Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 07.08.2017, Az.: 5 A 726/15

Befahrensregelung; Drachensportverbot; Gesetzgebungskompetenz; Kitesurfen; Niedersächsisches Wattenmeer; Störwirkung; Vogelschutzgebiet

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
07.08.2017
Aktenzeichen
5 A 726/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54109
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei dem in § 6 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes über den Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" (NWattNPG) geregelten Verbot des Drachensteigenlassens handelt es sich nicht um eine "Befahrensregelung" im Sinne von § 5 Satz 3 des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG), sondern um eine Regelung, die dem Naturschutz und der Ordnung im Nationalpark dient und für die daher die Gesetzgebungskompetenz beim Land Niedersachsen liegt.

Wegen der vom Kitesurfen grundsätzlich ausgehenden Störwirkung auf geschützte Vogelarten durfte der Landesgesetzgeber für das Gebiet des Nationalparks "Niedersächsisches Wattenmeer" ein grundsätzliches Drachensportverbot (mit Befreiungsmöglichkeit) regeln und damit das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG der Kitesurfer einschränken.

Tenor:

Die Kläger begehren die Feststellung, dass es ihnen gestattet ist, den Sport des Kitesurfens zeitlich und örtlich uneingeschränkt an der Nordseeküste im Bereich des Landkreises C. im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ auszuüben.

Tatbestand:

Die Kläger üben den Sport des Kitesurfens aus. Beim Kitesurfen, auch Kiteboarden oder Lenkdrachensegeln genannt, stehen die Sportler auf einem Board, das Ähnlichkeiten mit einem Surfbrett aufweist. Dabei lassen sie sich von einem Lenkdrachen (engl.: kite), der vom Wasser aus gestartet wird und sich in der Luft befindet, über die Wasserfläche ziehen. Der Sport besteht darin, durch geschicktes Lenken des Drachens die Fortbewegungsgeschwindigkeit und die Richtung zu regulieren und die Wasserfläche mit Sprüngen bis zu zehn Meter Höhe zu verlassen. Dieser Sport kommt ohne maschinengetriebene Hilfe aus. Nur Gewässer mit einem geringen Tiefgang eignen sich zum Kitesurfen. Die Kläger können ihren Sport, wenn sie nicht auf entfernte Reviere ausweichen wollen, optimal im Wattenmeer ausüben. Sie werden jedoch durch § 6 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ (NWattNPG) in der Ausübung ihres Sports eingeschränkt.

Die Kläger haben am 5. Dezember 2014 beim Verwaltungsgericht Stade Klage erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28. Januar 2015 an das erkennende Gericht verwiesen hat. Zur Begründung ihrer Klage tragen sie im Wesentlichen vor: Durch das Gesetz über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ und dessen Handhabung durch die Beklagte sei es ihnen praktisch nicht möglich, ihrem Sport nachzugehen. Dies gelte für den gesamten Landkreis C. und dabei insbesondere für die Standorte D., W. und C.-K., die sich als Kitesurfreviere wegen der örtlichen Nähe zu ihrem Wohnort in besonderem Maße anböten. Die Nordseeküste sei im Landkreis C. nach dem NWattNPG in Ruhezonen und Zwischenzonen eingeteilt. In den Ruhezonen sei es zur Vermeidung von Störungen und Gefährdungen der Schutzgüter des Nationalparks verboten, Drachen, auch vom Fahrzeug aus, fliegen zu lassen. In der Zwischenzone gelte dieses Verbot entsprechend. Unter dem Stichwort „Klare Grenzen für Kitesurfer“ mache die Beklagte unmissverständlich deutlich, dass das Kitesurfen in der Ruhe- und Zwischenzone verboten sei, sofern nicht auf Antrag einzelner Gemeinden punktuell und zeitlich begrenzt Befreiungen nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) erteilt worden seien. So sei bei W. eine 142 ha große Fläche als Kitesurfzone ausgewiesen. Das Kitesurfen sei dort vom 1. April bis zum 31. Oktober eines Jahres jeweils von drei Stunden vor bis drei Stunden nach Hochwasser zugelassen. In der übrigen Zeit bleibe es verboten. Eine gleichlautende Befreiung mit den genannten zeitlichen Begrenzungen gebe es für den Bereich D. auf einer Fläche von 139 ha. An der K./D. sei es aufgrund einer Befreiung möglich, im Zeitraum vom 1. April bis zum 31. Oktober eines Jahres in einem begrenzten Umfang dem Kitesurfen nachzugehen, auch hier jeweils drei Stunden vor bis drei Stunden nach Hochwasser. Im Winter könne der Sport praktisch nicht ausgeübt werden. Außerhalb der genannten Ausnahmebereiche gelte das gesetzliche Verbot. Entsprechende Ausführungen fänden sich auch auf der Homepage der Beklagten. Damit wirkten die Verbote gegenüber ihnen eindeutig und unmittelbar. Die Beklagte bringe durch ihre Ankündigung, wonach die Einhaltung der Vorschriften kontrolliert und Verstöße geahndet würden, zugleich zum Ausdruck, dass auf den Einzelfall bezogene Befreiungen von vornherein nicht in Betracht kämen. Stattdessen werde ein polizeiliches Einschreiten für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht. Angesichts dieser Umstände komme für sie nur eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO in Betracht, um ihre Rechtsauffassung durchzusetzen, wonach die gesetzliche Verbotsaussage rechtswidrig sei. Ein konkretes Rechtsverhältnis liege vor. Ihre Berechtigung, im Küstengewässer den Kitesport auszuüben, sei - von den erwähnten Ausnahmezonen und ihren zeitlichen Vorgaben abgesehen - ausgeschlossen. Ihre Berechtigung beziehe sich auf einen ganz bestimmten örtlichen Bereich und sei damit hinreichend konkretisiert. Insbesondere gehe es ihnen um eine Ausübung des Sports während des ganzen Jahres und zu jeder Zeit, so dass sie nicht auf die Befreiung nach dem Bundesnaturschutzgesetz verwiesen werden könnten. Sie erstrebten nicht die Feststellung, dass das Gesetz ungültig sei. Es könne bei der heutigen Mobilität aber nicht in Zweifel gezogen werden, dass sie ihren Sport - abhängig von den Gewässerverhältnissen - an verschiedenen Strandabschnitten des Landkreises C. ausüben möchten. Diese Möglichkeit werde ihnen aber durch die Verbotsaussagen in §§ 6 und 12 NWattNPG in Verbindung mit der Interpretation durch die Beklagte genommen. Aus ihrer Sicht komme deshalb eine nähere Konkretisierung der Örtlichkeiten der von ihnen angestrebten Sportausübung nicht in Betracht. Würde man zur Sicherstellung eines „konkreten“ Rechtsverhältnisses den örtlichen Bereich noch weiter einschränken, würde im Anschluss an ein für sie günstiges Urteil die Gefahr bestehen, dass es erneut zum Streit über weitere Zugänge zum Küstengewässer komme. Das sei ihnen nicht zumutbar. Das konkrete Rechtsverhältnis bestehe auch zwischen ihnen und der Beklagten. Sie sei nach § 24 Abs. 1 Nr. 9 NWattNPG im Zweifel für den Vollzug des NWattNPG zuständig. Damit sei Streitgegenstand ein in zeitlicher, örtlicher und personeller Hinsicht konkretisiertes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Es bestehe auch ein Feststellungsinteresse. Sie seien durch die beanstandete Regelung in ihrem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingeschränkt. Die Feststellungsklage sei auch nicht subsidiär. Insbesondere könnten sie nicht auf ein Befreiungsverfahren verwiesen werden. Die veröffentlichte Verwaltungspraxis lasse eindeutig erkennen, dass für einen einzelnen Nutzer eine Befreiung nicht erteilt würde. Im Übrigen müssten sie sich auf diese Möglichkeit nicht verweisen lassen, weil sie der Rechtsauffassung seien, dass es an einem wirksamen Verbot im Sinne des § 67 BNatSchG fehle. Auch scheide eine Anfechtungsklage zur Wahrnehmung ihres Rechtsschutzziels gegen die den Gemeinden erteilten Befreiungen aus. Abgesehen davon, dass ihnen das dafür erforderliche subjektive Recht durch die Rechtsgrundlage der Befreiungen nicht vermittelt werde, erreichten sie damit auch nicht ihr Ziel: Werde die Befreiung erfolgreich angefochten, lebe das Vollverbot auf.

Die Klage sei auch begründet. Da für die betroffenen Gewässer ein Befahrensverbot nach § 5 Satz 3 Wasserstraßengesetz (WaStrG) nicht bestehe, sei das Kitesurfen an den bezeichneten Örtlichkeiten gestattet. Selbst wenn man für diesen Bereich ausschließlich auf die Aussagen des NWattNPG abstelle, wäre das Ergebnis nicht anders. Denn dann wäre die undifferenzierte Verbotsaussage des Gesetzes mit der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht vereinbar und das Gesetz damit unwirksam. Soweit die Verbotsregelung im NWattNPG die Nordsee betreffe, handele es sich um Küsten- und Meeresgewässer. Seewasserstraßen seien die Flächen zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres. Die betroffenen Flächen des Wattenmeeres fielen damit - soweit es um den Verkehr auf diesen Flächen gehe - in die Regelungskompetenz des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG). Durch die Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 1 WaStrG habe der Bund von seiner Regelungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht (Art. 72 Abs. 1 GG). Eine Abweichungskompetenz zugunsten der Länder bestehe für diese Materie nicht (vgl. Art. 72 Abs. 3 GG). Der Bund könne das Befahren mit Wasserfahrzeugen auf diesen Gewässern, soweit sie im Nationalpark lägen, durch Befahrensverordnungen regeln. Inhalt einer solchen Befahrensregelungsverordnung könne durchaus das Verbot der Nutzung des Wattenmeeres durch das Kitesurfen sein, sofern dies verhältnismäßig sei. So gebe es z. B. gegenwärtig eine Befahrensregelungsverordnung zum Schutz des Nationalparks sowie von Naturschutzgebieten im Bereich der Küste von Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Juni 1997, die in bestimmten örtlichen Bereichen das Befahren der Bundeswasserstraße mit „Wasserfahrzeugen, Sportfahrzeugen oder Wassersportgeräten“ verbiete, wobei dieses Verbot das Kitesurfen betreffe. Dabei sei zu betonen, dass die Benutzung eines Surfbretts zum Kiten dem Einsatz eines Wasserfahrzeugs im Sinne des § 5 Satz 1 WaStrG zuzuordnen sei. Der Begriff des Wasserfahrzeugs sei weit zu fassen. Er erfasse jedes Mittel, das der Fortbewegung auf dem Wasser diene. Für die abschließende Regelungs- und die damit einhergehende Sperrwirkung der Bundesgesetzgebung gegenüber dem Landesrecht komme es nicht darauf an, ob der Verordnungsgeber für den örtlichen Bereich des Niedersächsischen Wattenmeeres von der Ermächtigung des § 5 Satz 3 WaStrG Gebrauch gemacht habe. Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber die Regelungskompetenz dem Bund zugewiesen habe und damit dem Landesgesetzgeber die Wahrnehmungsberechtigung zur Reglementierung des Befahrens des Wattenmeeres mit Wasserfahrzeugen entzogen habe. Das allgemeine Verbot des Kitesurfens nach dem NWattNPG verstoße somit gegen Art. 72 Abs. 1 GG und sei damit aus kompetenziellen Gründen verfassungswidrig. Soweit das Gericht keine Möglichkeit sehe, die Verbotsaussagen des NWattNPG verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, dass ein Kitesurfverbot nicht bestehe, sei nach Art. 100 GG zu verfahren.

Die Ausübung des Kitesurfsports unterfalle dem Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Die weitgehende Reglementierung, gegen die sie sich zur Wehr setzten, sei nicht Ausdruck der „verfassungsmäßigen Ordnung“, weil sie in dem im NWattNPG geregelten Umfang nicht mit den vom Landesgesetzgeber angestrebten Zielen gerechtfertigt werden könne. Dabei sei ihnen bekannt, dass dem Gesetzgeber bezogen auf den Schutzzweck eines grundrechtseinschränkenden Gesetzes eine weitgehende Einschätzungsprärogative zukomme. Für die Ermittlung des Schutzzwecks komme allein § 2 NWattNPG in Betracht. Die Motive des Gesetzgebers erschlössen sich nicht - wie sonst bei grundrechtseinschränkenden Gesetzen üblich - aus der amtlichen Begründung, der das Parlament mehrheitlich zugestimmt habe. Denn das NWattNPG beruhe auf der Überleitung einer vorher für den örtlichen Bereich geltenden naturschutzrechtlichen Verordnung der Landesregierung, die später Gesetzesform erhalten habe (vgl. Landtagsdrucksache 14/610). Das bei der EU zuvor gemeldete Europäische Vogelschutzgebiet mit den Vogelarten nach Anhang I der Richtlinie 79/409/EWG sei damit zugleich entsprechend der damals gültigen unionsrechtlichen Verpflichtung verrechtlicht worden, ohne dass jemals Untersuchungen darüber stattgefunden hätten, welche Handlungen mit dem Vogelschutz vereinbar bzw. unvereinbar seien. Nach Art. 3 ff. der damals gültigen Vogelschutzrichtlinie hätten die Mitgliedstaaten die Lebensräume für die betroffenen Arten herzurichten und zu erhalten, indem sie insbesondere Schutzgebiete einrichteten und für die Entstehung von Lebensstätten Sorge trügen. Das habe auch die Verpflichtung eingeschlossen, die Beeinträchtigung der Lebensräume zu vermeiden, sowie das Verbot, die Tiere absichtlich zu stören, damit die Lebensräume dauerhaft erhalten blieben. Aus diesem Schutzzweck allein erschließe sich nicht ein uneingeschränktes Verbot des Kitesurfens, wie es durch das NWattNPG geregelt worden sei. Zwar sei es den Mitgliedstaaten im Bereich des Vogelschutzes auch gestattet, über die Richtlinie hinausgehende strengere Bestimmungen zu treffen. Ihre Zulässigkeit bemesse sich dann wiederum ausschließlich an der Aussagekraft der nationalen Grundrechte, deren Einschränkung stets einer sachlichen Rechtfertigung bedürfe. Art. 2 Abs. 1 GG gestatte nicht die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit gleichsam als „Selbstzweck“, zur Erleichterung staatlicher Anliegen oder zur Festschreibung eines abstrakten Schutzzwecks. Die allgemeine Handlungsfreiheit könne nur eingeschränkt werden, wenn ihre Wahrnehmung im Einzelfall Zielsetzungen beeinträchtige, deren Durchsetzung im öffentlichen Interesse bestehe. Allein das Ziel, dass eine bestimmte örtliche Zone frei von bestimmten Betätigungen bleiben solle, begründe als solches kein öffentliches Interesse, das einen Grundrechtseingriff rechtfertigen könne. Deshalb komme es für die Feststellung der Vereinbarkeit des Verbots des Kitesurfens im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ entscheidend darauf an, ob tatsächlich von der Ausübung des Kitesurfsports Auswirkungen auf die geschützten Vogelarten beobachtet worden seien und deshalb der durch ein Vollverbot geregelte Schutz erforderlich sei. Die dazu vorliegenden Evaluierungen reichten für diese Annahme nicht aus. Das Gutachten über die „Auswirkungen des Kite- und Windsurfens auf Rastvögel an der W. im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer an den Standorten D. und W.“ rechtfertige die Einschränkungen nicht. Das Gutachten stelle zunächst fest, dass bezogen auf Gastvögel kein ausreichendes Datenmaterial vorhanden sei, um Auswirkungen beurteilen zu können. Das Gutachten stütze sich für die Beurteilung der Raumnutzung durch rastende Vögel auf Feststellungen, die für militärische und zivile Luftfahrzeuge gefertigt worden seien. Es sei deshalb ohne jede Aussagekraft für die Beurteilung des Kitesurfens. Ein Vergleich mit Motorbooten, wie er in diesem Zusammenhang vorgenommen werde, trage den Besonderheiten dieses Sports nicht Rechnung. Soweit Reaktionen der Vögel untersucht worden seien, werde nahezu durchgehend festgestellt, dass die Vögel entweder auf ihren Plätzen verweilten oder aber kurzfristig aufgeflogen seien, um dann ihre ursprünglichen Standorte wieder einzunehmen. Die Schlussfolgerungen des Gutachtens, wonach aufgrund dieser Beobachtungen nicht auf eine grundsätzliche Unempfindlichkeit zu schließen sei, stelle sich als bloße Vermutung dar. Wenn Vögel „aufmerkten“, weil Kiter kämen, beinhalte dies keine Beeinträchtigung des Schutzzwecks. Zutreffend bemerke das Gutachten, dass die wenigen Einzelmessungen nicht repräsentativ seien. Das Gutachten selbst nehme daraus Orientierungswerte, um allgemein auf eine Vergrämung der Vögel zu schließen. Bezogen auf Kitesurfer beschränke sich das Gutachten auf Annahmen und Vermutungen. Bei den wenigen tatsächlich festgestellten Beeinträchtigungen seien die vom Gutachter ermittelten Störungen auf Spaziergänger mit Hunden zurückgegangen. Das Gutachten räume ein, dass innerhalb der Kite- und Surfzonen keine nennenswerten Störungen der Rastvögel festgestellt worden seien. Dieser Befund werde durch die tabellarisch aufgeführten Einzelergebnisse bestätigt. Das von der Gemeinde Krummhörn in Auftrag gegebene Gutachten über die „Auswirkungen des Kite-Surfens vor U. auf die Brut- und Rastvögel im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer“ komme zu der zusammenfassenden Feststellung, dass durch die Kiter im Untersuchungszeitraum keine Störungen auf die Gastvögel hätten festgestellt werden können. Weiter heiße es, es hätten im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine negativen Einflüsse auf die brütenden Vögel im Nationalpark durch die Kiter ermittelt werden können. Auch dieses Gutachten stelle fest, dass Fußgänger, Radfahrer und freilaufende Hunde ursächlich für Störungen verantwortlich sein könnten, Kitesurfer hingegen nicht. Somit gebe es weder eine auf Erfahrungssätzen beruhende Einschätzung, dass die geschützten Vogelarten durch das Kitesurfen beeinträchtigt würden. Aber auch bei den Einzelbeobachtungen sei es nicht zur Feststellung beachtlicher Störungen gekommen. Unter diesen Umständen fehle es am öffentlichen Interesse, das eine Einschränkung von Freiheitsrechten rechtfertigen könne. Allein die Zielvorstellung, Kitesurfen sei mit der Festlegung der Schutzziele eines Nationalparks nicht vereinbar, reiche nicht aus, um einen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen. Das Verbot des Kitesurfens sei deshalb rechtswidrig.

Die Kläger beantragen,

festzustellen, dass es ihnen gestattet ist, den Kitesurfsport zeitlich und örtlich uneingeschränkt im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“, insbesondere an den Standorten D., W. und C. K., auszuüben,

hilfsweise ein Gutachten darüber einzuholen, dass das Kitesurfen an der Küste keine Störwirkung auslöst, zumal die betroffenen Vögel, wenn sie überhaupt auffliegen, zu ihren Rast- und Brutflächen zurückkehren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unzulässig und unbegründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Die Kläger haben nicht Anspruch auf die Feststellung, dass es ihnen gestattet ist, den Kitesurfsport zeitlich und örtlich uneingeschränkt im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“, insbesondere an den Standorten D., W. und C. K., auszuüben. Die Kammer sieht auch nicht Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob das Kitesurfen eine Störwirkung auf die im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ geschützten Vogelarten hat.

Die Klage ist zulässig. Dabei geht die Kammer nach den Klarstellungen in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass die Flächen, auf denen das Kitesurfen ohnehin zugelassen ist und die Flächen und Zeiten, die von § 31 der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung (SeeSchStrO) erfasst sind, nicht im Streit stehen.

Die von den Klägern erhobene Feststellungsklage ist statthaft. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Erforderlich ist zunächst ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Denn die Gerichte können nicht mit einer Feststellungsklage befasst werden, mit der lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines solchen Sachverhalts erreicht werden soll, dessen Eintritt noch ungewiss, insbesondere von einer in ihren tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen noch nicht übersehbaren künftigen Entwicklung abhängig ist. Die Feststellungsklage kann vielmehr nur zur Klärung eines konkreten Rechtsverhältnisses, d.h. nur unter der Voraussetzung erhoben werden, dass die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 -, juris Rn. 21). Es muss sich zudem um ein streitiges Rechtsverhältnis handeln, d.h. es muss in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein. Das setzt voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 38.09 -, juris Rn. 32). Als streitiges Rechtsverhältnis in diesem Sinne ist es auch anzusehen, wenn sich die Beteiligten über die sich aus bestimmten Rechtsnormen ergebenden Verpflichtungen bzw. Verbote streiten (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 - 3 C 53.85 -, juris Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Vorliegend streiten die Beteiligten um die Berechtigung der Kläger, den Kitesurfsport in den von ihnen genannten Gebieten zeitlich und örtlich uneingeschränkt auszuüben. Die Kläger vertreten die Auffassung, dazu seien sie berechtigt und insbesondere stünden dieser Berechtigung die Vorschriften des NWattNPG (§§ 6 Abs. 1 Nr. 5 und 12 Abs. 1 NWattNPG) nicht entgegen. Demgegenüber vertritt die Beklagte die Auffassung, den Klägern sei wegen dieser Regelungen die Ausübung des Kitesurfsports in den Bereichen des Niedersächsischen Wattenmeeres, für die keine Befreiungen nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt worden sind, nicht gestattet.

Dieses Rechtsverhältnis ist auch hinreichend konkret. Die notwendige Konkretisierung des Feststellungsbegehrens ergibt sich daraus, dass die Kläger - unbestritten - vorgetragen haben, ganzjährig und über die derzeit zugelassenen Möglichkeiten hinaus im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ ihren Sport ausüben zu wollen und daraus, dass die Beklagte auf ihrer Homepage (www.nationalpark-wattenmeer.de) erklärt, dass außerhalb der freigegebenen Flächen das Kitesurfen in der Ruhezone und in der Zwischenzone des Nationalparks streng verboten sei, dass die Einhaltung dieser Vorschriften von der Wasserschutzpolizei kontrolliert und schließlich Verstöße geahndet würden.

Ohne Erfolg rügt die Beklagte in diesem Zusammenhang, es fehle an einem „Auslöser“, der die abstrakte Rechtsfrage so verdichte, dass sie Gegenstand eines konkreten Rechtsverhältnisses sei. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass das Verbot, in der Ruhezone und in der Zwischenzone außerhalb der dafür vorgesehenen Flächen und außerhalb der zugelassenen Zeiten den Kitesurfsport auszuüben, gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 NWattNPG als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt ist. Es ist den Klägern nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 -, juris Rn. 12; so auch Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 43 Rn. 24), der sich die Kammer anschließt, unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zuzumuten, die Rechtmäßigkeit der Verbote inzident in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Angesichts der Ausführungen der Kläger spricht jedenfalls nichts dafür, dass es ihnen lediglich um die gerichtliche Klärung einer abstrakten Rechtsfrage geht.

Am Bestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses ändert sich im Hinblick auf den Kläger zu 2) auch nichts wegen des Umstandes, dass er in Bremen wohnt. Denn er trägt - ebenfalls unbestritten - vor, Mittelpunkt seiner Freizeitbeschäftigung sei das Kitesurfen und zu diesem Zweck sei er von Köln nach Bremen gezogen. Er übe den Kitesurfsport nunmehr im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ an den hier streitgegenständlichen Küstenabschnitten vor dem Landkreis C. aus und beabsichtige, dies auch in Zukunft dort zu tun. Mit diesen Ausführungen hat auch der Kläger zu 2) ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis dargetan.

Die Kammer kann nicht erkennen, dass mit der vorliegenden Feststellungsklage ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO umgangen werden soll. Nach § 47 Abs. 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen aufgrund des § 246 Abs. 2 BauGB und von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Zutreffend ist zunächst, dass der Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich davon abhängt, ob die Normen, auf die sich die Beklagte beruft (§§ 6 Abs. 1 Nr. 5 und 12 NWattNPG) den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden und somit geltendes Recht darstellen oder ob sie verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen, daher nichtig sind und den Klägern und ihrem Begehren folglich nicht entgegengehalten werden können. Allerdings handelt es sich bei den hier genannten Normen um keine, für die das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO statthaft wäre. Denn § 47 Abs. 1 VwGO erfasst nur untergesetzliche Regelungen (vgl. auch § 75 des Niedersächsischen Justizgesetzes - NJG - sowie BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 -, juris Rn. 12). Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch diese Begrenzung andere Formen einer (ausdrücklichen oder inzidenten) konkreten Normenkontrolle ausgeschlossen werden, die das Prozessrecht eröffnet.

Das beschriebene Rechtsverhältnis besteht auch zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens. Die Kläger üben den Sport des Kitesurfens aus und sehen sich durch die Beklagte, die nach § 24 Abs. 1 Nr. 9 NWattNPG für die Wahrnehmung der nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (NAGBNatSchG) eigentlich den Unteren Naturschutzbehörden zugewiesenen Überwachungskompetenzen zuständig ist, daran gehindert.

Ohne Erfolg wendet die Beklagte insoweit ein, sie sei nicht der Normgeber, sondern lediglich ausführende Behörde. Als Bezugspersonen der rechtlichen Beziehung bzw. des Rechtsverhältnisses kommen grundsätzlich der Normgeber, der Normadressat und die Vollzugsbehörde als Normanwender in Betracht. Im Regelfall - und so auch hier - besteht allerdings kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zwischen dem Normadressaten und dem Normgeber, da Letzterer an der Umsetzung der Rechtsnorm gegenüber dem Adressaten nicht direkt beteiligt ist (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 38.09 -, juris Rn. 33).

Das nach § 43 Abs. 1 VwGO des Weiteren für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung liegt ebenfalls vor. Ein solches schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 - 8 C 19.94 -, juris Rn. 20). Hier sind die Kläger durch die bestehenden und von der Beklagten für gültig und daher anwendbar gehaltenen Regelungen an der uneingeschränkten Ausübung ihres Sports gehindert. Mit der vorliegenden Feststellungsklage begehren sie die Feststellung, dass ihnen gleichwohl die Ausübung ihres Sports örtlich und zeitlich uneingeschränkt möglich ist. Damit ist ein Feststellungsinteresse in hinreichender Weise dargetan.

Die vorliegende Feststellungsklage ist auch nicht subsidiär. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Subsidiaritätsregelung in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO will eine unnötige Feststellungsklage vermeiden, wenn dem Kläger für die Rechtsverfolgung eine sachnähere und effektivere Klageart zur Verfügung steht. Denn der Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf dasjenige Verfahren konzentriert werden, welches seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 43 Rn. 26). Eine solche sachnähere und effektivere Klageart steht den Klägern nicht zur Verfügung. Sie können insbesondere nicht auf die Stellung eines Befreiungsantrages nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BNatSchG i.V.m. § 41 NAGBNatSchG verwiesen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. September 2016 - 4 C 4.15 -, juris Rn. 10 zu § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG). Denn nach der insoweit maßgeblichen Auffassung der Kläger gibt es wegen der Nichtigkeit von § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG kein wirksames Verbot, von dem eine Befreiung erteilt werden könnte.

Schließlich können die Kläger nicht mit Erfolg gegen die einzelnen Gemeinden erteilten Befreiungen (vgl. Bescheide vom 10. April 2014 und vom 21. Mai 2014) im Wege der Anfechtungsklage vorgehen. Denn insoweit wären sie ersichtlich nicht nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da es an einer Beschwer fehlen würde. Zudem würde ein solches Vorgehen ihrem Rechtsschutzbegehren nicht entsprechen. Denn wenn eine Befreiung erfolgreich angefochten würde, würde das gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG geltende Vollverbot wieder aufleben.

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben nicht Anspruch auf die Feststellung, dass es ihnen gestattet ist, zeitlich und örtlich uneingeschränkt in den von ihnen genannten Gebieten dem Kitesurfsport, soweit er in örtlicher und zeitlicher Hinsicht nicht ohnehin zugelassen ist, nachzugehen.

Das im Wirkungsbereich der Gezeiten liegende Wattenmeer der Nordsee erstreckt sich über 450 km Länge und bis zu 50 km Breite von Dänemark im Norden bis zu den Niederlanden im Südwesten. Es umfasst ca. 9.000 km². Das Wattenmeer ist zwar neben den Hochalpen die letzte weitgehend naturbelassene Großlandschaft in Europa, wird jedoch zugleich durch intensive menschliche Nutzungen wie Schifffahrt, Fischerei, Tourismus und Eindeichungen geprägt. Der Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ besteht seit 1986. Er umfasst mit einer Größe von 345.800 ha das Gebiet zwischen dem Dollart im Westen und der Elbe im Osten unter Einschluss der ostfriesischen Inseln. Er wurde 1972 als UNESCO-Biosphärenreservat anerkannt und ist zugleich als Vogelschutzgebiet und FFH-Gebiet im Rahmen des Natura 2000-Konzeptes geschützt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NWattNPG soll im Nationalpark die besondere Eigenart von Natur und Landschaft der Wattregion erhalten bleiben und vor Beeinträchtigungen geschützt werden.

Der Nationalpark gliedert sich nach § 5 NWattNPG in drei Schutzzonen mit unterschiedlichen Schutzregimen.

Die Ruhezone macht ca. 68,5 % der Fläche aus. Verboten sind dort alle Handlungen, die den Nationalpark oder einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen oder verändern (§ 6 Abs. 1 Satz 1 NWattNPG). Nach § 6 Abs. 2 NWattNPG ist es zur Vermeidung von Störungen und Gefährdungen der Schutzgüter des Nationalparks verboten, die Ruhe der Natur durch Lärm oder auf andere Weise zu stören, wild lebende Tiere zu stören oder diese an ihren Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtsstätten aufzusuchen, zu fotografieren oder zu filmen, Hunde unangeleint laufen zu lassen, soweit dies nicht im Rahmen der ordnungsgemäßen Jagdausübung geschieht, auf anderen als den dafür festgelegten Plätzen Feuer anzuzünden oder zu unterhalten, Drachen, auch vom Fahrzeug aus, Modelflugzeuge oder andere Kleinflugkörper fliegen zu lassen, Ballons zu starten oder außerhalb der Wege fernlenkbare Geräte zu betreiben, soweit solche Handlungen nicht durch das NWattNPG selbst oder aufgrund dieses Gesetzes zugelassen sind.

Die Zwischenzone umfasst ca. 31 % der Fläche. Hier gelten die Verbote des § 6 NWattNPG gemäß § 12 Abs. 1 NWattNPG im Grundsatz entsprechend.

Die Erholungszone umfasst ca. 0,5 % der Fläche. Sie ist nach § 15 NWattNPG für Aktivitäten, die der Erholung dienen, freigegeben. Insbesondere sind dort das Gehen, Lagern, Baden, der Aufenthalt in Strandkörben, das Reiten, Angeln, Sammeln von Muscheln und das Drachen steigen lassen und die sportliche Betätigung erlaubt.

Beim Kitesurfen steht der Sportler auf einem Board, das Ähnlichkeit mit einem kleinen Surfbrett oder Wakeboard aufweist. Er wird von einem Lenkdrachen (engl.: kite) - auch Windschirm oder Schirm genannt - über das Wasser gezogen. Die „Kitebar“ verbindet den Sportler über 20 bis 30 Meter lange Steuerungs- und Sicherungsleinen mit dem Kite und ermöglicht dessen Steuerung hinsichtlich der Richtung und der Kraftentwicklung. Kites gibt es in unterschiedlichen Ausführungen, die sich u.a. in Angriffsfläche und Winkel des Windes unterscheiden. Mittels Leinen kann der Lenkdrache so gesteuert werden, dass die auf den Sportler ausgeübten Kräfte in Richtung und Stärke variieren. Der Kitesurfer regelt seinen Kurs und seine Geschwindigkeit über die Steuerung des Schirms und des Brettes. Die Flughöhe des Drachens beträgt je nach Leinenlänge maximal 30 Meter.

Dem Wunsch der Kläger, diesen Sport zeitlich und örtlich uneingeschränkt auch auf den Flächen auszuüben, auf denen dies bisher nicht erlaubt ist, stehen die Regelungen des NWattNPG entgegen. Es ist nach der dargestellten Rechtslage verboten. Soweit es die Ruhezone betrifft, ergibt sich das Verbot aus § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG, wonach es verboten ist, Drachen, auch vom Fahrzeug aus, fliegen zu lassen. In der Zwischenzone gilt dieses Verbot gemäß § 12 Abs. 1 NWattNPG entsprechend. Ausnahmen, insbesondere nach § 12 Abs. 2 oder Abs. 3 NWattNPG, liegen nicht vor.

Dies entsprach auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Mit Art. 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. S. 104) sind die Worte „auch vom Fahrzeug aus“ in § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG eingefügt worden. Damit wollte der Gesetzgeber (vgl. Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts; Landtagsdrucksache 16/1902 vom 23. November 2009) im Hinblick auf eine Nutzung des Nationalparks durch drachengetriebene Landfahrzeuge (buggy-kiting) sowie durch drachengetriebene Wasserfahrzeuge (kite-surfing) im Interesse der Rechtssicherheit eine Klarstellung erreichen. Diese Betätigungen waren nach der bisherigen Verwaltungspraxis verboten und sollten es auch bleiben.

Die so verstandene Regelungen des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG begegnet, soweit sie Gegenstand dieses Verfahrens ist, keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Norm ist sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht verfassungsgemäß, damit anwendbar und von den Klägern zu beachten und zu befolgen.

§ 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG ist, soweit die Norm Gegenstand des Verfahrens ist, formell verfassungsgemäß. Die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Land Niedersachsen und entgegen der Auffassung der Kläger nicht beim Bund. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG erstreckt sich zwar die konkurrierende Gesetzgebung u.a. auf die Hochsee- und Küstenschifffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschifffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen. Bei Flächen des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ handelt es sich um Bundeswasserstraßen in Form von Seewasserstraßen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 WaStrG. Sie unterfallen damit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG. Durch die Regelungen im WaStrG hat der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG). Da auch die in Art. 72 Abs. 3 GG vorgesehenen Ausnahmen nicht einschlägig sind, war und ist es dem Land Niedersachsen verwehrt, (abweichende) Befahrensregelungen zu treffen. Über diese verfassungsrechtliche Problematik war sich der niedersächsische Gesetzgeber bei der Änderung von § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG im Jahr 2010 im Übrigen im Klaren (vgl. Landtagsdrucksachen 14/1900, Seite 39 und 16/2216, Seite 16). Folgerichtig wird durch § 5 Satz 3 WaStrG dem Bund bzw. den dort genannten Bundesministerien - und nicht etwa den Ländern - die Möglichkeit eingeräumt, das Befahren der Bundeswasserstraßen in Naturschutzgebieten und Nationalparken nach den §§ 23 und 24 BNatSchG durch Rechtsverordnung zu regeln, soweit dies zur Erreichung des Schutzzwecks erforderlich ist. Von dieser Verordnungsermächtigung machte der Bund Gebrauch und erließ die Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (Befahrensverordnung, BGBl. I 1995, S. 211). Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Befahrensverordnung wird dort auch das Befahren der Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen, Sportfahrzeugen und Wassersportgeräten im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ geregelt. § 2 der Befahrensverordnung bestimmt, dass sich die Verkehrsteilnehmer auf den Bundeswasserstraßen in den Nationalparken so zu verhalten haben, dass die Tierwelt nicht geschädigt, gefährdet oder, mehr als nach den Umständen unvermeidbar, gestört wird. § 3 der Befahrensverordnung trifft im Folgenden Regelungen zu Luftkissenfahrzeugen, zu Fahrzeugen, die durch Maschinenkraft angetrieben werden und für Fahrgastschiffe. § 4 Abs. 3 der Befahrensverordnung trifft darüber hinaus Regelungen zu motorisierten Wasserskiern, Wassermotorrädern oder sonstigen motorisierten Wassersportgeräten. Die Beteiligten sind sich bei dieser Sachlage zu Recht darüber einig, dass die Befahrensverordnung keine Regelung zum Kitesurfen trifft. Vor diesem Hintergrund teilt die Kammer die Auffassung der Beteiligten, dass es dem Land Niedersachsen verwehrt ist, eine Befahrensregelung für das Kitesurfen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ zu treffen.

Allerdings schließt sich die Kammer der Auffassung der Beklagten an, wonach § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG keine Befahrensregelung trifft und somit nicht auf verfassungswidrige Weise in die Regelungskompetenz des Bundes eingreift. Die Norm beschränkt sich, soweit sie Gegenstand dieses Verfahrens ist, auf das Verbot, Drachen fliegen zu lassen. Es unterscheidet nicht zwischen einer Betätigung an Land, beispielsweise am Strand, oder im Watt. Der Landesgesetzgeber hat in § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG die Fallgruppe der erheblich störenden bodennahen Fluggeräte zusammengefasst regeln wollen (Landtagsdrucksache 14/1900, S. 41). Eine Beschränkung derartiger Handlungen in den Schutzzonen sei für Naturschutzgebiete und Nationalparke erforderlich und auch üblich, insbesondere, wenn ein solches Gebiet in besonderem Maße dem Schutz der Vogelwelt diene. Ziel dieser Regelung sei es, das sog. Kitesurfen und das sog. buggy-kiting wegen der Störung der geschützten Vögel durch die Scheuchwirkung der Drachen im Nationalpark Wattenmeer - klarstellend - zu verbieten (Landtagsdrucksache 16/2216, Seite 16). An anderer Stelle heißt es, die vorgesehene Klarstellung entspreche der Auslegungspraxis der insbesondere auch der Vermeidung von Störungen und Gefährdungen der Brut- und Rastvögel dienenden Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG. Die Klarstellung sei im Hinblick auf eine Nutzung des Nationalparks durch drachengetriebene Landfahrzeuge (buggy-kiting) sowie durch drachengetriebene Wasserfahrzeuge (kite-surfing) im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geboten (Landtagsdrucksache 16/1902, Seite 63). Daran anknüpfend ergänzte der Landesgesetzgeber § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG durch Art. 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. S. 104) und stellte klar, dass Drachen auch dann nicht fliegen gelassen werden dürfen, wenn sie von einem Fahrzeug aus gesteuert werden. Folglich ist eine Befahrensregelung weder getroffen worden noch beabsichtigt gewesen. Der vom Landesgesetzgeber als störend bewertete Drachensport sollte aus naturschutzfachlichen Gründen verboten werden. Dem steht § 5 Satz 3 WaStrG nicht entgegen. Die Gesetzgebungskompetenz des Landes ergibt sich somit aus Art. 70 Abs. 1 GG.

Zuzugeben ist den Klägern, dass sich die getroffene Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG de facto wie ein Befahrensverbot mit einem Kiteboard im Wattenmeer auswirkt. Diese faktische Auswirkung ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass eine kompetenzwidrige Befahrensregelung vom Landesgesetzgeber nicht geschaffen wurde. Folgerichtig hat der Landesgesetzgeber Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG auch nicht beim Erlass von § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG bzw. seiner Ergänzung im Jahr 2010 als Kompetenztitel für sich in Anspruch genommen. Vielmehr sollte die Fallgruppe der erheblich störenden bodennahen Fluggeräte zusammengefasst geregelt werden (Landtagsdrucksache 14/1900, S. 41).

Die Tatsache, dass das Kitesurfen durch § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG im Grundsatz verboten ist - die Beklagte spricht von einem „Reflex“ -, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken vor diesem Hintergrund. In dem föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes stehen die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig nebeneinander. Im Rahmen der Bestimmungen, die das Grundgesetz den Verfassungen der Länder vorgibt, können die Länder ihre Angelegenheiten selbst ordnen. Die umfassende Regelung eines Zuständigkeitsbereichs kann Teilregelungen enthalten, die zwar einen anderen Kompetenzbereich berühren, die aber gleichwohl Teil der im Übrigen geregelten Materie bleiben. Bei der Frage der Zuordnung solcher Teilregelungen zu einem Kompetenzbereich dürfen sie nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und isoliert für sich betrachtet werden. Dabei fällt ins Gewicht, wie eng die fragliche Teilregelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden ist. Eine enge Verzahnung und dementsprechend ein geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung sprechen regelmäßig für ihre Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung (BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 1998 - 2 BvL 2/97 -, juris Rn. 45). Liegt der Schwerpunkt des Regelungsgehalts von § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG aber im Bereich des Verbots von Fluggeräten, lag die Gesetzgebungskompetenz beim Land.

§ 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG begegnet auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ohne Erfolg rügen die Kläger eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG. Danach hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. In der Tat kommt als möglicherweise verletztes Recht hier (allein) die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht. In den Schutzbereich dieses Grundrechts fällt auch das Kitesurfen als Betätigungsform menschlichen Handelns. Die Kläger betreiben diesen Sport und sehen sich durch § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG (i.V.m. § 12 NWattNPG) daran gehindert, diesen in örtlicher und zeitlicher Hinsicht uneingeschränkt im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ auszuüben. Der Schutzbereich dieser Norm ist somit eröffnet.

Der Sport des Kitesurfens gehört nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung. Er kann daher durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, sofern dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 921/85 -, juris Rn. 64 sowie BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2000 - 6 CN 3.99 -, juris Rn. 27). Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne. Geschützt ist damit nicht nur ein begrenzter Bereich der Persönlichkeitsentfaltung, sondern jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. Abgesehen von einem absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung, welcher der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist, ist die allgemeine Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken des zweiten Halbsatzes von Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet und steht damit insbesondere unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Rechtsordnung. Stützt sich ein die Handlungsfreiheit berührender Akt der öffentlichen Gewalt auf eine Rechtsnorm, so ist zu prüfen, ob diese Norm zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört, d.h. formell und materiell mit den Normen der Verfassung in Einklang steht (BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 921/85 -, juris Rn. 62). In materiell-rechtlicher Hinsicht bietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Maßstab, nach dem die allgemeine Handlungsfreiheit eingeschränkt werden darf (siehe auch Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 13. Auflage 2014, Art. 2 Rn. 96). D.h. der Grundrechtseingriff muss geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein.

Bei der Prüfung der Angemessenheit sind zunächst die Auswirkungen des Eingriffs in die Rechtsgüter der Betroffenen zu erheben. Dabei ist die Art und Schwere der Beeinträchtigung festzustellen. Auch ist relevant, unter welchen Voraussetzungen und wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Sodann muss die Bedeutung des Eingriffs für das mit ihm verfolgte Ziel ermittelt werden. Es geht um den Rang des zu schützenden Rechtsguts und um die Intensität seiner Gefährdung. Weiter sind die Eingriffsschwelle und die geforderte Tatsachenbasis bedeutsam. Zudem ist zu klären, wie sehr das Ziel durch den Eingriff gefördert wird. Schließlich sind die genannten Befunde in eine Abwägung einzustellen, wobei die verfolgten Zwecke umso gewichtiger sein müssen, je mehr in das fragliche Rechtsgut eingegriffen wird (Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 13. Auflage 2014, Art. 20 Rn. 86a m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Davon ausgehend ist die hier von den Klägern beanstandete Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG auch materiell verfassungsgemäß. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Art und Schwere der Beeinträchtigung als geringfügig darstellt. Den Klägern ist es keineswegs verboten, im Gebiet des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ dem Kitesurfsport nachzugehen. Von dem grundsätzlichen Verbot des Kitesurfens wurden von der Beklagten für insgesamt 17 Flächen vor der Festlandküste und vor den meisten Inseln gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG Befreiungen erteilt. So wurden mit Bescheid vom 17. April 2014 für zwei Flächen in der Zwischenzone des Nationalparks an der W. des Landkreises C. in den Bereichen D. und W. und mit Bescheid vom 21. Mai 2014 für zwei Flächen in der Zwischenzone an der Küste vor C. in den Bereichen S. und D. (K.) Befreiungen vom Verbot des § 12 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG zur Nutzung für das Kitesurfen erteilt. Die Befreiung gilt für die Flächen in den Bereichen D., W. und D. im Zeitraum vom 1. April bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres. In allen Bereichen ist das Kitesurfen in der Zeit drei Stunden vor bis drei Stunden nach Hochwasser erlaubt. Für die Fläche C./S. gilt die Befreiung sogar ganzjährig (vgl. Bescheid vom 21. Mai 2014). Die freigegebenen Flächen haben einen erheblichen Umfang. Allein die Flächen D. und W. haben einen Gesamtumfang von ca. 280 ha. Bei dieser Sachlage ist festzustellen, dass es den Klägern an der gesamten Nordseeküste und insbesondere in den von ihnen ausdrücklich genannten Gebieten ohne weiteres möglich ist, dem Kitesurfsport in substantieller Weise nachzugehen.

Die gleichwohl verbleibenden Einschränkungen in örtlicher und zeitlicher Hinsicht sind in hinreichender Weise verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die vom Gesetzgeber vorgegebene Konzeption (repressives Verbot des Kitesurfens mit Befreiungsmöglichkeit nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BNatSchG) und die dem folgende Verwaltungspraxis (tatsächliche Erteilung von Befreiungen in 17 Fällen) ist geeignet, das Ziel des NWattNPG (vgl. § 2 NWattNPG: Beachtung der Erhaltungsziele) zu erreichen. Die Regelungskonzeption ist auch erforderlich. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seines Einschätzungsspielraums davon ausgehen, dass weniger einschneidende Regelungen nicht gleich wirksam sein werden.

Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ergibt sich aus § 2 NWattNPG, der den Schutzzweck umschreibt. Danach soll in dem Nationalpark die besondere Eigenart der Natur und Landschaft der Wattregion vor der niedersächsischen Küste einschließlich des charakteristischen Landschaftsbildes erhalten bleiben und vor Beeinträchtigungen geschützt werden. Die natürlichen Abläufe in diesen Lebensräumen sollen fortbestehen. Die biologische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten soll erhalten werden. Die Flächen des Nationalparks sind, von Ausnahmen abgesehen, Europäisches Vogelschutzgebiet. Die Flächen des Nationalparks sind im Grundsatz zudem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiet). Im Hinblick auf die wertbestimmenden Vogelarten und die Erhaltungsziele ergeben sich nähere Angaben aus Anlage 5 zum NWattNPG. Erhaltungsziele sind danach (vgl. Anlage 5, IV., 4.) störungsarme Nahrungs-, Rast- und Mausergebiete für die im Einzelnen genannten Vogelarten.

Sollen störungsarme Lebensräume bzw. störungsarme Nahrungs-, Rast- und Mausergebiete für die einzelnen geschützten Vogelarten erhalten bleiben, ist der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit berechtigt, störende Einflüsse zu unterbinden und auf diese Weise die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG einzuschränken.

Auch wenn es zutrifft, dass die bis dahin bestehenden Regelungen in der Verordnung über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ vom 13. Dezember 1985 (Nds. GVBl. S. 533) ohne inhaltliche Änderung in das NWattNPG überführt wurden (vgl. Landtagsdrucksache 14/610, Seite 19), durfte der Landesgesetzgeber von einer grundsätzlichen Störwirkung (definiert als äußere Einwirkung, die sich negativ auf das Energie- und/oder Zeitbudget eines Tieres auswirken können) des Drachensteigenlassens ausgehen. Insbesondere im Gesetzgebungsverfahren, das schließlich zur Ergänzung des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG führte, hat eine eingehende Verbandsbeteiligung stattgefunden. Es haben bei den Anhörungen am 8. Januar 2010, am 11. Januar 2010 und am 13. Januar 2010 16 Verbände vorgetragen (Niedersächsischer Landtag, Stenografische Bericht vom 16. Februar 2010, Seite 6). Die fachlichen Zusammenhänge, von denen der Gesetzgeber offenbar bei Schaffung bzw. Änderung von § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG ausging, werden zudem durch die in das vorliegende Verfahren eingeführten Unterlagen bestätigt.

Aus dem Gutachten „Auswirkungen des Kite- und Windsurfens auf Rastvögel an der W. im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer an den Standorten D. und W.“, das im Auftrag der Beklagten von der Firma BIOS (Gutachten für ökologische Bestandsaufnahmen, Bewertungen und Planung) erarbeitet und im Januar 2013 vorgelegt wurde, ergeben sich entsprechende Feststellungen. Dieses Gutachten geht selbstverständlich davon aus, dass vom Kitesurfen eine Störwirkung ausgeht. Gegenstand der Untersuchung war dementsprechend auch die Frage, ob die ausgewiesenen Kite- und Surfzonen ausreichend bemessen gewesen sind, um den Schutz der Vögel und ihres Lebensraums sicherzustellen (Seite 14 des Gutachtens). Nichts spricht nach diesem Gutachten dafür, dass rastende Vögel gänzlich unbeeindruckt von Kitesurfern bleiben. So überrascht es nicht, dass im Untersuchungszeitraum im Untersuchungsgebiet Störungen festgestellt wurden (Seite 37 des Gutachtens). Weiter heißt es, die Auswertung der Beobachtungen und Messungen belegten, dass die Aktivitäten von Kite- und Windsurfern insbesondere für Wasservögel im Einwirkungsbereich von bis zu 400 m ein hohes Störpotential darstellten. Aber auch empfindliche Watvögel wie der Große Brachvogel könnten im Bereich von Hochwasserrastplätzen schon bei Annäherungen auf 300 m gestört werden. Dabei seien keine nennenswerten Unterschiede zwischen Kitern und Windsurfern festzustellen gewesen. Ein in Stellungnahmen z. B. vom Wattenrat unterstellter zusätzlicher Zugdracheneffekt habe nicht beobachtet werden können. Anscheinend sei ähnlich wie bei Wasserfahrzeugen die Geschwindigkeit von Kitern und Windsurfern der wesentliche Faktor für frühzeitiges Auslösen von Stör- und Fluchtreaktionen. Bei geringen Geschwindigkeiten und bei Aufenthalten in vorbelasteten Räumen seien anscheinend die Reaktionen und damit die Stör- und Fluchtdistanzen herabgesetzt, möglicherweise auch aufgrund von Gewöhnungseffekten (Seite 41 des Gutachtens). Weiter heißt es, die Stichproben belegten eine nahezu ganzjährige Nutzung mit hohem Störpotential (Seite 45 des Gutachtens).

An anderer Stelle wird ausgeführt, innerhalb der ausgewiesenen Kite- und Surfzone seien keine nennenswerten Störungen der Rastvögel durch Kiter und Windsurfer festgestellt worden. Der Puffer zu Hochwasserrastplätzen sei insgesamt als ausreichend anzusehen (Blatt 46 des Gutachtens). Auch aus diesen Ausführungen können die Kläger nichts für sich herleiten. Denn die Feststellungen betreffen lediglich die ausgewiesenen Kitezonen. Dort ist das Kiten dementsprechend erlaubt. Die sachverständige Äußerung verhält sich aber nicht dazu, ob das Kitesurfen überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit störungsfrei möglich wäre.

Weiter (Seite 47 des Gutachtens) heißt es, die bestehende Kite- und Surfzone solle im Bereich der Buhne einen Puffer von 300 m berücksichtigen. Insofern sei hier eine dem Gastvogelschutz Rechnung zu tragende Anpassung der Abgrenzung erforderlich. Aus diesen Ausführungen ergibt sich ebenfalls, dass der Kitesurfsport grundsätzlich geeignet ist, Störungen herbeizuführen und dass aus naturschutzfachlicher Sicht ein Abstand zwischen den geschützten Vogelarten und den Kitesurfern einzuhalten ist.

Auch der Abschlussbericht des Büros für Ökologie und Landschaftsplanung (M. B.) „Auswirkungen des Kite-Surfens vor U. auf die Brut- und Rastvögel im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer“ vom August 2010, das von der Gemeinde Krummhörn in Auftrag gegeben wurde, bestätigt im Kern eine Störwirkung. Dort (Seite 34 des Berichts) ist ausgeführt, dass es bisher in der Literatur keine Veröffentlichungen zu den Auswirkungen von Kitesurfern auf die Vogelwelt gebe. Außer allgemeinen Aussagen zu Störungen durch Kiter existierten keine konkreten Belege über die Auswirkungen auf verschiedene Arten bzw. keine Angaben über mögliche Fluchtdistanzen. Soweit es auf Seite 43 des Berichts heißt, es habe jedoch an keinem Termin eine Fluchtreaktion beobachtet werden können, die von den Kitern ausgelöst worden sei, mag dies der Sache nach zutreffen, hilft den Klägern aber nicht weiter. Denn diese Beobachtung bezieht sich auf Umstände, bei denen die im Untersuchungsgebiet festgelegten Abstände eingehalten wurden. Im Weiteren wird aber auch in diesem Bericht die potentielle Störwirkung bestätigt. Auf den Seiten 46 und 47 wird von einem Versuch berichtet, einen Kitesurfer so nahe an eine Schillbank heranfahren zu lassen, bis sich Reaktionen der Vögel zeigen. Im Gutachten heißt es:

„Da keine Störwirkungen der Vögel durch die Kiter festgestellt werden konnte, wurde in Absprache mit der Nationalparkverwaltung der Versuch gewagt, einen Kitesurfer so nahe an die Schillbank heranfahren zu lassen, bis sich Reaktionen der Vögel zeigen. Dieser Versuch wurde am 14. November 2009 um 9.00 gestartet. Dabei fuhr Kitelehrer Wicht über Funk gelenkt immer dichter an die Schillbank heran. Als eine Entfernung von ca. 100 m erreicht war, flogen die ersten 40 - 50 Austernfischer kurz auf und landeten etwa 100 m weiter wieder. Danach wurde der Versuch abgebrochen, um keine größeren Störungen zu provozieren.“

Auch wenn es sich um eine Einzelbeobachtung handelt, ist aus Sicht der Kammer damit die potentielle Störwirkung hinreichend belegt. Wenn es an anderer Stelle (Seite 53 des Berichts) heißt, dass eine Fluchtreaktion bei einigen Vögeln bei einer Entfernung von 100 m von einem Kiteschirm nicht beobachtet werden konnte, stellt dies die Richtigkeit des bisherigen Befundes nicht durchgreifend in Zweifel. Bei dieser Sachlage stellt sich allenfalls die Frage, ob die Grenzen der Kitesurfzonen zutreffend festgelegt wurden. In dieser Hinsicht ist den Klägern allerdings entgegenzuhalten, dass der Beklagten bei der Abgrenzung der Kitesurfzonen ein gewisser Gestaltungsspielraum zuzugestehen ist, der auch die Einrichtung von Pufferzonen zulässt (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 29. November 2016 - 4 KN 93/14 -, juris Rn. 45).

Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass im Rahmen dieser von ihnen vorgelegten Studien keine wesentlichen Störungen auf Vögel festgestellt wurden, wird damit nach Auffassung der Kammer gerade die Rechtmäßigkeit der tatsächlichen Verwaltungspraxis der Beklagten bestätigt. Denn diese Studien waren Teil eines begleitenden Monitorings. Die Gutachten wurden im Rahmen einer Erfolgskontrolle begleitend zu Befreiungsverfahren in Auftrag gegeben. Sinn und Zweck der Begutachtungen war gerade, festzustellen, ob die bereits von der Beklagten für unbedenklich gehaltenen Flächen unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten tatsächlich unbedenklich sind. Keineswegs ergibt sich aus den genannten Gutachten, dass eine Störwirkung auszuschließen ist. Die insoweit von den Klägern zitierten Ausführungen in den Studien bestätigen, dass Pufferzonen erforderlich sind und dass die Pufferzonen in den konkret untersuchten Gebieten hinreichend bemessen gewesen sind.

Die potentielle Störwirkung des Kitesurfens ist bereits damit hinreichend belegt. Aber auch andere Quellen bestätigen die referierten Ergebnisse. Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein („Erfassung und Bewertung seewärtiger Störungen in Ostsee - Naturschutzgebieten“, Seite 4, Stand: Januar 2010) führt aus:

„Da die Kiteboards auch im flachsten Wasser, also z. B. unmittelbar an der Uferkante, bewegt werden können, können sich die Drachen durchaus und nicht selten über der Küste/dem Strand befinden und üben damit z. B. auf strandbrütende oder -rastende Vögel eine relativ größere Scheuchwirkung aus.“

Zudem kann sich die Kammer auf die Schrift von K. „Zum Einfluss von Kitesurfen auf Wasser- und Watvögel - eine Übersicht“ (Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, 1/2016) stützen. In dieser Arbeit wertete K. insgesamt 17 Studien aus, in denen die Auswirkungen des Kitesurfens auf die Vogelwelt in Schutzgebieten untersucht wurden. Im Einzelnen:

In einer Arbeit von S. (The Effect of Kite Surfing on Water Roosts at West Kirby, Dee Estuary, 2004) kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass bei Anwesenheit von Kitesurfern deutlich weniger Austernfischer im Gebiet als bei deren Abwesenheit gewesen seien, dass mehrfach alle Rastvögel im Gebiet durch Kitesurfer vertrieben worden seien und vor allem, dass dann, wenn Kitesurfer entlang des Rastplatzes segelten, mit hoher Wahrscheinlichkeit alle Arten und Individuen den gesamten Rastplatz geräumt hätten und schließlich, dass starke Störungen auch dann noch stattgefunden hätten, wenn die Kitesurfer noch am Strand gewesen seien und auf die Tide gewartet hätten.

In einer Arbeit aus dem Jahr 2006 (Verdaat, Gebiedsgebruik gedrag en verstoring van Roodkeelduikers (Gavia stellata) in de Voordelta) führt der Verfasser aus, dass insbesondere in Küstennähe Kite- und Windsurfen regelmäßig zu stärkeren Störungen von Sterntauchern, die jeweils aufgescheucht wurden und davon flogen, geführt hätten.

Auch B. kommt in einer Studie aus dem Jahr 2009 (Distribution, disturbance and birds movement during a spring tide and kite surfing period at Ruakaka Estuary, 10 - 15 March 2009) zu dem Schluss, dass vom Kitesurfen Störreize ausgehen.

In einer Studie aus dem Jahr 2011 von L., C., W. und F. wurde festgestellt, dass das Kitesurfen zu den Aktivitäten zählte, die für die Mehrzahl der major flights (ein Auffliegen der Rastvögel und Ortswechsel von mehr als 50 m) verantwortlich war.

Eine weitere Untersuchung von L. und F. aus dem Jahr 2011 zeigte, dass ein einzelner Kitesurfer eine Reihe von Rast- und Nahrungsplätzen beeinträchtigen kann und dass eine räumliche Festlegung für die Ausübung des Kitesports die Störwirkung reduzieren würde.

L. kommt in einer Studie aus dem Jahr 2012 zu dem Ergebnis, dass vom Kitesurfen Störungen ausgehen und dass etwa 40 % der von Kitesurfern ausgehenden Störreize in major/long flights oder zum Verlassen des Rastgebiets führte.

In einer Arbeit von V. und K. aus dem Jahr 2013 erklären die Verfasser, dass die Auswirkungen bzw. die Störwirkung von Kitesurfing auf anwesende Vögel groß ist und dass bei Anwesenheit von Kitesurfern große Anteile der anwesenden Vögel auffliegen und vertrieben werden.

B., D., F. und S. kommen in einer Studie aus dem Jahr 2013 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Kitesurfen Störereignisse verursacht.

H. (Kitesurfen und Vogelschutz. Eine Untersuchung der Situation am Kitespot und Naturschutzgebiet „Grüner Brink“ auf der Insel Fehmarn) vertritt in einer Diplomarbeit aus dem Jahr 2013 die Meinung, dass von Kitesurfern grundsätzlich keine Bedrohung ausgehe und dass sich die Vögel auch unter Anwesenheit von Kitesurfern sicher fühlten und schließlich, dass die Vögel die Kites nicht als Bedrohung wahrnähmen. Allerdings ist insoweit darauf hinzuweisen, dass auch in dieser Untersuchung Störereignisse durch Kitesurfer dokumentiert sind und dass jeweils auch gewisse Abstände zwischen den Vögeln und den Kitesurfern bestanden haben. Insoweit wird von der Beklagten aber auch nicht bestritten, dass es ab einem bestimmten Abstand zwischen Kitesurfern und Vögeln nicht mehr zu Störereignissen kommt.

B. und P. kommen in einer weiteren Arbeit aus dem Jahr 2009 zu dem Ergebnis, dass wohl eingebetete oder gelenkte Freizeitnutzung im Untersuchungsgebiet nicht zu einer negativen Beeinflussung der rastenden Watvögel führe und dass das Kitesurfen substantielle Auswirkungen auf Pfuhlschnepfen und Knutts habe.

A., D., J., N., H. und H. vertreten in einer Studie aus dem Jahr 2011 ebenfalls die Meinung, dass ein Konfliktpotential zwischen Kitesurfern und ziehenden Vögeln vor allem im Herbst bestehe.

V. R., K. und S. kommen in einer Studie aus dem Jahr 2006 zu dem Ergebnis, dass auf dem offenen Wasser fast alle dort befindlichen Vögel bei Annäherung einer Gruppe von 15 Kitesurfern geflüchtet seien und dass die ersten Individuen bereits deutlich vor Eintreffen/Passieren der Kitesurfer aufgeflogen seien.

J. kommt in einer Studie aus dem Jahr 2008 zu dem Ergebnis, dass Kitesurfen erheblichen Einfluss auf die Raumnutzung von Schwänen habe.

In einer weiteren Arbeit von J. aus dem Jahr 2011 wurde beispielsweise festgestellt, dass an 39,5 % der Untersuchungstage alle in der Kitezone anwesenden Vögel verschiedener Arten durch Kitesurfer sämtlich verscheucht worden seien.

Schließlich kommen K. und S. in einer Studie („Überprüfung der Thurgauer Kitesurfzone am Bodensee“) zu dem Ergebnis, dass während des Kitesurfbetriebs kaum Wasservögel gesehen werden konnten und dass sich an Tagen ohne Kitesurf-Aktivitäten dem hingegen bis 600 Individuen verschiedener Vogelarten in der Kitezone aufhielten.

Vor diesem Hintergrund kommt K. zu folgender Zusammenfassung:

„Beim Kitesurfen handelt es um eine noch junge Freizeitaktivität, die erst gegen Ende der 1990er Jahre aufkam und in vielen Gebieten erst Anfang der 2000er Jahre erstmalig ausgeübt wurde. Recht schnell wurde offenbar, dass Kitesurfen bei Vögeln als Verhaltensantwort mindestens ebenso starke (Flucht-)Reaktionen wie Windsurfen auslöst. Dennoch liegen bis dato nur wenige Untersuchungen zum konkreten Einfluss von Kitesurfing auf Vögel vor. Diese Arbeit bietet eine Gesamtschau über die bislang zu diesem Thema verfassten Studien und deren Ergebnisse und versucht auf dieser Basis zu einer synoptischen Betrachtung der Auswirkungen von Kitesurfen auf Vögel zu gelangen.

Das für die Auswertung zusammengetragene Material umfasst 17 Studien aus fünf Nationen (Deutschland, England, Niederlande, Neuseeland, Schweiz). Davon beschreiben zwölf die Auswirkungen von Kitesurfing auf Vögel in Küstenlebensräumen, eine Studie beleuchtet die Auswirkungen auf über der offenen See ziehende Vögel und vier Untersuchungen stammen von großen Binnengewässern. Zehn der 17 Studien wurden durchgeführt, um sich in einem Gebiet explizit der Störwirkung von Kitesurfen zu widmen, die sieben übrigen Studien betrachten jeweils alle im Gebiet auftretenden anthropogenen Störreize, worunter auch Kitesurfen fällt.

Bei fast allen Studien handelt es sich um unveröffentlichte Gutachten, also graue Literatur, eine Arbeit ist bei einer Fachzeitschrift zur Publikation eingereicht und wurde vorab zur Verfügung gestellt.

Allein durch diese Eckdaten wird klar, dass es sich um sehr heterogenes Material handelt, zumal auch keine einheitliche Methode zur Ermittlung der Auswirkungen von Störreizen angewendet wurde. Es galt insofern einerseits aus der Vielzahl der aus den verschiedenen Studien gewonnenen Informationen die allgemeingültigen bzw. übertragbaren und dabei belastbar erscheinenden Erkenntnisse herauszuziehen und andererseits auch die präsentierten Extremdaten hinsichtlich des Konfliktpotenzials zu interpretieren.

Die Ergebnisse der Studien lassen sich hinsichtlich einer Störwirkung von Kitesurfen auf Vögel und Vogellebensräume wie folgt zusammenfassen:

- Ganz allgemein und im Vergleich mit anderen anthropogenen Störungen ist bei Freizeitaktivitäten, bei denen es sich um Wassersport und dabei wiederum um Kitesurfen handelt, die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie auf Vögel als Störreiz wirken und einen großen Einfluss auf einen erheblichen Anteil der Vögel vor Ort haben, indem diese weite Flüge durchführen oder das Gebiet ganz verlassen.

- An Tagen mit Kitesurf-Aktivitäten in einem bestimmten Gebiet bzw. auf einem Gewässer waren in der Regel deutlich weniger Rastvögel anwesend (bzw. vielfach keine mehr), als an Tagen, an denen keine Kitesurfer aktiv waren, ein indirekter, aber klarer Beleg für den Scheuch- bzw. Störeffekt des Kitesurfens, der sich auf die Raumnutzung von Vögeln auswirkt.

- Planmäßige Vorher-Nachher-Zählungen belegen, dass vor Beginn von Kitesurf-Aktivitäten in einem bestimmten Gebiet bzw. auf einem Gewässer deutlich mehr Vögel anwesend waren, als währenddessen bzw. kurz danach (dann vielfach sogar keine mehr). Ursächlich dafür ist die beobachtete Scheuch- bzw. Störwirkung des Kitesurfens.

- Dies gilt auch für tidebeeinflusste Nahrungsflächen im Watt, in denen sich Vogelbestände durch auflaufendes Wasser natürlicherweise verlagern und dadurch oft schon bereits vor Beginn der Aktivitäten in einer Kitezone größtenteils verschwunden sind, die verbliebenen Vögel dann aber durch das Kitesurfen verdrängt werden.

- Kitesurfen stellt - wie alle anderen Störquellen auch - einen artspezifisch unterschiedlich stark wirksamen Stimulus dar, d. h. es gibt Arten die allgemein stark auf Kitesurfen reagieren und auf vergleichsweise große Distanz Alarmverhalten zeigen oder flüchten, andere Arten wiederum tolerieren Kitesurf-Aktivitäten selbst in relativ geringer Entfernung.

- Losgelöst von Effektdistanzen, artspezifischen und individuellen Empfindlichkeiten etc. hat Kitesurfen das Potenzial, je nach Situation alle anwesenden Rastvögel in einem Gebiet aufzuscheuchen und zu vertreiben.

- Je nach Lage der Rast- und Nahrungsflächen kann bereits ein einzelner Kitesurfer, der einen bestimmten Bereich intensiv befährt, diesen Effekt hervorrufen.

- Nur ein Teil der aufgescheuchten Vogelarten und -individuen kehrt gewisse Zeit nach Beendigung der Kitesurf-Aktivitäten wieder an den Rastplatz bzw. in das Nahrungsgebiet zurück. Selbst einen Tag nach dem Störreiz waren die Bestände oft noch nicht wieder so groß wie vor dem Ereignis.

- Die Effektdistanzen und Störwirkungen sind dann besonders groß, wenn sich Kitesurfer außerhalb der für die Ausübung ihrer Sportart vorgesehenen Bereiche aufhalten.

- Kitesurfing in dafür vorgesehenen Zonen wirkt sich in Abhängigkeit von den artspezifischen Alarm- und Fluchtdistanzen der anwesenden Vögel auch über die Grenzen der Zonen hinaus negativ auf die Raumnutzung von Vögeln aus.

- Losgelöst von Effektdistanzen, artspezifischen und individuellen Empfindlichkeiten wirkt Kitesurfen nicht nur störend auf rastende Vögel, sondern auch auf fliegende/ziehende Vögel. Diese reagieren meist mit Um- oder Überfliegen, bei scheuen Arten vereinzelt auch mit deutlichen Kurswechseln bzw. Zugrichtungsänderungen.

- Kitesurfing führt durch seine Störwirkung zu einer Reduzierung der den Vögeln für die Nahrungssuche zur Verfügung stehenden Fläche und Zeit. An der Küste verschärft sich dieser Effekt zusätzlich dadurch, dass für viele Watvögeln die Nahrungssuche tidebedingt ohnehin nur räumlich und zeitlich begrenzt möglich ist.

- Kommt es in einem Gebiet neben Kitesurfen gleichzeitig zu anderen Störreizen freizeitbedingter Art, summiert sich die Störwirkung und ist dann meist erheblich.

- Allerdings ist in bestimmten Gebieten die Vorbelastung durch andere freizeitbedingte Störungen (Windsurfen, Bootsverkehr, Spaziergänger usw.) so groß, dass die durch Kitesurfen ausgelösten Effekte scheinbar nicht mehr so stark ins Gewicht fallen. Sie sind dann kaum noch oder gar nicht mehr messbar, weil schlicht keine oder nur noch wenige Vögel anwesend sind.

- Gewöhnungseffekte gegenüber Kitesurfing wurden nicht festgestellt. Dies wird durch die Qualität der Störquelle „Kitesurfen" an sich (schnell, Kurswechsel etc., keine festen Fahrwege) als auch durch die Tatsache erklärt, dass es sich bei den Vögeln oft um nur jeweils kurze Zeit in den Gebieten anwesende Gastvögel handelt.

- Es deutet sich an, dass Vögel offener Wasserflächen (offene See, Binnenseen) gegenüber Kitesurfern höhere Fluchtdistanzen besitzen, als Vögel, die sich an (semi-) terrestrischen Rastplätzen aufhalten oder im Watt nach Nahrung suchen.

- Zumindest aus den niedersächsischen Gutachten ergeben sich kaum Hinweise auf negative Auswirkungen von Kitesurfen auf Brutvögel. Dies kann bedeuten, dass in den Küsten-Brutvogellebensräumen Störungen durch andere Aktivitäten bereits so groß sind, dass sich dort ohnehin nur noch wenige bis keine oder nur vergleichsweise tolerante Arten ansiedeln. Es kann aber auch ein Hinweis darauf sein, dass die in den Untersuchungsgebieten zumeist zu den Kitezonen bereits bestehenden Puffer wirksam sind. Denn aus anderen Ländern wird sehr wohl explizit auf die Störwirkung von Kitesurfern auf Strandbrüter hingewiesen, was lokal zu zeitlich befristeten Verboten oder zu Best-Practice-Richtlinien bzw. zur Veröffentlichung von Verhaltensregeln geführt hat.

- Bezüglich der Störwirkung des Kitesurfens im Vergleich mit anderen wassergebundenen Freizeitaktivitäten wird Kitesurfen lediglich von motorbetriebenen, schnell fahrenden Booten, die gleichzeitig starken Lärm verursachen übertroffen. Folgende Reihenfolge der Störwirkung ergibt sich: Speedboote und Jet-Ski > Kitesurfen > Windsurfen > kleine Schiffe, Motorboote und Segelboote > Ruderboote, Kanus und Kajaks.

Die hier zusammengestellten Ergebnisse von Untersuchungen über die Störwirkung von Kitesurfen ergeben ein klares Erfordernis für den Schutz von wertvollen Lebensräumen für Wasser- und Watvögel vor Kitesurfen. Durch die Daten ist belegt, dass eine ungeregelte Ausübung des Kitesurfens den Erhaltungszustand der jeweiligen Vogellebensräume sowie der darin vorkommenden Arten und Lebensgemeinschaften erheblich beeinträchtigen würde. Folgerichtig ist das Kitesurfen vielerorts bereits gänzlich untersagt oder auf bestimmte, oft außerhalb der wertvollen Lebensräume gelegene Zonen begrenzt, für die weitere Vorgaben die Ausübung steuern. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist dies ein unabdingbares Erfordernis, insbesondere in Küstenlebensräumen.“

Dieser Sichtweise schließt sich die Kammer an, zumal die Kläger diesen Ausführungen nicht substantiell entgegen treten. Entgegen ihrer Behauptung handelt es sich durchweg um empirische Untersuchungen, die K. auswertete (und die von den Klägern zum Teil selbst vorgelegt wurden). Angesichts dessen spielt es keine Rolle, ob K. Mitarbeiter einer Landesbehörde und Mitglied im NABU (gewesen) ist. Soweit die Kläger K. vorwerfen, er habe die Zahlen aus der Studie von Krijgsveld et al. (2008) teilweise fehlerhaft wiedergegeben, mag das zutreffen, ändert aber nichts an dem in dieser Studie gefundenen Ergebnis.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage, ob das Kitesurfen an der Nordseeküste Störwirkungen auslöst, war danach nicht geboten.

Nach § 86 Abs. 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben. Erfordert die Tatsachenfeststellung besondere Sachkunde, darf ohne Zuziehung von Sachverständigen nur entschieden werden, wenn das Gericht nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen selbst über die nötige Sachkunde verfügt und dies für die Beteiligten nachvollziehbar darlegt. Allerdings kann es bereits eingeholte und/oder von den Beteiligten vorgelegte Sachverständigengutachten verwerten. In diesem Fall ist es zum Einholen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nur verpflichtet, wenn die vorgelegten Gutachten an offen erkennbaren Mängeln oder unlösbaren Widersprüchen leiden, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht. Ein Mangel in diesem Sinne liegt unter anderem vor, wenn die vorgelegten Gutachten im Hinblick auf die beweiserhebliche Frage unvollständig sind oder wenn ihre Ergebnisse durch neues beweiserhebliches Vorbringen eines Beteiligten ernsthaft erschüttert werden (BVerwG, Beschluss vom 30. September 2010 - 8 B 15.10 -, juris Rn. 4).

Sowohl die von den Klägern vorgelegten Studien als auch die von K. ausgewerteten Arbeiten belegen - wie gezeigt - hinreichend deutlich, dass das Kitesurfen grundsätzlich geeignet ist, Störwirkungen auf die im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ besonders geschützten Vogelarten zu haben. Weiteren Klärungsbedarf zeigen die Kläger insoweit nicht auf. Einer Beweisaufnahme bedurfte es angesichts der insoweit eindeutigen Ergebnisse nicht.

Danach ist hinreichend nachgewiesen, dass vom Kitesurfen eine Störwirkung ausgehen kann. Örtliche und zeitliche Einschränkungen sind daher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, zumal die Beklagte Befreiungen zulässt und in einzelnen Gebieten das Kitesurfen erlaubt, um auf diese Weise im Rahmen der so möglichen Feinsteuerung den verfassungsrechtlichen Anforderung gerecht zu werden und einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Kläger einerseits und den Schutzzwecken des NWattNPG andererseits zu ermöglichen.