Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 20.07.2023, Az.: 4 A 122/21
Auslegung; Nicht Gebrauch machen von einer Genehmigung; Stilllegung; ungültige Genehmigung; Immissionsschutzrechtliche Stilllegungsverfügung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 20.07.2023
- Aktenzeichen
- 4 A 122/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 30451
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2023:0720.4A122.21.00
Rechtsgrundlagen
- BGB § 133
- BGB § 157
- BImSchG § 12
- BImSchG § 20 Abs. 2
Amtlicher Leitsatz
Eine Stilllegungsverfügung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG setzt das Fehlen einer erforderlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung voraus. Eine frühere Genehmigung der Klägerin kann nach den auch im Verwaltungsrecht geltenden Auslegungsregeln nach §§ 133, 157 BGB nicht als unbefristete und damit noch gültige Genehmigung ausgelegt werden. Die Anordnung, von einer ungültigen Genehmigung keinen Gebrauch zu machen , stellt keine in § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG vorgesehene Maßnahme dar.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem der Beklagte der Klägerin "das Gebrauchmachen" von einer im Jahr 2000 erteilten Genehmigung zum Abbau von Gipsgestein untersagte.
Die Klägerin ist ein Bergbauunternehmen, das u.a. in A-Stadt im Landkreis C-Stadt Gips abbaut. Sie ist die Rechtsnachfolgerin der H. und E. E. GmbH, einem Unternehmen, das nach Angaben der Klägerin erstmals am 10.08.1982 eine Genehmigung zum Gipsabbau am Standort "F." erhielt. Bei dem damaligen Standort "F." handelte es sich um einen Teilbereich des im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Steinbruchs F.. Im Laufe der Jahre gab es verschiedene Rechtsnachfolgerinnen der H. und E. E. GmbH, zuletzt die Fa. G. GmbH. Am 27.10.2008 wurde die Klägerin Rechtsnachfolgerin der Fa. G. GmbH.
Nach Erteilung der bis zum 31.12.1999 befristeten Genehmigung vom 10.08.1982 wurden im Laufe der Jahre weitere (Änderungs)genehmigungen erteilt und zwar:
Änderungsgenehmigung vom 30.12.1988 zur geänderten Abbauführung in der Abbaustätte F., ebenfalls befristet bis zum 31.12.1999.
Genehmigung vom 12.11.1993, befristet bis zum 31.12.2017, zur Erweiterung des Gipsabbaus auf einer zweiten Abbaustätte im Steinbruch H., welcher wenige hundert Meter südöstlich der Abbaustätte F. gelegen ist.
Genehmigung vom 08.02.2000, mit welcher der Fa. G. E. GmbH genehmigt wurde, nach "Maßgabe des Bescheids" ... "auch nach Ablauf der Befristung der Änderungsgenehmigung vom 30.12.1988" im Steinbruch F. Gipsgestein abzubauen. In der Begründung des Genehmigungsbescheids heißt es hierzu wörtlich:
"Mit dem Bescheid vom 30.12.1988 wurde vom Landkreis I. eine Änderung der Abbauführung im Gipssteinbruch "F." genehmigt. In der allgemeinen Nebenbestimmung Nr. 2.1.12 dieser Genehmigung ist die Abbauzeit für die betroffene Steinbruchsfläche bis zum 31.12.1999 begrenzt worden. Mit dem Bescheid vom 12.11.1993 ist vom Landkreis I. eine Erweiterung des Steinbruchs in südlicher Richtung genehmigt worden. Diese Genehmigung ist befristet bis zum 31.12.2017. Die Firma E. GmbH beantragt nun beim C. C-Stadt die Genehmigung für den weitergehenden Abbau von Gipsgestein auf der ursprünglichen Steinbruchsfläche und gemäß § 12 Abs. 2 BImSchG eine Befristung der Abbaugenehmigung auch für diese Fläche bis zum 31.12.2017 als Anpassung an die entsprechende Regelung der vorgenannten Erweiterungsgenehmigung."
Seit 2015 werden die Abbaubereiche der Steinbrüche F. und H. offiziell als eine Einheit im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV geführt und wurden von den Beteiligten bereits zuvor als Einheit betrachtet. Das Gesamtabbaugebiet wird seitdem als Abbaustätte "F. -H." bezeichnet.
Genehmigung vom 14.12.2014, mit welcher die Abbaufrist für die Abbaustätte "F. -H." (übergangsweise) um zwei Jahre bis zum 31.12.2019 verlängert wurde. Durch die Verlängerung sollte der Klägerin ausreichend Zeit gegeben werden, die notwendigen Unterlagen für ein beabsichtigtes, auf Entfristung abzielendes Genehmigungsverfahren zusammenzustellen. Am 29.06.2018 beantragte die Klägerin beim Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig die Erteilung einer unbefristeten Abbaugenehmigung für das Gesamtabbaugebiet F. -H.. In dem Verfahren streiten die Klägerin und das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig u. a. darüber, ob eine solche Genehmigung im Wege der Änderungsgenehmigung oder im Wege der Neugenehmigung zu erteilen wäre und ob aufgrund der Gesamtgröße sowie der nördlich angrenzenden Naturschutz- und FFH-Gebiete eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig ist. Mit Bescheid vom 21.02.2022 lehnte das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig die beantragte Genehmigung ab. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Das Verfahren wird beim erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 4 A 23/23 geführt. Eine gerichtliche Entscheidung steht noch aus.
Genehmigung vom 19.12.2019, mit welcher der Beklagte der Klägerin nicht zuletzt aufgrund der schon damals absehbaren Dauer des auf Entfristung abzielenden Genehmigungsverfahrens bis zum 31.12.2021 die Fortsetzung des Gipsabbaus auf bestimmten Flächen der Bereiche F. (Abbauabschnitte 1 und 2, Gesamtgröße ca. 3,54 ha) und H. (Abbauabschnitte A und B , Gesamtgröße ca. 1,63 ha) erlaubte, nachdem für diese Flächen nach einer standortbezogenen UVP die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung verneint worden war. Gegen diesen Bescheid legte der BUND Widerspruch ein, über den nie entschieden wurde. Nachdem der Abbau im Steinbruch F. eingestellt worden war, kündigte die Klägerin gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 22.01.2021 an, den Betrieb (nur) im Steinbruch F. wieder aufnehmen zu wollen.
Daraufhin erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 29.01.2021, mit dem er der Klägerin das "Gebrauchmachen von der mit Änderungsgenehmigung vom 08.02.2000 erteilten Gipsabbaugenehmigung" untersagte (Ziff. 1), darüber hinaus feststellte, dass die Änderungsgenehmigung vom 08.02.2000 nicht mehr gültig sei (Ziff. 2), die sofortige Vollziehung der zu Ziff. 1 getroffenen Anordnung anordnete (Ziff. 3) und der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegte (Ziff. 4). Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2021 zurückwies.
Die Klägerin hat am 04.06.2021 Klage erhoben.
Sie ist der Auffassung, über eine bis heute fortgeltende Abbaugenehmigung für die Abbaustätte F. zu verfügen. Auch wenn sie dies in der Vergangenheit anders gesehen habe, sei sie inzwischen der Auffassung, dass die Abbaugenehmigung vom 08.02.2000 unbefristet erteilt worden sei. Sie gelte deshalb für das Gebiet, für das sie damals erteilt worden sei, nämlich den Steinbruch F. als Teilbereich des heutigen Gesamtabbaugebietes, bis heute fort. Die Unbefristetheit folge daraus, dass der Tenor des Bescheids vom 08.02.2000 keine Befristung als Nebenbestimmung enthalte. Soweit eine Befristung in der Begründung des Bescheids anklinge, sei dies unerheblich. Eine Befristung gehöre als verfügender Teil eines Bescheids in den Bescheidtenor. Die fehlende Befristung im Bescheidtenor könne nicht durch eine eventuell in der Begründung enthaltene Befristung ersetzt werden. Für dieses Verständnis spreche zudem, dass der Bescheid keine Begründung für eine Befristung enthalte. Die Genehmigung sei daher objektiv als unbefristet erteilt auszulegen. Außerdem habe der Beklagte bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids kein Ermessen ausgeübt, weshalb der Bescheid auch unter diesem Gesichtspunkt rechtswidrig sei.
Die Folgegenehmigungen/Änderungsgenehmigungen seien, soweit sie auch das Gebiet F. (mit-)umfassten, von ihr rechtsirrig beantragt worden. Rechtlich hätte es dieser Genehmigungen in Anbetracht des Fortbestandes der Genehmigung vom 08.02.2000 nicht bedurft. Nach alledem dürfe sie von der Genehmigung vom 08.02.2000 weiterhin "Gebrauch machen", weshalb die ausgesprochene Untersagung rechtswidrig sei.
Unabhängig davon sei die Untersagung des weiteren Gipsabbaus im Erlasszeitpunkt des streitgegenständlichen Bescheids vom 29.01.2021 auch deshalb rechtswidrig gewesen, weil sie - die Klägerin - zu diesem Zeitpunkt noch über die bis zum 31.12.2021 geltende Abbaugenehmigung für die Abbaustätte F. verfügt habe. Die Untersagung im Bescheid vom 29.01.2021 sei auch nicht so zu verstehen, dass diese erst nach Ablauf der Genehmigung vom 19.12.2019 ab 01.01.2022 habe gelten solle. Vielmehr sei sie als sofortige Untersagung des weiteren Abbaus auszulegen. Dass der BUND gegen die Genehmigung Widerspruch eingelegt (gehabt) habe, sei für die materielle Rechtmäßigkeit des genehmigten Abbaus ohne Bedeutung.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 29.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 05.05.2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Klägerin könne aus dem Bescheid vom 08.02.2000 nach Ablauf des Jahres 2017 keine Rechte mehr herleiten. Zwar folge eine Befristung der Genehmigung nicht unmittelbar aus dem Tenor des damaligen Bescheids. Eine Befristung ergebe sich jedoch unter Berücksichtigung des zugrunde liegenden Genehmigungsantrages und aus der Begründung der Genehmigung. Es wäre rechtlich auch gar nicht zulässig gewesen, die Genehmigung stillschweigend über den Antrag der Klägerin hinausgehend ohne Befristung zu erteilen. Auch dies zeige, dass der Genehmigungstenor nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit der Begründung betrachtet werden müsse.
Soweit die Klägerin meine, der Beklagte habe bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht berücksichtigt, dass die Klägerin noch über eine bis Ende 2021 geltende Genehmigung für die Abbaustätte F. verfügt habe, weshalb im Erlasszeitpunkt des Bescheids vom 29.01.2021 die Untersagung rechtswidrig gewesen sei, sei dies nicht richtig. Vielmehr habe der Beklagte mit Blick auf diese Genehmigung der Klägerin bewusst gerade nicht generell den weiteren Abbau untersagt, sondern nur das "Gebrauchmachen von der (...) am 08.02.2000 erteilten Gipsabbaugenehmigung". Die Klägerin habe also bis Ende 2021weiter Gips im Steinbruch F. abbauen dürfen, nur eben nicht auf Grundlage des Bescheids aus dem Jahr 2000, sondern auf Grundlage der Genehmigung vom 19.12.2019. Ebenso wenig liege ein Ermessensausfall vor. Es seien keine Umstände ersichtlich gewesen, die die Prüfung eines atypischen Falls erforderlich gemacht hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf Gerichtsakte und den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat in dem tenorierten Umfang Erfolg. Der Bescheid vom 29.01.2021 und der Widerspruchsbescheid vom 05.05.2021 sind hinsichtlich der in den Ziffern 1 und 3 getroffenen Regelungen rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die in den Ziffern 2 und 4 getroffenen Regelungen sind dagegen rechtlich nicht zu beanstanden.
Seiner Entscheidung hat das Gericht bei der vorliegenden Anfechtungsklage die Sach- und Rechtslage im für die gerichtliche Beurteilung maßgebenden Erlasszeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 05.05.2021 zugrunde gelegt.
Als Rechtsgrundlage für die Anordnung nach Ziff. 1 kommt § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG in der aktuellen Fassung vom 30.11.2016 in Betracht. Danach soll die zuständige Behörde anordnen, dass eine ohne die erforderliche Genehmigung errichtete, betriebene oder wesentlich geänderte Anlage stillzulegen oder zu beseitigen ist.
Nach Nr. 8.1 c) der Anlage zu § 1 der Niedersächsischen Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten des Arbeitsschutz-, Immissionsschutz-, Sprengstoff-, Gentechnik- und Strahlenschutzrechts sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz) in der Fassung vom 06.03.2019 ist der Beklagte als staatliches Gewerbeaufsichtsamt die sachlich und für den Landkreis C-Stadt örtlich zuständige Behörde.
Bei dem Steinbruch F. handelt es sich um eine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 BImSchG. Der Begriff Anlage im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist in § 3 Abs. 5 BImSchG definiert. Der Steinbruch F. erfüllt die Voraussetzungen des Anlagenbegriffs nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 3 BImSchG. Er ist sowohl (Teil einer) Betriebsstätte (Nr. 1) als auch - vor dem Hintergrund des Abbaus - ein Grundstück, auf dem Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können (Nr. 3). Die Genehmigungsbedürftigkeit des Betriebs folgt aus § 4 Abs. 1 S. 1, S. 3 BImSchG i.V.m. § 1 der 4. BImschV sowie Nr. 2.1.1 (Steinbrüche mit 10 Hektar oder mehr) des hierzu gehörenden Anhangs 1.
Im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt war auch von einem Betrieb der Anlage auszugehen. Die Prozessbevollmächtigte und damalige Bevollmächtigte der Klägerin hatte in ihrem Schreiben vom 22.01.2021 an den Beklagten erklärt, dass die Klägerin sich entschlossen habe, die "unbefristete Genehmigung vom 08.02.2000 für den Betriebsteil F. ab dem 25.01.2021 auszunutzen". In einem Telefongespräch vom 25.01.2021 mit dem Beklagten bestätigte die Prozessbevollmächtigte noch einmal, dass die Klägerin den Betrieb im Abbaubereich F. fortsetzen werde. Vor diesem Hintergrund war bereits am 29.01.2021 absehbar, dass der Betrieb auch über das Jahresende 2021 hinaus fortgesetzt werden würde. Denn im Telefonat vom 25.01.2021 verdeutlichte die damalige Bevollmächtigte der Klägerin, dass die Klägerin sich nicht (nur) auf Grundlage der bis zum Jahresende 2021 befristeten Genehmigung vom 19.12.2019 als zum Weiterbetrieb berechtigt ansah, sondern dass sie das Recht zum Weiterbetrieb darüber hinaus auch noch aus der Genehmigung vom 08.02.2000 ableitete, da ihr diese Genehmigung unbefristet erteilt worden sei. Vor diesem Hintergrund war mit einer Einstellung der Arbeiten zum Jahresende 2021 nicht zu rechnen. Ein - wie hier - absehbarer, zukünftiger Betrieb (ohne die erforderliche Genehmigung) reicht für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals in § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG - ohne die erforderliche Genehmigung betriebene Anlage - aber aus (OVG Münster, Beschl. v. 12.12.2016 - 8 B 1095/16 -, Rn. 26 juris).
Der Klägerin fehlte auch die erforderliche Genehmigung für den Betrieb der Anlage im Abbaugebiet F. über den 31.12.2021 hinaus. Die Genehmigung fehlt, wenn sie nicht erteilt, zwar erteilt aber nichtig, oder wieder weggefallen ist (Peschau in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar (Loseblattsammlung), § 20 Rn. 54, Stand Februar 2018).
Mit Ablauf der Abbaugenehmigung vom 19.12.2019 für die Abbaustätte F. zum 31.12.2021 war die ohnehin nur auf bestimmte Abbauflächen beschränkte Genehmigung weggefallen. Der Weiterbetrieb wäre somit formell illegal gewesen. Entgegen der Ansicht der Klägerin bestand die mit Bescheid vom 08.02.2000 erteilte Genehmigung nicht fort. Dies würde voraussetzen, dass sie unbefristet erteilt worden wäre. Das Gericht kommt nach seiner Auslegung des Bescheids vom 08.02.2000 zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes und der Inhalt sonstiger behördlicher Willenserklärungen entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Auslegungsregeln zu ermitteln ist. Maßgeblich ist der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen. Dazu gehören insbesondere die einer Bewilligung vorausgehenden Anträge und die zugrundeliegenden Rechtsnormen. Zu berücksichtigen ist, dass eine verbleibende Unklarheit getroffener Anordnungen regelmäßig nicht zu Lasten des Bescheidadressaten geht. Maßgeblich ist insofern nicht der innere Wille des Bescheidverfassers, sondern der erklärte. Auch Nebenbestimmungen eines Verwaltungsaktes, insbesondere (auch) belastender Art, müssen den Willen der Behörde bestimmt, unzweideutig, vollständig und widerspruchsfrei zum Ausdruck bringen. Sind mehrere Auslegungen eines Verwaltungsaktes oder einer Nebenbestimmung denkbar, muss sich die Verwaltung diejenige Auslegung entgegenhalten lassen, die der Empfänger vernünftigerweise zugrunde legen darf, ohne die Unklarheit, Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit einseitig zu seinen Gunsten auszunutzen (BVerwG, Beschlüsse vom 03.01.2022 - 7 B 6/21 -, Rn. 9; 09.03.2016 - 3 B 23/15 -, Rn. 6; Urteile vom 26.06.1986 - 2 C 13/83 -, Rn. 30; 25.05.2022 - 8 C 11/21 -, Rn. 13-15; 24.07.2014 - 3 C 23/13 -, Rn.18; jeweils juris; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 22. Aufl., 2021, § 36 Rn. 86 ff. Rn. 7 zu § 36).
Nach diesen Vorgaben ist die Genehmigung vom 08.02.2000 als eine bis zum 31.12.2017 befristete Genehmigung auszulegen.
Für eine Auslegung als unbefristete Genehmigung könnte zwar zunächst sprechen, dass dem Tenor des Bescheids vom 08.02.2000 eine Befristung als Nebenbestimmung nicht ausdrücklich zu entnehmen ist. Denn dort heißt es unter Ziff. I. (Genehmigung) lediglich, dass die Genehmigung erteilt wird, im Steinbruch F. "auch nach Ablauf" der auslaufenden Genehmigung vom 30.12.1988 Gipsgestein abzubauen. Da der Tenor in Ziff. II eine Vielzahl an Nebenbestimmungen enthält, wäre möglicherweise auch zu erwarten gewesen, dass eine Befristung hier eine ausdrückliche Erwähnung gefunden hätte, wenn sie denn hätte angeordnet werden sollen. Gleichwohl führen diese Umstände im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der damaligen Situation nicht dazu, dass die damalige Bescheidadressatin die Genehmigung nicht als befristet erteilt ansehen musste.
Denn der Erklärungsgehalt aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers bestimmt sich nicht nur anhand des Tenors, sondern unter Inblicknahme aller für den Adressaten bekannten oder erkennbaren Umstände (s. o.). Bei verständiger Würdigung ergibt sich ein objektiver Erklärungsgehalt des Bescheids dahingehend, dass die Genehmigung befristet bis zum 31.12.2019 erteilt wurde.
Dabei ist maßgeblich in die Betrachtung einzustellen, dass die damalige Antragstellerin im damaligen Verwaltungsverfahren gerade einen Gleichlauf zur - damals verwaltungsrechtlich noch separat betrachteten - zweiten Abbaustätte im Steinbruch H. herzustellen beabsichtigte. Denn in ihrem Genehmigungsantrag vom 25.11.1999 hieß es in der damaligen Antragsbegründung wörtlich:
"Mit Genehmigung vom 12.11.1993 (Az.: 66.4-1.2.1-029b) des Landkreises I. wurde das südlich angrenzende Gebiet im Bereich des H. es (siehe Anlage 2) ebenfalls für den Gipssteinabbau freigegeben. Diese Genehmigung ist befristet auf den 31.12.2017. Basierend auf der Tatsache, daß das gesamte Gebiet abbautechnisch als eine Einheit anzusehen ist, möchten wir vorschlagen, für die in Rede stehende Abbaugenehmigung eine analoge Fristverlängerung bis zum 31.12.2017 vorzunehmen.". Dementsprechend heißt es in der Begründung des Bescheids vom 08.02.2000: "Die Firma E. GmbH beantragt nun beim C. C-Stadt die Genehmigung für den weitergehenden Abbau von Gipsgestein auf der ursprünglichen Steinbruchsfläche und gemäß § 12 Abs.2 BImSchG eine Befristung der Abbaugenehmigung auch für diese Fläche bis zum 31.12.2017 als Anpassung an die entsprechende Regelung der vorgenannten Erweiterungsgenehmigung." (hiermit ist die Abbaugenehmigung für das Gebiet H. gemeint, Anmerkung des Gerichts).
Aus objektivierter Empfängersicht der Bescheidadressatin konnte dies nur dahingehend verstanden werden, dass der eigene Antrag (im Übrigen unabhängig vom inneren Willen der Antragstellerin bei Antragstellung) jedenfalls durch die Behörde dahingehend gedeutet worden war, dass gerade keine unbefristete Genehmigung, sondern vielmehr von vornherein eine auf das Jahresende 2017 befristete Genehmigung (als Antrag auf Befristung i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 1 BImSchG in der damals maßgeblichen Fassung vom 09.10.1996 (gültig bis zum 18.10.2001), im Folgenden: a.F.) beantragt worden war.
Dies zugrunde gelegt, hätte eine Auslegung des erlassenen Bescheids als unbefristete Genehmigung aus objektiver Sicht der damaligen Antragstellerin denknotwendig zur Folge gehabt, dass die Antragstellerin davon hätte ausgehen müssen, dass die Behörde mit ihrer Genehmigung über den Antrag der Antragstellerin hinausgegangen wäre und damit formelle Voraussetzungen missachtet hätte. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BImSchG a.F. konnte (und kann auch nach aktueller Rechtslage) die Genehmigung auf Antrag für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden. Demnach war die Genehmigung grundsätzlich unbefristet zu erteilen mit der Folge, dass die Behörde zum einen keine unbefristete Genehmigung erteilen durfte, wenn ein Befristungsantrag i.S.d. § 12 Abs. 2 BImSchG vorlag. Sie durfte aber zum anderen auch nicht - und hierin liegt die Besonderheit im Vergleich zu § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG - in eigener Initiative eine Befristung ermessensgemäß (als Minus zur unbefristeten Erteilung) erlassen, wenn sie der Ansicht war, nur so die Genehmigungsfähigkeit herstellen zu können. Eine Befristung durfte nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 BImSchG deshalb nur "auf Antrag" erfolgen. Es handelte sich (entgegen dem äußeren Schein) nicht um eine Ermessensnorm, sondern um eine bloße Handlungsermächtigung (Czajka in: Feldhaus, a.a.O. § 12 Rn. 56 ff., insbes. Rn. 63). In der Sache ist die Behörde insoweit Willen des Antragstellers abhängig. Zweck dessen ist, dass es gänzlich in der Hand des Antragstellers liegen soll, über seinen Antrag zu steuern, wie aufwändig das Genehmigungsverfahren für ihn wird. Bei der von der Behörde vorgenommen Befristung handelt es sich demnach gar nicht um eine typische Nebenbestimmung i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG, was wiederum erklärt, warum sie unter Ziff. II (Nebenbestimmungen) des Bescheidtenors nicht aufgeführt ist. Nach alledem hätte die Adressatin des Bescheids vom 08.02.2000 es als fernliegend erachten müssen, dass ihr eine unbefristete Genehmigung erteilt worden sei. Dies gilt insbesondere auch mit Blick darauf, dass die Behörde im letzten Satz der Begründung des Bescheids klarstellt, dem Antrag (nur) im beantragten Umfang, d.h. gerade nicht in darüber hinausgehendem Umfang, zu entsprechen ("Der beantragte Bescheid war somit zu erteilen"). Dass eine Befristung gewollt war, zeigt sich letztlich auch dadurch, dass die Genehmigung "nach Maßgabe dieses Bescheides" und damit eben auch unter Berücksichtigung der Bescheidbegründung erteilt worden war.
Dem kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Adressatin gegen einen jedenfalls formell rechtswidrigen, weil über das Beantragte hinausgehenden, Bescheid wohl kaum Widerspruch eingelegt hätte, weil ihr die Erteilung einer unbefristeten Genehmigung im Ergebnis wohlmöglich genehmer gewesen wäre als die Bewilligung (nur) des Beantragten. Denn entscheidend ist allein die Frage, wie die Adressatin den Bescheid bei verständiger Würdigung objektiv verstehen durfte, nicht jedoch, welche innere Haltung sie hierzu eingenommen oder welche Konsequenzen sie hieraus gezogen hätte.
Ebenso wenig ist - anders als die Klägerin meint - der Bescheid vom 08.02.2000 deshalb objektiv als unbefristete Erteilung auszulegen, weil der Bescheid keine Begründung für eine Befristung enthält. Da eine Befristung nur auf Antrag erfolgt und ansonsten eine unbefristete Genehmigung erteilt wird (s.o.), ist eine (nähere) Begründung für die Befristung entbehrlich. Vielmehr reicht es (anders als im Fall des § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) aus, im Rahmen der Begründung des auf Antrag mit einer Befristung erlassenen Bescheids allein darauf zu verweisen, dass ein entsprechender Antrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gestellt wurde. Dies ist im Bescheid vom 08.02.2000 geschehen, sodass es entgegen der Auffassung der Klägerin an einer Begründung der Befristung nicht mangelt und auch insoweit eine Auslegung des Bescheids im Sinne der Klägerin ausscheidet.
In einer Gesamtschau unter Berücksichtig des damaligen Genehmigungsantrages und der Bescheidbegründung lag es aus Adressatensicht daher objektiv nahe, davon auszugehen, dass der Bescheid - eben genau so wie beantragt - befristet erteilt worden ist. Hinzu tritt, dass es - wie die Klägerin im Übrigen selbst vorträgt - zum damaligen Zeitpunkt der Genehmigungspraxis der Beklagten entsprach, Genehmigungen regelmäßig befristet zu erteilen.
Nach alledem ergibt eine Auslegung des Bescheids vom 08.02.2000 am Maßstab der §§ 133, 157 BGB, dass der Bescheid als bis zum 31.12.2017 befristet anzusehen war, mithin im Erlasszeitpunkt des streitgegenständlichen Bescheids gegenstandslos geworden war. Die Klägerin konnte nach Ablauf des Jahres 2017 aus dem Bescheid vom 08.02.2000 keine Rechte mehr herleiten.
Dass es sich hierbei um die nach den Gesamtumständen einem objektiven Erklärungsempfänger sich aufdrängende Auslegung handelt, wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass die Klägerin selbst - wie durch die Beantragung diverser weiterer Genehmigungen für vorangegangene Zeiträume belegt ist - ebenso wie ihre Rechtsvorgängerin (als ursprüngliche Adressatin) davon ausging, keine unbefristete Genehmigung erhalten zu haben. Die vorgetragene gewandelte Rechtsauffassung der Klägerin trat erst zutage, als nach der Beantragung einer unbefristeten Genehmigung für beide Abbaustätten im Verwaltungsverfahren Schwierigkeiten auftraten.
Im Ergebnis lagen in dem für die gerichtliche Beurteilung maßgebenden Zeitpunkt somit alle Tatbestandsvoraussetzungen von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG vor.
Der Beklagte hat jedoch keine der in § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG vorgesehenen Maßnahmen (Stilllegung oder Beseitigung) ergriffen.
Bei der in Ziff. 1 getroffenen Anordnung, wonach der Klägerin das "Gebrauchmachen" von der im Jahr 2000 erteilten Gipsabbaugenehmigung "untersagt" wird, handelt es sich offensichtlich um keine Beseitigungsanordnung. Die getroffene Anordnung kann rechtlich aber auch nicht als "Stilllegung" qualifiziert werden.
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass eine im Wege des Verwaltungsaktes getroffene Anordnung sich auf die Vornahme oder das Unterlassen einer natürlichen Handlung beziehen muss. Andernfalls wäre sie nicht vollstreckbar. Das "Gebrauchmachen von einer Genehmigung" ist hingegen rechtlicher Natur. Es stellt sich aber die Frage, ob der Anordnung durch Auslegung ein vollstreckungsfähiger Inhalt entnommen werden kann, der sich als rechtmäßige Anordnung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 BImSchG darstellt. Dies ist im Ergebnis nicht der Fall.
Ein vollstreckungsfähiger Inhalt könnte sich daraus ergeben, dass unter dem "Gebrauchmachen von einer Abbaugenehmigung" stets die "Fortführung des Abbaubetriebes" als natürliche Handlung zu verstehen ist und daher im Umkehrschluss die "Untersagung des Gebrauchmachens" von dieser Genehmigung sich somit als "Untersagung der Fortführung des Abbaubetriebes" und insofern möglicherweise als "Stilllegung" i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 1. Altern. BImSchG darstellt.
Gegen eine solche Auslegung spricht jedoch, dass die "Untersagung" eines Betriebs in den Absätzen 1 und 1a von § 20 BImSchG als eigenständige und von anderen Voraussetzungen ausgehende Maßnahme geregelt ist. Die Betriebsuntersagung nach den Absätzen 1 und 1a dient der Durchsetzung eines rechtmäßigen Zustandes der Anlage und ihres Betriebs (".... bis zur Erfüllung"). Sie hat daher nur ein zeitweiliges Benutzungsverbot zum Inhalt, das nach § 327 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB strafbewehrt ist. Die Genehmigung - und insoweit unterscheiden sich die Vorschriften grundlegend von einer Stilllegung nach Absatz 2 - besteht fort, und ihr Inhaber hat Anspruch darauf, den Betrieb fortzusetzen, sobald er den von der Behörde in ihrer Untersagungsverfügung genannten Beanstandungen abhilft; die Behörde hat dann die Verfügung auf Antrag unverzüglich aufzuheben (Peschau in Feldhaus, a.a.O., § 20 Rn. 40).
Der Begriff der Betriebsuntersagung ist somit in § 20 Absätze 1 und 1a BImSchG vorbelegt und kann deshalb auch nicht weitergehend als Betriebsstilllegung i.S.v. Absatz 2 ausgelegt werden. Die Stilllegung eines Betriebs nach Inbetriebnahme der Anlage hat zwar genauso wie die Betriebsuntersagung ein Benutzungsverbot zum Inhalt. Sie erschöpft sich aber nicht darin, dass der Betreiber weitere Betriebshandlungen zu unterlassen hat; er muss vielmehr unter Umständen auch laufende Betriebsvorgänge rückgängig machen. Während der illegalen Errichtung einer genehmigungsbedürftigen Anlage kann die Einstellung der Bauarbeiten verlangt werden (Peschau in Feldhaus, a.a.O., § 20 Rn. 60). Ein grundlegender Unterschied zur Betriebsuntersagung nach den Absätzen 1 und 1a ist zudem, dass eine Stilllegung nur bei einem illegalen (ohne Genehmigung) stattfindenden Betrieb angeordnet werden darf.
Der Beklagte geht in Ziff. 2 des Bescheids selbst davon aus, dass ein Weiterbetrieb des Steinbruchs F. illegal sei, weil es hierfür an einer gültigen Genehmigung fehle. Warum er dann trotz drohenden Weiterbetriebs ohne Genehmigung keine Stilllegung, sondern die Untersagung des Gebrauchmachens von der Genehmigung vom 08.02.2000 anordnete, ist nicht nur unverständlich, sondern auch irreführend. Denn die Formulierung "das Gebrauchmachen" von der Genehmigung vom 08.02.2000 wird "mit sofortiger Wirkung untersagt", lässt unter Berücksichtigung der vorherigen Ausführungen durchaus die Auslegung zu, dass es gar nicht um eine endgültige, sondern möglicherweise nur vorübergehende Betriebsuntersagung geht. Zudem setzt die Untersagung des "Gebrauchmachens von einer Genehmigung" denknotwendig voraus, dass von der betroffenen Genehmigung überhaupt noch Gebrauch gemacht werden könnte, diese mithin noch gültig ist. Letzteres hat der Beklagte für die Genehmigung vom 08.02.2000 in Ziff. 2 aber ausdrücklich und zu Recht verneint. Insofern stehen die zu den Ziffern 1 und 2 getroffenen Anordnungen im Widerspruch zueinander.
Eine Auslegung der in Ziff. 1 angeordneten Maßnahme als "Stilllegung" kann auch nicht mit Blick auf die Begründung im streitbefangenen Bescheid erfolgen. Zwar hat der Beklagte dort für die Anordnung in Ziff. 1 auf § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG als Rechtsgrundlage abgestellt und im einzelnen begründet, warum bereits im Erlasszeitpunkt des Bescheids von einem illegalen Betrieb der Abbaustätte F. auszugehen gewesen sei. Des weiteren hat er dazu ausführt, warum im Fall der Klägerin kein "atypischer Ausnahmefall" vorliege, der es erfordern könnte, hier von dem Regelfall einer Maßnahme nach Absatz 2 abzusehen. All dies legt nahe, Ziff. 1 dahingehend auszulegen, dass der Beklagte mit der Untersagung des Gebrauchmachens von der Genehmigung vom 08.02.2000 eine Stilllegung des Betriebs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG anordnen wollte.
Dem steht allerdings entgegen, dass er in seinem Widerspruchsbescheid vom 05.05.2021 ausdrücklich erklärt hat, "die Untersagung des Gebrauchmachens von der Änderungsgenehmigung vom 08.02.2000" sei "keine Stilllegung der Anlage", da die Klägerin "von der Genehmigung vom 19.12.2019 Gebrauch machen darf, soweit dies unter Berücksichtigung des Widerspruchs des BUND LV Niedersachsen e.V. vom 20.05.2020 ... zulässig ist.". Wegen des insoweit eindeutig entgegenstehenden Willens des Beklagten kommt auch keine Auslegung der Ziff. 1 des Bescheids dahingehend in Betracht, dass der Weiterbetrieb der Anlage - was hier tatbestandlich durchaus in Betracht gekommen wäre - erst ab dem 01.01.2022 untersagt worden wäre. Dem Passus ist vielmehr zu entnehmen, dass der Beklagte vorliegend gerade nicht zeitlich zwischen dem Zeitraum vor und nach Jahresende 2021 unterschieden hat, sondern eine Unterscheidung vielmehr daran anknüpfte, auf welcher Grundlage (d.h. auf Grundlage welchen Bescheids) die Klägerin den Abbau fortzusetzen gedachte. Der Beklagte maß insofern ein und derselben natürlichen Handlung der Klägerin - Fortsetzung des Abbaubetriebs - gewissermaßen zwei unterschiedliche Qualitäten bei, je nachdem, ob die Klägerin dies subjektiv auf die Genehmigung aus dem Jahr 2000 oder jene aus dem Jahr 2019 stützte. Hieraus ergibt sich aber kein der Vollstreckung zugänglicher Inhalt der Anordnung zu Ziff. 1.
Die getroffene Anordnung ist zudem nicht in § 20 Abs. 2 S. 1 BImschG vorgesehen, der auf die Stilllegung oder Teilstilllegung abzielt, die hier möglicherweise auch in Betracht gekommen wäre (s. Peschau in Feldhaus, a.a.O., § 20 Rn. 57). Soweit der Beklagte demgegenüber in seinem Widerspruchsbescheid meint, im Vergleich zu einer Stilllegung der Anlage sei die Untersagung des Gebrauchmachens von einer bestimmten Genehmigung eine mildere Maßnahme, die bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 1 BImSchG ebenfalls nach dieser Vorschrift ergriffen werden könne, wird dem nicht gefolgt. Dem steht zum einen das eingeschränkte Ermessen "soll anordnen" der Behörde bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG entgegen. Ein atypischer Ausnahmefall, in dem das Eingreifen im Ermessen der Behörde steht, weil der Betreiber einen Genehmigungsantrag gestellt hat und die Anlage erkennbar materiellrechtlich genehmigungsfähig ist, liegt hier nicht vor. Nur dann, wenn die Behörde begründeten Anlass für die Annahme hat, die Anlage entspreche so, wie sie betrieben wird, materiell den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen und sei lediglich formell illegal, hat sie zu prüfen, ob sie von der Stilllegung als einem unverhältnismäßigen Mittel absieht. Sie ist dazu indes keineswegs gezwungen. Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit gehen zu Lasten des Betreibers der ungenehmigten Anlage. Die Behörde ist auch nicht gehalten, umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen über die materielle Genehmigungsfähigkeit anzustellen, bevor sie sich schon wegen der formellen Illegalität zum Einschreiten entschließt. Das bedeutet - anders gesagt -, dass die formelle Illegalität allein die Stilllegung nur dann nicht rechtfertigt, wenn die materielle Genehmigungsfähigkeit offensichtlich ist, also die Genehmigungsvoraussetzungen unzweifelhaft vorliegen und der Betreiber unverzüglich einen Antrag auf Erteilung der fehlenden Genehmigung stellt und das Genehmigungsverfahren zügig betreibt (OVG Lüneburg, Urteil vom 09.08.2016 - 12 ME 102716 -, Rn. 15, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 - 7 C 35/87 -, Rn. 29,30, jeweils juris). Diese Voraussetzungen liegen hier unter Berücksichtigung des bei Gericht anhängigen Klageverfahrens 4 A 23/23, in dem die Klägerin um die Erteilung einer unbefristeten Genehmigung streitet, unzweifelhaft nicht vor.
Zum anderen stellt die Untersagung des Gebrauchmachens von der Genehmigung vom 08.02.2000 auch kein milderes Mittel nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG dar. Ein "Nichtgebrauch" einer Genehmigung setzt voraus, dass es überhaupt eine (gültige) Genehmigung gibt, von der Gebrauch gemacht werden könnte. Diese Voraussetzung ist hier gerade nicht erfüllt (s.o.). Es erschließt sich aber nicht, inwiefern der Nichtgebrauch einer nicht mehr existierenden, weil abgelaufenen Genehmigung eine mildere Maßnahme gegenüber der Betriebsstilllegung darstellen könnte. Die Klägerin wird durch die angeordnete Maßnahme nicht besser gestellt als bei einer Betriebsstilllegung, zumal der Beklagte mit seiner Feststellung der Ungültigkeit der Genehmigung vom 08.02.2000 eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass die Klägerin aus der Genehmigung keine Rechte mehr herleiten kann. Mildere Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 Satz 2 BImSch als die Betriebsstilllegung wären eine Teilstilllegung oder die Erlaubnis, den Betrieb vorerst fortsetzen zu dürfen, gewesen.
Letztlich führen die dargestellten Ungereimtheiten zu Ziff. 1 auch dazu, dass die dort getroffene Anordnung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach § 37 Abs. 1 VwVfG verstößt. Denn der Beklagte hat sich nicht klar und unzweideutig auf eine der nach § 20 BImSchG (Untersagung, Stilllegung, Beseitigung) zulässigen Maßnahmen festgelegt.
Nach alledem ist Ziff. 1 des Bescheids rechtswidrig.
Nicht zu beanstanden ist demgegenüber die in Ziff. 2 erfolgte Feststellung, dass die Änderungsgenehmigung vom 08.02.2000 nicht mehr gültig ist. Zur Ungültigkeit der Genehmigung wird auf die Ausführungen zu Ziff. 1 verwiesen.
Die Feststellung der Unwirksamkeit einer Genehmigung stellt sich als Minus zur Stilllegung dar, da jede Stilllegungsverfügung die Feststellung enthält, dass die zum Betrieb erforderliche Genehmigung nicht (mehr) vorliegt. Die Feststellung durfte auch ohne einen Feststellungsantrag der Klägerin durch Verwaltungsakt erfolgen. Die Funktion des Verwaltungsaktes besteht darin, eine gesetzliche Regelung mit Bindungswirkung auf den Einzelfall umzusetzen, zu individualisieren und klarzustellen. Die Behörde entscheidet also durch Verwaltungsakt, dass ein bestimmter (von ihr ermittelter) Sachverhalt tatsächlich vorliegt und die Voraussetzungen eines bestimmten im Gesetz vorgesehenen abstrakt formulierten Tatbestandes erfüllt sind, sodass hieran die hierfür vorgesehene Rechtsfolge geknüpft werden kann. Durch den Erlass eines Verwaltungsaktes wird eine konkrete (potentielle) Konfliktsituation verbindlich geklärt und hierdurch Ordnung gestiftet (Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens, VwVfG Komm., 10. Auflage 2022, § 35 Rn. 31). Genau dieser Funktion dient die getroffene Feststellung. Sie dient der Klarstellung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die Genehmigung vom 08.02.2000 noch gültig oder ungültig geworden ist. Sie ist daher von der Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 S. 1 BImSchG umfasst.
Die in Ziff. 3 erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung für die in Ziff. 1 getroffene Anordnung ist rechtswidrig, weil die Anordnung nach Ziff. 1 rechtswidrig ist.
Die Kostenentscheidung in Ziff. 4 des Bescheids vom 29.01.2021, wonach die Klägerin die Kosten der Entscheidung vom 29.01.2021 zu tragen hat, weil sie Anlass zu der Amtshandlung gegeben habe, ist dagegen nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die diesbezügliche Begründung im Bescheid vom 29.01.2021 Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung im gerichtlichen Verfahren beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten. Dabei entspricht es dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens/Unterliegens die Kostenlast überwiegend der Klägerin aufzuerlegen. Auch wenn die Klägerin hinsichtlich der zu den Ziffern 1 und 3 getroffenen Anordnungen obsiegt hat, kommt ihrem Unterliegen hinsichtlich der Ziff. 2 demgegenüber eine weitaus höhere Bedeutung zu. Denn die vom Gericht bestätigte Feststellung des Beklagten, dass die Änderungsgenehmigung vom 08.02.2000 nicht mehr gültig ist, hat zur Folge, dass die Klägerin ihr Klageziel, im Steinbruch F. weiterhin Gips abbauen zu dürfen, nicht erreicht hat. Sollte sie dennoch den Abbau fortsetzen wollen, wäre der Beklagte nach der gerichtlichen Entscheidung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG die Betriebsstilllegung anordnen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.