Landgericht Oldenburg
Urt. v. 18.08.1998, Az.: 1 S 90/98

Beginn der Widerrufsfrist bei Aushändigung der Widerrufsbelehrung an gemeinsam in häuslicher Gemeinschaft lebenden Schuldner; Vorliegen einer Übersicherung i.R.v. Verbraucherkreditverträgen bei Abtretung der Lohnforderung beider Gesamtschuldner an den Kreditgeber

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
18.08.1998
Aktenzeichen
1 S 90/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 31446
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1998:0818.1S90.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Vechta - 16.12.1997 - AZ: 11 C 1330/97

Fundstellen

  • EWiR 1998, 1149 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • NJW-RR 1999, 1734 (Volltext mit red. LS)
  • VuR 1999, 23
  • WM 1998, 2241-2242 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuB 1999, 29
  • ZBB 1998, 407

In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 28.07.1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Wullert,
den Richter am Landgericht vom Brocke und
die Richterin Blohm
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.12.1997 verkündete Urteil des Amtsgerichts Vechta geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Änderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

2

Die von der Klägerin begehrte Feststellung der Unwirksamkeit des mit der Beklagten geschlossenen Kreditvertrages ist nicht begründet, selbst wenn dieser Vertrag von der Wirksamkeit des mit dem Mitschuldner ... geschlossenen Vertrages abhängt. Denn -auch- dieser Vertrag ist wirksam.

3

Der mitverpflichtete ... konnte seine auf den Abschluß des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärungen nicht mit der Begründung widerrufen, ihm sei eine Widerrufsbelehrung nicht ausgehändigt worden, so daß die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt worden sei. In der Literatur wird zwar die Ansicht vertreten, im Falle einer Verpflichtung mehrerer Schuldner sei jedem eine gesonderte Belehrung auszuhändigen (MüKo, 3. Aufl., § 7 VerbrKrG Rn 20; Ulmer/Timmann, Zur Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf die Mitverpflichtung Dritter, Festschrift für Rowedder, S. 524). Eine Begründung wird hierfür nicht gegeben. Die Kammer vermag dieser Ansicht in dieser Allgemeinheit auch nicht beizutreten. Jedenfalls in den Fällen, in denen die in häuslicher Gemeinschaft lebenden Schuldner den Kreditvertrag gemeinsam abschließen und die Widerrufsbelehrung gemeinsam unterschreiben, ist dem Gesetzeszweck, jedem der Schuldner eine einfache Überprüfung des Laufs der Widerrufsfrist zu ermöglichen, Genüge getan, wenn ihnen die Belehrung gemeinsam ausgehändigt wird (ebenso Heinrichsheimer, Die Einbeziehung des Ehegatten in die Haftung für Geldkredite, S. 104). Das ist hier unstreitig geschehen. Die vom Amtsgericht erörterte Frage, ob die Verschaffung mittelbaren Besitzes oder Besitzdienerschaft ausreichen kann, ist hier nicht entscheidungserheblich. Denn mit der Aushändigung der Urkunde an die gemeinsam anwesenden Schuldner haben beide Mitbesitz gem. § 866 BGB erlangt.

4

Die Auffassung der Klägerin, die ihrem Lebensgefährten ausgehändigte Widerrufsbelehrung sei unklar gewesen, ist nicht zutreffend. Sie fußt offenbar auf der unrichtigen Prämisse, er habe eine Belehrung über den Widerruf des Kreditvertrages nicht erhalten. Der Text der Belehrung im Kreditvertrag sowie im Kaufvertrag entspricht jeweils den gesetzlichen Anforderungen.

5

Die in dem Kreditvertrag vereinbarte Lohnabtretung verstößt schließlich nicht gegen § 9 AGBG. Eine derartige Vorausabtretung ist grundsätzlich zulässig, wenn die abgetretene Forderung inhaltlich genügend bestimmt oder bestimmbar ist und wenn keine Übersicherung eintritt (vgl. BGH, MDR 89, 889 <890>). Zweifel an der hinreichenden Bestimmbarkeit sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

6

Eine Übersicherung der Kreditgeberin tritt ebenfalls nicht ein. Sie kann jedenfalls nicht, wie die Klägerin meint, daraus hergeleitet werden, daß die Verkäuferin mit dem Lebensgefährten der Klägerin in dem Kaufvertrag einen Eigentumsvorbehalt vereinbart hat. Abgesehen davon, daß der Eigentumsvorbehalt nicht die Darlehnsrückzahlungsansprüche der Beklagten sichert, sondern den Kaufpreiszahlungsanspruch der Verkäuferin, ist mit der Zahlung des Kreditbetrages durch die Beklagte an die Verkäuferin die Bedingung für den Eigentumserwerb eingetreten, so daß der Eigentumsvorbehalt kein Sicherungsmittel mehr darstellt. Eine Übersicherung tritt auch nicht dadurch ein, daß die Beklagte sich von beiden Kreditnehmern eine Lohnabtretung hat geben lassen. Beide Gesamtschuldner haften nämlich der Gläubigerin für die gesamte Darlehnssumme, so daß jede der Sicherungsabtretungen der Darlehnsschuld der Sicherungsgeber entspricht.

7

Wegen der in § 422 BGB geregelten Erfüllungswirkung ist zudem ausgeschlossen, daß die Gläubigerin nach Befriedigung durch einen Schuldner noch auf das Sicherungsmittel des anderen Schuldners zurückgreifen kann.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Wullert
vom Brocke
Blohm