Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.04.2014, Az.: 1 K 107/11

Anwendung des Immobilien-Preis-Kalkulators der Gutachterausschüsse Niedersachsen für eine Bewertung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
11.04.2014
Aktenzeichen
1 K 107/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 18664
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2014:0411.1K107.11.0A

Fundstellen

  • EFG 2014, 1364-1367
  • ErbStB 2014, 182-183
  • GuG 2014, 384-385
  • GuG aktuell 2014, 39
  • IWR 2014, 25
  • KÖSDI 2014, 18920
  • NWB 2014, 1924
  • NWB direkt 2014, 674
  • NZG 2014, 7
  • ZEV 2014, 691

Amtlicher Leitsatz

Für eine Bewertung nach § 183 Abs. 1 BewG reicht es nicht, dass das Finanzamt den Immobilien-Preis-Kalkulator der Gutachterausschüsse Niedersachsen anwenden. Es muss vielmehr auch tatsächlich von Gutachterausschuss Vergleichspreise anfordern.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Beklagte den Grundstückswert zutreffend festgestellt hat.

2

Mit notariellem Übergabevertrag vom 26. ... 2009 erhielt die Klägerin einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Wohnungseigentum ... in Z, das durch Teilungserklärung aus einem Zweifamilienhaus hervorgegangen ist.

3

Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 bat die Schenkungsteuerstelle um Ermittlung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Schenkungsteuer.

4

Nach Aufforderung reichte die Klägerin eine Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts ein.

5

Im Rahmen des Feststellungsverfahrens nutzte der Beklagte für seine Ermittlungen den Immobilien-Preis-Kalkulator (IPK) der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte Niedersachsen (GAG). Ausweislich einer Informationsbroschüre der GAG, Blatt 50 und 51 Klageakte, handelt es sich beim IPK um einen Internetservice der Gutachterausschüsse in Niedersachsen. In der Broschüre erläutern die GAG:

6

"Die Immobilienpreiskalkulation dient der Ermittlung eines ungefähren Preisniveaus und soll dem Nutzer als Anhalt für eine grobe Einschätzung des Immobilienwertes dienen. Sie ersetzt kein Verkehrswertgutachten und kann nicht als Grundlage für eine qualifizierte Verkehrswertermittlung nach § 194 Baugesetzbuch verwendet werden. Es handelt sich hierbei auch nicht um eine Auskunft aus der Kaufpreissammlung."

7

Weiter führt die Broschüre aus:

8

"Was Sie noch wissen sollten

9

Der Immobilienpreiskalkulator basiert auf Marktmodellen (Vergleichsfaktoren), die durch die Gutachterausschüsse in Niedersachsen aus der Kaufpreissammlung mit Hilfe mathematisch-statistischer Verfahren (multiple Regression) ermittelt werden. Die Marktmodelle werden in den Grundstücksmarktberichten der Gutachterausschüsse jährlich veröffentlicht. Die aus der Kaufpreissammlung abgeleiteten Vergleichsfaktoren beschreiben die Einflüsse unterschiedlicher Parameter wie Lage (Bodenrichtwert), Baujahr, Wohnfläche und gegebenenfalls Grundstücksgröße auf den Immobilienpreis. Sofern von den Gutachterausschüssen weitere Einflussgrößen untersucht und ausgewertet wurden, sind diese mit Durchschnittswerten berücksichtigt. Die Kalkulation erfolgt auf Grundlage der Vergleichsfaktoren und der Angaben des Nutzers ohne Kenntnis der spezifischen Besonderheiten des Objekts. Das Objekt wird nicht in Augenschein genommen und die angegebenen Objektdaten werden nicht überprüft. Die Kalkulation unterstellt Standardobjekte in einem durchschnittlichen Unterhaltungszustand. Besondere Verhältnisse der Immobilie wie z.B. Denkmalschutz, Lage in einem Sanierungsgebiet, rechtliche Beschränkungen, bauliche Verbesserungen, Instandhaltungs- und Instandsetzungsdefizite sowie sonstige individuelle Merkmale des Grundstücks und des Gebäudes können im Rahmen des Online-Services nicht berücksichtigt werden."

10

In der Bewertungsakte befindet sich folgender mit "Gutachterausschüsse für Grundstückswerte Niedersachsen - Immobilien-Preis-Kalkulator" überschriebener Ausdruck vom 29. Juli 2010:

11

"Auskunft über das Preisniveau einer Immobilie mit folgenden Daten:

12
Objektart:EigentumswohnungBodenrichtwert:160 EUR/qm,W III 1,0
Gemeinde:Z, StadtBaujahr:1991
Straße:...Wohnfläche:135 qm
13

Das mittlere Preisniveau der Immobilie beträgt: XXX.XXX EUR.

14

Das ermittelte Preisniveau der Immobilie ist unverbindlich. Es bezieht sich auf ein mit den obigen Eingabedaten typisiertes Grundstück (Boden- und Gebäudewert)...

15

Das Preisniveau der Immobilie gilt für ein durchschnittliches Objekt im normalen Unterhaltungszustand. Weitere wertbeeinflussende Besonderheiten in Zustand und Ausstattung des Gebäudes sowie in der Lage des Grundstücks sind nicht erfasst und können ebenso wie weitere wertbeeinflussende Merkmale (z.B. auf einem Grundstück ruhende Rechte und Belastungen) zu einem vom obigen Wert abweichenden Preisniveau führen.

16

Die durchgeführte Berechnung ist keine Verkehrswertermittlung nach § 194 Baugesetzbuch; sie erfolgt ohne eine örtliche Besichtigung allein auf der Grundlage der oben genannten Eingabedaten."

17

Vergleichspreise oder Vergleichsfaktoren hatte der Beklagte beim zuständigen Gutachterausschuss für Grundstückswerte Z (GAG Z) nicht angefragt.

18

Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundstückswerts zum Besteuerungszeitpunkt 27. ... 2009 (Grundstückswertbescheid) vom 2. August 2010 stellte der Beklagte für das streitige Objekt einen Grundstückswert in Höhe von XXX.XXX EUR fest, wovon 1/2 auf die Klägerin übertragen worden seien. Dem Bescheid war als Anlage die Auskunft des IPK beigefügt.

19

Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Sie trug vor, aus der dem Bescheid beigefügten Anlage seien die Berechnungsgrundlagen nicht nachvollziehbar. Der vom Finanzamt festgestellte Wert übersteige den gemeinen Wert bei Weitem. Es seien folgende Faktoren wertmindernd zu berücksichtigen:

20
§Die Gesamtquadratmeter könnten nicht mit einem einheitlichen Quadratmeterpreis angesetzt werden. Die Grundstücksfläche hinter der Baugrenze ... sei niedriger zu bewerten. Es handele sich hierbei um ... qm.
21
§Die besondere Tiefe des Grundstücks müsse zu einem Bewertungsabschlag führen.
22
§Der hintere Teil des Grundstückes sei nur eingeschränkt erreichbar.
23
§Aus ungeklärter Ursache sei im Keller ein Wasserschaden entstanden.
24
§Die Heizungsanlage und die Warmwasserversorgung seien nur eingeschränkt erreichbar. ...
25
§Einige Fenster und eine Außentür müssten erneuert werden. Es bestehe ein Renovierungsstau.
26

Darüber hinaus verstoße die vom Bewertungsgesetz (BewG) vorgegebene Bewertung gegen Art. 14 i.V.m. Art. 3 Grundgesetz (GG). Die pauschalierte Bewertungsmethode nach §§ 182, 183 BewG stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Begründungspflicht für Verwaltungsakte dar. Durch dieses "vereinfachte" Verfahren werde dem Bürger die Möglichkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung sowie zur konkreten Kritik genommen. Besonderheiten des Grundstücks würden aufgrund dieses Verfahrens nicht berücksichtigt. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Gegengutachtens gemäß § 198 BewG sei nicht ausreichend. Die Klägerin könne sich ein solches Gutachten nicht leisten. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gebiete es aber, dass der Bürger seine Einwendungen immer prüfen lasse könne, ohne ein kostspieliges Gutachten vorlegen zu müssen.

27

Mit Bescheid vom 7. April 2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

28

Er führte aus, das Vergleichswertverfahren nach § 183 Abs. 1 BewG basiere auf den Regelungen des § 13 Abs. 1 i.V.m. §§ 4, 5 Wertermittlungsverordnung (WertV). Mit diesem Verfahren werde der Marktwert eines Grundstücks aus tatsächlich realisierten Kaufpreisen von anderen Grundstücken abgeleitet, die in Lage, Nutzung, Bodenbeschaffenheit, Zuschnitt und sonstiger Beschaffenheit hinreichend mit dem zu vergleichenden Grundstück übereinstimmten. Der optimale Fall sei der direkte Vergleich: Ein benachbartes Grundstück gleicher Lage, Größe, Nutzung usw., das am gleichen Tag verkauft worden sei. Da dieser Fall jedoch in der Praxis eher die Ausnahme darstelle, werde im Regelfall das indirekte Vergleichswertverfahren verwendet. Hinsichtlich der Problematik der Vergleichbarkeit eines Grundstücks mit anderen Objekten habe der Gesetzgeber bereits im Gesetzgebungsverfahren ausgeführt, das Erfordernis hinreichender (nicht absoluter) Übereinstimmung der Vergleichsgrundstücke mit dem zu bewertenden Grundstück diene nicht nur zur Vereinfachung, sondern auch dazu, den Kreis der Vergleichsgrundstücke nicht über Gebühr einzuengen (Bundestagsdrucksache 16/11107, S. 17).

29

Als Vergleichspreise kämen vorrangig diejenigen zur Anwendung, die gemäß § 183 Abs. 1 BewG i.V.m. §§ 192 ff. Baugesetzbuch von den Gutachterausschüssen zu ermitteln und den Finanzämtern zur Verfügung zu stellen seien. Der mittels IPK berechnete Wert sei ein Durchschnittspreis und erfülle die Anforderungen an Vergleichspreise nach § 183 Abs. 1 BewG. Es handle sich um ein automatisiertes, ein indirektes Vergleichsverfahren, in dem Standardgrundstücke in einem durchschnittlichen Unterhaltungszustand berücksichtigt würden. Zugrunde lägen die Merkmale, die hauptsächlich den Wert einer Immobilie bestimmten. Diese aus der Kaufpreissammlung abgeleiteten Vergleichsfaktoren flössen in unterschiedlicher Gewichtung in die Berechnung des Immobilienpreises ein. Die wesentlichen Einflussgrößen seien die Lage, die Art und das Alter des Gebäudes, die Wohnfläche und die Grundstücksgrößen. Die Grundlage der Daten ergebe sich jeweils aus dem Vorjahr, die Regressionsfunktionen würden jährlich angepasst. Der IPK stelle keinesfalls den exakten Verkaufspreis eines Grundstücks dar. Dessen Feststellung könne nur durch einen tatsächlichen Grundstücksverkauf erfolgen.

30

Die Eingabedaten für die streitige Immobilie seien der eingereichten Erklärung und der Einheitswertakte entnommen worden. Der so ermittelte Grundstückswert betrage laut IPK XXX.XXX EUR.

31

Abweichend von der Wertermittlung durch das Vergleichswertverfahren könne nach § 198 BewG der niedrigere gemeine Wert festgestellt werden, wenn dieser entsprechend nachgewiesen würde. Ein tatsächlicher Verkaufspreis zum Nachweis eines geringeren Verkehrswertes liege nicht vor. Ein Nachweis sei regelmäßig auch durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken möglich. Ein solches Gutachten habe die Klägerin aber nicht eingereicht.

32

Im Klageverfahren führt die Klägerin aus, die Regelungen der §§ 182 Abs. 2 BewG i.V.m. 183 Abs. 1 BewG seien verfassungswidrig, sie verstießen gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 und Art. 14 GG. In seiner Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuer- bzw. des Bewertungsrechtes habe das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Bewertung von zu verschenkenden bzw. zu vererbenden Eigentumsgegenständen so genau sein müsse, dass es lediglich zu einer Abweichung von höchstens 20% des tatsächlichen Wertes komme. Diese Vorgaben erfüllten die Regelungen der §§ 182, 183 BewG nicht. Es handele sich insoweit um eine pauschalisierte Bewertungsmethode. Besonderheiten, insbesondere die den Wert beeinflussenden Belastungen privat-rechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, seien gemäß § 183 Abs. 3 BewG ausdrücklich nicht zu berücksichtigen. In einer Fallstudie hätten Kußmaul/Cloß/Eichenlaub (BB 2010, 2496 ff. [BFH 19.05.2010 - I R 51/09]) nachgewiesen, dass das Bewertungsverfahren nach §§ 182, 183 BewG zu einer durchschnittlich um 37% erhöhten Bewertung führe. Dies bestätige auch ein Aufsatz von Hecht/von Cölln (BB 2009, 810 ff.). Von Cölln und Behrend (BB 2010, 1444) stellten in ihrer Veröffentlichung zudem fest, dass zulasten der Einzelfallgerechtigkeit das Bewertungsgesetz nunmehr zu tendenziell höheren Werten führe. In einem vom Landesamt für Geoinformation und Landesentwicklung Niedersachsen Regionaldirektion Z (LGNL) während des Klageverfahrens übersandten "Skript im Rahmen des Seminars - Grundbesitzbewertung im Zusammenhang mit der Erbschaftssteuer -, Fortbildungsveranstaltung der Nds. Vermessungs- und Katasterverwaltung Nr. B3/2009- Wertermittlung, September 2009" von Architekt und Immobilienökonom (ebs) werde unter 1.2.4 ebenfalls ausgeführt, durch die typisierende Betrachtungsweise könne es zu einer gewissen Streuung um den Verkehrswert kommen, sodass es in Einzelfällen auch zu erheblicher Überbewertung kommen werde.

33

Weiter meint die Klägerin, es stelle einen unangemessenen Eingriff in die Eigentumsgarantie und Testierfreiheit der Bürger dar, wenn Grundstücke mit besonderen privat-rechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Belastungen in guten Lagen grundsätzlich zu hoch bewertet würden. Die Möglichkeit der Einholung eines Gegengutachtens könne nicht als Rechtfertigung dienen. Es könne nicht sein, dass der Bürger zum Zwecke einer gerechten Behandlung ein Gutachten "kaufen" müsse, weil ihm jeglicher anderer Einwand schlicht abgeschnitten werde.

34

Die gesetzliche Regelung verstoße zudem gegen Art. 3 GG. Unterschiedliche Grundstücke würden gleichbehandelt. Unabhängig vom wirklichen Wert erfolge eine pauschalierte Beurteilung, die der praktischen und rechtlichen Belastung einzelner Grundstücke nicht Rechnung trage. Grundstücke mit rechtlichen Belastungen oder hohem Renovierungsbedarf würden Grundstücken ohne jegliche Belastung und in ausgezeichnetem baulichen Zustand gleichgestellt. Hier würden Eigentümer von Grundstücken mit unterdurchschnittlichem Wert gegenüber solchen von Grundstücken mit überdurchschnittlichem Wert doppelt belastet. Zum einen müssten sie höhere Steuern zahlen als dies richtig sei, weil die Bausubstanz vollkommen unbeachtlich bleibe. Zum anderen müssten sie zur Rechtsverteidigung ein zusätzliches Gutachten einholen und hierfür Kosten aufwenden. Demgegenüber würde der Bürger mit einem überdurchschnittlich wertvollen Grundstück bevorzugt und müsse weniger Steuern zahlen als dies zutreffend wäre. Kosten für ein Gegengutachten müsse er nicht tragen, weil er auf ein solches nicht angewiesen sei.

35

Zudem stelle der Umstand, dass besondere Bewertungsfaktoren vom Bürger gegenüber der Behörde nicht vorgetragen werden könnten, ohne dass dies in Form eines Sachverständigengutachtens geschehe, eine unangemessene Verkürzung des Rechtsschutzes dar. Der Bürger habe Anspruch auf rechtliches Gehör. Es gelte der Grundsatz der Amtsermittlung. Nach den vorliegenden Regelungen der §§ 182, 183 BewG dürfe die Behörde Einwendungen des Bürgers gegen die Bewertung nicht berücksichtigen. Der Verweis auf die Möglichkeit ein Gutachten vorzulegen greife nicht. Die Klägerin könne sich ein solches Gutachten nicht leisten. Es stelle zudem einen unverhältnismäßigen Aufwand dar. Der Umstand, dass das Grundstück nur über das Nachbargrundstück erreicht werden könne und kein Wegerecht zugunsten des Grundstücks der Klägerin eingetragen sei, könne ohne jeden Sachverständigen nachgewiesen und bewertet werden.

36

Der Hinweis des Beklagten, dass im Sachwertverfahren kein niedrigerer Wert gefunden würde, gehe fehl. Maßgebliche Vergleichsgröße sei nicht der Sachwert nach dem Sachwertverfahren, sondern der wirkliche Wert der Immobilie.

37

Die Klägerin beantragt,

38

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundstückswertes zum Besteuerungszeitpunkt 27. ... 2009 für das Wohnungseigentum ... vom 2. August 2010 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 7. April 2011 und der Änderung vom 11. April 2014 aufzuheben.

39

Der Beklagte beantragt,

40

die Klage abzuweisen.

41

Ergänzend zu seinen Ausführungen im Einspruchsbescheid trägt er vor, für Grundvermögen gebe es keinen absoluten und sicher realisierbaren Marktwert, sondern allenfalls ein Marktniveau, auf dem sich mit mehr oder weniger großen Abweichungen vertretbare Verkehrswerte bildeten. Dabei sei von einer Streubreite von plus/minus 20% der Verkaufspreise für ein und dasselbe Objekt auszugehen. Typisierungen seinen verfassungsrechtlich zulässig.

42

Die Anwendbarkeit des IPK für die Ermittlung des Vergleichspreises nach § 183 Abs. 1 BewG werde durch die Neuregelung der Bedarfsbewertung untermauert, dies ergebe sich aus der Bundestagsdrucksache 16/11107 Seite 17 sowie Seite 22. Sie basiere auf den anerkannten Verfahren zur Verkehrswertermittlung auf der Grundlage der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Immobilienwertermittlungsverordnung - ImmoWertV - vom 19. Mai 2010, BStBl I 2010, 639). Zur Wertermittlung seien das Vergleichswertverfahren (§ 15), das Ertragswertverfahren (§§ 17 bis 20) oder das Sachwertverfahren (§§ 21 bis 23) heranzuziehen. Gemäß § 15 werde im Vergleichswertverfahren der Vergleichswert aus einer ausreichenden Zahl von Vergleichspreisen ermittelt. Für die Ableitung der Vergleichspreise seien die Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufwiesen. § 183 BewG regle ebenfalls die Anwendbarkeit des Vergleichswertverfahrens anhand von Kaufpreisen. Die Vorschrift entspreche im Wesentlichen der Regelung der durch die ImmoWertV geänderten Wertermittlungsverordnung (WertV) vom 6. Dezember 1988. Sie trage einer typisierenden Wertermittlung Rechnung. Das Erfordernis hinreichender (nicht absoluter) Übereinstimmung der Vergleichsgrundstücke mit dem zu bewertenden Grundstück diene nicht nur der Verwaltungsvereinfachung, sondern auch dazu den Kreis der Vergleichsgrundstücke nicht über Gebühr einzuengen. Damit sich die vereinfachte Grundbesitzbewertung nicht nachteilig auswirke, könne gemäß § 198 BewG der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes erbracht werden, wobei der Steuerpflichtige die Nachweislast trage.

43

Der vom IPK ermittelte Vergleichswert betrage XXX.XXX EUR. Eine tatsächliche Veräußerung sei nicht erfolgt, ein Gutachten zum Nachweis über einen geringeren Verkehrswert habe die Klägerin nicht eingereicht.

44

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstießen die Regelungen in §§ 182 und 183 BewG auch nicht gegen die Verfassung. Im Hinblick auf die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, bleibe dem Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts ein weiter Entscheidungsspielraum, dies betreffe sowohl die Auswahl des Steuergegenstandes als auch die Bestimmung des Steuergesetzes (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 [BVerfG 04.12.2002 - 2 BvR 400/98]). Da Steuergesetze regelmäßig Massenvorgänge des Wirtschaftslebens beträfen, müssten sie Sachverhalte typisieren und die Besonderheiten des Einzelfalles weitgehend vernachlässigen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115).

45

Soweit die Klägerin ausführe, dass eine Ermittlung des Grundstückswertes im Sachwertverfahren zu einem geringeren Wert geführt hätte, sei dies nicht zutreffend. Vielmehr würde sich bei einer Ermittlung im Sachwertverfahren ein Grundbesitzwert in Höhe von XXX.XXX EUR ergeben. Der Beklagte reichte eine entsprechende Berechnung ein (auf Bl. 42 und 43 der Klageakte wird Bezug genommen). Selbst eine Herabstufung des Ausstattungsstandards oder eine Korrektur des Bodenrichtwertes würde nicht zu einem geringeren Grundstückswert führen. Im Übrigen sehe der Gesetzgeber eine "Günstigerprüfung" gerade nicht vor.

46

Insbesondere im Hinblick darauf, dass sich auch im Sachwertverfahren kein geringerer Grundstückswert ergeben habe, sei nicht erkennbar, dass vorliegend die Grenzen der Typisierung überschritten worden seien. Die von der Klägerin zitierte Literatur mache lediglich aufgrund empirischer Untersuchungen allgemeine Ausführungen zur behaupteten Verfassungswidrigkeit. Ein Bezug zum Streitfall, bei dem ja gerade das Sachwertverfahren einen höheren Grundstückswert als das Vergleichswertverfahren ergebe, sei nicht erkennbar. Wie die Klägerin durch eine sie begünstigende gesetzliche Regelung in ihren Grundrechten verletzt sein solle, sei unerfindlich.

47

Im Übrigen bleibe es der Klägerin unbenommen, einen niedrigeren gemeinen Wert nach § 198 BewG nachzuweisen.

48

Nachdem das Gericht Zweifel geäußert hatte, ob die Wertermittlung mittels IPK den Anforderungen des § 183 Abs. 1 BewG genüge, erläuterte der Beklagte, für die "Eigentumswohnung" der Klägerin ermittle sich der Vergleichswert anhand des Vergleichsfaktorenverfahrens unter Zugrundelegung des Grundstücksmarktberichtes 2009 wie folgt:

49

"Baujahr 1991

50

Wohnfläche 135 qm

51

Bodenrichtwert: mittlere Lage (lt. GAG 160 EUR/qm)

52

Basiswert X.XXX EUR/qm Wohnfläche (durch Abgreifen aus Diagramm)

53

Korrekturfaktor für Wohnfläche 1,21 (durch Abgreifen aus Diagramm)

54

Vergleichswert = Basiswert x Korrekturfaktoren X.XXX x 1,21 = X.XXX EUR/qm

55

Wert der Eigentumswohnung = Wohnfläche x Vergleichswert 135 qm x X.XXX EUR/qm = XXX.XXX EUR". Basiswert und Korrekturfaktor las der Beklagte aus dem Diagramm auf Seite ... des Grundstückmarktberichtes 2009 des GAG Z ab. Er vertritt die Auffassung, auch unter Zugrundelegung des Grundstücksmarktberichtes sei der im streitigen Bescheid angesetzte Grundbesitzwert von XXX.XXX EUR nicht zu beanstanden.

56

Auf Bitte der Berichterstatterin um Mitteilung der vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise sowie der vom Gutachterausschuss ermittelten und mitgeteilten Vergleichsfaktoren reichte der Beklagte eine schriftliche "Auskunft aus der Kaufpreissammlung" des GAG Z - Geschäftsstelle - vom 19. Februar 2013 ein. Er führt aus, nach dieser Auskunft betrage der Vergleichswert X.XXX EUR. Bei einer Wohnfläche von 135 Quadratmeter ergebe sich somit ein Grundstückswert in Höhe von XXX.XXX EUR. Gerundet auf volle 10.000 EUR betrage das mittlere Preisniveau der Immobilie XXX.XXX EUR.

57

Nach dem Hinweis des Gerichtes, dass eine Auskunft aus der Kaufpreissammlung nach seiner Auffassung keine vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise darstelle, legte der Beklagte ein Schreiben des LGLN, Geschäftsstelle des GAG Z, Bearbeiter Herr Dr. Stegelmann, vom 23. Dezember 2013 vor, in dem die Wertermittlungsmethode der Immobilienwertverordnung im Allgemeinen und die Wertermittlung im konkreten Fall erläutert wurde sowie - auf erneute Anfrage der Berichterstatterin - eine weitere Stellungnahme des LGLN, Bearbeiter Herr Dr. Stegelmann, vom 4. März 2014 mit weiteren Ausführungen zur "Auskunft aus der Kaufpreissammlung".

58

In der mündlichen Verhandlung erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, der als Bewertungsstichtag den 26. ... 2009 ausweist.

59

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Klage-, Bedarfsbewertungs- und Einheitswertakten (Az. ...).

Entscheidungsgründe

60

Die Klage ist begründet.

61

Der Beklagte hat den Grundstückwert nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen ermittelt.

62

I. Der streitige Bescheid erging auf den zutreffenden Bewertungsstichtag.

63

Der Zeitpunkt der Steuerentstehung gehört nicht zu den Besteuerungsgrundlagen, über die in den Bescheiden zur gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte verbindlich zu entscheiden ist. Gleichwohl handelt es sich bei der Angabe des Zeitpunkts, auf den die Bewertung vorgenommen worden ist, um ein zwingendes materielles Erfordernis, der den Grundstückswertbescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht kennzeichnet und individualisiert (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 II B 6/05, BFH/NV 2006, 908).

64

Zwar wies der ursprüngliche Bescheid das Datum 27. ... 2009 aus, obwohl für den Besitzübergang der Tag des Vertragsschlusses vereinbart ist und der Übergabevertrag vom 26. ... 2009 datiert. Der in der mündlichen Verhandlung geänderte Bescheid ist aber nach § 68 Satz 4 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden. Damit erging der streitige Bescheid auf den 26. ... 2009, also auf den nach § 157 Abs. 1 BewG zutreffenden Bewertungsstichtag.

65

II. Im streitigen Bescheid sind die Vorgaben des § 183 Abs. 1 BewG nicht beachtet.

66

Nach § 182 Abs. 2 Nr. 1 BewG ist Wohnungseigentum grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten. § 183 Abs. 1 BewG gibt insoweit vor: "Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs mitgeteilten Vergleichspreise."

67

1. Diesen Anforderungen genügt die Ermittlung mittels IPK nicht.

68

a) Der Ausdruck des IPK ergibt keine vom GAG Z mitgeteilten Vergleichspreise.

69

Außer der Zurverfügungstellung des IPK-Rechners fehlt es an jeglicher Mitwirkung durch die GAG. Die Eingabe der Daten erfolgte ausschließlich durch das Finanzamt. Dies stellt bereits formal keine "von den Gutachterausschüssen mitgeteilten" Vergleichspreise dar.

70

b) Der IPK ist bereits nicht geeignet, Vergleichspreise im Sinne des § 183 Abs. 1 BewG zu ermitteln (auch in der Literatur bestehen Bedenken gegen die Zugrundelegung der Wertermittlung durch den IPK, vgl. Mannek in Gürsching/Stenger, BewG/ErbStG, § 183 BewG Anm. 44-47).

71

Der IPK weist unmittelbar einen Wert für das Bewertungsobjekt aus. Kaufpreise von Vergleichsgrundstücken benennt er nicht. Die Broschüre der GAG spricht insoweit auch nicht von "Vergleichspreisen" sondern von dem "mittleren Preisniveau". Ausweislich der Darstellung in der IPK-Broschüre ist der IPK nicht für Zwecke der Finanzverwaltung gedacht, sondern als Online-Service für den Bürger, damit dieser - gegen Gebühren - auf einfache Weise den ungefähren Wert seines Objektes bestimmen kann. Die Broschüre erläutert zudem, dass der IPK kein Verkehrswertgutachten ersetzt und nicht als Grundlage für eine qualifizierte Verkehrswertermittlung nach § 194 Baugesetzbuch verwendet werden kann. Außerdem erklärt sie ausdrücklich, es handele sich hierbei auch nicht um eine Auskunft aus der Kaufpreissammlung.

72

Der Ausdruck vom 29. Juli 2010 weist zudem darauf hin, dass das ermittelte Preisniveau unverbindlich sei. Dies stellt klar, dass eine (auch für den Steuerpflichtigen) verbindliche Festlegung des Immobilienwerts durch dieses Verfahren gerade nicht gewollt ist.

73

c) Der Inhalt der "Auskunft über das Preisniveau einer Immobilie" vom 29. Juli 2010 lässt darüber hinaus in keiner Weise erkennen, dass die vom IPK vorgenommenen Ermittlungen in zutreffender Weise erfolgt sind. Die herangezogenen Daten und die Ermittlungsschritte des IPK bleiben im Dunklen. Der Ausdruck selbst spricht nur von "unverbindlich" und "überschlägig ermittelt".

74

2. Die Vorgaben des § 183 Abs. 1 BewG werden auch durch das vom Beklagten angewandte Vergleichsfaktorenverfahren unter Zugrundelegung des Grundstücksmarktberichtes nicht erfüllt. Dementsprechend sieht auch der Beklagte in seiner Berechnung eine Wertermittlung nach § 183 Abs. 2 BewG.

75

3. Die "Auskunft aus der Kaufpreissammlung" ist ebenfalls nicht ausreichend, um die Anforderungen des § 183 Abs. 1 BewG zu erfüllen.

76

a) Die "Auskunft aus der Kaufpreissammlung" genügt schon aus formalen Gründen dem Gesetz nicht. "Von den Gutachterausschüssen mitgeteilte" Vergleichspreise (§ 183 Abs. 1 Satz 2 BewG) enthält sie nicht. Die Auskunft hat nicht der Gutachterausschuss im Sinne des § 192 BauGB erteilt, sondern laut Darstellung von Herrn T im Schreiben des LGLN vom 4. März 2014 die Leiterin der Geschäftsstelle Frau E. Es kann insoweit dahin stehen, ob sich Herr T. als Vorsitzender des GAG Z durch seine Ausführungen in den Schreiben vom 23. Dezember 2013 und vom 4. März 2014 die Handlungen von Frau E insoweit zu eigen gemacht hat, denn auch er allein ist nicht der Gutachterausschuss. Nach § 192 Abs. 2 BauGB bestehen die Gutachterausschüsse jeweils aus einem Vorsitzenden und ehrenamtlichen weiteren Gutachtern. In Niedersachsen gehören dem Gutachterausschuss mindestens zwei ehrenamtliche Richter an (§ 13 der Niedersächsischen Verordnung zur Durchführung des Baugesetzbuches in der Fassung vom 24. Mai 2005, Nds. GVBl. 2005, 183).

77

Nach der Darstellung des LGLN hat Frau E zudem nur die vom Finanzamt vorgegebenen Selektionsparameter verwendet - selbst bei Daten, wie dem Bodenrichtwert, die der GAG anhand der Grundstücksbezeichnung eigenständig hätte ermitteln können. Die besondere Sachkunde der GAG, die der Gesetzgeber ausweislich des Gesetzeswortlautes beteiligt wissen wollte, kam also gerade nicht zum Einsatz.

78

b) Der Auszug aus der Kaufpreissammlung ist auch inhaltlich nicht ausreichend.

79

Der Gesetzestext spricht nicht von einer "Auskunft aus der Kaufpreissammlung" sondern von der Mitteilung von "Vergleichspreisen". Kaufpreis und Vergleichspreis sind jedoch nicht identisch. Dies ergibt sich bereits aus §§ 13, 14 WertV, die bis zum 30. Juni 2010 in Kraft war. So ist zum Vergleichswertverfahren in § 14 WertV geregelt, dass Abweichungen bei den Vergleichsgrundstücken durch Zu- oder Abschläge oder in anderer geeigneter Weise zu berücksichtigen sind. Noch deutlicher wird dies aus der ImmoWertV. Denn nach § 15 Abs. 1 ImmoWertV wird der Vergleichswert im Vergleichswertverfahren aus einer ausreichenden Zahl von Vergleichspreisen ermittelt. Für die Ableitung der Vergleichspreise sind die Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufweisen. Ebenso soll nach Ziff. 3 des Entwurfs der Vergleichswertrichtlinie vom 9. Juli 2013 unter einem "Vergleichspreis" begrifflich nur ein Kaufpreis bezeichnet werden, der bereits soweit erforderlich an die Grundstücksmerkmale der zu bewertenden Liegenschaft, sowie an die allgemeinen Wertverhältnisse des maßgeblichen Wertermittlungsstichtages angepasst wurde (vgl. Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 7. Auflage, 2014, 1280. - Nach Ergehen des Urteils ist die Vergleichswertrichtlinie vom 20. März 2014 veröffentlicht worden, mit dem insoweit identischen Wortlaut). Selbst die Verwaltung vertritt die Auffassung, sofern der Gutachterausschuss nur Durchschnittskaufpreise (Kaufpreismittel) aus einer Vielzahl von Kauffällen einer Grundstücksart ohne Berücksichtigung unterschiedlicher wertbeeinflussender Merkmale abgeleitet habe, seien diese als Vergleichspreise nicht geeignet (Abschnitt 12 (2) Satz 6 Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 5. Mai 2009, 3-S 3715/9, FMNR1d8050009v; ebenso Erbschaftsteuerrichtlinien R B 183 Abs. 2 Satz 6).

80

Es ist aber nicht ersichtlich, dass im Streitfall die Erforderlichkeit von Anpassungen der Kaufpreise aus der Kaufpreissammlung geprüft und gegebenenfalls Anpassungen vorgenommen wurden. Tatsächlich hat das Finanzamt mit Schreiben vom 18. Februar 2013 auch lediglich eine "Auskunft aus der Kaufpreissammlung" angefordert. Das LGLN spricht in seinem Schreiben vom 4. März 2014 ebenfalls von der übersandten "Auskunft aus der Kaufpreissammlung" und nicht von Vergleichspreisen.

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Aus Sicht des Senates wären im vorliegenden Fall Anpassungen durch Zu- und Abschläge naheliegend. Sie wären in Betracht zu ziehen bezüglich des Alters der Vergleichsobjekte im Zeitpunkt der Veräußerung (so waren die Vergleichsobjekte bei ihren Verkauf zwischen 6 und 24 Jahre alt) und bezüglich des Bauzustandes (bei dem Vergleichsobjekt Nr. 7 waren bauliche Veränderungen im Jahr vor der Veräußerung, bei dem Vergleichsobjekt Nr. 15 im Jahr der Veräußerung erfolgt). Auch bei der Wohnfläche (z.B. hatte das Vergleichsobjekt Nr. 11 mit 264 qm eine ganz erheblich größere und das Vergleichsobjekt Nr. 5 mit 112 qm eine deutlich kleiner Wohnfläche als das streitige Objekt mit 135 qm) und der Lage (nach Darstellung des Beklagten beträgt der Bodenrichtwert für das streitige Grundstück 160 EUR/qm, die Bodenrichtwerte der Vergleichsobjekte liegen zwischen 105 EUR/qm und 250 EUR/qm) wären Anpassungen zu erwägen. In besonderem Maße gilt dies auch für die Bezugsstichtage, also das Veräußerungsdatum. Es sind Kaufpreise ab der Zeit Dezember 2005 bis November 2009 angesetzt, also bis ca. 4 Jahre vor dem Bewertungsstichtag. Beim Nachweis eines geringeren gemeinen Wertes mittels eines im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreises wird aber schon bei einer Überschreitung von 12 Monaten von einer nachlassenden Indizwirkung ausgegangen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 2004 II R 55/01, BFHE 205, 492, BStBl II 2004, 703 [BFH 02.07.2004 - II R 55/01] und BFH-Beschluss vom 22. Juli 2004 II B 176/02, BFH/NV 2004, 1628). Angesichts der durch die Lehmann-Pleite 2008 ausgelösten Wirtschaftskrise stellt sich das Problem der nachlassenden Indizwirkung älterer Kaufpreise im Streitfall besonders deutlich.

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c) Auf eine Zeugenvernehmung von Herrn T bzw. Herrn B konnte verzichtet werden.

83

Zwar muss das Finanzgericht von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise grundsätzlich erheben. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es aber verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar ist oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (vgl. BFH-Beschluss vom 7. November 2012 I B 172/11, BFH/NV 2013, 561).

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Auf die Zeugenaussagen kommt es hier nicht an.

Der Beklagte hat beantragt,

Herrn T bzw. Herrn B als Zeugen darüber zu vernehmen, dass im Streitfall die zutreffenden Selektionsansätze gewählt wurden, um für das zu bewertende Grundstück aussagekräftige Vergleichswerte im Sinne des § 182 Abs. 2 i.V.m. § 183 Abs. 1 BewG aus der automatisierten Kaufpreissammlung zu erhalten.

Wie oben ausgeführt, wäre erforderlich gewesen, dass der Beklagte Unterlagen vorlegt, in denen der GAG Z Vergleichspreise mitteilt oder - gegebenenfalls unter Angabe der Gründe - erklärt, die Mitteilung von Vergleichspreisen sei nicht möglich. Dies ist jedoch nicht erfolgt, sondern der Beklagte hat lediglich einen "Auszug aus der Kaufpreissammlung" angefordert und dem Finanzgericht übersandt.

Ob die dem "Auszug aus der Kaufpreissammlung" zugrunde gelegten Selektionsansätze zutreffend waren, kann daher offen bleiben.

85

Zudem wäre nicht die Auffassung der Zeugen entscheidend, sondern die des GAG Z. Dieser hätte in seiner vollen Besetzung darüber zu befinden, welche Kaufpreise - unter Umständen nach Anpassung durch Zu- oder Abschläge - als Vergleichspreise heranzuziehen sind.

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Soweit der Beweisantritt dahingehend zu verstehen sein sollte, der Zeuge könne bestätigen, dass die Mitteilung vom 19. Februar 2013 den Anforderungen der §§ 182 Abs. 2, 183 Abs. 1 BewG genüge, handelt es sich bereits nicht um eine Tatsache, die nach § 373 Zivilprozessordnung i.V.m. § 82 FGO in das Wissen eines Zeugen gestellt werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Dezember 2001 IX B 70/01, BFH/NV 2002, 528). Ob dies der Fall ist, ergibt sich vielmehr als Ergebnis der steuerrechtlichen Subsumtion durch das Finanzgericht.

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4. Der Senat sieht sich daran gehindert, ggf. durch entsprechende Anpassungen aus der vorgelegten Kaufpreissammlung, selbst Vergleichspreise abzuleiten. Das Gesetz hat die Durchführung der Ermittlung ausdrücklich den GAG zugewiesen, um so die erforderliche Sachkunde zu gewährleisten. Dann ist es aber dem Finanzamt und in der Folge auch dem Finanzgericht verwehrt, aus den mitgeteilten Beträgen eigene Werte abzuleiten (vgl. BFH-Entscheidungen vom 26. April 2006 II R 58/04, BStBl II 2006, 793 und vom 14. Dezember 2006 II B 53/06, BFH/NV 2007, 403 zu Bodenrichtwerten).

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5. Das Gericht war auch nicht gehalten, im Wege der Sachaufklärung nach § 76 Abs. 1 FGO selbst vom GAG Z Vergleichspreise anzufordern.

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Nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 FGO sind die Beteiligten bei der Erforschung des Sachverhaltes heranzuziehen. Die Aufklärungspflicht des Finanzgerichtes wird durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt. Kommt ein Beteiligter der Aufforderung zur Vorlage einer Urkunde nicht nach, die sich entweder in seinem Besitz befindet oder von ihm beschafft werden kann, hat das Finanzgericht insoweit keine Veranlassung zu weiterer Sachaufklärung zugunsten des Beteiligten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Januar 2000 IV B 151/98, BFH/NV 2000, 871 und vom 11. April 2001 I B 130/00 BFH/NV 2001, 1284). Dies gilt nach Auffassung des Senates umso mehr, wenn - wie hier - entsprechende Unterlagen bereits im Festsetzungsverfahren von dem Beteiligten hätten beschafft werden müssen.

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Die Berichterstatterin hatte den Beklagten bereits mit Verfügung vom 7. Februar 2013 unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut gebeten, das Gericht über die vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise für das streitige Grundstück zu informieren. Daraufhin hatte der Beklagte im Schreiben an den GAG Z vom 18. Februar 2013 zwar das Schreiben der Berichterstatterin wörtlich übernommen, jedoch dann ausdrücklich (nur) um "Auskunft aus der Kaufpreissammlung" gebeten. Nach Weiterleitung der vom GAG Z erhaltenen "Auskunft aus der Kaufpreissammlung" an das Finanzgericht hat die Berichterstatterin mit Verfügung vom 7. November 2013 ausdrücklich mitgeteilt: "Eine Auskunft aus der Kaufpreissammlung stellt aber nach Auffassung des Senates keinen vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreis dar." Der Beklagte legte dennoch keine vom GAG Z mitgeteilten Vergleichspreise vor.

91

Der Beklagte hat somit erforderliche Unterlagen, die er bereits im Feststellungsverfahren hätte beschaffen müssen, weder im Einspruchsverfahren noch - trotz ausdrücklicher Aufforderung - im Klageverfahren vom GAG Z angefordert und demzufolge auch nicht vorgelegt. Von einer weiteren Aufklärung durch das Finanzgericht war daher abzusehen.

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III. Bei der geschilderten Verfahrenslage kann ein Grundbesitzwert nicht festgestellt werden. Die Ungewissheit, ob der Gutachterausschuss Vergleichsgrundstücke benennen könnte, schließt es aus, die nachrangigen Bewertungsmethoden anzuwenden.

93

§ 183 Abs. 1 Satz 1 BewG gibt vor, dass die von den GAG mitgeteilten Vergleichspreise vorrangig sind. Vom GAG Z mitgeteilte Vergleichspreise können im Streitfall aber nicht angesetzt werden, weil der Beklagte sie nicht vom GAG Z angefordert und dieser sie dementsprechend nicht mitgeteilt hat. Ohne eine substantiierte Erklärung des GAG Z, die Mitteilung von Vergleichspreisen sei nicht möglich, ist wegen des gesetzlich angeordneten Vorrangs der vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise der Rückgriff auf die nachrangigen Verfahren zur Ermittlung des Grundbesitzwertes bebauter Grundstücke - Bewertung anhand von dem Finanzamt bekannten Vergleichspreisen (inzidenter § 183 Abs. 1 Satz 2 BewG), bei fehlenden Vergleichspreisen Bewertung anhand von vom Gutachterausschuss ermittelten und mitgeteilten Vergleichsfaktoren (§ 183 Abs. 2 BewG) oder als letztes Mittel Bewertung im Sachwertverfahren (§ 182 Abs. 4 i.V.m. § 189 BewG) - nicht möglich.

94

Es obliegt auch nicht der Klägerin, zur Abwendung des Sachwertverfahrens nachzuweisen, dass tatsächlich geeignete Vergleichswerte existieren (a.A. Finanzgericht Köln im Urteil vom 12. Februar 2014 4 K 3081/13, [...] und Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 182 Rn. 8). Nach § 182 Abs. 2 Nr. 1 BewG hat die Bewertung von Wohnungseigentum grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu erfolgen. Will die Finanzverwaltung hiervon abweichen, hat sie nachzuweisen, dass die Voraussetzungen des § 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG vorliegen. Anderenfalls würde die Gesetzessystematik auf den Kopf gestellt und einer Bewertung im Sachwertverfahren der Vorrang eingeräumt. Dem steht jedoch der klare Gesetzeswortlaut des § 182 Abs. 2 Nr. 1 BewG entgegen.

95

IV. Der streitige Grundstückswertbescheid war aufzuheben.

96

Er entspricht - wie oben ausgeführt - nicht den gesetzlichen Anforderungen und ist somit rechtswidrig.

97

Er verletzt die Klägerin auch in ihren Rechten. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Bedarfsbewertung über § 198 BewG die Nachweispflicht eines niedrigeren gemeinen Wertes dem Steuerpflichtigen auferlegt. Dies scheint nur dann - falls überhaupt - gerechtfertigt, wenn die Verwaltung die vom Gesetz vorgegebene Ermittlungsmethode einhält. Andernfalls könnte die Ermittlung des Finanzamtes selbst bei groben Fehlern nur durch den - für den Steuerpflichtigen regelmäßig kostenträchtigen - Nachweis eines geringeren Wertes widerlegt werden. Es würde aus Sicht des Senates gegen den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruch auf einen umfassenden und effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verstoßen, wenn der Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit hätte, zuerst gerichtlich durchzusetzen, dass das Finanzamt die Wertermittlung dem Gesetz entsprechend durchführt, bevor er eine Entscheidung darüber zu treffen hat, ob er ein für ihn kostenpflichtiges Gutachten einholt oder nicht.

98

Der Klage war daher stattzugeben.

99

V. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zuzulassen. Die Frage, welche Anforderungen die "von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise" im Sinne des § 183 Abs. 1 BewG erfüllen müssen, hat grundsätzliche Bedeutung. Mit seiner Entscheidung weicht das Gericht zudem vom Urteil des Finanzgerichtes Köln vom 12. Februar 2014 (4 K 3081/13, [...]) ab, das die Feststellungslast bezüglich des Vorliegens tatsächlich geeigneter Vergleichswerte der Klägerin zuweist, während das vorliegende Urteil diese bei der Finanzbehörde sieht.

100

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

101

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).