch keinen Anspruch, wenn die Ehe erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden ist und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten ist, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 65 Abs. 6 SGB VII). Aufgrund dieser Vorschrift, die inhaltlich mit der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Regelung des § 594 Reichsversicherungsordnung (RVO) übereinstimmt (vgl. Erstkommentierung des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Bundesverband der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand und Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, 1996, Anm. 6 zu § 65), steht der Klägerin eine Witwenrente nicht zu.
Im vorliegenden Fall ist die am 23. Juli 1996 eingegangene Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten I. erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden. Nach den zutreffenden Feststellungen der Beklagten ist der Versicherungsfall am 8. Mai 1996 eingetreten, als der Versicherte sich wegen atem- und bewegungsabhängiger Schmerzen in die Behandlung von Dr. med. L. begab. Wie sich durch die daraufhin einsetzende Diagnostik ergab, waren diese Beschwerden bereits durch die bösartige Erkrankung der Pleura bedingt. Die Auffassung der Klägerin, der Versicherungsfall sei erst später eingetreten, denn die Diagnose eines Pleuramesothelioms sei viel später gesichert worden, trifft nicht zu, denn bei rückschauender Betrachtungsweise war die Behandlungsbedürftigkeit ab 8. Mai 1996 bereits durch die Berufskrankheit verursacht.
Da der Versicherte am 13. März 1997 gestorben ist, ist der Tod innerhalb des ersten Jahres der Ehe eingetreten. Bei einem solchen Sachverhalt ist nach der Lebenserfahrung die Ehe meist aus Versorgungsgründen geschlossen worden, so dass grundsätzlich der Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen versagt werden muss (vgl. Bundestagsdrucksache IV/120 S. 59, zitiert bei Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Bd. 2, 3. Aufl., Anm. 1 zu § 594). Ein Anspruch besteht jedoch dann, wenn der Versorgungsgedanke auszuschließen ist. Für die Prüfung, ob der Versorgungszweck alleiniges oder überwiegendes Motiv der Heirat war, ist entscheidend, ob die festgestellten Tatsachen die gesetzliche Vermutung über das Vorliegen einer Versorgungsehe widerlegen und daher gegen den im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss des Rentenanspruchs bei einer Eheschließung nach dem Versicherungsfall und bei Eintritt des Todes innerhalb des ersten Jahres der Ehe sprechen (vgl. Lauterbach, a. a. O., Anm. 5a). Die Klägerin kann die Vermutung des § 65 Abs. 6 1. Halbsatz SGB VII nicht widerlegen.
Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob "nach den besonderen Umständen" die Annahme gerechtfertigt ist, dass es sich nicht um eine Versorgungsehe handelte. Zu berücksichtigen sind alle Umstände, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst und geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen; von Bedeutung sind vor allem solche Umstände, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen (vgl. Lauterbach, a. a. O., Anm. 5b zu § 594 RVO; Bundessozialgericht - BSG -, BSGE 35, S. 272, 274 [BSG 28.03.1973 - 5 RKnU 11/71]). Kein besonderer Umstand ist es z. B., dass der Ehe ein Verlöbnis vorausgegangen ist und dass sie früher geschlossen worden wäre, wenn eine geeignete Wohnung zur Verfügung gestanden hätte (Lauterbach, a. a. O., Anm. 5b zu § 594 RVO).
Im vorliegenden Fall sind besondere Umstände, die die Vermutung einer Versorgungsehe widerlegen, nicht ersichtlich. Das Gericht hat hierzu über das umfangreiche Vorbringen der Klägerin Beweis erhoben, und diese hat zahlreiche Unterlagen über die von ihr geschilderten finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen ihr und dem Versicherten überreicht. Nach eingehender Würdigung ihres Vorbringens und des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann sich der Senat jedoch nicht davon überzeugen, dass die Vermutung einer Versorgungsehe widerlegt ist.
Besondere Umstände sind im vorliegenden Fall nicht etwa darin zu sehen, dass - wie die Klägerin vorträgt - der Versicherte die Art und Schwere seiner Krankheit bei der Eheschließung nicht gekannt habe. Vielmehr wusste er von seiner Erkrankung aufgrund des Gespräches mit Dr. med. M. am 5. Juli 1996; dies ergibt sich bei sachgerechter Würdigung des Beweisergebnisses aus der Aussage von Dr. med. M ... Dieser hat bestätigt, dass er den Versicherten seinerzeit informiert habe, was insbesondere daraus hervorgehe, dass er die "Ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit" erstellt habe. Diese ist am 10. Juli 1996 verfasst worden und einen Tag später bei der Beklagten eingegangen. Dr. med. M. hat im Einzelnen glaubhaft bekundet, dass er den Ehemann der Klägerin bei dem Gespräch am 5. Juli 1996 über seine Erkrankung aufgeklärt habe. Wenn er den dringenden Verdacht auf eine Krebserkrankung habe, teile er dies dem Patienten mit, zumal wenn - wie in diesem Falle - eine Berufskrankheitenanzeige zu erstatten sei. Er könne sich an den Versicherten noch sehr gut erinnern, denn dieser habe eigentlich nicht zu dem Personenkreis gehört, der von einem Mesotheliom befallen werde. Er, Dr. med. EB., könne sich erinnern, dass sein Patient I. ihn regelrecht ausgefragt habe, wie es mit ihm stehe und wie es weiter gehe. Dr. med. M. hat zwar nicht mehr sagen können, wie er von der Art der Erkrankung erfahren hat, etwa telefonisch von der Stationsärztin Dr. AB. oder aufgrund einer Auskunft der Pathologie. Dies ist indessen unerheblich. Jedenfalls hat Dr. med. M. ausdrücklich klargestellt, dass er bei dem Patientengespräch von der bösartigen Erkrankung des Versicherten gewusst und diese ihm auch mitgeteilt habe. Diese Aussage wird im Übrigen auch durch die im Termin vom 16. Oktober 2002 von ihm vorgelegte Durchschrift einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 5. Juli 1996 belegt, in der der Verdacht auf das Vorliegen eines Pleuramesothelioms ausdrücklich festgehalten worden ist. Danach ist der vorliegende Sachverhalt dadurch gekennzeichnet, dass nur kurze Zeit, nachdem Dr. med. M. den Versicherten über seine Erkrankung informiert hatte (5.7.1996), das Aufgebot bestellt (am 18.7.1996) und sodann (am 23.7.1996) die Ehe geschlossen wurde. Dies sind gerade Indizien, die die Vermutung einer Versorgungsehe nahe legen.
Dem steht nicht entgegen, dass aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zwar auch davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin und ihr späterer Ehemann sowie seine Tochter lange Jahre wie eine Familie zusammengelebt haben. Es braucht nicht näher dargelegt zu werden, dass sich daraus keine familienrechtlichen Wirkungen ergeben.
Aus den Zeugenaussagen geht ferner hervor, dass die Klägerin und der Versicherte mehrfach den Entschluss fassten zu heiraten, ihn jedoch zunächst nicht verwirklichten. So hat die Tochter des Versicherten, Nadine BB., ausgesagt, ihr Vater und die Klägerin hätten etwa 1990 oder 1991 Gespräche über eine Eheschließung geführt und es sei auch ein fester Termin vereinbart worden, der jedoch nicht eingehalten worden sei, da ihre Großmutter gestorben sei. Auch in der Folgezeit seien Termine für eine Eheschließung in Aussicht genommen worden, jedoch habe die Ehe damals nicht geschlossen werden können, weil der Vater der Klägerin ein Pflegefall geworden sei. Da ihr Vater beruflich stark belastet gewesen sei, sei es für ihn schwierig gewesen, einen festen Zeitpunkt für seinen Urlaub zu bekommen, und daher sei es auch schwierig gewesen, den Zeitpunkt der Eheschließung festzulegen. Auch die Zeugen Heike-Paul FB. und Norbert GB. haben bekundet, ihnen sei aus Gesprächen mit der Klägerin oder dem Versicherten bekannt gewesen, dass sie mehrmals den Entschluss gefasst hätten zu heiraten, ihn jedoch zunächst nicht verwirklicht hätten. Die Klägerin begründet dies mit der - auch durch die Beweisaufnahme bestätigten - beruflichen Überlastung des Versicherten, die dazu geführt habe, dass die Heiratsabsicht zunächst nicht habe verwirklicht werden können. Erst, nachdem ihr späterer Ehemann aufgrund seiner Erkrankung arbeitsunfähig gewesen sei, sei genügend Zeit für die Eheschließung gewesen. Auch für sie selbst sei es schwierig gewesen, bei ihrer Arbeitgeberin, der Post, kurzfristig Urlaub zu bekommen; ein solcher Sonderurlaub sei in Absprache mit den Kollegen immer erst langfristig terminierbar gewesen.
Diese Umstände sind jedoch bei zusammenfassender Würdigung nicht geeignet, die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Auffallend ist, dass die Klägerin und ihr späterer Ehemann viele Jahre zusammengelebt haben, ohne zunächst zu heiraten. Hieraus ist zu schließen, dass ein zwingender Heiratentschluss bis Anfang Juli 1996 nicht vorlag. Nicht glaubhaft ist, dass angeblich wegen der - nachgewiesenen - beruflichen Überlastung des Versicherten eine Eheschließung nicht möglich gewesen sei, denn wenn eine ernsthafte Heiratsabsicht vorhanden gewesen wäre, hätte eine Eheschließung auch ohne großen zeitlichen Aufwand vorgenommen werden können. Auch die von der Klägerin angegebene Schwierigkeit, bei der Post Sonderurlaub für eine Eheschließung zu erhalten, hätte einer früheren Eheschließung kaum im Wege gestanden, wenn eine ernsthafte Heiratsabsicht vorgelegen hätte. Im Übrigen hat der Zeuge Heike-Paul FB. auch bekundet, soweit er sich erinnere, seien die Klägerin und der Versicherte in Urlaub gewesen, er meine, in Südfrankreich. Hieraus ergibt sich, dass es für die Klägerin und den Versicherten sehr wohl gemeinsame Zeiten ohne berufliche Beanspruchung gab, die sie ohne weiteres zur Heirat hätten nutzen können.
Des Weiteren geht aus den von der Klägerin überreichten Unterlagen über die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen ihr und dem Versicherten zwar hervor, dass der Versicherte im Jahre 1976 das gemeinsam bewohnte Haus in Bremen-Blumenthal erwarb und beide Partner am 15. Dezember 1979, 10. April 1980, 11. Dezember 1980 und 5. Mai 1994 Grundstücke in Akelsbarg kauften und dort ein landwirtschaftliches Gebäude zu Wohnzwecken (mit Garagen) umbauten. Dies erfolgte zunächst - bis zum Jahre 1995 - ohne Baugenehmigung und ab 1998 aufgrund einer der Klägerin erteilten Baugenehmigung. Ferner liegen zahlreiche Rechnungen und Lieferscheine aus den Jahren 1989 bis 1995 über die Lieferung von Baustoffen vor, die offenbar zumeist der Versicherte bezahlte. Die Klägerin hat ferner Belege über Überweisungen an die "Hannoversche Landwirtschaftliche Krankenkasse" überreicht, die zum Teil der Versicherte vorgenommen hat. Aufgrund dieser Unterlagen kann zwar davon ausgegangen werden, dass zwischen der Klägerin und dem Versicherten seit langem eine wirtschaftliche Verflechtung bestand. Indessen vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Heirat der Klägerin mit dem Versicherten am 23. Juli 1996 logische Folge gerade dieser Verflechtungen war. Es fehlt hierfür an einem zeitlichen Zusammenhang. Die Mehrzahl der getätigten Immobiliengeschäfte lag zur Zeit seines Todes mehrere Jahre (die Grundstückskäufe in Akelsbarg ca. 17 Jahre, der Kauf des gemeinsam bewohnten Hauses in Bremen-Blumenthal sogar 21 Jahre) zurück. Dem Kauf eines weiteren kleinen landwirtschaftlichen Grundstücks im Mai 1994 zu einem Preis von DM 15.000,- kommt im Hinblick auf die zuvor getätigten zahlreichen Erwerbungen für die geltend gemachten finanziellen Verflechtungen keine große Bedeutung zu. Weder die erheblichen Arbeitsleistungen, die die Klägerin nach ihren Angaben auf dem dem Versicherten gehörenden Grundstück in Blumenthal erbracht hat, noch die erheblichen finanziellen Mittel, die der Versicherte für den Ankauf der Grundstücke in Akelsbarg und den Umbau des jetzt im Eigentum der Klägerin stehenden landwirtschaftlichen Anwesens aufgewendet hat, haben sie zur Eingehung der Ehe bewogen. Immerhin sollen nach dem Vortrag der Klägerin zur Zeit der Stilllegung des Baus im Jahre 1995 bereits ca. DM 250.000,- verbaut gewesen sein. Demgegenüber ist für die Zeit unmittelbar vor der Eheschließung keine weitere Vertiefung der wirtschaftlichen Verflechtungen mehr belegt. Vor diesem Hintergrund leuchtet es nicht ein, dass gerade die Vermögensverhältnisse der Partner und nicht der Eintritt des Versicherungsfalls der überwiegende Zweck der Heirat gewesen sein soll.
Besondere Umstände, die in dem vorliegenden Einzelfall die Vermutung einer Versorgungsehe widerlegen könnten, sind nach allem nicht ersichtlich. Vielmehr lässt der zeitliche Ablauf der maßgeblichen Ereignisse (Kenntniserlangung von der Krankheit, Aufgebotsbestellung, Eheschließung) nach wie vor den Schluss zu, dass eine Versorgungsehe geschlossen wurde. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich die am 23. Juli 1996 erfolgte Eheschließung als konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung der Kenntnis des lebensbedrohenden Charakters der Erkrankung bestehenden Heiratsentschlusses darstellte. Der vorliegende Sachverhalt ist nicht mit dem Fall vergleichbar, in dem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) angenommen hat, dass die Vermutung einer Versorgungsehe widerlegt sei (Urteil vom 1.12.1998, Az. 3 B 95.3050, HVBG-INFO 1999, 3043 - 3047). Dieser Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde, denn der VGH hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Vorliegen einer ernsthaften Heiratsabsicht bejaht, die nur deshalb bis zur Erlangung der Kenntnis von der Schwere der Krankheit noch nicht verwirklicht worden war, weil die Ehe der Frau noch nicht geschieden gewesen war.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.