Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 30.11.2016, Az.: 9 A 27/16

gegenseitige Anerkennung; Pflanzenschutzmittel; Pflanzenschutzrecht; zonale Zulassung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
30.11.2016
Aktenzeichen
9 A 27/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43373
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das zonale Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel und die gegenseitige Anerkennung erteilter Zulassungen beruhen auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens. Jedenfalls solange sich nicht aufdrängt, dass der Referenzmitgliedstaat das Zulassungsrecht systematisch verletzt, besteht im Anerkennungsverfahren kein Raum für eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Referenzzulassung.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 18. August 2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 30. Juli 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung.

Unter dem 30.07.2015 beantragte die in der F. G. ansässige Klägerin, unter Beteiligung eines Consulting-Unternehmens, bei der Beklagten die Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung für das Pflanzenschutzmittel „H.“. Es handelt sich hierbei um ein Herbizid, das den Wirkstoff „I.“ in einer Konzentration von 100 g/l enthält. Dieser Wirkstoff wurde am 31.10.2003 in den Anhang I der EU-Richtlinie 91/414/EWG aufgenommen und als genehmigter Wirkstoff am 25.05.2011 in der VO (EG) Nr. 540/2011 gelistet. Die Wirkstoffzulassung ist bis zum 31.07.2017 gültig. Der Antrag wurde für das Anwendungsgebiet „Mais“ gestellt. Die dem Antrag beigefügten Unterlagen übermittelte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 05.08.2015. In der Bundesrepublik Deutschland ist von der Beklagten ein anderes, vergleichbares Pflanzenschutzmittel für ein anderes Unternehmen zugelassen worden. Diese, ursprünglich am 31.05.2016 endende deutsche Zulassung, wurde von der Beklagten zwischenzeitlich bis zum 28.02.2017 verlängert. Das vergleichbare Pflanzenschutzmittel ist am 18.02.2005 auch bereits im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (im Folgenden: Vereinigtes Königreich) zugelassen worden. Das Pflanzenschutzmittel, für welches die Klägerin eine Zulassung begehrt, ist das generische Pendant zu diesem Mittel.

Für das hier streitgegenständliche Präparat wurde der Klägerin durch das Vereinigte Königreich am 15.06.2015 eine pflanzenschutzrechtliche Zulassung erteilt, die bis zum 31.01.2019 Gültigkeit besitzt. Diese Zulassung bezog sich ebenfalls auf das Anwendungsgebiet „Mais“. Die Zulassungserteilung im Vereinigten Königreich erfolgte auf Basis der Daten aus dem Zulassungsverfahren des Originalproduktes im Vereinigten Königreich aus dem Jahr 2005. Eigene Studien reichte die Klägerin im Rahmen des Zulassungsverfahrens nicht ein. Kommentierungsmöglichkeiten für andere Mitgliedstaaten waren zum damaligen Zeitpunkt noch nicht etabliert. Die Behörden des Vereinigten Königreiches nahmen im Rahmen des Zulassungsverfahrens im Jahr 2015 zum Teil auf ihre Bewertung im Rahmen der Zulassung des Originalproduktes Bezug.

Am 19.10.2015 wandte sich die Beklagte per E-Mail an die Behörden des Vereinigten Königreiches und bat diese um Übersendung des Bewertungsberichts (Registration Report - RR), da sie diesen auf der zum Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehenden Online-Plattform „CIRCABC“ nicht auffinden könne. Die zuständige Behörde des Vereinigten Königreiches teilte der Beklagten daraufhin mit, dass auf CIRCABC nur Teil A und C des Registration Reports zur Verfügung stünden. Die Beklagte wandte sich sodann mit Schreiben vom 21.10.2015 an die Klägerin und bat um Klarstellung, ob die Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel im Vereinigten Königreich gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt worden sei und ob es seinerzeit einen Kommentierungsaufruf für die anderen Mitgliedstaaten gegeben habe. Des Weiteren informierte die Beklagte die Klägerin, dass dem Zulassungsantrag kein Dossier beigefügt worden sei und das Vereinigte Königreich als Referenzmitgliedstaat lediglich die Teile A und C des Registration Reports auf CIRCABC zur Verfügung gestellt habe. Eine Rückmeldung der Klägerin erfolgte daraufhin nicht.

Es erging im Folgenden zunächst keine Entscheidung der Beklagten über den Zulassungsantrag der Klägerin.

Die Klägerin hat daher am 29.03.2016 Untätigkeitsklage erhoben. Das Umweltbundesamt hat sein Einvernehmen mit Schreiben vom 08.06.2016 verweigert, im Wesentlichen mit der Begründung, dass die vorgelegten Unterlagen wegen Unvollständigkeit/Nichtnachvollziehbarkeit (kein Dossier, kein vollständiger Bewertungsbericht) nicht im Hinblick auf die spezifischen ökologischen oder landwirtschaftlichen Bedingungen, die bei Anwendung des Pflanzenschutzmittels „H.“ in der Bundesrepublik zu berücksichtigen seien, geprüft hätten werden können. Es sei daher nicht feststellbar, inwieweit für die zur Anerkennung beantragten Anwendungen dieses Produktes - dem Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 folgend - zum Ausgleich von Unterschieden in den spezifischen Bedingungen, die Festsetzung anderer, für das Risikomanagement in Deutschland als praktikabel erachteter Anwendungsbestimmungen, notwendig sei. Ohne die Möglichkeit der Prüfung des Vorliegens der Bedingungen für die Anwendung von Art. 36 Abs. 3 der Verordnung könne auch nicht bestätigt werden, dass das streitgegenständliche Mittel bei Anwendung in den zur  Anerkennung beantragten Indikationen in der Bundesrepublik den Voraussetzungen nach Art. 29 Abs. 1, insbesondere im Hinblick auf den Schutz des Grundwassers und des Naturhaushalts, genüge. Das Julius-Kühn-Institut hat mit Schreiben vom 27.05.2016 im Rahmen des Benehmensverfahrens, ebenso wie das Bundesinstitut für Risikobewertung im Mai 2016, eine negative Stellungnahme erteilt, da mangels Vorliegens des Part B des Registration Reports nicht beurteilt werden könne, ob die Bewertung nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik durchgeführt wurde.

Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel mit Bescheid vom 18.08.2016 abgelehnt. Zur Begründung hat die Beklagte im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht möglich sei, die vom Vereinigten Königreich vorgenommene Zulassung in der Bundesrepublik anzuerkennen, da von den dortigen Behörden diverse Verfahrensvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht beachtet worden seien. Da die verschärften Verfahrensanforderungen aber gerade die Voraussetzung für die erleichterte Anerkennung hätten sein sollen, müsse im Umkehrschluss gelten, dass bei Nichtbeachtung des Verfahrensrechts eine Anerkennung im Grundsatz nicht möglich sei. Die Zulassung im Vereinigten Königreich basiere nicht auf Studien der Antragstellerin, sondern auf dem Verweis auf Unterlagen des Originalherstellers für das Originalprodukt. Auf die vom Vereinigten Königreich im Februar 2005 erteilte Zulassung dieses Mittels und die damit einhergehende fachliche Bewertung werde auch in der Zulassung für das hier streitgegenständliche Mittel verwiesen. Hieraus ergebe sich, dass die Zulassungsbehörde des Referenzmitgliedstaates keinen Part B des Registration Reports zur Verfügung habe stellen können, da eine erneute Bewertung nicht stattgefunden habe. Nach alledem sei keine Bewertung nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik gegeben, da die Zulassung im Vereinigten Königreich auf Unterlagen aus dem Jahr 2005 beruhe und zudem die nach diesem Zeitpunkt erlassenen Leitlinien im Rahmen des aktuellen Bewertungsverfahrens nicht berücksichtigt worden seien. Auch habe für die Bundesrepublik faktisch keine Möglichkeit bestanden, vor Zulassungserteilung etwaige Bedenken zu äußern. Durch das Fehlen des Parts B des Bewertungsberichts, der insofern nicht dem festgelegten Format entspreche, könne auch keine Prüfung vorgenommen werden, ob Ablehnungsgründe nach Art. 36 Abs. 3 der Verordnung vorliegen. Ablehnungsgründe ergäben sich zudem bereits in formeller Hinsicht, da ein vollständiges Dossier bzw. eine Kurzfassung von der Klägerin nicht vorgelegt worden sei. Ebenfalls mangele es an einem vollständigen Bewertungsbericht.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 12.09.2016 Widerspruch gegen den genannten Bescheid eingelegt, im Folgenden aber erklärt, die Klage unter Einbeziehung des Ablehnungsbescheides als Verpflichtungsklage fortführen zu wollen.

Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin folgendes vor: Sie rügt zunächst den Ablauf der Entscheidungsfrist von 120 Tagen seit ihrem Antrag vom 30.07.2015. Sie führt darüber hinaus im Wesentlichen aus, die Beklagte besitze im Rahmen des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung keine über die Prüfung der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hinausgehende Prüfungskompetenz gegenüber der im Referenzmitgliedstaat zuständigen Zulassungsbehörde für die dort erteile Zulassung. Es sei für eine weitergehende Prüfungskompetenz bereits keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Auch nach der Systematik der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 komme dem anerkennenden Mitgliedstaat keine weitergehende Prüfungskompetenz der Zulassungsentscheidung des Referenzmitgliedstaates zu. Hiernach seien die anerkennenden Mitgliedstaaten verpflichtet, die Zulassung gemäß der Bewertung des Referenzmitgliedstaats zu erteilen. Die einzige Ausnahme von dieser Regelungssystematik enthalte Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, auf den in Art. 41 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verwiesen werde. Die Beklagte habe sich aber nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Norm berufen oder entsprechende Feststellungen getroffen. Es liege weder von der Beklagten noch von einer der deutschen Beteiligungsbehörden eine Stellungnahme dazu vor, dass es in Deutschland gegenüber den Bedingungen im Vereinigten Königreich überhaupt einen berechtigten Grund zu der Annahme gebe, dass spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen gegenüber den Bedingungen in dem Referenzmitgliedstaat unannehmbare Risiken für die Gesundheit oder die Umwelt bedeuten könnten. Dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ergäbe sich zudem bereits aus der Tatsache, dass die Beklagte die ursprünglich zum 31.05.2016 endende Zulassung für das Originalpräparat zwischenzeitlich verlängert habe. Dies wäre bei unannehmbaren Risiken nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei die Vorschrift des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 landesbezogen auszulegen. Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Vorliegens dieser Voraussetzungen liege bei der nationalen Zulassungsbehörde des anerkennenden Mitgliedstaates. Da der Referenzmitgliedstaat am 15.06.2015 - mithin auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 - eine Zulassungsentscheidung getroffen habe, sei diese auch von der Beklagten anzuerkennen. Seit Erteilung der Zulassung im Vereinigten Königreich genieße sie Vertrauensschutz, dass sie ihre Zulassung auch in allen beteiligten Mitgliedstaaten derselben Zone für weitere Zulassungen nutzen könne. Wenn ein Mitgliedstaat der Annahme sei, dass seitens des Referenzmitgliedstaates fundamentale rechtliche Vorgaben nicht beachtet wurden, so müsse er dies im Rahmen seiner Beteiligungsrechte vorbringen. Sofern sich der Referenzmitgliedstaat dennoch fehlerhaft verhalten sollte, stehe es der Beklagten frei, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten und die Kommission zu informieren. Weiter führt die Klägerin aus, die von ihr vorgelegten Dokumente, die aus dem Jahr 2005 datierten, seien im Hinblick auf die streitgegenständliche Zulassung ausreichend. Zu ihren Gunsten sei festzustellen, dass die Zulassungsbehörde des Referenzmitgliedstaates bei der Prüfung des Antrags auf Zulassung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels die vorgelegten Unterlagen aus dem vorherigen Zulassungsverfahren des Originalmittels für ausreichend erachtet habe. Es sei seitens des Referenzmitgliedstaates nicht ausgeschlossen, zum Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung in 2015 Unterlagen zu verwenden, die aus 2005 datierten, zumal die Zulassungsbehörde des Vereinigten Königreiches die Unterlagen aus 2005 als dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend betrachtet habe. Der Referenzzulassungsbehörde komme ein weiter Ermessensspielraum bei der Frage zu, welche Unterlagen sie für die Zulassung als ausreichend erachtet. Auch insofern komme der Beklagten keine Kompetenz zu, zusätzliche Unterlagen zu fordern oder die Grundlage der Bewertung nochmals zu überprüfen. Die Beklagte sei insofern an die Bewertung der Unterlagen durch den Referenzmitgliedstaat gebunden und habe nur die Unterlagen aus dem prüfenden Mitgliedstaat zu verwerten. Aus Sicht des Gesetzgebers seien zudem grundsätzlich auch Unterlagen verwertbar, die bereits zehn Jahre alt oder älter sind, da anderenfalls die Regelung in Art. 34 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 überflüssig sei. Es bestehe kein Automatismus bei der wissenschaftlichen Beurteilung, dass eine Bewertung, die bereits einige Jahre zurückliegt, nicht mehr aktuell sei. Zudem existierten auch Verlängerungsmöglichkeiten für Zulassungen. Ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sei hierin unter Berücksichtigung der Erwägungen des Verordnungsgebers nicht zu erblicken. Im Übrigen sei nach der englischen Wortfassung lediglich der „aktuelle“ Stand von Wissenschaft und Technik zu fordern. Sie führt weiter aus, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass dem Zulassungsantrag kein Dossier beigefügt worden sei und das Vereinigte Königreich als Referenzmitgliedstaat lediglich die Teile A und C des Registration Reports auf CIRCABC zur Verfügung gestellt habe. Die Zulassung im Referenzmitgliedstaat verstoße jedenfalls nicht gegen Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, da ein Bewertungsbericht übermittelt worden sei. Die Beklagte habe jedoch keinen Anspruch, einen vollständigen Bericht zu erhalten. Die maßgebliche Vorschrift enthalte nur die Voraussetzung, dass dem Antrag neben der vom Referenzmitgliedstaat erteilten Zulassung und der förmlichen Erklärung über die Identität der Mittel lediglich die Unterlagen aus dem Referenzmitgliedstaat vorzulegen seien, die Gegenstand der dortigen Zulassung waren. Selbst wenn Teil B des Registration Reports nicht vorliegen sollte, obliege es nicht ihr, diesen zu beschaffen. Die Beklagte könne eine Verweigerung der Zulassung insbesondere deshalb nicht damit begründen, dass ihr kein aktueller, vollständiger Bewertungsbericht vorliege, da sie diesen Bewertungsbericht bereits aus der von ihr selbst erteilten aktuellen Zulassung des Originalproduktes besitze. Jedenfalls hätte die Beklagte den Part B des Registration Reports aus dem Zulassungsverfahren des Originalproduktes vom Vereinigten Königreich anfordern können. Nach dem Wortlaut der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bestehe für den anerkennenden Mitgliedstaat zudem keine zwingende Pflicht zur Prüfung sämtlicher Begleitdokumente, weshalb die Beklagte die Erteilung der Zulassung nicht davon abhängig machen könne, dass ihr sämtliche Begleitdokumente, insbesondere der Bewertungsbericht, in vollständiger Fassung vorliegen. Die Beklagte könne die Zulassung vielmehr auch ohne Prüfung dieser Dokumente aussprechen. Im Übrigen verbiete die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 dem Referenzmitgliedstaat nicht die Bezugnahme auf die Bewertungsunterlagen des Originalpräparates. Art. 34 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sei zu entnehmen, dass Antragsteller von der Verpflichtung zur Vorlage von Versuchs- und Studienberichten befreit sind, sofern dem Referenzmitgliedstaat diese bereits vorliegen. Die Klägerin führt weiter aus, die Beklagte könne sich ebenfalls nicht auf fehlende Kommentierungsmöglichkeiten berufen. Die Beklagte hätte etwaige Bedenken gegen die Referenzzulassung grundsätzlich vor Zulassung des streitgegenständlichen Mittels im Vereinigten Königreich geltend machen müssen, weshalb sie nunmehr mit ihrer Argumentation ausgeschlossen sei. Es komme jedoch letztlich nicht darauf an, ob seitens des Referenzmitgliedstaates Kommentierungsmöglichkeiten für die Beklagte eröffnet wurden. Auch trägt sie vor, die Beklagte müsse aufgrund der o. g. beschränkten Prüfungskompetenz bzw. aufgrund des genannten Regel-Ausnahme-Verhältnisses die Zulassung bei Verweigerung des Einvernehmens der zu beteiligenden nationalen Behörden gegebenenfalls ohne deren Einvernehmen aussprechen. Die beteiligten Behörden handelten rechtswidrig, versagten sie bei fehlender Annahme der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ihr Einvernehmen. In diesem Fall müsse sich die Beklagte notfalls über die rechtswidrig nicht erteilten Einvernehmenserklärungen hinwegsetzen und die Zulassung erteilen. Die insofern entgegenstehende frühere Rechtsprechung sei aufgrund der geänderten Rechtslage nicht mehr relevant. Im Übrigen habe sich die Beklagte in zonalen Zulassungsverfahren bereits über ein fehlendes Einvernehmen hinweggesetzt. Im vorliegenden Fall dürfe zudem seitens der beteiligten Behörden keine Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der genannten Verordnung mehr vorgenommen werden, da die Entscheidungsfrist von 120 Tagen aus Art. 42 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bereits abgelaufen sei. Die Klägerin führt aus, das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel sei auf Molekularbasis zu 100% identisch mit dem in Deutschland zugelassenen Originalprodukt. Bereits aus diesem Grund sei die Beklagte verpflichtet, die Anerkennung der im Referenzmitgliedstaat fortbestehenden Zulassung auch in Deutschland auszusprechen. Auch nach Auffassung der Beklagten sei es jedenfalls nach den für den Parallelhandel geltenden Kriterien mit dem Originalpräparat identisch. Dies bedeute, dass die Beklagte das streitgegenständliche Produkt wegen bestehender stofflicher Übereinstimmung im Rahmen des Parallelhandels für den Vertrieb in Deutschland genehmigen würde, was impliziere, dass keine Risiken i. S. v. Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bestünden. Es sei daher ein Widerspruch, wenn die Beklagte die Anerkennung der Zulassung im Referenzmitgliedstaat verweigere, obwohl die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht vorliegen könnten, da die Beklagte das Produkt für eine EU-Parallelhandelsgenehmigung für verkehrsfähig halte. Es sei ebenfalls widersprüchlich, wenn nach der Auffassung der Beklagten das Produkt im Wege des Parallelhandels in Verkehr gebracht werden dürfe, eine Genehmigung im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung aber versagt werde.

Nachdem die Klägerin ursprünglich die Verpflichtung der Beklagten begehrt hatte, ihr die beantragte pflanzenschutzrechtliche Zulassung zu erteilen, beantragt sie nunmehr

die Beklagte zu verpflichten, ihr die am 30.07.2015 beantragte pflanzenschutzrechtliche Zulassung im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung gemäß Art. 40 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für das Pflanzenschutzmittel „H.“ (Zulassungsantrag: J.) zu erteilen,

hilfsweise, die Zulassung nach erneuter Prüfung durch das Julius Kühn-Institut, das Bundesinstitut für Risikobewertung und das Umweltbundesamt bis spätestens 31.01.2017 zu erteilen,

hilfsweise, festzustellen, dass die erfolgte Verweigerung des Benehmens bzw. Einvernehmens durch das Julius Kühn-Institut, das Bundesinstitut für Risikobewertung und das Umweltbundesamt jeweils rechtswidrig ist und die Beklagte verpflichtet ist, die Zulassung auch ohne das Benehmen bzw. Einvernehmen zu erteilen, sollten diese Erklärungen nicht bis spätestens 16.01.2017 vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf den Inhalt der angefochtenen Verwaltungsentscheidung. Ergänzend trägt sie vor, eine Entscheidung über den Zulassungsantrag der Klägerin hätte bis zum 27.11.2015 ergehen müssen, weshalb eine Verfristung ihrerseits vorliege. Die Verzögerung beruhe jedoch auf unerwartet hohen Antragszahlen, komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen durch die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sowie auf einem erheblichen Koordinierungsaufwand.

Weiter führt sie aus, ihr stehe eine Prüfungskompetenz im Hinblick auf die Zulassung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels zu, da der Referenzmitgliedstaat fundamentale rechtliche Vorgaben nicht beachtet habe. Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erkläre die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus zu ihrem primären Ziel; Harmonisierungsbestrebungen seien demgegenüber nachrangig. Es könne nicht der Wille des Verordnungsgebers sein, dass eine nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik - und damit nicht dem beabsichtigten hohen Schutzniveau entsprechende - Bewertung ohne tatsächliche Einspruchsmöglichkeit in die einzelnen Mitgliedstaaten ausgegeben werde. Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 finde erst dann Anwendung, sofern die Voraussetzungen nach Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllt seien. Für die Erteilung der Zulassung müsse auch das einschlägige Verfahrensrecht eingehalten werden. Die verschärften Verfahrensvoraussetzungen sollten gerade die Voraussetzung für die erleichterte Anerkennung sein. Damit müsse im Umkehrschluss gelten, dass bei Nichtbeachtung des Verfahrensrechts eine Anerkennung im Grundsatz nicht möglich sei. Zudem könne nicht darauf geschlossen werden, dass eine Zulassung inhaltlich entsprechend der Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgenommen wurde, allein weil das Zulassungsdatum nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 liege.

Die Option der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens bei Fehlern des Referenzmitgliedstaates sei nicht praktikabel, schwerfällig und politisch nicht vorstellbar.

Die Beklagte trägt zu den geltend gemachten Verstößen des Referenzmitgliedstaats im Einzelnen ergänzend folgendes vor: Das Vereinigte Königreich habe keine Prüfung gemäß den Vorgaben des Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgenommen. Zudem laufe derzeit das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff I.. Ob die sich hieraus ergebenden Änderungen bei der anzuerkennenden Zulassung berücksichtigt würden, sei zu bezweifeln. Selbst wenn man davon ausginge, dass Bewertungen, die 10 Jahre alt oder älter sind, grundsätzlich noch herangezogen werden könnten, könne eine hierauf basierende Bewertung nur übernommen werden, wenn die Unterlagen zumindest dahingehend überprüft wurden, ob sie den aktuellen Gesetzen und Leitlinien sowie dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Eine derartige Bewertung sei aber vom Referenzmitgliedstaat nicht vorgenommen worden. Die Bewertung des Originalpräparates im Vereinigten Königreich aus 2005 pauschal als aktuell zu betrachten, sei nicht nachvollziehbar. Gleiches gelte für dessen Bewertung in Deutschland, die noch länger zurückliege. Des Weiteren rügt die Beklagte, sie habe keine Kommentierungsmöglichkeit vor der Zulassungserteilung für das streitgegenständliche Mittel im Vereinigten Königreich erhalten. Nach behördeninternen Ermittlungen habe der Referenzmitgliedstaat den anderen Mitgliedstaaten keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. So habe nicht die Möglichkeit bestanden, im Rahmen der Kommentierungsphase bereits Wissen über die Bewertung des Mittels zu erlangen. Die mit 120 Tagen bemessene Frist für die gegenseitige Anerkennung sei nur deshalb so kurz bemessen, da der anerkennende Mitgliedstaat den Antrag bereits aus der Kommentierungsphase kenne und daher bei der Bearbeitung des Antrags auf gegenseitige Anerkennung nicht erneut bei „Null“ mit der Prüfung beginnen müsse. Abschließend führt die Beklagte aus, das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel sei nicht zu 100% identisch mit dem Originalprodukt; es stimme stofflich nicht vollständig mit dem Originalprodukt überein. Gegebenenfalls könne eine Identität nach den für den Parallelhandel geltenden Kriterien angenommen werden. Es sei aber gleichwohl nicht erwiesen, dass das anzuerkennende Mittel nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verkehrsfähig ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1, 2. HS, Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens (§§ 68 ff. VwGO) bedurfte es im vorliegenden Fall nicht. Gemäß § 75 Satz 1 VwGO ist eine Verpflichtungsklage ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Liegt nach Ablauf der Sperrfrist von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes (Satz 2) ein zureichender Grund für die Verzögerung der Bescheidung des Antrags durch die Behörde vor, so setzt das Gericht nach Satz 3 das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus.

Fehlt es an einer derartigen Aussetzung des Verfahrens, bleibt eine nach Ablauf der Sperrfrist in zulässiger Weise erhobene Untätigkeitsklage zulässig und erfordert die Durchführung des Vorverfahrens selbst dann nicht, wenn die Behörde den Kläger während des Rechtsstreits ablehnend bescheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1991 - 1 C 42/88 = NVwZ 1992, 180; Urt. v. 13.01.1983 - 5 C 114/81 -, BVerwGE 66, 342 (344) = NJW 1983, 2276; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL 06/2016, § 75, Rn. 26; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 75, Rn. 26). So liegt es hier. Die vorliegende Klage ist am 29.03.2016 zunächst als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO in zulässiger Weise erhoben worden.

So hat die Klägerin die Untätigkeitsklage erst nahezu 8 Monate nach Antragstellung erhoben. Die Bearbeitungsfrist von 120 Tagen aus Art. 42 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. L 309 v. 24.11.2009, S. 1, im Folgenden; Verordnung [EG] Nr. 1107/2009) zur Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel im Wege der gegenseitigen Anerkennung war zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich überschritten, was die Beklagte im Übrigen auch eingeräumt hat. Unter dem 18.08.2016 hat die Beklagte sodann eine ablehnende Entscheidung dahingehend getroffen, dass der Antrag der Klägerin auf Zulassung des Pflanzenschutzmittels „H.“ abgelehnt wird. Eine gerichtliche Aussetzung des Verfahrens gemäß § 75 Satz 3 VwGO erfolgte zuvor nicht.

Die Klage ist mithin unabhängig davon zulässig, dass ein Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid der Beklagten vom 18.08.2016 - trotz Einlegung eines Widerspruchs durch die Klägerin unter dem 12.09.2016 - nicht durchgeführt wurde.

Die auch im Übrigen zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Zulassung des Pflanzenschutzmittels „H.“ mit Bescheid vom 18.08.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Wegen fehlender Spruchreife konnte das Gericht die Beklagte jedoch nur dazu verpflichten, den Antrag der Klägerin vom 30.07.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Eine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Zulassung ist nicht möglich und die Klage daher insoweit abzuweisen (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Anspruchsgrundlage für die Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung findet sich in Art. 40 Abs. 1 i. V. m. Art. 41 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Es handelt sich vorliegend um ein sog. „Verfahren der gegenseitigen Anerkennung“ nach Art. 40 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Art. 40 Abs. 1 a) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sieht vor, dass der Inhaber einer nach Artikel 29 gewährten Zulassung eine Zulassung für dasselbe Pflanzenschutzmittel, für dieselben Verwendungen und unter vergleichbaren landwirtschaftlichen Bedingungen in einem anderen Mitgliedstaat im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung u. a. dann beantragen kann, wenn die Zulassung von einem Mitgliedstaat (Referenzmitgliedstaat), der zur selben Zone gehört, erteilt wurde. Der Mitgliedstaat, dem ein Antrag nach Art. 40 der Verordnung vorgelegt wird, erteilt grundsätzlich nach Prüfung des Antrags und gegebenenfalls der in Artikel 42 Abs. 1 genannten Begleitdokumente im Hinblick auf die Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet für das betreffende Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen, wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat; hiervon ausgenommen sind die Fälle, in denen Artikel 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 Anwendung findet. Nach Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 können abweichend von Art. 36 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 31 Absätze 3 und 4 und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden. Können die Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt. Art. 42 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 normiert, dass dem Antrag auf gegenseitige Anerkennung eine Kopie der vom Referenzmitgliedstaat erteilten Zulassung sowie eine Übersetzung der Zulassung in eine Amtssprache des Mitgliedstaates, für den die Zulassung bestimmt ist (Buchstabe a), eine förmliche Erklärung, dass das Pflanzenschutzmittel mit dem vom Referenzmitgliedstaat zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch ist (Buchstabe b), ein vollständiges Dossier oder eine Kurzfassung davon gemäß Artikel 33 Absatz 3, falls dies vom Mitgliedstaat beantragt wird (Buchstabe c), beizufügen sind sowie ein Bewertungsbericht des Referenzmitgliedstaates mit Informationen über die Bewertung des Pflanzenschutzmittels und die diesbezügliche Entscheidung (Buchstabe d). Der anerkennende Mitgliedstaat entscheidet sodann innerhalb von 120 Tagen über den Antrag auf gegenseitige Anerkennung (Abs. 2).

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergeben sich Ablehnungsgründe nicht bereits in formeller Hinsicht. Mit ihren Einwendungen, die Klägerin habe dem Antrag trotz entsprechender Anforderung kein Dossier beigefügt und lediglich die Teile A und C des Registration Reports vorgelegt, kann sie nicht durchdringen. Der Antrag der Klägerin auf Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung entspricht den formellen Anforderungen des Art. 42 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Im Zulassungsverfahren hat die Klägerin eine Kopie der vom Vereinigten Königreich als Referenzmitgliedstaat derselben Zone erteilten Zulassung („Authorisation for the use of H. as a herbicide on forage & grain maize“ vom 15.06.2015) sowie eine förmliche Erklärung vom 08.07.2015 vorgelegt, dass das Pflanzenschutzmittel, auf welches sich der Zulassungsantrag bezieht, mit dem vom Referenzmitgliedstaat zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch ist (siehe Art. 42 Abs. 1 a), b) Verordnung [EG] Nr. 1107/2009).

Dass die Vorlage eines vollständigen Dossiers oder einer Kurzfassung davon gemäß Art. 33 Abs. 3 im Sinne von Art. 42 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 beantragt wurde, ist von der Beklagten bereits nicht hinreichend dargelegt worden.

Der den Verwaltungsprozess prägende Untersuchungs- oder Amtsermittlungsgrundsatz ist in seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung in § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Mitwirkungslasten der Beteiligten eingeschränkt. Eine unterlassene Mitwirkung wirkt sich nach den auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich geltenden Darlegungs- und Beweislastregeln aus. Sofern ein Beteiligter die zu seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlichen Tatsachen - soweit sie jedenfalls in „seiner Sphäre“ liegen, nicht oder nicht vollständig vorträgt oder gegebenenfalls nicht beweisen kann, so ergeht eine Sachentscheidung zu seinen Lasten (vgl. Ortloff/Riesen, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 31. EL, 06/2016, § 87 b, Rn. 15).

So liegt es hier. Nach den vorgelegten Unterlagen ist allein unklar, ob ein Dossier für das Pflanzenschutzmittel (a complete or summary dossier for the plant protection product) vorgelegt wurde. Dieses ist jedoch - entsprechend den Vorgaben in Art. 42 Abs. 1 c) der genannten Verordnung - nur erforderlich, wenn dies vom Mitgliedstaat angefordert wird („if requested by the MS“). Ob eine solche Anforderung erfolgt ist, bleibt aber unklar. Auf entsprechende Nachfrage in der mündlichen Verhandlung konnten die Vertreter der Beklagten nicht sicher darlegen, ob eine Anforderung erfolgt ist. Es sei auch möglich, dass zur damaligen Zeit entsprechende Anforderungen noch nicht erfolgt seien. In der Verwaltungsakte findet sich eine entsprechende Anforderung ebenfalls nicht. In der der Kammer vorliegenden E-Mail der Beklagten an das von der Klägerin beauftragte Consulting-Unternehmen vom 21.10.2015 wird wörtlich lediglich festgestellt, dass „mit dem Antrag kein Dossier eingereicht“ worden sei. Eine ausdrückliche Beantragung oder Aufforderung zur Vorlage eines solchen Dossiers kann hierin jedoch nicht gesehen werden. Dass eine anderweitige Anforderung des Dossiers erfolgte, hat die Beklagte - wie erläutert - in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt. Auch die heutigen Hinweise für Antragsteller auf der Homepage der Beklagten enthalten eine entsprechende Anforderung nicht. Die mangelnde Darlegung einer Dossier-Anforderung wirkt sich damit hier zu Lasten der Beklagten aus.

Soweit der Beklagten lediglich ein Bewertungsbericht des Referenzmitgliedstaates vorliegt, der ausschließlich die Teile A und C enthält, rechtfertigt dies eine Beanstandung des Antrags der Klägerin in formeller Hinsicht ebenfalls nicht. Die Klägerin hat den Bewertungsbericht vorgelegt, den das Vereinigte Königreich im Juni 2015 für das Pflanzenschutzmittel „H.“ erstellt hat und damit den Anforderungen des Art. 42 Abs. 1 d) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 entsprochen. Ausweislich der E-Mail des Referenzmitgliedstaates an die Beklagte vom 20.10.2015 in welcher wörtlich mitgeteilt wurde

„we do have a registration report, but it is only a Part A and Part C for this no data evaluation”

wurde vom Referenzmitgliedstaat kein Part B des Registration Reports erstellt. Ob die Erstellung eines Bewertungsberichts durch das Vereinigte Königreich, der nicht sämtliche grundsätzlich vorgesehenen Teile umfasst, die Beklagte berechtigt, die Erteilung einer Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung zu versagen, ist eine Frage der materiell-rechtlichen Beurteilung und berührt die an einen Antrag auf gegenseitige Anerkennung zu stellenden Formerfordernisse nicht. So kann von der Klägerin in formeller Hinsicht nicht mehr erwartet und gefordert werden, als den, vom Referenzmitgliedstaat konkret erstellten Bewertungsbericht vorzulegen, zumal die Ausgestaltung des Registration Reports durch den Referenzmitgliedstaat nicht in ihrer Hand liegt.

In materieller Hinsicht verpflichtet Art. 40 Abs. 1 i. V. m. Art. 41 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 den Mitgliedstaat, dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung vorgelegt wird, mit Ausnahme der Fälle des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zur Erteilung der Zulassung unter den gleichen Bedingungen wie der den Antrag prüfende Referenzmitgliedstaat. Aufgrund der Zulassung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels durch den Referenzmitgliedstaat vom 15.06.2015 ist die Klägerin Inhaberin einer nach Art. 29 gewährten Zulassung. Diese Zulassung wurde der Klägerin auch von einem Referenzmitgliedstaat derselben Zone erteilt; auch begehrt die Klägerin eine Zulassung für dieselben Verwendungen und unter vergleichbaren landwirtschaftlichen Bedingungen.

Die Beklagte ist damit grundsätzlich an die Zulassungsentscheidung des Referenzmitgliedstaates gebunden. Eine Ausnahme ist lediglich bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gegeben. Eine weitergehende Prüfungskompetenz im Hinblick auf die Entscheidung des prüfenden Mitgliedstaates kommt der Beklagten damit grundsätzlich nicht zu. Die Beklagte ist weder befugt noch verpflichtet, die Referenzzulassung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 41 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, wonach der Mitgliedstaat eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat erteilt, mit Ausnahme der Fälle, in denen Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 Anwendung findet. Die Einräumung einer über die in Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hinausgehenden Prüfungskompetenz findet sich in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gerade nicht. Es hätte dem Verordnungsgeber offen gestanden, eine weitergehende Prüfungskompetenz zu normieren, wovon dieser jedoch keinen Gebrauch gemacht hat. Auch der Regelungszusammenhang spricht gegen eine weitergehende Prüfungskompetenz des anerkennenden Mitgliedstaates. So hätte der Verordnungsgeber mit den Regelungen in Art. 41 Abs. 2 keine Ausnahmetatbestände schaffen müssen, bei welchen die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in das Ermessen des Mitgliedstaates gestellt ist, wäre er davon ausgegangen, dass in den Fällen des Absatzes 1 keine Bindungswirkung besteht.

Gegen eine weitergehende Prüfungskompetenz des anerkennenden Mitgliedstaates  spricht auch eine teleologische Interpretation unter besonderer Berücksichtigung des Normzweckes. Ausweislich der Erwägungsgründe Nr. 8 f. zur Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 war es das Ziel des Verordnungsgebers, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft der Gemeinschaft sicherzustellen. Um die aufgrund des unterschiedlichen Schutzniveaus in den Mitgliedstaaten möglicherweise bestehenden Handelshemmnisse so weit als möglich zu beseitigen, sollten zudem harmonisierende Regelungen u. a. für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln festgelegt werden. Zweck der Verordnung ist es, den freien Verkehr der entsprechenden Produkte und die Verfügbarkeit dieser Produkte in den Mitgliedstaaten zu verbessern (Erwägungsgrund Nr. 9). Zugleich bezweckte der Verordnungsgeber nach dem Rechtsgedanken des Erwägungsgrundes Nr. 14 eine Beschleunigung des gesamten Zulassungsverfahrens. Gemäß Erwägungsgrund Nr. 25 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sollten im Interesse der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Kohärenz die Kriterien, Verfahren und Bedingungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt harmonisiert werden. Dieses Harmonisierungsbestreben verfolgte der Verordnungsgeber mithin - ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 9 der Verordnung - in dem Bewusstsein, dass innerhalb der Mitgliedstaaten unterschiedliche Schutzniveaus bestehen. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung dient gerade dazu, das dargelegte Harmonisierungs-, Beschleunigungs- und Effizienzbestreben umzusetzen. Um insbesondere zeitintensive doppelte Arbeiten zu vermeiden und damit eine beschleunigte und effiziente Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu gewährleisten, sind die einzelnen Mitgliedstaaten gehalten, keine eigene Prüfung aller Zulassungsvoraussetzungen vornehmen, sondern die von dem Referenzmitgliedstaat bereits vorgenommene Prüfung der eigenen Entscheidung zugrunde legen. Dies dient insbesondere der Verbesserung des freien Verkehrs der entsprechenden Produkte in den entsprechenden Mitgliedstaaten.

Das gemeinsame europäische System der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle hieran beteiligten Staaten die Vorgaben beachten, die ihre Grundlage in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 finden und ein hohes Schutzniveau gewährleisten (vgl. zur gegenseitigen Anerkennung von Tierarzneimittelzulassungen BVerwG, Urt. v. 19.09.2013 - 3 C 22/12 - juris, Rn. 22 m. w. N.). Hieraus ist die Vermutung abzuleiten, dass die Bearbeitung von Zulassungsanträgen für Pflanzenschutzmittel in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 steht. Die genannten Zwecke der Verordnung würden nicht erreicht, wenn der anerkennende Mitgliedstaat eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle der Referenzzulassung vornehmen müsste oder dürfte. Der Europäische Gerichtshof hat in Bezug auf die gegenseitige Anerkennung der Zulassung eines Humanarzneimittels festgestellt, dass die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung in strikter Weise geregelt sei; das Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit bilde den einzigen Grund, auf den sich ein Mitgliedstaat berufen dürfe, um einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Humanarzneimittels die Anerkennung zu versagen (EuGH, Urt. v. 16.10.2008 - C-452/06, Synthon - Slg. I 7681 Rn. 26 und 28). Die in dieser Entscheidung angestellten Erwägungen lassen sich angesichts der vergleichbaren anzuwendenden Normen weitgehend auf den vorliegenden Fall übertragen. Ausgehend von diesen Überlegungen bilden die in Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 festgelegten Ausnahmen die einzigen Gründe, auf die sich ein Mitgliedstaat berufen kann, um einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen die Anerkennung zu versagen. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung lässt somit keinen Raum für eine Versagung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels aus anderen als den in Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genannten Gründen. Eine andere Auslegung liefe dem Zweck der Verordnung zuwider und nähme den maßgeblichen Bestimmungen ihre praktische Wirksamkeit. Dürfte ein Mitgliedstaat, bei dem die gegenseitige Anerkennung beantragt wird, diese Zulassung von einer zweiten Prüfung des gesamten Zulassungsantrags oder eines Teils davon abhängig machen, so liefe dies letztlich darauf hinaus, dem vom Verordnungsgeber geschaffenen Verfahren jeden Sinn zu nehmen und die Verwirklichung der mit der Verordnung verfolgten Ziele, wie insbesondere der in Erwägungsgrund Nr. 9 der Verordnung genannten Verbesserung des freien Verkehrs der entsprechenden Produkte, ernsthaft zu gefährden (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 32).

Eine Widerlegung der Vermutung, dass die Bearbeitung von Zulassungsanträgen für Pflanzenschutzmittel in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 steht, ist aufgrund der gewichtigen Zwecke des gemeinsamen europäischen pflanzenschutzrechtlichen Zulassungssystems an hohe Hürden zu knüpfen, weshalb nicht jede mangelhafte Prüfung durch den Referenzmitgliedstaat und nicht jeder Verstoß gegen die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genügt, um dem anerkennenden Mitgliedstaat eine Prüfungskompetenz zuzubilligen. Jedenfalls solange sich nicht aufdrängt, dass ein Referenzmitgliedstaat  die im jeweiligen Zulassungsverfahren zu beachtenden Rechtsvorschriften systematisch verletzt besteht im nationalen (Anerkennungs-) Zulassungsverfahren kein Raum für eine weitergehende Überprüfung (vgl. BVerwG, a. a. O.).

Gemessen an diesen Grundsätzen sind Anhaltspunkte für das Vorliegen systematischer Mängel im pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsverfahren des Vereinigten Königreiches nicht erkennbar. Soweit die Beklagte die Nichtbeachtung fundamentaler rechtlicher Vorgaben gerügt hat und hierbei auf verschiedene - aus ihrer Sicht vorliegende - Verstöße des Referenzmitgliedstaates Bezug genommen hat, so sind diese sowohl im Einzelnen als auch in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, systematische Mängel im pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsverfahren des Vereinigten Königreiches zu begründen. Vereinzelte Rechtsverstöße in einem oder einigen wenigen pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsverfahren sind bereits nicht geeignet, systematische Mängel des Zulassungsverfahrens im Vereinigten Königreich darzulegen. Dies gilt umso mehr, als der vom Referenzmitgliedstaat erstellte Bewertungsbericht für das hier streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel der Klägerin erkennen lässt, dass das Vereinigte Königreich zum einen zunächst einen Vergleich der Formulierungen der Pflanzenschutzmittel vorgenommen hat und zum anderen Erwägungen dazu angestellt hat, ob die Übertragung der Bewertung des Original-Pflanzenschutzmittels auf das Pflanzenschutzmittel der Klägerin vertretbar erscheint (vgl. etwa Part A Ziffer 1 RR). Hierbei hat es sich u. a. davon leiten lassen, dass das Original-Präparat im Vereinigten Königreich bereits zugelassen worden ist (vgl. Part A Ziffer 3.1.7 RR). Das Vereinigte Königreich hat damit von einer eigenständigen, aktuellen Bewertung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels nicht etwa willkürlich und grundlos abgesehen, sondern Erwägungen zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens angestellt. Ob sich diese Erwägungen letztlich als rechtlich tragfähig und belastbar erweisen würden, ist nicht maßgeblich.

Systematische Mängel mit der Folge einer weitergehenden Prüfungskompetenz resultieren auch nicht daraus, dass der Referenzmitgliedstaat auf Unterlagen aus dem dortigen Zulassungsverfahren des Originalpräparates Bezug genommen hat und von der Klägerin keine eigenen Studien eingereicht wurden. Die Entscheidung, welche Unterlagen und Dokumente der Referenzmitgliedstaat seiner Bewertung zugrunde legt, steht ausschließlich in seiner Kompetenz. Sofern er - wie hier - die vorgelegten Dokumente aus dem Zulassungsverfahren des Originalpräparates aus dem Jahr 2005 als hinreichend erachtete, so ist die Beklagte hieran gebunden, auch wenn der Referenzmitgliedstaat hierbei im Einzelfall fehlerhaft gehandelt haben sollte. Es kann insofern dahinstehen, ob die Unterlagen aus dem Jahr 2005 im Jahr 2015 dem neuesten oder auch nur aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprachen und welcher Stand insofern zu fordern ist. Dasselbe gilt im Ergebnis für die Zugrundelegung überholter Leitlinien (Guidance Documents).

Auch der Hinweis der Beklagten, derzeit laufe das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff I. und es sei unklar, ob dies bei der anzuerkennenden Zulassung berücksichtigt würde, rechtfertigt es nicht, der Beklagten einen erweiterten Prüfungsspielraum einzuräumen. Denn insoweit wäre es die Aufgabe des Referenzmitgliedstaates, gegebenenfalls Maßnahmen zur Aufhebung oder Änderung der Zulassung zu ergreifen (vgl. Art. 44 der Verordnung [EG] Nr. 1107/2009). Das der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zugrunde liegende Prinzip gegenseitigen Vertrauens bedingt auch in dieser Hinsicht die Vermutung, dass das Vereinigte Königreich unter Beachtung des geltenden Unionsrechts eine Änderung oder Aufhebung der Zulassung veranlassen würde, wenn dies aufgrund neuerer Erkenntnisse geboten wäre.

Auch wenn seitens des Vereinigten Königreiches kein Kommentierungsaufruf im Rahmen des Zulassungsverfahrens für das hier streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel erfolgt sein sollte, so würde dies an den getroffenen Feststellungen nichts ändern. Eine fehlende Kommentierungsmöglichkeit mag zwar einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des Art. 36 Abs. 1 UA 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 darstellen, sofern jedoch die Schwelle einer systematischen Rechtsverletzung nicht erreicht wird, hat die Beklagte gleichwohl die Zulassungsentscheidung des Referenzmitgliedstaates zugrunde zu legen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da die Beklagte nicht dargelegt hat, dass das Vereinigte Königreich anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich oder auch nur gehäuft keine Kommentierungsmöglichkeiten einräumt. Wie bereits erläutert sind einige wenige Rechtsverstöße in einem oder einigen wenigen pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsverfahren nicht geeignet, die Schwelle zu systematischen Mängel des Zulassungsverfahrens zu überschreiten.

Die von der Beklagten angeführten Gründe rechtfertigen damit sowohl einzeln als auch zusammengenommen nicht die Versagung der beantragten Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel. Diesem Ergebnis steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass dem Zulassungsantrag lediglich Part A und C des Registration Reports beigefügt waren. Insofern hätte es der Beklagten frei gestanden, den fehlenden Part B des Registration Reports aus dem Zulassungsverfahren des Originalpräparates vom Referenzmitgliedstaat anzufordern, da das Vereinigte Königreich im jüngsten Zulasungsverfahren weitgehend auf die damalige Bewertung abgestellt hat. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte vorgetragen hat, aufgrund des unvollständigen Bewertungsberichts nicht in der Lage zu sein, überprüfen zu können, ob Versagungsgründe im Sinne von Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gegeben sind. Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „H.“ ist insofern mangels Spruchreife nicht möglich (§ 113 Abs. 5 VwGO), da unklar ist, ob die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der o. g. Verordnung vorliegen.

Mit eben dieser Begründung verweigerte insbesondere auch das Umweltbundesamt mit Schreiben vom 08.06.2016 sein Einvernehmen. So hätten die vorgelegten Unterlagen wegen Unvollständigkeit/Nichtnachvollziehbarkeit nicht im Hinblick auf die spezifischen ökologischen oder landwirtschaftlichen Bedingungen, die bei Anwendung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels in der Bundesrepublik zu berücksichtigen seien, geprüft werden können. Es sei daher nicht feststellbar, inwieweit für die zur Anerkennung beantragten Anwendungen des Produktes - dem Art. 36 Abs. 3 der Verordnung folgend - zum Ausgleich von Unterschieden in den spezifischen Bedingungen die Festsetzung anderer für das Risikomanagement in Deutschland als praktikabel erachteter Anwendungsbestimmungen notwendig sei.

Zwar ist das Gericht durch die Versagung des gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG) erforderlichen Einvernehmens des Umweltbundesamtes nicht an einer Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel gehindert. Denn die Rechtmäßigkeit des vom Umweltbundesamt verweigerten Einvernehmens wird im Streitverfahren um die Zulassungsentscheidung mitgeprüft (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 12.04.1999 - 7 M 577/99 - juris, Rn. 7).

Das Schreiben des Umweltbundesamtes vom 08.06.2016 macht jedoch deutlich, dass die Beklagte die nach Art. 41 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 im Verfahren auf gegenseitige Anerkennung der Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel gebotene Prüfung des Vorliegens eines Falles nach Art. 36 Abs. 3 der genannten Verordnung noch nicht abgeschlossen hat. Soweit das Umweltbundesamt sich wegen des Fehlens eines vollständigen Bewertungsberichts des Referenzmitgliedstaats für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel an einer umfassenden Prüfung gehindert gesehen hat, wäre es - wie bereits erläutert - der Beklagten jedenfalls möglich gewesen und ist es ihr auch weiterhin möglich, den Bewertungsbericht des Referenzmitgliedstaates für das Originalpräparat anzufordern und diesen dem Umweltbundesamt sowie dem Julius Kühn-Institut und dem Bundesinstitut für Risikobewertung zuzuleiten. Um insbesondere dem Umweltbundesamt Gelegenheit zu einer Prüfung nach den dargelegten Maßstäben zu geben, ist die Beklagte zur erneuten Bescheidung des Antrags der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. Mangels abschließender Prüfung des Vorliegens von Umständen im Sinne von Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, die der Erteilung einer Zulassung gegebenenfalls entgegenstehen können, ist eine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der begehrten Zulassung derzeit nicht möglich.

Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Gerichts vertretenen Rechtsauffassung folgt aus dem Verstreichen der in Art. 42 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgesehenen Frist von 120 Tagen für die Entscheidung über einen Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung nichts anderes. Der Verordnungsgeber hat an die Überschreitung der vorgegebenen Bearbeitungsfrist durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union keine konkrete Rechtsfolge geknüpft. Dementsprechend kann aus dem Ablauf der Frist weder ein Anspruch auf Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung noch eine Präklusion des Mitgliedstaats mit Gründen abgeleitet werden, die er nicht innerhalb der Frist geltend gemacht hat, wie es die Klägerin für sachgerecht hält. Der nicht fristgerechten Bescheidung eines Antrags auf gegenseitige Anerkennung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung kann allenfalls bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches wegen entgangenen Gewinns Bedeutung zukommen.

Eine Berücksichtigung der Bewertung des von der Beklagten für das Bundesgebiet zugelassenen Originalpräparates ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nicht vorgesehen, weshalb es hier dahinstehen kann, ob eine vollständige Identität dieses Produktes mit dem hier streitgegenständlichen Mittel der Klägerin besteht.

Da eine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der begehrten pflanzenschutzmittelrechtlichen Zulassung - wie ausgeführt - nicht möglich ist, kann die Klägerin auch mit den von ihr gestellten Hilfsanträgen nicht durchdringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 4 VwGO. Soweit mangels Spruchreife lediglich eine Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Bescheidung der Klägerin erfolgen kann, beruht dies auf Umständen, die der Sphäre der Beklagten zuzurechnen sind, und es rechtfertigen, ihr auch insoweit die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. allg.: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 155, Rn. 2).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).

Der Streitwert ist in Anwendung des § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in Höhe des von der Klägerin angegebenen Streitwertes festgesetzt worden.