Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.04.2014, Az.: 9 K 144/13
Wegfall des Kindergeldanspruchs wegen schuldhafter Versäumung eines Vorsprachetermins bei fehlender Bekanntgabe der Vermittlungseinstellung durch die Arbeitsagentur
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.04.2014
- Aktenzeichen
- 9 K 144/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 18334
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2014:0402.9K144.13.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 23.10.2014 - AZ: V R 24/14
Rechtsgrundlagen
- § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG
- § 68 EStG
- § 70 Abs. 2 S. 1 EStG
- § 37 Abs. 2 AO
- § 38 Abs. 3 S. 2 SGB III
- § 31 SGB X
- § 37 SGB X
Amtlicher Leitsatz
Kein Wegfall des Kindergeldanspruchs wegen schuldhafter Versäumung eines Vorsprachetermins bei fehlender Bekanntgabe der Vermittlungseinstellung durch die Arbeitsagentur.
Tatbestand
Streitig ist die Berechtigung der Beklagten, die Kindergeldfestsetzung für die Tochter des Klägers für den Zeitraum Oktober 2012 bis März 2013 gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) aufzuheben und zu viel gezahltes Kindergeld i.H.v. 1.104 EUR nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zurückzufordern.
Der Kläger ist Vater der ...1993 geborenen M. M befand sich bis Juli 2012 in Schulausbildung. Am 9. August 2012 meldete sich M bei der Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsagentur) als arbeitsuchend ohne Arbeitslosengeldanspruch. Hierbei erhielt sie eine Einladung in die Arbeitsvermittlung am 11. September 2012. Gleichzeitig wurde sie in die Berufsberatung der Arbeitsagentur aufgenommen und bekam einen Termin zur Berufsberatung am 4. September 2012. Am gleichen Tag beantragte der Kläger bei der Familienkasse die Gewährung von Kindergeld für ein volljähriges Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. In seinem Antrag gab er an, dass M seit 9. August 2012 einen Ausbildungsplatz/Studienplatz suche und bei der Arbeitsagentur registriert sei. Die Beklagte gewährte daraufhin weiter fortlaufend Kindergeld für M.
Am 4. September 2012 teilte M der Arbeitsagentur um 09:15 Uhr per E-Mail mit, dass sie es heute zeitlich nicht mehr schaffe, den Termin um 09:30 Uhr wahrzunehmen und bat den Termin eventuell auf die nächste Woche zu verschieben. Am 11. September 2012 nahm sie den Termin bei der Arbeitsvermittlung der Arbeitsagentur ohne Angabe von Gründen nicht wahr. Noch am selben Tag erfolgte die (interne) Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung durch die Arbeitsagentur. Am 24. September 2012 erschien M zu einem weiteren Termin bei der Berufsberatung ohne Angabe von Gründen nicht.
Erst am 23. April 2013 setzte sich M wieder mit der Arbeitsagentur in Verbindung und erhielt für den 29. April 2013 einen Termin zur Berufsberatung, den sie auch wahrnahm.
Infolge eines routinemäßigen Datenabgleichs hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 14. Mai 2013 ab Oktober 2012 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte das für den Zeitraum Oktober 2012 bis Mai 2013 i.H.v. 1.472 EUR gezahlte Kindergeld zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass nach den Daten der für die Arbeitsvermittlung zuständigen Stelle M dort nicht bzw. nicht mehr als arbeitsuchendes Kind geführt werde. Näheres hierzu sei der Beklagten nicht bekannt. Der Bescheid enthielt die Aufforderung sich gegebenenfalls mit der zuständigen Stelle in Verbindung zu setzen.
Am 17. Mai 2013 legte der Kläger Einspruch gegen den Aufhebung- und Rückforderungsbescheid ein. Zur Begründung führte er aus, dass ihm und auch seiner Tochter nicht bekannt gewesen sei, dass diese nicht mehr als "arbeitsuchend" geführt werde. Für die Versäumnis eines persönlichen Gesprächstermins habe sich M per E-Mail entschuldigt, eine Antwort hierauf jedoch nicht erhalten. Sowohl der Kläger als auch M seien davon ausgegangen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld weiter vorgelegen hätten. Eine gegenteilige Mitteilung sei nicht erfolgt. Bis dato ginge M weder einer Beschäftigung nach, noch habe sie einen Ausbildungsplatz.
Mit Einspruchsbescheid vom 5. Juni 2013 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, weil die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung volljähriger Kinder nicht vorgelegen hätten. Zur weiteren Begründung führte sie aus, dass eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht möglich sei, weil M im Streitzeitraum nicht bei einer Agentur für Arbeit bzw. des Leistungsträgers nach dem SGB II (Job-Center) arbeitsuchend gemeldet gewesen sei. Die Abmeldung wegen fehlender Verfügbarkeit sei am 11. September 2012 erfolgt.
Mit seiner am 4. Juli 2013 beim Niedersächsischen Finanzgericht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass M im Streitzeitraum nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG beim Kindergeld zu berücksichtigen sei. In dieser Zeit habe M weder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen noch eine Ausbildung begonnen. Für ihr Ausbleiben am 4. September habe sie sich per Mail entschuldigt, jedoch keine Antwort hierauf bekommen. Von der Abmeldung Ms aus der Arbeitsvermittlung und der hieraus folgenden Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld ab Oktober 2012 habe er erst acht Monate später erfahren. Dadurch habe er keine Möglichkeit gehabt, den Fehler bei der Arbeitsagentur korrigieren zu können. Auch seine Tochter sei nicht entsprechend informiert worden, um den Sachverhalt aufzuklären. Vorliegend liege eine Pflichtverletzung der Arbeitsagentur bzw. der Beklagten vor, da diese es über einen längeren Zeitraum unterlassen hätten, ihn und seine Tochter über deren Status zu informieren und ihn in der Lage zu versetzen, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen zu erfüllen. Ungeachtet dessen sei M selbstverständlich im Streitzeitraum auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz bzw. alternativ nach einem Studienplatz gewesen. Entsprechende Unterlagen könne er jedoch nicht vorlegen.
Mit Bescheid vom 8. August 2013 hat die Beklagte die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung des Kindergeldes für den Zeitraum April 2013 bis Juni 2013 aufgehoben, da M seit April 2013 als Bewerberin um einen Ausbildungsplatz bei der Berufsberatung gemeldet gewesen sei. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung der Erledigungserklärung der Beklagten für den Zeitraum April 2013 bis Mai 2013 angeschlossen, so dass im vorliegenden Verfahren lediglich die Monate Oktober 2012 bis März 2013 streitig verbleiben.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 14. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2013, soweit er die Monate Oktober 2012 bis März 2013 betrifft, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 9. August 2013),
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2013 das Begehren des Klägers weiterhin für unbegründet. Die besonderen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von M hätten für den Zeitraum Oktober 2012 bis März 2013 nicht vorgelegen. M sei nicht als arbeits- bzw. ausbildungssuchend gemeldet gewesen. Sie habe sich am 9. August 2012 bei der Arbeitsagentur in der Eingangszone gemeldet und sei in die Arbeitsvermittlung als Nichtleistungsempfängerin aufgenommen worden. Gleichzeitig habe sie eine persönliche Einladung für ein Erstgespräch in die Arbeitsvermittlung zum 11. September 2012 erhalten. Diesen Termin habe sie ohne Angaben von Gründen nicht wahrgenommen. Da mit ihr bis zu diesem Zeitpunkt keine gültige Eingliederungsvereinbarung nach § 37 Abs. 2 SGB III bestanden habe und sie ohne Arbeitslosengeldanspruch arbeitslos gemeldet gewesen sei, sei die Arbeitsagentur nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III infolge der Verletzung einer M nach § 38 Abs. 2 SGB III obliegenden Mitwirkungspflicht berechtigt gewesen, die Arbeitsvermittlung einzustellen und M am 11. September 2012 aus der Arbeitsvermittlung abzumelden.
Gleichzeitig sei M am 9. August 2012 auch in die Berufsberatung aufgenommen worden. Hier habe sie persönlich einen Termin für den 4. September 2012 ausgehändigt bekommen, den sie fristgemäß abgesagt habe. Daraufhin sei ihr ein neuer Termin in der Berufsberatung für den 24. September 2012 zugeschickt worden, den sie nicht wahrgenommen habe. Als Folge sei sie auch von der Berufsberatung wieder abgemeldet worden. Danach habe sich M erstmals wieder im April 2013 bei der Arbeitsagentur gemeldet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen sowie auf die bei der Beklagten geführte Kindergeldakte ... Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Aufhebung- und Rückforderungsbescheid vom 14. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit darin die Festsetzung von Kindergeld für die Tochter M für die Monate Oktober 2012 bis März 2013 aufgehoben wurde und Kindergeld in Höhe von 1.104 EUR zurückgefordert worden ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Die Beklagte war nicht berechtigt, die Kindergeldfestsetzung für M für die Monate Oktober 2012 bis März 2013 nach § 70 Abs. 2 EStG aufzuheben und das für diese Monate gezahlte Kindergeld gemäß § 37 Abs. 2 AO vom Kläger zurückzufordern, denn die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG lagen im Streitzeitraum vor.
I. Gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG ist die Festsetzung von Kindergeld, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.
Für den Streitzeitraum liegen keine wesentlichen Veränderungen der Verhältnisse im Sinne der Vorschrift vor. Die Löschung Ms aus der Arbeitsvermittlung am 11. September 2012 war unwirksam. Die Tochter des Klägers war auch im streitbefangenen Zeitraum bei der Arbeitsagentur als arbeitsuchend gemeldet, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG vorlagen.
1. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei der Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.
Die Altersvorgaben sind im Streitzeitraum erfüllt. M war in den Monaten von Oktober 2012 bis März 2013 19 bzw. 20 Jahre alt. Ein Beschäftigungsverhältnis lag nicht vor.
Der Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG setzt weiterhin eine Meldung bei der Arbeitsagentur voraus. Eine solche Meldung ist für die Berücksichtigung beim Kindergeld ausreichend, aber auch erforderlich (Urteil des Bundesfinanzhofs-BFH- vom 07. April 2011 III R 24/08, BFH/NV 2011, 1229). Der Registrierung bei der Arbeitsagentur kommt dabei keine (echte) Tatbestandswirkung zu; entscheidend ist vielmehr, ob sich das Kind tatsächlich bei der Arbeitsagentur gemeldet hat (BFH-Urteile vom 17. Juli 2008 III R 106/07, BFH/NV 2009, 368 und vom 7. April 2011 III R 24/08, BFHE 233, 44, BStBl 2012, 210).
Die Meldung Ms am 9. August 2012 bei der Arbeitsagentur als arbeitsuchend ist unstreitig. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Status des Kindes als "arbeitsuchend" auch nicht mit Ablauf des Septembers 2012 weggefallen.
2. M war im Streitzeitraum weiterhin bei der Arbeitsagentur als arbeitsuchendes Kind gemeldet.
Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die Meldung begründete Status des arbeitsuchenden Kindes wieder wegfällt, sind für das Kindergeld insoweit die Vorschriften des Sozialrechts - hier insbesondere des § 38 des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) - heranzuziehen (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008 [BFH 19.06.2008 - III R 68/05]).
Gemäß § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III kann die Arbeitsagentur die Arbeitsvermittlung einstellen, wenn der Arbeitsuchende bestimmte Pflichten ohne wichtigen Grund nicht erfüllt. Die Einstellung der Vermittlung seitens der Arbeitsagentur hat zur Folge, dass die betroffene Person nicht mehr als arbeitsuchend bei der Arbeitsagentur geführt wird (Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, Loseblattsammlung, Stand 1/07, K § 38 Rn. 18). Als weitere Folgewirkung entfällt im Fall einer wirksamen Einstellung wegen der Anknüpfung des Kindergeldanspruchs an die Meldung bei der Arbeitsagentur ab dem Folgemonat der Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG. Fehlt es hingegen an einer wirksamen Einstellung der Arbeitsvermittlung durch die Arbeitsagentur und wurde das Kind folglich zu Unrecht als Arbeitsuchender gelöscht bleibt im Umkehrschluss auch der Kindergeldanspruch bestehen (vgl. Finanzgericht -FG- Düsseldorf, Urteil vom 1. März 2012 14 K 1209/11 Kg, EFG 2012, 1476; Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 19/12).
Im Streitfall liegt eine wirksame Löschung Ms als arbeitsuchendes Kind und die damit verbundene Einstellung der Arbeitsvermittlung nicht vor. Zwar mag das Nichterscheinen Ms zum Termin bei der Arbeitsvermittlung am 11. September 2012 ohne Angabe von Gründen eine Pflichtverletzung i.S.d. § 38 Abs. 2 Satz 1 SGB III begründen, die hieraus resultierende Abmeldung und Einstellung der Arbeitsvermittlung gemäß § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III ist jedoch nicht wirksam geworden. Denn die behördliche Maßnahme erfolgte ausschließlich durch eine interne Löschung Ms aus den Registern der Arbeitsvermittlung, ohne dass das Verwaltungshandeln der Arbeitsuchenden bekanntgegeben worden wäre.
a) Die von der Arbeitsagentur vorgenommene Abmeldung Ms und Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III stellt nach Auffassung des erkennenden Senats einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) dar, welcher dem Betroffenen bekannt zu geben ist (§ 37 SGB X) (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 1. März 2012 14 K 1209/11 Kg, EFG 2012, 1476; und zum Einstellungsbeschluss nach § 38 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (SGB III a.F.): Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, Loseblattsammlung, Stand 1/07, K § 38 Rn. 13; Mutschler in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 38 Rn. 30).
Gemäß § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Mit der Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung entscheidet die Arbeitsagentur im Einzelfall darüber, ob die Arbeitsvermittlung aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Arbeitsuchenden gemäß § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III eingestellt wird. Dabei steht der Arbeitsagentur ein Ermessen zu; sie kann auch trotz der fehlenden Mitwirkung des Arbeitsuchenden die Vermittlung fortsetzen. Entscheidet sich die Arbeitsagentur dazu die Arbeitsvermittlung einzustellen, kann der Arbeitsuchende die Vermittlung erst nach Ablauf von zwölf Wochen erneut in Anspruch nehmen (§ 38 Abs. 3 Satz 3 SGB III). Die Entscheidung der Arbeitsagentur hat damit unmittelbar zur Folge, dass der Arbeitsuchende für zwölf Wochen von der Arbeitsvermittlung ausgeschlossen und erst dann wieder in das System aufgenommen wird, wenn er sich nach Ablauf der zwölfwöchigen Sperrfrist erneut bei der Arbeitsagentur meldet. Damit ergibt sich infolge der Entscheidung der Arbeitsagentur zur Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III eine unmittelbare Rechtswirkung für den Arbeitsuchenden. Denn diesem wird durch das Verwaltungshandeln ein Vorteil entzogen, so dass es sich um eine belastende Maßnahme handelt (so zu § 38 Abs. 2 SGB III a.F. Mutschler in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 38 Rn. 30).
Darüber hinaus folgt aus der Entscheidung der Arbeitsagentur, das Kind aus der Arbeitsvermittlung abzumelden und diese einzustellen, der automatische Ausschluss des arbeitsuchenden Kindes vom Kindergeldbezug. Denn die Meldung bei der Arbeitsagentur hat aufgrund der Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG konstitutive Wirkung für den Anspruch auf Gewährung von Kindergeld. Mit der Löschung des Kindes aus der Arbeitsvermittlung erlischt auch zwangsläufig der Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, ohne dass eine weitere Einflussnahmemöglichkeit des Kindergeldberechtigten besteht.
Diese konstitutive Wirkung auf den Kindergeldanspruch unterscheidet nach Auffassung des erkennenden Senats auch die Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III von der Streichung des Kindes aus der Bewerberliste für eine Berufsausbildung, für die es der BFH in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2008 (III R 66/05, BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005 [BFH 19.06.2008 - III R 66/05]) ausdrücklich offengelassen hat, ob es sich insoweit um einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt handelt. Denn der Meldung und Registrierung des Kindes bei der Berufsberatung kommt lediglich eine Indizwirkung für das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz und die Ausbildungswilligkeit des Kindes i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG zu. Während der Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG zwingend eine Meldung bei der Arbeitsagentur voraussetzt, können die Anspruchsgrundlagen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG im Einzelfall auch durch jedes andere nachhaltige Tätigwerden des Kindes in Bezug auf die Erlangung eines Ausbildungsplatzes glaubhaft gemacht werden (BFH-Urteile vom 19. Juni 2008 III R 66/55, BFHE 222, 343 [BFH 19.06.2008 - III R 66/05], [BFH 19.06.2008 - III R 66/05] BStBl II 2009, 1005 [BFH 19.06.2008 - III R 66/05] und vom 17. Juli 2008 III R 95/07, BFH/NV 2009, 367 [BFH 17.07.2008 - III R 95/07]). Eine solche Möglichkeit eröffnet § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht.
Damit beinhaltet die unter Berücksichtigung der Situation des Arbeitsuchenden im Einzelfall getroffene Ermessensentscheidung der Arbeitsagentur über die Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III und die Löschung des Kindes aus den Melderegistern der Arbeitsvermittlung eine nach außen gerichtete unmittelbare Rechtswirkung und stellt einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X dar (vgl. auch Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 3. Juli 2013 L 3 AL 78/12 und L 3 AL 251/10, [...]). Die Einordnung der Entscheidung der Arbeitsagentur auf Einstellung der Arbeitsvermittlung als Verwaltungsakt erscheint auch unter dem Gesichtspunkt rechtstaatlichen Verwaltungshandelns erforderlich. Denn infolge des Wegfalls der Drei-Monats-Frist des § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. bleibt ein möglicher Weise rechtswidriges oder gar willkürliches Verwaltungshandeln unter Umständen über Monate unerkannt und ungewürdigt, mit gegebenenfalls erheblichen finanziellen Folgen. Zudem wird den Betroffenen -auch im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG- die Möglichkeit genommen, spätestens nach Ablauf der Sperrfrist von drei Monaten erneut bei der Arbeitsagentur vorstellig zu werden.
b) Die Einstellung der Arbeitsvermittlung und Löschung Ms als arbeitsuchendes Kind ist vorliegend mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht wirksam geworden (§ 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 37 SGB X). Die Bekanntgabe ist ein willentlicher behördlicher Akt, durch den der Erklärende den Erklärungsempfänger vom Inhalt eines Verwaltungsaktes in Kenntnis setzt, sei es durch einfache Übersendung oder Übergabe eines Schriftstückes, sei es durch mündliche Mitteilung, Zustellung oder öffentliche Bekanntmachung (zur Parallelvorschrift des § 122 AO: Seer in Tipke/Kruse, § 122 AO, Rn. 1). Hieran fehlt es im Streitfall.
Eine Bekanntgabe des Verwaltungsaktes an die Tochter des Klägers lässt sich weder der Kindergeldakte noch der im Klageverfahren vorgelegten Kundenhistorie der Arbeitsagentur entnehmen. Auch wurde eine solche durch die Beklagte nicht behauptet. Entgegen der Auffassung des Klägers war die Abmeldung allerdings nicht ihm, sondern ausschließlich seiner Tochter als Betroffene bekannt zu geben. Dass sich hieraus unmittelbaren Folgen für seinen Kindergeldanspruch ergeben, ist dabei unbeachtlich. Denn die besonderen Mitwirkungspflichten des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor (BFH-Beschluss vom 21. Juli 2005 III S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2207). Auf diese Problematik kommt es vorliegend allerdings nicht an, da eine Bekanntgabe des Verwaltungsaktes im Streitfall weder an den Kläger noch an die Tochter erfolgt ist.
3. Der Berücksichtigung Ms nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG steht auch nicht entgegen, dass sich diese in der Zeit vom 4. September 2012 bis 23. April 2013 nicht mehr mit der Arbeitsagentur in Verbindung gesetzt hat. Zwar wirkt die Meldung eines arbeitsuchenden Kindes nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH nur drei Monate fort, was bedeutete, dass sich das Kind nach Ablauf von drei Monaten erneut arbeitsuchend melden musste, um den Status und den Anspruch auf Kindergeld aufrecht zu erhalten (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008 [BFH 19.06.2008 - III R 68/05]) Diese Rechtsprechung beruhte jedoch auf der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Gesetzesfassung des § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III. Hiernach war die Arbeitsvermittlung nach drei Monaten einzustellen. Der Arbeitsuchende konnte sie (danach) erneut in Anspruch nehmen (§ 38 Abs. 4 Satz 3 SGB III a.F.). Eine solche feste Frist, nach deren Ablauf die Vermittlung einzustellen ist oder automatisch endet, enthält die seit 1. Januar 2009 geltende Neuregelung nicht mehr. Da § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG in seiner Begrifflichkeit an das SGB III anknüpft (BFH-Urteile vom 19. Juni 2008 III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008 [BFH 19.06.2008 - III R 68/05]; vom 7. April 2011 III R 24/08, BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210 [BFH 07.04.2011 - III R 24/08]) und § 38 SGB III in der im Streitfall gültigen Fassung eine Drei-Monats-Frist nicht mehr vorsieht, folgt der erkennende Senat der in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass an der bisherigen Rechtsprechung des BFH ab dem 1. Januar 2009 nicht mehr festzuhalten ist (FG Düsseldorf, Urteil vom 1. März 2012 14 K 1209/11 Kg, EFG 2012, 1476; FG Münster, Urteil vom 4. Juli 2012 5 K 3809/10 Kg, AO, EFG 2012, 1942). Mithin ist für die fortlaufende Kindergeldgewährung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG eine erneute Meldung des arbeitsuchenden Kindes nach Ablauf von drei Monaten nicht mehr erforderlich.
3. Der Bescheid über die Rückforderung von ausgezahltem Kindergeld für die Monate Oktober 2012 bis März 2013 in Höhe von 1.104 EUR ist ebenfalls rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Rückforderung nach § 37 Abs. 2 AO lagen nicht vor. Infolge der rechtswidrigen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung erfolgte die Auszahlung des Kindergeldes für die Monate Oktober 2012 bis März 2013 nicht ohne Rechtsgrund.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 3 i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
5. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Die Revisionszulassung erfolgt zudem im Hinblick auf die anhängigen Revisionsverfahren III R 19/12 und III R 37/12 zur Frage, ob nach der Neufassung des § 38 SGB III mit Wirkung ab 2009 für einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG weiterhin eine erneute Meldung bei der Agentur für Arbeit nach Ablauf von drei Monaten zu verlangen ist und ob, die Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III ein bekanntzugebender Verwaltungsakt ist.