Landgericht Oldenburg
Urt. v. 28.05.1998, Az.: 4 O 981/97
Anspruch eines Grundstückseigentümers, dass auf dem Nachbargrundstück nur eine bestimmte Anzahl von Brieftauben gehalten wird
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 28.05.1998
- Aktenzeichen
- 4 O 981/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 16476
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1998:0528.4O981.97.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Oldenburg - 10.06.1999 - AZ: 8 U 127/98
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 18.02.1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
den Richter am Landgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen auf ihrem Grundstück ..., mehr als 35 freifliegende Brieftauben zu halten oder ihre Haltung zu dulden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 3.000,00 DM, ersatzweise für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 500,00 DM ein Tag Ordnungshaft angedroht.
Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist für die Parteien in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien sind Eigentümer (bei den Beklagten die Beklagten zu 1. + 3) der benachbarten Grundstücke ..., und ..., auf denen sich jeweils Einfamilienhäuser befinden. Die Grundstücke liegen in einem allgemeinen Wohngebiet. Die Grundstücke sind so gelegen, daß Terrasse und Garten des Klägers angrenzen. Die Taubenschläge der Beklagten sind versetzt gebaut, so daß die Abstände zur Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstückes unterschiedlich sind. Sie befinden sich aber unmittelbar daneben und zwar zum Teil in einem Abstand nur von ca. 8 m. Von der Terrasse des klägerischen Grundstückes ist der Blick auf die Taubenschläge frei und die Tauben müssen auch, wenn sie fliegen, über das Grundstück des Klägers hinwegfliegen, weil sie in dieser Richtung aus den Schlägen kommen.
Der Kläger begehrt Unterlassung der Taubenhaltung, soweit sie über 15 Tauben hinausgeht.
Die Beklagten halten seit mehreren Jahren auf dem Grundstück Brieftauben und haben zu diesem Zweck ein auf dem Grundstück hinten am Haus gelegenes Gebäude als Taubenverschläge eingerichtet (vgl. insoweit die drei Fotos zum Schriftsatz des Klägers vom 11.12.1997).
Wegen der Lage des Grundstückes wird Bezug genommen auf die Skizze Bl. 9 d. A. sowie die auf Bl. 122 d. A..
Der Kläger behauptet, auf dem Grundstück der Beklagten würden zweitweise mehr als 100 Tiere gehalten, manchmal sogar 140.
Bei den täglichen Freiflügen setzten sich die Tauben u. a. auch auf das Dach seines Hauses und verlören beim Starten über sein Grundstück ihren Kot. Das führe zu Verschmutzungen und wegen der ätzenden Wirkung sogar zu Beschädigungen der Dachziegel.
In den Monaten Mai bis September jeden Jahres fänden täglich Freiflüge statt. Wegen ihrer Flüge über sein Grundstück käme für ihn in dieser Zeit eine Gartennutzung kaum in Betracht, da der Rasen und die aufgehängte Wäsche, sogar der PKW und die Pflanzen, verkotet würden.
Auch störe das ständige Gurren und Flügelschlagen erheblich und sei sogar noch bei geschlossenen Fenstern im Haus zu vernehmen. Diese Geräusche beeinträchtigten ihn und seine Ehefrau so, daß sie gesundheitliche Probleme bekommen hätten.
Er habe vergeblich über den Schiedsmann versucht, die Beklagten zu einer Reduzierung des Taubenbestandes zu bewegen. Zudem beeinträchtigte diese intensive Taubenhaltung auch den Wert seines Grundstückes, das er altersbedingt zu verkaufen beabsichtige.
Der Kläger meint, 15 Tauben seien zumutbar.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten unter Anordnung der Zwangsgeldmaßnahmen des § 890 ZPO, nämlich Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verurteilen, es zu unterlassen, au ihrem Grundstück ..., mehr als 15 freifliegende Tauben zu halten oder ihre Haltung zu dulden.
Die Beklagten beantragen,
Klagabweisung.
Sie behaupten, an dem Bestand von ca. 80 bis 100 Brieftauben habe sich in den letzten 13 Jahren, die sie dort Tauben hielten, nichts verändert. Sie bestreiten, daß die Tauben beim Start Kot verlören und sich auf dem Dach des Hauses des Klägers niederließen.
Falls sich Kot auf dem Dach, dem Rasen, der Wäsche und dem Auto des Klägers befunden hätte, stamme dieser nicht von den Tauben ab, sondern von dort auch lebenden Wildtieren.
Auch die Geräusche seien nicht beeinträchtigend, zumal sich die Tauben die meiste Zeit in der Voliere aufhielten.
Die Beklagten, meinen, der Anspruch des Klägers sei nicht nur verwirkt, sondern auch unbegründet, weil ihre Taubenhaltung ortsüblich sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben gem. Beschluß vom 05.11.1997. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.02.1998 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die von den Parteien eingereichten Urkunden, Skizzen und Fotos, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur zum Teil begründet.
Dem Kläger steht gem. § 906 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Unterlassung in dem im Urteilstenor bezeichneten Umfang zu.
Nach herrschender Auffassung in Literatur und Rechtssprechung ist inzwischen herrschende Meinung, der sich die Kammer anschließt, daß nicht § 1004 BGB, sondern § 906 BGB auf die vom Grundstück des Taubenhalters ausgehenden Geräusche entsprechend anzuwenden ist, wenn Tauben auf Nachbargrundstücke fliegen, oder es überfliegen und es dabei durch Kot und Staub verunreinigen (vgl. Stollenwerk ZMR 1993, 445 sowie OLG Celle NJW RR 1989, 783 ff. m. w. N.).
Dabei ist für diesen Abwehranspruch maßgebend, ob die Zuführung dieser durch Brieftauben verursachten Emissionen für den Grundstücksnachbarn eine wesentliche Beeinträchtigung darstellt.
Zunächst ist klarzustellen, daß das längere Nichtbeanstanden des Klägers nicht bedeutet, daß er i. S. einer Verwirkung auf seine Rechtspositionen verzichten wollte oder diese nicht geltend zu machen beabsichtigte. Keinesfalls können sich die Beklagten auf ein solches Stillhalten berufen, denn das kann nachvollziehbar auch seinen Grund darin haben, daß der Nachbar aus nachbarrechtlicher Rücksichtnahme sich nicht stets sofort beklagt oder gar klagt. Störungen können aber auch im Alter als intensiver empfunden werden, weil insbesondere nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben und dem damit verbundenen ganztägigen Verbleib im Haus solche Emissionen stärker empfunden werden.
Maßgebend dafür, ob eine von Tauben ausgehende Beeinträchtigung wesentlich ist, ist allerdings stets das Empfinden des normalen Durchschnittsmenschen und insbesondere die Situation der betreffenden Grundstücke.
Nach Auffassung der Kammer sind die Beeinträchtigungen auf dem klägerischen Grundstück wesentlich. Das folgt zunächst daraus, daß die Stallungen der Beklagten in nur in sehr geringem Abstand zu dem Grundstück des Klägers gelegen sind, wobei die Aus- und Einflüge zu der Seite gerichtet sind, an der sich das Grundstück des Klägers befindet. Infolgedessen müssen die Tauben beim Start stets das Grundstück des Klägers überfliegen. Weiter sind Garten und Terrasse auf dem Grundstück des Klägers so gelegen, daß sie von den Tauben zuerst in Anspruch genommen werden müssen.
Maßgebend ist zunächst, daß die Parteien nicht in einem ländlichen Gebiet, sondern in einem allgemeinen Wohngebiet leben und zudem die Grundstücke, wie dargestellt, eng nebeneinander gelegen sind und die Stallungen so aufgebaut wurden, daß die Tauben das Grundstück des Klägers nutzen müssen.
Infolgedessen ist die Kammer der Auffassung, daß auch die Ruhe des Klägers durch die Taube empfindlich gestört wird, weil deren Flügelklatschen und Gurren sowie Scharren deutlich zu vernehmen ist. Das ist noch gravierender, weil die Brieftauben, anders als Wildvögel, massiert in Erscheinung treten.
Entscheidend für die erhebliche, und damit wesentliche Beeinträchtigung ist jedoch die von den Brieftauben ausgehende Verkotung, die das Maß dessen, was Wildvögel zu hinterlassen pflegen, weit überschreitet. Das liegt daran, daß die Zahl der Tiere mit unstreitig um 100 Stück schon so groß ist, wie sie von Wildvögeln regelmäßig nicht erreicht wird, insbesondere nicht ständig.
Es ist auch unzweifelbar, daß selbst Brieftauben koten und dieser Kot bei einer solch hohen Zahl von Tauben insbesondere wegen der engen Nachbarschaft zu den Taubenschlägen, das Grundstück des Klägers und dessen Nutzung ganz erheblich in Mitleidenschaft ziehen. Das ist für jeden vernünftigen Menschen einsichtig Bei diesem aus entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 1 BGB folgenden Unterlassungsanspruch des Klägers ist jedoch andererseits wegen des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses dieser Anspruch so auszugestalten, daß auf die Belange beider Nachbarn Rücksicht zu nehmen ist. Das gilt auch für die Beklagten, die sich wegen der Lage der Grundstücke nicht mit Erfolg darauf berufen können, daß in ländlichen Gebieten eine etwa gleich hohe Zahl von Brieftauben gehalten werden dort oder sie diese Zahl von Brieftauben benötigen, um sich selbst zu "verwirklichen".
Die Abwägung der beiderseitigen Belange ergibt, daß eine Zahl von 35 Tieren ausreicht, um dem Bedürfnissen des Klägers und der Beklagten gerecht zu werden und ein gedeihliches Zusammenleben zu ermöglichen, das dem Kläger auch erlaubt, sein Grundstück so zu nutzen, wie es andere Leute in diesem Gebiet tun können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, weil der Kläger mit seinem Antrag nur zum Teil durchgedrungen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 709 ZPO.