Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.04.2014, Az.: 16 K 128/12

Rechtmäßigkeit einer konkludenten Gestattung der Ist-Besteuerung durch das Finanzamt

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.04.2014
Aktenzeichen
16 K 128/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 26526
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2014:0428.16K128.12.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 18.08.2015 - AZ: V R 47/14

Fundstellen

  • BBK 2015, 207
  • DStR 2015, 10
  • MwStR 2015, 436-437
  • MwStR 2015, 45
  • NWB 2015, 965
  • NWB direkt 2015, 311
  • StX 2015, 169
  • UStB 2015, 97

Amtlicher Leitsatz

Konkludente Gestattung der Ist-Besteuerung durch das Finanzamt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Rechtsvorgängerin des Klägers die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten vornehmen durfte.

2

Der Kläger ist ein Verein, der durch Verschmelzung des Beratungs- und Erzeugerrings Walchum X e.V. hervorgegangen ist. Im Jahre 2003 ermittelte dieser Verein seinen Gewinn wie auch in den Folgejahren durch Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs.3 EStG) und erklärte in seinen Umsatzsteuererklärungen die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten. Die Umsatzsteuer wurde entsprechend den eingereichten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt. Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Streitjahre stellte der Prüfer fest, dass der Verein seiner Meinung nach keine Genehmigung für die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gehabt habe. Am 17. November 2011 erließ der Beklagte, das Finanzamt (FA), entsprechende Änderungsbescheide und wies die Einsprüche hiergegen mit Bescheid vom 20. März 2012 als unbegründet zurück. Den eingereichten Umsatzsteuererklärungen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass eine Ist-Versteuerung vorgenommen wurde. Lediglich den der Körperschaftsteuererklärung beigefügten Gewinnermittlungen sei zu entnehmen gewesen, dass der Verein von der Ist-Besteuerung Gebrauch gemacht habe. Jedoch sei keine ausdrückliche Genehmigung auf Ist-Versteuerung erteilt worden, auch wenn den Steueranmeldungen seitens des FA gefolgt worden sei.

3

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage trägt der Kläger vor, das FA habe die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch die Handhabung bereits in Vorjahren genehmigt gehabt.

4

Der Kläger beantragt,

5

unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide vom 17. November 2011 und er Einspruchsentscheidung vom 20. März 2012 die Umsatzsteuer für 2006 auf 9.552,98 €, für 2007 auf 10.058,02 € und für 2008 auf 9.716,34 € festzusetzen.

6

Das FA beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten sei nicht genehmigt worden.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist begründet. Die Umsatzsteuerbescheide vom 17. November 2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat die Umsatzsteuer zu Unrecht gemäß § 16 Abs. 1 UStG nach vereinbarten Entgelten und nicht gemäß § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten berechnet.

10

Die Umsatzsteuer ist gemäß § 16 Abs. 1 UStG grundsätzlich nach vereinbarten Entgelten zu berechnen soweit nicht § 20 UStG gilt. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, dessen Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 250.000,- EUR betragen hat, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach vereinnahmten Entgelten berechnet.

11

Für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten anstelle der Regelbesteuerung nach vereinbarten Entgelten ist ein Antrag notwendig, auf Grund dessen das FA nach pflichtgemäßem Ermessen die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch formlosen Verwaltungsakt (§ 118 Satz 1 der Abgabenordnung) gestattet haben muss. Die Bekanntgabe braucht nicht förmlich, sie kann auch durch eine erkennbare Gestattung der beantragten Besteuerung bekannt gegeben werden. Wenn das FA keine oder keine nach außen erkennbare Entscheidung getroffen hat, fehlt es an einer Gestattung (BFH-Beschluss vom 28. August 2002 V B 65/02, BFH/NV 2003, 210). Vergleichbares gilt auch für die Frage, ob der Unternehmer bei der Abgabe einer Voranmeldung, bei der die Besteuerungsgrundlagen nach tatsächlichen Einnahmen erklärt worden sind, konkludent hierdurch auch einen Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung gestellt hat. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist dies allenfalls dann der Fall, wenn der Voranmeldung deutlich erkennbar zu entnehmen ist, dass die Umsätze auf der Grundlage von Ist-Einnahmen erklärt worden sind (BFH-Beschluss vom 11. Mai 2011 V B 93/10, BFH/NV 2011, 1406).

12

Vorliegend liegt ein konkludenter Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung und eine entsprechende Genehmigung vor, denn spätestens für 2003 war ein Antrag der Rechtsvorgängerin des Klägers deutlich erkennbar. Die in der Steuererklärung 2003 angegebenen Umsätze entsprechen den Einnahmen in der Einnahme- und Überschussrechnung, was dem FA nachweislich bekannt war, da ein Sachbearbeiter bei den Umsätzen einen Haken setzte. Da eine Berechnung der Steuern nach vereinnahmten Entgelten für 2003 zu erkennen war, hat das FA durch die beantragte Besteuerung diese auch spätestens dieses Jahr konkludent genehmigt, so dass die Berechnung mangels Widerrufs der Genehmigung auch künftig nach vereinnahmten Entgelten erfolgen durfte.

13

Da nach dem Bericht über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung lediglich die Feststellung getroffen wurde, dass die Versteuerung nicht nach vereinnahmten sondern nach vereinbarten Umsätzen zu erfolgen hat, waren die Steuern entsprechend den vorherigen Festsetzungen neu festzusetzen.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.