Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.04.2014, Az.: 10 K 243/12

Auf den Ausgleichsanspruch anrechenbare Leistungen aus einer kapitalgedeckten Lebensversicherung als Betriebseinnahmen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
10.04.2014
Aktenzeichen
10 K 243/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 18551
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2014:0410.10K243.12.0A

Fundstellen

  • DStR 2015, 6
  • DStRE 2016, 1-3
  • DStZ 2014, 627
  • EFG 2014, 1310-1311
  • EStB 2014, 452
  • ZAP EN-Nr. 539/2014

Amtlicher Leitsatz

Leistungen aus einer kapitalgedeckten Lebensversicherung, die aus Billigkeitsgründen auf den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB anzurechnen sind, stellen grds. keine Betriebseinnahmen dar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Besteuerung ausgezahlter Altersversorgungsbeträge als laufender Gewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb und die gewinnwirksame Auflösung einer Rückstellung für Abschluss- und Prüfungsgebühren für die Jahre 1988 bis 1997 in Höhe von 9.458,90 EUR.

2

Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger betrieb vom 01.01.1981 bis zu seinem 65. Lebensjahr eine selbständige Versicherungsvertretung für die Versicherungsgruppe X, für die er zum 30.06.2007 die Betriebsaufgabe erklärte.

3

Der Kläger schloss mit der X zum Zwecke der betrieblichen Altersvorsorge Lebensversicherungen ab. Die Versicherungsleistungen wurden zu 73,83% von der Versicherungsgesellschaft und zu 26,17% vom Kläger erbracht. Die von der Versicherung geleisteten Beiträge in die Direktversicherungen versteuerte der Kläger im Rahmen der jeweiligen Jahresveranlagung.

4

In § 17 des Vertretervertrages mit der Versicherung heißt es:

5

"Die X ermöglicht dem Vertreter eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung im Rahmen der hierfür aufgestellten Grundsätze. Dazu wird zu gegebener Zeit eine besondere Vereinbarung getroffen."

6

Am 05.01.1981 gab der Kläger zu § 17 der Verträge gegenüber der Versicherung eine schriftliche Erklärung ab. Darin heißt es zu Punkt zwei:

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"Ich gehe mit der X davon aus, dass ein Ausgleichsanspruch aus Billigkeitsgründen (§ 89b Abs. 1 Ziff. 3 HGB) für mich insoweit nicht entsteht, wie ich Leistungen aus meiner Alters- und Hinterbliebenenversorgung schon erhalten oder noch zu erwarten habe. Dabei wird stets der Teil der Leistungen (Kapitalwert) aus der Altersversorgung angerechnet, der aus den Beiträgen des Unternehmens aufgebaut worden ist."

8

Die Kapitallebensversicherungen liefen vom 01.01.1981 bis zum 01.01.2007.

9

Bei einer in den Jahren 2001/2012 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass der Kläger die Abrechnung der X über die Ausgleichszahlung gemäß § 89b HGB nicht erfasst hat. Die X hatte den Ausgleichsanspruch zum 30.06.2007 wie folgt berechnet:

10
Anspruch für Bestand I110.592 EUR
Anspruch für Bestand II7.768 EUR
abzüglich anzurechnender Leistung aus der Altersversorgung114.297 EUR
Ausgleichsanspruch4.063 EUR
11

Der Beklagte erfasste die Summe aus den beiden Ansprüchen in Höhe von 118.360 EUR als laufenden Gewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb für 2007 und erließ am 29.03.2012 entsprechende Änderungsbescheide zur Einkommensteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag. Gegen die geänderten Steuerbescheide 2007 legte der Kläger Einspruch ein mit der Begründung, dass die Auszahlung der Lebensversicherung steuerfrei sei.

12

Der Beklagte ging im Laufe des Einspruchsverfahrens davon aus, dass aufgrund der Anrechnung der Leistung aus der Altersversorgung eine Besteuerung nur in der Höhe erfolgen könne, wie der Kapitalwert der Lebensversicherung die von der Versicherung geleisteten und vom Kläger bereits versteuerten Beiträge übersteige. Der laufende Gewinn sei wie folgt zu berechnen:

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Rückkaufswert der Lebensversicherungen zum 31.12.2006158.811,13 EUR
abzüglich von X geleisteter Beiträge (73,83%)57.028,99 EUR
abzüglich vom Kläger entrichteter Beiträge (26,17%)20.216,48 EUR
laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb77.565,66 EUR
14

Diesen Betrag erfasste der Beklagte als Entschädigung für entgehende Einnahmen i.S.d. § 24 Nr. 1a EStG, der ermäßigt zu besteuern ist gem. § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 EStG und setzte die Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag in den Einspruchsbescheiden vom 24.10.2012 auf 20.420 EUR und 2.930 EUR herab. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

15

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Aufhebung der Änderungsbescheide. Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, der Beklagte besteuere die Differenz des Rückkaufwertes der Direktversicherungen abzüglich der geleisteten Beiträge zu Unrecht. Er verkenne dabei, dass die Vereinbarung zwischen den Versicherungen und dem Kläger die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB verhindere. Der Ausgleichsanspruch werde nicht Teil des steuerlichen Betriebsvermögens.

16

Zivilrechtlich sei zudem entschieden, dass nicht nur die Beiträge zum Aufbau der Altersrente, sondern auch die Zinsen aus diesen Beiträgen als durch den Versicherungsnehmer erbracht anzusehen seien. Werde die Versicherungssumme ausgezahlt, handele es sich nicht um eine von der X erbrachte Leistung, sondern um vom Kläger selbst erwirtschaftete Erträge. Dies geschehe auf der privaten Vermögensebene des Klägers.

17

Der Beklagte verstoße zudem gegen die Steuerfreistellung der Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Entgegen der Auffassung des Beklagten seien die Entscheidungen des FG Münster und des FG Baden-Württemberg nicht einschlägig, da es sich bei den dortigen Entscheidungen um Berufsunfähigkeitsversicherungen gehandelt habe.

18

Schließlich trage auch die Argumentation des Beklagten zu § 249 HGB nicht. Nur die tatsächliche Ausgleichszahlung der X in Höhe von 4.063 EUR sei als begünstigter Aufgabegewinn zu versteuern.

19

Die Auflösung der Rückstellung für Abschluss- und Prüfungskosten für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1997 in Höhe von 9.458,90 EUR sei nicht wegen eingetretener Zahlungsverjährung gewinnerhöhend aufzulösen. Der Beklagte verkenne, dass es eine Entscheidung des Klägers sei, ob er bei Geltendmachung der Gebühren die Einrede der Verjährung erhebe. Erst bei tatsächlicher Erhebung der Einrede sei die Rückstellung aufzulösen. Der frühere Steuerberater habe seine Ansprüche mit Schreiben vom 14.07.2010 geltend gemacht. Sein Rechtsanwalt habe dem Kläger geraten, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, um Gegenansprüche geltend zu machen.

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Die Kläger beantragen,

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den Einkommensteueränderungsbescheid 2007 und den Gewerbesteuermessbescheid 2007 jeweils vom 29.03.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 24.10.2012 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

24

Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid. Danach stellten die Leistungen aus der Altersversorgung Betriebseinnahmen dar, da sie durch die gewerbliche Tätigkeit begründet seien. Soweit die Altersversorgung den Ausgleichsanspruch ersetze, stelle sie einen Teil des Ausgleichsanspruchs dar und sei folglich zu versteuern. Eine Versteuerung habe in der Höhe zu erfolgen, wie der Kapitalwert der Lebensversicherungen die geleisteten Beiträge übersteige. Dieser Betrag in Höhe von 77.565,66 EUR sei als entgehende Einnahme ermäßigt zu besteuern. Die Rückstellung für Steuerberatungskosten sei wegen Zahlungsverjährung aufzulösen.

25

Ergänzend trägt der Beklagte vor, dass der Ausgleichsanspruch nach den Vereinbarungen nicht ausgeschlossen worden sei. Ein Ausgleichsanspruch könne nach § 89b Abs. 4 HGB nicht im Vorhinein ausgeschlossen werden. Zudem sei nach der Vereinbarung eine Billigkeitsanrechnung nur vorgesehen, soweit der Kläger Leistungen aus der Altersvorsorge erhalten habe. Die ersatzweise gewährte Versorgungsleistung stelle laufenden Gewinn dar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 14.02.2014 (Bl. 121 ff. FGA) verwiesen.

26

Aufgrund des Eintritts der Zahlungsverjährung sei die Rückstellung zu Recht aufgelöst worden.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage ist teilweise begründet. Der Beklagte hat die Ansprüche des Klägers aus seinen Lebensversicherungen zu Unrecht als Betriebseinnahme erfasst. Diese Leistungen sind auch soweit sie aus Billigkeitsgründen auf den Anspruch aus § 89b HGB einwirken weder als laufende noch als nachträgliche Betriebseinnahmen aus dem Gewerbebetrieb des Klägers zu erfassen. Die Rückstellung hat der Beklagte hingegen zu Recht aufgelöst.

28

1. Die Zahlungen aus den als Direktversicherungen abgeschlossenen Lebensversicherungen bei der X sind gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der Fassung bis zum Veranlagungszeitraum 2004 i.V.m. § 52 Abs. 36 S. 5 EStG 2007 nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen. Bei den vom Kläger bereits 1981 abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen gegen laufende Beitragszahlung mit Sparanteil mit einer Vertragslaufzeit von mindestens zwölf Jahren handelt es sich um entsprechende Lebensversicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG i. d. Fassung bis 2004, so dass sie von der Besteuerung ausgenommen sind.

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2. Die Leistungen aus den Lebensversicherungen sind nicht als Betriebseinnahmen gemäß § 4 Abs. 1 EStG oder nachträgliche Einnahmen i.S.d. § 24 Nr. 1a EStG bei den Einkünften aus § 15 EStG zu erfassen.

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a) Bei den Zahlungen aus den Lebensversicherungsverträgen handelt es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung des handelsrechtlichen Ausgleichsanspruchs i.S.d. § 89b HGB. Der Kläger hatte zwar nach § 89b HGB einen Handelsvertreterausgleichsanspruch.

31

Denn nach Abs. 1 kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

32

(1) der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und

33

(2) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.

34

Diese Voraussetzungen waren unzweifelhaft und unstreitig gegeben. Der Anspruch belief sich jedoch ausweislich der Berechnung der X auf 4.063 EUR, da ein weitergehender Ausgleichsanspruch aufgrund des Altersversorgungsanspruchs aus den Lebensversicherungen nicht entstehen konnte.

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Nach der vertraglichen Vereinbarungen vom 04./11. Dezember 1980 i.V.m. mit der Erklärung zu § 17 der Verträge vom 05. Januar 1981 entsteht der Ausgleichsanspruch - entgegen der Annahme des Beklagten - nicht, soweit Leistungen aus der Altersversorgung zu erwarten sind. Die Vertragsbeteiligten gehen folglich davon aus, dass sich die Billigkeitsregelung nicht nur auf bereits erhaltene Leistungen, sondern auch auf zu erwartende Leistungen des Klägers erstreckt und im Umfang der Altersversorgung eine Entstehung des Ausgleichsanspruchs hindert. Diese Vereinbarung war nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte möglich und zulässig.

36

Zwar verbietet § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB, wonach der Anspruch des Handelsvertreters auf Ausgleich nicht im Voraus ausgeschlossen werden kann, nicht nur Abreden, die den Ausgleichsanspruch ganz ausschließen, sondern auch solche, durch die er im Ergebnis mehr oder weniger eingeschränkt wird (BGHZ 55, 124, 126; BGH, Urteil vom 10. Juli 2002 - VIII ZR 58/00, WM 2003, 491 = NJW-RR 2002, 1548 unter B II 2 a; BGH, Urteil vom 20. November 2002 - VIII ZR 146/01, WM 2003, 687 = NJW 2003, 1241 unter II 2 a); die Vorschrift erfasst auch solche Vereinbarungen, durch die der Ausgleichsanspruch von weiteren, vom Gesetz nicht vorgesehenen Voraussetzungen abhängig gemacht wird (BGH, Beschluss vom 4. November 1998 - VIII ZR 318/89, BGHR AGBG § 9 Gesetzesverstoß 2). Dagegen verstoßen Vereinbarungen, die sich nur mittelbar auf den Ausgleichsanspruch auswirken, grundsätzlich nicht gegen § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB (von Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2010, § 89b Rdnr. 200 ff.). Insoweit hat der BGH in seinem Grundsatzurteil vom 23.05.1966 VII ZR 268/64, BGHZ 45, 268 ausgeführt, dass der Ausgleichsanspruch aus Billigkeitsgründen der Höhe nach abweichend zur normalen rechnerischen Ermittlung entstehen könne. Dies ist insbesondere - wie vorliegend - der Fall für die Vereinbarung von Ansprüchen, die der Altersversorgung dienen und damit eine ähnliche Struktur und Funktion wie der Ausgleichsanspruch aufweisen (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 36. Aufl. 2014, § 89b Rz. 39). Demgemäß konnten die X und der Kläger eine entsprechende abweichende Vereinbarung des Ausgleichsanspruchs im Hinblick auf die abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge treffen.

37

Durch die vertragliche Vereinbarung zwischen der X und dem Kläger war der Ausgleichsanspruch bereits in seiner Entstehung gehindert, soweit seine Entstehung nicht der Billigkeit entsprach. Der Billigkeitsgrundsatz beinhaltet eine selbstständige und zusätzliche Anspruchsvoraussetzung, die neben dem Tatbestandsmerkmal des Unternehmervorteils (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) schon bei der Anspruchsbegründung zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1992, I ZR 173/91, NJW-RR 1993, 221; von Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2010, § 89b Rdnr. 84 m.w.N.). Ein Ausgleichsanspruch entsteht demnach nicht, wenn er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unbillig wäre. Demgemäß entstand der Ausgleichsanspruch entgegen der Auffassung des Beklagten lediglich in Höhe von 4.063 EUR, nämlich soweit der Ausgleichsanspruch den Altersversorgungsanspruch aus den Lebensversicherungen überstieg.

38

Der Ausgleichsanspruch in Höhe von 4.063 EUR ist als Betriebseinnahme dem laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 EStG zuzuordnen. Zugleich ist er als Gewinn aus Gewerbebetrieb im Rahmen des Gewerbeertrags der Besteuerung zugrunde zu legen.

39

b) Die Zahlungen aus den Lebensversicherungsverträgen sind nicht als nachträgliche Einnahmen i.S.d. § 24 Nr. 1a EStG bei den Einkünften aus § 15 EStG zu erfassen.

40

Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sind Entschädigungen Leistungen, die "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt werden, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen treten (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Oktober 2007 XI R 33/06, BFH/NV 2008, 361, m.w.N.). Entsprechend seinem Wortlaut zählen dazu nicht Ersatzleistungen für jede beliebige Art von Schadensfolgen, sondern lediglich solche zur Abgeltung von erlittenen oder zu erwartenden Ausfällen an Einnahmen (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juli 1991 X R 79/90, BFHE 165, 75; vom 27. November 1991 X R 10/91, BFH/NV 1992, 455; vom 21. September 1993 IX R 32/90, BFH/NV 1994, 308, m.w.N.). Erfasst werden daher nur Entschädigungen, die Einnahmen ersetzen, nicht aber solche, die Ausgaben ausgleichen (vgl. BFH-Urteile vom 26. Oktober 1972 I R 229/70, BFHE 107, 265, BStBl II 1973, 121, [BFH 26.10.1972 - I R 229/70] unter II.1.; vom 27. Juli 1978 IV R 153/77, BFHE 126, 165, BStBl II 1979, 69 [BFH 27.07.1978 - IV R 153/77]; so auch die h.M. in der Literatur: Hildesheim in Bordewin/Brandt, EStG, § 24 Rz 17; Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 24 Rz.B. 42; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar § 24 Rz 24). Der Ersatz "für entgangene oder entgehende Einnahmen" setzt aber vom Wort- und Sinnverständnis voraus, dass Einnahmen gar nicht erst angefallen, sondern ausgefallen sind oder der Ausfall (künftig) entgehender Einnahmen zu erwarten ist (vgl. Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rz 33; ähnlich Blümich/Stuhrmann, EStG, § 24 Rz 7, 12; Jacobs-Soyka, a.a.O., § 24 Rz 9); der Steuerpflichtige hat also die entsprechenden Einnahmen nicht oder noch nicht erhalten. Daher werden zunächst erhaltene (zugeflossene) und danach zurückzuzahlende oder zurückgezahlte Einnahmen ebenso wenig von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfasst wie Ausgaben bzw. Aufwendungen oder als solche zu behandelnde negative Einnahmen (vgl. etwa BFH-Urteile vom 17. September 2009 VI R 17/08, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299 [BFH 17.09.2009 - VI R 17/08]; vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396 [BFH 26.01.2000 - IX R 87/95]).

41

Ob die Entschädigung im konkreten Fall als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen, für zurückgezahlte Einnahmen oder für andere Nachteile als Ausgabenausgleich gezahlt wird, ist grundsätzlich aus der Sicht der Vertragsparteien vom FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen; dazu ist der Inhalt der Entschädigungsvereinbarung, erforderlichenfalls im Wege der Auslegung, heranzuziehen (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1974 VI R 142/72, BFHE 113, 239, BStBl II 1974, 714 [BFH 09.08.1974 - VI R 142/72]; vom 11. Januar 2005 IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044, unter II.1.a bb).

42

Im Streitfall erfolgte mit der Auszahlung der Lebensversicherungsverträge keine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen. Zwar hinderte der Abschluss der Lebensversicherungsverträge als Altersversorgung die Entstehung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB. Mit dem Abschluss der Lebensversicherungsverträge ermöglichte die X dem Kläger indes den Aufbau einer eigenständigen Altersversorgung, die zu einem selbständigen, grundsätzlich nicht entziehbaren Anspruch des Klägers führte. Der Anspruch aus den Lebensversicherungen entstand unabhängig davon, ob und in welcher Höhe tatsächlich ein Ausgleichsanspruch des Klägers entstehen würde. Die Entstehung und die Höhe des Anspruchs nach § 89b HGB waren insoweit ungewiss, da die Höhe des Anspruchs ganz wesentlichen von der Höhe der Provision der letzten 5 Tätigkeitsjahre abhängt (vgl. § 89b Abs. 2 HGB), folglich im Jahr 1981 bei Abschluss nicht absehbar war, und etwa bei Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Handelsvertreter gänzlich entfällt (vgl. § 89b Abs. 3 HGB). Demgemäß sind die Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen keine Entschädigung für einen entgangenen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB, sondern eigenständige Altersversorgungsansprüche, die bereits zivilrechtlich die Entstehung eines höheren Anspruchs nach § 89b HGB verhinderten. Insoweit sind die Einnahmen aus dem Ausgleichsanspruch nicht ausgefallen, sondern gar nicht erst angefallen.

43

c) Zudem handelt es sich bei den Zahlungen aus den Lebensversicherungsverträgen auch nicht um Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EStG gemäß § 24 Nr. 2 EStG.

44

Nach § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch die Einkünfte aus einer ehemaligen gewerblichen Tätigkeit. Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit liegen dann vor, wenn die Einkünfte im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit stehen, insbesondere ein Entgelt für die im Rahmen der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit von dem Gewerbetreibenden erbrachten Leistungen darstellen (s. BFH-Urteil vom 25.3.1976, IV R 174/73, BStBl. II 1976, 487, BFHE 118, 572 [BFH 25.03.1976 - IV R 174/73]; FG Münster v. 7.12.2000, 14 K 3127/99 E, [...] zu Berufsunfähigkeitsversicherung).

45

Im Streitfall liegen keine Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit vor. Die Zahlungen aus den Lebensversicherungen beruhen auf einem eigenen durch Beitragszahlungen angesparten Kapitalstammrecht. Dabei hat der Kläger sowohl die eigenen Beitragszahlungen aus versteuertem Einkommen finanziert als auch die Beitragszahlungen der Versicherer als Betriebseinnahmen der Besteuerung unterworfen. Anders als in Fällen der betrieblichen Altersversorgung oder der Berufsunfähigkeitsrentenzahlung resultiert der Anspruch nicht unmittelbar aus der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit, sondern beruht der Anspruch auf einem eigenständigen Erwerb. Dabei stellt die gewerbliche Tätigkeit lediglich den Anlass bzw. die Möglichkeit des Anspruchserwerbs dar. Die Leistungen aus der Versicherung stellen insbesondere kein Entgelt für die im Rahmen der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit erbrachten Leistungen dar, sondern beruhen auf dem beitragsfinanzierten Kapitalwert der Versicherungen. Dies zeigt sich u.a. auch daran, dass die Leistungen aus den Lebensversicherungen - auch im Fall der vorzeitigen Beendigung der gewerblichen Tätigkeit durch den Kläger - dem Kläger zugestanden hätten. Folglich scheidet auch insoweit eine Erfassung der Zahlungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb aus.

46

3. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Rückstellung für Abschluss- und Prüfungsgebühren des ehemaligen Steuerberaters für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1997 in Höhe von 9.458,90 EUR zu Recht aufgelöst worden, da die entsprechende Verbindlichkeit zu diesem Zeitpunkt unstreitig zivilrechtlich verjährt gewesen ist. Die Bildung einer Rückstellung für eine nach Grund und/oder Höhe noch ungewisse Verbindlichkeit setzt im allgemeinen das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens der Verbindlichkeit und die wirtschaftliche Verursachung dieser Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag voraus. Ferner muss der Schuldner mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen, d.h. es müssen mehr Gründe für als gegen die Inanspruchnahme sprechen (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891, [BFH 19.10.1993 - VIII R 14/92] m.w.N.). An letzterem fehlt es im Streitfall. Die Gebührenforderung ist verjährt. Es ist nichts dafür ersichtlich und auch vom Kläger nichts substantiiert dafür dargetan, dass der Forderungsinhaber seine Forderung gleichwohl noch einziehen kann. Vielmehr ist anzunehmen, dass dies nicht erfolgen wird. In Anbetracht dessen kann es --anders als bei der Frage der Passivierung einer nach Grund und Höhe bereits gewissen Verbindlichkeit (BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VIII R 21/92, BFHE 170, 540, BStBl II 1993, 543 [BFH 09.02.1993 - VIII R 21/92])-- auf eine etwaige Bereitschaft des Klägers, die noch ausstehende Forderung zu erfüllen, wenn diese ihm gegenüber geltend gemacht wird, nicht ankommen. Der für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung erforderliche Grad an Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ist nicht gegeben. Dies zeigt sich ganz deutlich darin, dass der Kläger die Forderung bis heute nicht beglichen hat.

47

II. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.