Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 17.07.2014, Az.: 2 A 6123/13
Antrag einer Lehrerin auf Erstattung eines Sachschadens für eine beschädigte Brille
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 17.07.2014
- Aktenzeichen
- 2 A 6123/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 38223
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2014:0717.2A6123.13.0A
Rechtsgrundlagen
- BG § 83 Abs 1
- BG ND § 104 Abs 1 S 1
- BG ND § 83 Abs 3 S 1
Amtlicher Leitsatz
Anträge auf Sachschadensersatz sind innerhalb eines Monats auf dem Dienstweg zu stellen. Lehrkräfte und Landesbedienstete an Schulen wahren diese Frist, wenn sie den Antrag innerhalb eines Monats bei der Schulleitung einreichen.
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Schadensersatz für die Beschädigung ihrer Brille in Höhe von 535,00 Euro zu leisten sowie diesen Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2013 zu verzinsen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist als Lehrerin an einer Grundschule in D. beschäftigt. Sie begehrt die Erstattung eines Sachschadens für ihre beschädigte Brille.
Am 16.05.2013 wurde die Gleitsichtbrille der Klägerin beim Geräteabbau im Sportunterricht, den sie leitete, beschädigt. Ein Brillenglas war gebrochen, das andere stark zerkratzt, das Gestell der Brille jedoch reparabel. Die beschädigte Brille ließ die Klägerin beim Optiker reparieren. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 535,00 €. Am 31. 05.2013 reichte die Klägerin eine schriftliche Sachschadensanzeige auf dem dafür vorgesehen Formblatt bei dem Schulsekretariat ihrer Grundschule ein und beantragte Erstattung ihres Schadens. Die Schadensanzeige wurde am 04.06.2013 von der Schulleitung unterzeichnet und am 28.06.2013 von der Schulsekretärin an die Beklagte weitergeleitet. Dort ging die Anzeige am 01.07. 2013 ein.
Nach Anhörung der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.07.2013 den Antrag der Klägerin auf Erstattung des Sachschadens ab. Zur Begründung verwies sie darauf, die Monatsfrist des § 83 Abs. 3 NBG zur Einreichung von Anträgen auf Erstattung beschädigter Gegenstände sei von der Klägerin nicht eingehalten worden, da der Antrag erst nach dem Fristende bei ihr als Dienstvorgesetzter eingegangen sei. Bei dieser Frist handele es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, welche bindend sei und der Behörde kein Ermessen einräume. Die Klägerin hätte den Antrag direkt an sie richten müssen; außerdem hätte sich die Klägerin bei der Schulleitung nach dem Bearbeitungsstatus erkundigen müssen, um so einer Fristversäumnis entgegen zu wirken. Mangelnde Rechtskenntnis gehe zu Lasten der Klägerin.
Mit Schreiben vom 05.08.2013 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass auch eine von dieser beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 32 Abs. 5 VwVfG nicht möglich sei.
Die Klägerin hat am 20.08.2013 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt:
Sie sei angewiesen worden, den Antrag auf dem Dienstweg einzureichen. Dem sei sie nachgekommen. Sie habe den Antrag bei der Schulleitung rechtzeitig eingereicht. Dieser sei ohne ihr Verschulden verspätet an die Beklagte weitergeleitet worden. Weil sie an Herzrhythmusstörungen gelitten habe, sei es ihr nicht zumutbar gewesen, sich nach dem Verbleib des Antrages zu erkundigen. Es habe auch keine Nachforschungspflicht bestanden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.07.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Schadensersatz für die Beschädigung ihrer Brille in Höhe von 535,00 Euro zu zahlen sowie diesen Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2013 zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Antrag auf Erstattung des Sachschadens habe nicht bei der Schulleitung, sondern bei ihr als zuständiger Stelle und Dienstvorgesetzter gestellt werden müssen. Es handele sich bei der Monatsfrist des § 83 NBG um eine gesetzliche Ausschlussfrist, von der im vorliegenden Fall nicht abgewichen werden könne. Die Klägerin habe trotz Erkrankung ausreichend Zeit für fristgerechte Maßnahmen gehabt.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass auf ihrer Homepage Hinweise zu dem Verfahren bei Beantragung von Sachschadensersatz veröffentlicht seien, in denen es wörtlich heiße:.
"Das bedeutet für Lehrkräfte und Landesbedienstete an Schulen....,
dass ihre Anträge auf Sachschadenserstattung innerhalb der Monatsfrist über die Schulleitung..... bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde eingehen müssen. Die Antragstellerinnen und Antragsteller haben für den rechtzeitigen Eingang bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde eigenverantwortlich Sorge zu tragen - die Abgabe des Antrags bei dem Schul- bzw. Studienseminarsekretariat innerhalb der Monatsfrist reicht nicht aus."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Über die Klage entscheidet der Einzelrichter, dem der Rechtstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO übertragen worden ist.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung des Sachschadens i.H.v. 535,00 € für ihre am 16.05.2013 beschädigte Gleitsichtbrille. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17.07.2013, mit dem eine Erstattung abgelehnt wurde, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 83 Abs. 1 NBG. Danach kann dem Beamten auf Antrag Ersatz geleistet werden, wenn in Ausübung oder infolge des Dienstes, ohne dass ein Dienstunfall eingetreten ist, Gegenstände, die üblicherweise zur Wahrnehmung des Dienstes mitgeführt werden, beschädigt worden sind. Gem. § 83 Abs. 3 S. 1 NBG ist der Antrag auf Leistung innerhalb eines Monats nach Eintritt des Schadens schriftlich zu stellen. Nach Ablauf dieser gesetzlichen Ausschlussfrist ist Sachschadensersatz ausgeschlossen.
Die Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 NBG liegen vor. Die Gleitsichtbrille der Klägerin ist im Rahmen des Sportunterrichtes beim Geräteabbau am 16.05.2013 und damit in Ausübung des Dienstes beschädigt worden. Die Brille gehört auch zu den Gegenständen, die üblicherweise zur Wahrnehmung des Dienstes mitgeführt werden. Auf der Grundlage der Schilderung des Hergangs in der Sachschadensanzeige vom 04.06.2013 gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, weil die Brille durch die unabsichtliche Handlung eines Schülers beim Geräteabbau beschädigt wurde.
Der Antrag ist auch innerhalb der Monatsfrist des § 83 Abs. 3 Satz 1 NBG gestellt worden. Der Schaden ist am 16.05.2013 eingetreten. Der Antrag musste deshalb bis zum 16.06.2013 gestellt werden. Diese Frist hat die Klägerin eingehalten. Ihre Sachschadensanzeige vom 31.05. 2013 ist im Sekretariat ihrer Schule am 04.06.2013 und damit innerhalb der Monatsfrist eingegangen.
Dass der Antrag erst nach Ablauf der Monatsfrist die für die Bearbeitung von Ansprüchen auf Sachschadensersatz zuständige Beklagte erreichte, ist unschädlich und steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Die Klägerin hat sich so verhalten, wie es die Vorschriften des Niedersächsischen Beamtengesetzes von ihr verlangen. Nach § 104 Abs. 1 NBG war sie verpflichtet, bei der Antragstellung den Dienstweg einzuhalten. Darauf weist auch das amtliche Formular für die Sachschadensanzeige hin. Sie war deshalb gehalten, die Sachschadensanzeige nicht direkt an die sachlich zuständige Beklagte zu richten, sondern bei der Schulleitung der Grundschule als ihre Vorgesetzte i.S.d. § 3 Abs. 3 NBG einzureichen. Die Beschäftigungsstelle hat nach dem amtlichen Formular die Richtigkeit der Angaben des Geschädigten zu prüfen und ggf. zu bestätigen, bevor die Anzeige weitergeleitet wird. Die Klägerin musste damit zwei Vorschriften befolgen, um ihren Anspruch auf Sachschadensersatz zu sichern. Zum einen war sie verpflichtet, den Antrag innerhalb eines Monats nach dem Schadensereignis zu stellen, zum anderen musste sie den Dienstweg einhalten. Beide gesetzlichen Vorgaben hat sie beachtet.
Der Umstand, dass die Sachschadensanzeige erst nach Ablauf der Monatsfrist von ihrer Beschäftigungsstelle an die Beklagte weitergeleitet wurde, ist unschädlich. Verzögerungen auf dem Dienstweg können nicht zu Lasten des Beamten gehen, weil diese außerhalb seines Einfluss- und Verantwortungsbereichs liegen. Dies verkennt die Beklagte auch in ihren Hinweisen auf ihrer Homepage, wenn sie verlangt, die Antragsteller müssten für den rechtzeitigen Eingang der Anträge bei ihr eigenverantwortlich Sorge tragen, die Abgabe des Antrags bei dem Schul- bzw. Studienseminarsekretariat innerhalb der Monatsfrist reiche nicht aus. Eine derartige "Nachforschungspflicht" bzgl. des Verbleibs des Antrages lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und erscheint aus vielerlei Gründen nicht praktikabel.
Die Höhe des Erstattungsanspruchs ergibt sich aus der Reparaturrechnung des Optikers vom 30.05.2013, die Bestandteil des Verwaltungsvorgangs ist.
Die Klägerin kann vom Beklagten die Zahlung von Zinsen aus 535,- Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem Folgetag der Rechtshängigkeit (vgl. § 187 Abs. 1 BGB), dem 21.08.2011, verlangen. Dieser Anspruch folgt aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB über die Gewährung von Prozesszinsen. Die Regelungen des bürgerlichen Rechts über die Zubilligung von Prozesszinsen sind auch im öffentlichen Recht sinngemäß anwendbar, soweit das einschlägige Fachrecht - wie hier - keine gegenteilige Regelung trifft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Das Gericht hat die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es bedarf im Hinblick auf den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegen Ausdruck ihrer Homepage im Interesse der Lehrkräfte und Landesbediensteten an Schulen grundsätzlicher Klärung, wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie einen Antrag auf Sachschadensersatz stellen wollen.