Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 09.07.2014, Az.: 4 A 4403/11

öffentlich rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch; Unterhaltungspflicht; Unterlassungsanspruch

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.07.2014
Aktenzeichen
4 A 4403/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42567
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Eigentümer eines Gewässers dritter Ordnung ist über seine wasserrechtliche Unterhaltungspflicht hinaus dafür verantwortlich, dass von seinem Gewässer keine schädigenden Beeinträchtigungen für die Nachbargrundstücke ausgehen.

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, die Böschung des Grabens „Schanze“ entlang des Grundstücks der Klägerin so zu befestigen, dass die Böschung nicht mehr abbricht und keine weiteren Baugrundverformungen und Bauschäden auf dem Grundstück der Klägerin mehr entstehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Sanierung eines Entwässerungsgrabens.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks E., das mit einem Einfamilienhaus und einer Doppelgarage bebaut ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Abrundungssatzung der Beklagten vom 07.04.83. Es grenzt im Süden an das im Eigentum der Beklagten stehende Flurstück 525/478, über das der Graben „An der Schanze“ - ein Gewässer dritter Ordnung - verläuft, das 1859 als Entwässerungsgraben mit einer Sollbreite von 4,60 m angelegt wurde. Das 1983 baugenehmigte Wohnhaus der Klägerin hält zum Graben-grundstück einen Abstand von 6,00 m, die 1990 genehmigte Doppelgarage einen Abstand von 3,50 m. Zwischen Wohnhaus und Graben befindet sich eine an das Wohnhaus angebaute Terrasse mit seitlicher Abmauerung.

Im Oktober 2007 ließ die Beklagte durch die Stadtwerke GmbH Unterhaltungsmaßnahmen an dem Graben durchführen. Seit Frühjahr 2008 stellte die Klägerin auf ihrem Grundstück Abrutschungen fest. Der südliche Begrenzungszaun ist auf ganzer Länge abgerutscht, Terrassentreppe und Terrassenwand sind eingerissen und das Terrassenfundament ist gebrochen. Die Klägerin führt diese Schäden auf unsachgemäße Unterhaltungsmaßnahmen am Entwässerungsgraben zurück. Die Schanze sei 2007 zu tief, zu steil und im unteren Bereich zu breit ausgebaggert worden.

Mit Schreiben vom 03.07.08 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Schanze so herzustellen, wie es den Erfordernissen entspreche. Dieses Begehren lehnte die Stadtwerke GmbH unter Verweis auf die Ansicht ihrer Versicherung ab: Zaun, Terrasse und Gebäude seien - wenn auch bauordnungsrechtlich korrekt - zu nah am Gewässer errichtet worden.

Einen gegen die Stadtwerke GmbH und den beauftragten Unternehmer gerichteten Amtshaftungsanspruch wies das Landgericht Hildesheim mit Urteil vom 03.03.10 ( 5 O 176/09) ab, da die Stadtwerke GmbH nicht hoheitlich gehandelt habe und nicht festgestellt werden könne, dass die Grabenräumungsarbeiten fehlerhaft durchgeführt worden seien. Die Entscheidung wurde rechtskräftig.

Seit dem 13.12.13 nimmt die Klägerin die Beklagte vor dem LG Hildesheim auf Schadenersatz in Anspruch. Dieses Verfahren (5 O 204/13) ist derzeit noch anhängig.

Anfang 2011 beauftragte die Klägerin die Prof. Dr.-Ing- Stoll & Partner Ingenieurgesellschaft mbH mit einer grundlegenden geo- und bautechnischen Untersuchung. Das unter dem 08.08.11 vorgelegte und zum 30.06.14 fortgeschriebene Gutachten, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, führt die Schäden am Grundstück der Klägerin darauf zurück, dass die Nordböschung der Schanze nicht den Bodenbedingungen angepasst sei. Sie sei zu steil für die vorhandenen tonigen, locker bis mitteldicht gelagerten Bodenverhältnisse. Zur Sanierung schlägt der Gutachter vor, weitere Unterhaltungsmaßnahmen zunächst vollständig zu unterlassen, Spundwände oder L-Profile in die Nordböschung einzubauen, den Graben voll zu verrohren oder ihn auf die andere Seite des weiter südlich verlaufenden Wirtschaftsweges zu verlegen.

Die Behebung der bereits entstandenen Gebäudeschäden hält der Gutachter erst nach einer Sanierung des Entwässerungsgrabens für sinnvoll. Diese Auffassung bestätigt der Gutachter unter dem 30.06.14: Die Absenkungen schritten fort. Auf die nur geringen Aushubarbeiten beim Hausbau der Klägerin oder eine unzureichende Gründung könnten sie nicht zurückgeführt werden.

Am 14.10.11 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren nach einer grundsätzlichen Grabensanierung weiter verfolgt. Die Beklagte sei die zur Unterhaltung der Schanze verpflichtete Körperschaft und hätte die 2007 durchgeführten Grabenräumungsmaßnahmen besser überwachen müssen. Die Schäden an ihren Baulichkeiten seien auf unsachgemäße Grabenräumung zurückzuführen. Das Sachverständigengutachten belege, dass einfaches Aus- und Tieferbaggern angesichts der vorliegenden Geologie gerade keine geeigneten Unterhaltungsmaßnahmen seien. Ihr Wohnhaus und ihre Garage seien baugenehmigt und hielten die Grenzabstände ein. Die Zaunanlage stehe selbstverständlich auf der Grenze. Zudem seien die nördlich der Schanze gelegenen Nachbargrundstücke ebenfalls von Geländeabrutschungen betroffen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Entwässerungsgraben An der Schanze auf der Höhe ihres Grundstücks so wieder herzustellen und zu unterhalten, dass die Böschung zwischen dem Graben und ihrem Grundstück nicht mehr abbricht und auf ihrem Grundstück keine weiteren Baugrundverformungen und Bauschäden entstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den Klageantrag für zu unbestimmt und kann nicht ersehen, woher die Klägerin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Durchführung bestimmter Sanierungsmaßnahmen herleiten könnte. Außerdem habe der von ihr beauftragte Unternehmer die Grabenräumung sach- und fachgerecht ausgeführt. Er habe lediglich Schlamm und Wurzelwerk aus dem Graben gehoben und dabei weder das Grabenprofil vertieft noch die Grabenwand steiler gemacht. Wenige Tage nach Durchführung der Grabenräumung sei es zu extrem starken Regenfällen gekommen, so dass ein Düker an der Schanze habe geöffnet werden müssen. Infolge der starken Strömung sei das Ufer dann an einigen Stellen - nicht aber auf dem Grundstück der Klägerin - abgesackt. Die erst vier Jahre nach Durchführung der Grabenräumung festgestellten Schäden könnten nicht auf die Unterhaltungsmaßnahmen zurückgeführt werden. Sie beruhten vielmehr darauf, dass die Klägerin ihre Terrasse unzulässig nah an der Grenze errichtet und ihr Grundstück aufgefüllt habe.

Die Kammer hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Örtlichkeit in Augenschein genommen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist für die Streitsache insgesamt der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Sanierungsbegehren handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, jedenfalls soweit die Klägerin ihr Begehren auf Bestimmungen der Wassergesetze oder das Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungs- bzw. Abwehranspruchs stützt. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auch zu prüfen, ob das Klagebegehren seine rechtliche Grundlage im - privatrechtlichen - Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB finden kann. Denn nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG hat das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden.

Im Übrigen ist das Klagebegehren als allgemeine Leistungsklage zulässig. Es scheitert insbesondere nicht am fehlenden Rechtsschutzbedürftnis. Denn die Klägerin hat ihr Sanierungsbegehren vorprozessual mit Schreiben vom 03.07.08 gegenüber der Beklagten geltend gemacht und die Beklagte hat sich insoweit rügelos in der Sache eingelassen.

Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die entlang ihrer Grundstücksgrenze verlaufende Nordböschung der Schanze in einer Weise saniert, die weitere Abrutschungen auf ihrem Grundstück verhindert.

Diesen Anspruch kann sie jedoch nicht aus der der Beklagten obliegenden Gewässerunterhaltungspflicht nach § 61 NWG (§ 39 WHG) ableiten. Bei dem Entwässerungsgraben „An der Schanze“ handelt es sich um ein Gewässer dritter Ordnung i. S. d. § 40 NWG, das im Eigentum der Beklagten steht. Die Beklagte ist als Eigentümerin der Schanze zu deren Unterhaltung verpflichtet, § 40 Abs. 1 Satz 1 WHG i. V. m. § 69 Abs. 1 Satz 1 NWG. Die Unterhaltungspflicht obliegt dem Pflichtigen jedoch als öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit und nicht als Erfüllung einer privaten Dritten gegenüber bestehenden Rechtspflicht mit der Folge, dass ein klagebegründender Rechtsanspruch der Klägerin auf (ordnungsgemäße) Erfüllung dieser Pflicht nicht besteht (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 14.12.73 - IV C 50.71, Juris).

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ihr Sanierungsbegehren auch nicht auf einen öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruchs der Folgen einer im Jahre 2007 - wie sie meint: unsachgemäß - durchgeführten Grabenräumung gestützt werden.

Ein derartiger Anspruch, der entweder unmittelbar aus Verfassungsrecht (Art. 20 Abs. 3, Art. 14 Abs. 1 GG) oder aus der analogen Anwendung des § 1004 BGB hergeleitet wird, kann dem Nachbarn eines Gewässers zustehen, wenn aufgrund der Verletzung wasserrechtlicher Unterhaltspflichten konkrete Eingriffe in das durch Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Eigentum drohen oder bereits eingetreten sind (BVerwG, Urt. v. 14.12.73, a. a. O. ; BayVGH, Urt. v. 26.06.07 - 22 ZB 07.214; VGH Bad.-Württ. Urt. v. 29.04.93 - 8 S 2834/92 -; HessVGH, Urt. v. 26.02.97 - 7 UE 2907/94 -: jeweils Juris). Die Voraussetzungen dieses Anspruchs liegen jedoch nicht vor.

Die Kammer kann bereits nicht erkennen, dass die Beklagte mit der im Jahre 2007 durchgeführten Grabenräumung ihre Unterhaltungspflicht verletzt hätte. Nach § 61 Abs. 1 NWG, der für Niedersachsen die rahmenrechtliche Regelung des § 39 Abs. 1 WHG ersetzt (§ 61 Abs. 1 Satz 4 NWG; Reffken/Elsner, NWG, § 61 Rn 8), umfasst die Unterhaltung eines Gewässers seinen ordnungsgemäßen Abfluss sowie seine Pflege und Entwicklung. Nach § 61 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 NWG gehören zu den Maßnahmen der Gewässerunterhaltung insbesondere die Reinigung, die Räumung, die Freihaltung und der Schutz des Gewässerbetts einschließlich seiner Ufer. Nach § 39 Abs. 2 WHG ist die Gewässerunterhaltung an den Bewirtschaftungszielen nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG auszurichten und darf die Erreichung dieser Ziele nicht gefährden. Sie muss den Anforderungen entsprechen, die das Maßnahmenprogramm nach § 82 WHG an sie stellt, der Erhaltung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts Rechnung tragen sowie Bild und Erholungswert der Gewässerlandschaft berücksichtigen. Die Unterhaltungspflicht dient somit wasserwirtschaftlichen Belangen und der Erfüllung wasserwirtschaftlicher Anforderungen. Sie ist damit ihrem Umfang nach nicht als umfassende Verantwortung für einen in jeder Hinsicht gefahrlosen Zustand des Gewässers einschließlich seiner Ufer ausgestaltet (vgl. OVG NRW, B.v. 9.6.2011 - 20 B 151/11 - ZfW 2012, 46).

Nach diesen Vorgaben ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei der 2007 durchgeführten Grabenräumung entlang der Grenze zum Grundstück der Klägerin ihre Unterhaltungspflicht verletzt hätte. Die Beklagte hat - unstreitig - Räumungsarbeiten durchführen lassen, in deren Verlauf in der Schanze Schlamm und Bewuchs samt Wurzelwerk mit einem Bagger herausgehoben wurden. Diese Maßnahmen dienten dem Ziel, den ordnungsgemäßen Wasserabfluss zu gewährleisten und die Wasseraufnahmekapazität der Schanze auch für Hochwasserzeiten zu erhöhen. Sie orientierten sich an wasserwirtschaftlichen Belangen und sind damit im Hinblick auf die Erfüllung wasserwirtschaftlicher Anforderungen nicht zu beanstanden.

Zudem besteht zwischen den 2007 durchgeführten Unterhaltungsmaßnahmen und den von der Klägerin geltend gemachten Abrutschungen auf ihrem Grundstück nicht der zur Begründung eines Folgenbeseitigungsanspruchs erforderliche unmittelbare Kausalzusammenhang (zu diesem Erfordernis vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 13.07.05 - 13 LC 16/03 -, Juris). Denn nach den von den Beteiligten substantiiert nicht in Frage gestellten Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Breier sind die Abrutschungen auf dem Grundstück der Klägerin nicht unmittelbar auf die 2007 durchgeführten Räumarbeiten zurückzuführen (siehe S. 22 - 24 des 2011 vorgelegten Gutachtens), sondern vielmehr auf eine nicht den Bodenbedingungen angepasste Grabengeometrie der Schanze. Danach ist die zum Grundstück der Klägerin gelegene 40° steile Nordböschung grundsätzlich zu steil für die Bodenverhältnisse. Nördlich der Schanze befindet sich nach den vom Sachverständigen vorgenommenen Sondierungen nicht der für die Gegend übliche feste Verwitterungslehm, sondern eine 1,5 m bis 2,0 m mächtige lockerere Aufschüttung, die sich bei Hochwasser in der Schanze mit Wasser vollsaugt und ins Rutschen gerät (vgl. Anlage 5 zum 2011 vorgelegten Gutachten). Dieses Grundproblem wird mit zunehmender Verkrautung des Grabens (die Böschung wird durch den Pflanzenbewuchs flacher und durch das Wurzelwerk fester) immer weniger relevant, lebt aber mit jeder Grabenräumung wieder auf. Für ein dauerhaft stabiles Gleichgewicht hält der Sachverständige eine Böschung mit einem Neigungswinkel < 30° für erforderlich (S. 22 des 2011 vorgelegten Gutachtens).

Kann das Sanierungsbegehren der Klägerin somit nicht auf einen an die Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht anknüpfenden Folgenbeseitigungsanspruch gestützt werden, kann die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage dahinstehen, ob im Jahre 2007 ordnungsgemäß geräumt wurde.

Der Anspruch der Klägerin auf Sanierung der Böschung entlang ihrem Grundstück ergibt sich jedoch aus  § 1004 Abs. 1 BGB. Danach ist der Eigentümer eines Grundstücks (Zustandsstörer) verpflichtet, von seinem Eigentum ausgehende Beeinträchtigungen des Eigentums Anderer zu beseitigen bzw. zu unterlassen. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Beklagte ist Zustandsstörer i. S. d. § 1004 Abs. 1 BGB. Denn sie ist Eigentümerin des Gewässergrundstücks, über das die Schanze verläuft. Dass es sich bei diesem Grundstück um ein Gewässergrundstück handelt, stellt die Störereigenschaft der Beklagten nach Auffassung der Kammer nicht in Frage.  „Eigentum“  nach den Vorschriften des NWG meint Privateigentum i. S. d. BGB; öffentliches Eigentum am Gewässer kennt das niedersächsische Recht im Gegensatz etwa zum baden-württembergischen Recht nicht (Reffken/Elsner, NWG, § 41 Rn 3). Die Beklagte hat daher grundsätzlich, wie jeder andere Grundstückseigentümer auch, dafür Sorge zu tragen, dass von ihrem Grabengrundstück keine Störungen für die Nachbargrundstücke ausgehen.

Durch die der Beklagten obliegende öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht wird die Eigentümerverantwortung für den Zustand des Grabengrundstücks nicht eingeschränkt. Aus der Beschränkung des Umfangs der Unterhaltungslast auf die Erhaltung und Pflege eines ordnungsmäßigen Gewässerzustandes für den Wasserabfluss lässt sich nicht folgern, dass der Gewässereigentümer im Übrigen von der allgemeinen ordnungsrechtlichen Verpflichtung, sein Eigentum in einem störungsfreien Zustand zu erhalten, ausgenommen sei. Sinn und Ziel aller Vorschriften des Wasserhaushaltsrechts ist nämlich ein möglichst umfassender Schutz des Wassers und eine Förderung des Wasserhaushalts. Dem widerspräche es, die zur Unterhaltungspflicht getroffenen Regelungen als Ausschluss der ordnungsrechtlichen Verantwortung des Eigentümers zu verstehen (so BVerwG, Urt. v.  29.10.82 - 4 C 4/80 -, Juris).

Entgegen der Auffassung der Beklagten werden die Abrutschungen auf dem Grundstück der Klägerin durch den nicht ordnungsgemäßen Zustand des Gewässergrundstücks verursacht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen beruhen sie auf dem den Bodenverhältnissen nicht angepassten Ausbau der Schanze; sie können insbesondere nicht auf Auffüllungen zurückgeführt werden, die die Klägerin selbst auf ihrem Grundstück im Zuge der Errichtung ihres Wohnhauses vorgenommen hätte. Die von der Klägerin vorgelegten Fotos aus der Bauphase ihres Wohnhauses dokumentieren lediglich kleinere Anfüllungen rund um das Haus, nicht aber flächenhafte Aufschüttungen mit einer Mächtigkeit von 1 m bis 2 m. Diese auf dem gesamten Grundstück der Klägerin festgestellten Aufschüttungen sieht der Sachverständige Dipl.-Ing. Breier als historisch an und führt sie auf die Entstehungszeit der Schanze zurück. Dies erscheint der Kammer plausibel und wird von der Beklagten auch nicht ernstlich in Frage gestellt. Denn nach dem der Errichtung der Schanze zugrunde liegenden Rezess vom 09.04.1859 war die beim Grabenaushub anfallende Erde nach beiden Seiten gleichmäßig zu verteilen (§ 17 des Rezesses). Nach dem von dem Sachverständigen erstellten Bodenprofil (Anlage 5 zum 2011 vorgelegten Gutachten) ist dies im Bereich des Grundstücks der Klägerin entlang der Nordböschung der Schanze erfolgt, um überhaupt einen funktionsfähigen Entwässerungsgraben herstellen zu können. Ohne Auffüllung hätte die Oberkante der Nordböschung nämlich gut 1 m tiefer gelegen als die Südböschung mit der Folge, dass das nördlich an die Schanze angrenzende Gelände regelmäßig unter Wasser stünde, da dieses Gelände nach den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nach Norden hin entwässert. Damit ist aber auch die sich auf dem Grundstück der Klägerin befindliche Aufschüttung notwendiger Bestandteil der nördlichen Grabenböschung.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Klägerin habe ihre Baulichkeiten unzulässig nah an der Schanze errichtet. Wohnhaus, Garage und Terrasse der Klägerin halten - das ist zwischen den Beteiligten unstreitig - die Abstandsvorschriften der NBauO ein; die Umzäunung verläuft naturgemäß entlang der Grundstücksgrenze. Mit einer besonderen Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf den an seiner Grenze verlaufenden Entwässerungsgraben ist das Grundstück der Klägerin nach Auffassung der Kammer nicht belastet. Die Abrundungssatzung der Beklagten vom 07.04.83 weist es vollständig als Bauland aus, nicht überbaubare Flächen oder gar Überschwemmungsbereiche hat die Beklagte entlang der Schanze nicht festgesetzt.

Die Klägerin ist auch nicht verpflichtet, die Beeinträchtigung ihres Grundstücks durch die 40° steile Nordböschung der Schanze zu dulden, § 1004 Abs. 2 BGB. Der Vortrag der Beklagten, die Schanze sei bereits weit vor dem Grundstückserwerb durch die Klägerin dagewesen, führt insoweit nicht weiter. Denn hinsichtlich des derzeitigen Ausbauzustandes der Schanze kann sich die Beklagte nicht auf eine Bestandsschutz vermittelnde Genehmigung berufen.

Ein Böschungsneigung und Tiefe der Schanze festlegender wasserrechtlicher Planfeststellungsbeschluss, der nach § 68 Abs. 1 WHG grundsätzlich auch für Ausbaumaßnahmen an einem Gewässer dritter Ordnung erforderlich ist (vgl. Reffken/Elsner, NWG, § 108 Rn 2), liegt nicht vor. Bei der Region Hannover als nach §§ 129 Abs. 1, 127 Abs. 2 NWG i. V. m. § 3 Abs. 3 NKomVG zuständiger unterer Wasserbehörde existieren keinerlei Unterlagen über die Schanze.

Der Rezess vom 09.04.1859 kann als Genehmigung des derzeitigen Ausbauzustands der Schanze ebenfalls nicht herangezogen werden. Denn mit diesem Dokument wird nur die Lage des Gewässers und seine Breite von 1 Ruthe (= 4,67 m) festgelegt. Zur Tiefe der Schanze oder zu den Böschungsneigungen verhält sich der Rezess nicht ausdrücklich. Konkludent mitgenehmigt war damals somit allenfalls eine den örtlichen Gegebenheiten angemessene Grabengeometrie, also ein Graben mit Böschungswinkeln < 30°. Diesen Zuschnitt weist die Schanze nach den Feststellungen des Sachverständigen an ihrer Nordböschung aber gerade nicht auf. Ob die Tiefe der Schanze - wie die Beklagte meint - durch die Verrohrungen der Straßenüberführung vorgegeben ist, kann dahinstehen. Denn die Beklagte konnte auch für den Straßenausbau keine Bestandsschutz vermittelnden Unterlagen vorlegen. Zudem gibt die Tiefe eines Grabens nicht zwingend dessen Böschungsneigung vor.

Der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen ihres Grundstücks ist auch nicht verjährt. Beruht nämlich die geltend gemachte Beeinträchtigung nicht nur auf einer natürlichen Fortwirkung einer beeinträchtigenden Einwirkung, sondern auf einer Wiederholung gleichartiger Rechtsverletzungen, wird jeweils ein neuer - selbständiger - Unterlassungsanspruch ausgelöst (vgl. BGH, Urt. v. 26.01.07 - V ZR 175/ 06 -, Juris m. w. N.). So liegt es hier. Die Abrutschungen auf dem Grundstück der Klägerin beruhen nicht in erster Linie auf der 2007 erfolgten Grabenräumung, sondern auf der den Bodenverhältnissen nicht angepassten Gestaltung der Nordböschung der Schanze. Daher führt jede gravierende Veränderung des Wasserstandes in der Schanze zu erneuten Beeinträchtigungen in das Grundstückseigentum der Klägerin.

Letztlich hat die Beklagte auch selbst erkannt, dass der derzeitige Ausbauzustand der Schanze den Erfordernissen nicht mehr vollständig entspricht. So gab es in den Jahren 2011/12 Planungen des Realverbandes zur Entlastung der Schanze, die jedoch nicht weiter verfolgt wurden. Dort war zur „Befestigung der abgängigen Böschung in der Ortslage von Haimar“ die Errichtung einer Gabionenwand vorgeschlagen worden (vgl. Beiakte K). Nichts anderes verlangt jetzt die Klägerin.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO. Gründe nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.