Landgericht Oldenburg
Urt. v. 31.07.1998, Az.: 2 S 446/98
Anspruch auf Zahlung einer Differenz zwischen einem kalkulierten Rücknahmewert und dem tatsächlichen Erlös aus der Veräußerung eines Pkw; Abtretung von Ansprüchen einer Leasinggeberin aus einem Leasingvertrag; Gestaltung von Teilamortisationsverträgen im Bereich des Leasingrechts; Verletzung des Transparenzgebotes von Klauseln in einem Vertrag; Anspruch auf eine im Vertrag übernommene Restwertgarantie bei einer unwirksamen vertraglichen Regelung in den Geschäftsbedingungen zum Restwertausgleich
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 31.07.1998
- Aktenzeichen
- 2 S 446/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 31954
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1998:0731.2S446.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cloppenburg - 17.03.1998 - AZ: 2 C 434/97
Rechtsgrundlagen
- § 3 ABGB
- § 6 Abs. 2 AGBG
- § 9 Abs. 1 AGBG
Fundstellen
- DAR 1999, 318-319 (Volltext mit red. LS)
- MDR 1998, 1348 (Volltext mit red. LS)
- NJW-RR 1999, 1209-1210 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Forderung aus Leasingvertrag
In dem Rechtsstreit
...
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 1998
unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten des Landgerichts ...
des Richters am Landgericht ... und
der Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17. März 1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Klägerin macht als Inkassounternehmern an sie abgetretene Ansprüche der Firma ... gegen den Beklagten geltend.
Die Leasinggesellschaft schloß mit dem Beklagten im Dezember 1992/Januar 1993 einen Leasingvertrag über einen Pkw Opel Astra-Caravan. In dem Vertrag sind unter der Bezeichnung des Leasinggegenstandes die Laufzeit des Vertrages von 36 Monaten und der Gesamtfahrzeugpreis von 31.300,- DM angeführt. Darunter befindet sich eine Aufstellung der "Leasing-Sonderzahlung" und der monatlichen Leasingraten. Neben dieser Spalte enthält der Vertragsvordruck eine Rubrik mit der Überschrift "Abrechnung nach Vertragsende". In dieser ist der mit "Fahrzeugabrechnung, Kalkulierter Netto-Rücknahmewert (vereinbarter Mindestwert bei Fahrzeugrücknahme)" überschriebene Bereich ausgefüllt. Neben dem Nettobetrag (15.789,47 DM) und der Mehrwertsteuer ist ein Bruttobetrag in Höhe von 18.000,- DM angeführt. Für die Fälle der vorzeitigen Vertragsbeendigung wird ferner in einem fettgedruckten Absatz auf Bestimmungen der umseitig abgedruckten Leasingbedingungen konkret verwiesen.
Nach Ablauf der Leasingzeit gab der Beklagte das Fahrzeug an einen Vertragshändler zurück. Dort wurde der Wert des Fahrzeuges auf einen Händlereinkaufswert von brutto 12.450,- DM geschätzt. Festgestellt wurden in dem Gutachten u.a. Beulen an Türen, Stoßfänger und Ölwanne sowie Schrammen. Die Leasinggesellschaft erzielte einen Netto-Verkaufserlös von 12.173,91 DM und berechnete in einer Schlußabrechnung einen vom Beklagten noch zu zahlenden Betrag von 4.254,10 DM, wovon 4.157,89 DM Gegenstand der Klageforderung sind. Die Leasinggeberin stützt ihre später an die Klägerin abgetretene Forderung auf eine Regelung unter XVI.A.2. der Geschäftsbedingungen, wonach bei Beendigung von Verträgen mit Fahrzeug-Abrechnung durch Ablauf der vereinbarten Leasingzeit die Differenz zu ermitteln ist zwischen dem kalkulierten Netto-Rücknahmewert und dem geschätzten Netto-Händler-Einkaufspreis des zurückgegebenen Fahrzeuges. Angeführt ist dort ferner, daß dem Leasingnehmer 75 % des Mehrbetrages zustehen, wenn der Schätzwert den kalkulierten Netto-Rücknahmewert übersteigt. Für den Fall, daß der Schätzwert unter dem kalkulierten Rücknahmewert liegt, hat der Leasingnehmer den entsprechenden Minderbetrag an den Leasinggeber zu zahlen.
Die Parteien streiten u.a. über die Wirksamkeit der Leasingbedingungen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Ziel auf Klageabweisung weiter.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist in der Sache begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung einer Differenz zwischen einem kalkulierten Rücknahmewert und dem tatsächlichen Erlös aus der Veräußerung eines Pkw Opel Astra-Caravan aus dem Leasingvertrag vom 17. Dezember 1992 in Höhe von 4.157,89 DM zu.
Zwar hat die Klägerin in der Berufungsinstanz den Nachweis einer Abtretung von Ansprüchen der Leasinggeberin aus dem Leasingvertrag durch das Schreiben der ... vom 1. Juli 1998 geführt. Ein Anspruch auf Zahlung eines Minderbetrages aus der Abrechnung vom 26.02.1996 besteht jedoch nicht. Denn die vertragliche Regelung unter XVI.A.2. der auf der Rückseite des Leasingvertrages abgedruckten Leasingbedingungen ist nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, einen Leasingvertrag so zu gestalten, daß der Leasingnehmer neben den bei Fahrzeugübergabe und sodann monatlich zu erbringenden Leistungen am Ende des Vertragsverhältnisses einen Wert des Fahrzeuges garantiert und sich sodann verpflichtet, etwaige Differenzen zwischen dem vereinbarten Mindestwert bei Fahrzeugrücknahme und dem dann aktuell geschätzten Netto-Händler-Einkaufpreis zu erstatten. Derartige Gestaltungen werden als Teilamortisationsverträge bezeichnet, weil die während der Grundmietzeit gezahlten Leasingraten eine volle Amortisation (anders als bei Vollamortisationsverträgen) nicht erreichen (vgl. Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, 4. Aufl., Rz. 138). Der Leasingnehmer trägt dann das Restrisiko und verpflichtet sich, eine Abschlußzahlung zu leisten, wenn die während der unkündbaren Grundmietzeit gezahlten Leasingraten und der nach Vertragsbeendigung erzielte Verwertungserlös des Leasinggutes nicht ausreichen, eine Vollamortisation der Herstellungs- und Anschaffungskosten des Leasinggebers einschließlich der Neben- und Finanzierungskosten sowie des kalkulierten Gewinns sicherzustellen (Graf von Westphalen, a.a.O., Rz. 148).
Die Absicherung des Restwertes durch den Leasingnehmer setzt jedoch voraus, daß diesem bei Vertragsschluß hinreichend deutlich gemacht wird, daß er nach Ablauf der Grundmietzeit ggf. eine Abschlußzahlung an den Leasinggeber zu erbringen hat, denn eine solche Vertragsgestaltung ist keineswegs leasingtypisch (Graf von Westphalen, a.a.O., Rz. 148, 1002). Dieser Anforderung genügt der zwischen dem Beklagten und der ... abgeschlossene Vertrag nicht. Ihm allein ist nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Beklagte die Verpflichtung übernehmen sollte, einen bestimmten Rücknahmewert des Fahrzeuges bei Rückgabe zu garantieren. Neben den unter den Ziffern 7 und 8 des Vertrages angeführten Verpflichtungen des Leasingnehmers zur Zahlung eines Betrages bei Fahrzeugübergabe und monatlicher Raten während der Leasingzeit von 36 Monaten sind in Ziffer 6 Bedingungen für die "Abrechnung nach Vertragsende" angeführt. Die Rubrik, in der eine Kilometerabrechnung vorgesehen ist, ist nicht ausgefüllt worden. Angekreuzt ist auch nicht der Kreis neben der Überschrift "Fahrzeugabrechnung". Jedoch ist den in dieser Rubrik eingesetzten Beträgen zu entnehmen, daß sie Gegenstand der Vertragsgestaltung sein sollten. Allein der Anführung dieser Beträge konnte den Beklagten jedoch nicht zu dem zwingenden Schluß veranlassen, daß er einen Erlös der Verwertung des Leasingfahrzeuges in Höhe von brutto 18.000,- DM bei Ablauf der Leasingzeit garantieren sollte. Die fettgedruckte Formulierung "kalkulierter Netto-Rücknahmewert" läßt die Übernahme eines Restwertrisikos nicht mit hinreichender Klarheit erkennen, denn sie kann auch allein als Rechnungsgröße verstanden werden, die der Leasinggeber ebenso wie den Gesamtfahrzeugpreis bekannt machen will. Die in Klammern angefügte Formulierung "vereinbarter Mindestwert bei Fahrzeugrücknahme" ändert an diesem Ergebnis nichts, läßt doch auch sie die Garantie des Leasingnehmers und die evtl. bestehende Verpflichtung zur Erbringung einer Abschlußzahlung nicht eindeutig erkennen. Gestärkt wird diese Betrachtung durch den folgenden fettgedruckten Absatz, in dem der Leasingnehmer für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung auf die Abrechnung nach Abschnitt XVI. B. der Leasingbedingungen hingewiesen wird. Gerade wegen dieses Verweises hätte er auch für die Begründung einer Garantie des Rücknahmewertes einen unmißverständlichen Hinweis auf der ersten Seite des Vertragstextes erwarten können. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, daß die Leasingbedingungen auf der Rückseite des Vertragsvordruckes abgedruckt waren. Denn die Geschäftsbedingungen waren ausweislich der vom Beklagen vorgelegten Originaldurchschrift auf drei Spalten verteilt in kleinster, schwer lesbarer Schrift in einem blaß schwarzen Farbton auf leicht rosafarbenem Untergrund gedruckt und damit nur unter großen Anstrengungen für einen Leasingnehmer zu erfassen. Es hätte schon erheblicher Mühen bedurft, die in der Mitte der dritten Spalte angeführten Bedingungen zur Abrechnung nach Vertragsende aufzunehmen und dann auch die unter Ziffer 6 auf der Vorderseite angeführten Beträge zu übertragen.
Die fehlenden eindeutigen, unmißverständlichen und klaren Hinweise auf die Vollamortisationspflicht des Beklagten auf der ersten Seite des Vertrages führen zu einer Verletzung des Transparenzgebotes. Die daraus folgende Unklarheit hinsichtlich der vom Leasingnehmer zu erbringenden Ausgleichszahlung stellt eine unangemessene Benachteiligung des Beklagen gemäß § 9 Abs. 1 AGBG dar und hat die Unwirksamkeit der Regelung unter XVI. A. 2. der Leasingbedingungen zur Folge (vgl. Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Leasing Rn. 159-161). Die Leasinggeberin verliert so ihren Anspruch auf volle Amortisation ihrer Gesamtkosten einschließlich des kalkulierten Gewinns, soweit diese nicht durch die Zahlung der Leasingraten innerhalb der unkündbaren Grundmietzeit amortisiert worden sind (Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, Rz. 152). Anstelle der unwirksamen Vertragsregelung treten nach § 6 Abs. 2 AGBG die gesetzlichen Vorschriften. Die Regelungen des Mietrechts kennen jedoch keine Verpflichtung des Mieters zur Erbringung von Ausgleichszahlungen bei Vertragsbeendigung dafür, daß der Mietgegenstand durch die während der Zeit der Gebrauchsüberlassung erfolgte Abnutzung aufgrund vertragsgemäßen Gebrauchs eine Wertminderung erfahren hat. Dem Vermieter steht lediglich der vereinbarte Mietzins zu (vgl. OLG Oldenburg, NJW-RR 1987, 1003, 1006 [OLG Oldenburg 18.02.1987 - 3 U 211/86]).
Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus den Überlegungen des BGH in der Entscheidung vom 4.6.1997 (NJW 1997, 3166, 3167 [BGH 04.06.1997 - VIII ZR 312/96]), wonach im Falle einer unwirksamen vertraglichen Regelung in den Geschäftsbedingungen zum Restwertausgleich ein Anspruch aus der im Vertrag übernommenen Restwertgarantie folgt. Denn anders als in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall, in dem der Leasingnehmer ausdrücklich einen konkret benannten Restwert garantierte, hat der Beklagte eine solche Garantieerklärung im Vertrag vom Dezember 1992/Januar 1993 nicht abgegeben.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen kann dahinstehen, ob durch die Gestaltung des Vertrages vom Dezember 1992/Januar 1993 dem Leasingnehmer suggeriert wurde, daß er nicht zur vollen Amortisation aller dem Leasinggeber entstehenden Kosten verpflichtet ist, wie das das OLG Oldenburg in seiner Entscheidung vom 18.2.1987 (NJW-RR 1987, 1003 [OLG Oldenburg 18.02.1987 - 3 U 211/86]) angenommen hat. Folge wäre dann die Unwirksamkeit entgegenstehener überraschender Klauseln nach § 3 ABGB. In dem dort zu entscheidenden Fall enthielt das Formular die ausdrückliche Abrede, daß die in der Grundmietzeit zu entrichtende Miete die Anschaffungskosten sowie die Nebenkosten einschließlich der Finanzierungskosten des Vermieters nicht deckt. Eine derartige Erklärung liegt hier nicht vor.
Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche aufgrund der Beschädigung des Leasingfahrzeuges während der Zeit der Gebrauchsüberlassung an den Beklagten zu. Die Klägerin hat eine Wertminderung durch einzelne Beschädigungen nicht konkret angeführt. Eine solche läßt sich auch dem auf einer Seite abgedruckten knappen Schätzungsgutachten nicht entnehmen, da dieses eine nachvollziehbare Berechnung nicht enthält. Tatsachen für die durch Beulen und Schrammen verursachte Wertminderung sind somit nicht hinreichend dargetan.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.