Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 05.05.2006, Az.: L 6 AS 136/06 ER

Antrag auf Förderung einer Ausbildung als Umschulung; Zweitausbildung als von vornherein dem Grunde nach nicht förderungsfähig; Förderungsfähigkeit einer Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG); Voraussetzungen für einen Anspruch auf befristeten Zuschlag; Rechtsgrundlage für die rückwirkende Aufhebung einer Leistungsbewilligung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
05.05.2006
Aktenzeichen
L 6 AS 136/06 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 16510
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0505.L6AS136.06ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 24.02.2006 - S 30 AS 138/06 ER

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 24. Februar 2006 geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 8. September 2005 und 15. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2006 und des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2005 wird angeordnet.

Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin begehrt im vorläufigen Rechtsschutz Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende -. Streitig ist, ob ihre Berufsausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation einem Anspruch entgegensteht und ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, die Bewilligung von Leistungen für das Jahr 2005 zu einem großen Teil aufzuheben.

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Die 1968 geborene Antragstellerin ist ausgebildete Hotelfachfrau und hat bis Juli 2005 Arbeitslosengeld bezogen. Sie ist geschieden und erzieht ihre 4 und 7 Jahre alten Kinder allein. Am 28. Juni 2005 beantragte sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am selben Tag trug die Industrie- und Handelskammer C. den zwischen der Antragstellerin und der D. GmbH geschlossenen Vertrag zur Ausbildung im Ausbildungsberuf einer Kauffrau für Bürokommunikation in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse ein. Die Antragstellerin hatte mit Schreiben vom 31. Mai 2005 bei der Agentur für Arbeit Lüneburg die Förderung dieser Ausbildung als Umschulung beantragt und darauf hingewiesen, dass sie seit März 2005 eine Nebenbeschäftigung bei dem Unternehmen aufgenommen habe, das nun einen Ausbildungsplatz in Teilzeit angeboten habe, um sie nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung fest einzustellen. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. August 2005 ab, weil für die angestrebte berufliche Tätigkeit eine bedeutende Arbeitskräftenachfrage nicht prognostiziert werden könne, und bot der Antragstellerin eine kaufmännische Trainingsmaßnahme sowie eine Kurzqualifikation an. Mit Bescheid vom 9. August 2005 bewilligte sie der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Juli bis Dezember 2005. Mit Schreiben vom 16. August 2005 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ab dem Monat August 2005 wegen der aufgenommenen Ausbildung keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe. Darauf erwiderte die Antragstellerin, dass sie auf die Ausbildung schon bei der Antragstellung hingewiesen habe. Den Ausbildungsvertrag habe sie nach Erhalt eingereicht. Sie habe deshalb eine Überzahlung nicht verursacht. Jedenfalls stehe ihr ein Mehrbedarf als nach § 21 SGB II und der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II zu. Mit Bescheid vom 8. September 2005 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat August 2005 vollständig auf. Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch, in dem sie erneut darauf hinwies, den Beginn der Ausbildung zum 1. August 2005 schon bei der Antragstellung mitgeteilt zu haben. Sie habe deshalb ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt. Jedenfalls stünden ihr die schon erwähnten Zuschläge zu. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 änderte die Antragsgegnerin die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate September bis Dezember 2005 auf 112,66 EUR. Dabei berücksichtigte sie einen Mehrbedarf in Höhe von 124,00 EUR, von dem sie einen Einkommensüberschuss des älteren Kindes der Antragstellerin abzog. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 änderte sie ihren Aufhebungsbescheid vom 8. September 2005 und bewilligte für August 2005 121,28 EUR wegen eines Anspruchs auf Mehrbedarf einer Alleinerziehenden. Gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2005 erhob die Antragstellerin am 4. Januar 2006 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2006 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. September 2005 "in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. Dezember 2005" (gemeint: 15. Dezember 2005) zurück. Mit Bescheid vom 31. Januar 2006 bewilligte sie Leistungen für die Monate Januar bis Juni 2006 in Höhe von 112,66 EUR. Dagegen erhob die Antragstellerin im Februar 2006 Widerspruch.

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Gegen den Aufhebungsbescheid vom 8. September 2005 und den Änderungsbescheid vom "14. Dezember 2005" (gemeint: 15. Dezember 2005) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2006 hat die Klägerin am 3. Februar 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben und beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 659,12 EUR zu bewilligen. Das SG hat die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen in Höhe von 145,33 EUR monatlich zu gewähren und die Anträge im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Antrag auf höhere Leistungen für das Jahr 2005 sei unzulässig, weil Leistungen für die Vergangenheit im einstweiligen Rechtsschutz nicht geltend gemacht werden könnten. Für die Monate Januar bis Juni 2006 sei ein Anordnungsanspruch nur teilweise glaubhaft gemacht. Denn die Berufsausbildung sei im Rahmen der §§ 60 bis 62 des SGB Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - dem Grunde nach förderungsfähig mit der Folge, dass nach § 7 Abs. 5 SGB II ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht bestehe. Die der Antragstellerin zustehenden anteiligen Leistungen nach dem SGB II für ihre Kinder bestünden jedoch nicht, wie die Antragsgegnerin berechnet habe, in Höhe von 112,66 EUR monatlich, sondern in Höhe von 145,33 EUR monatlich.

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Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der am 9. März 2006 eingelegten Beschwerde. Sie ist der Ansicht, dass die aufgenommene Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation deshalb einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht entgegenstehe, weil diese als Zweitausbildung nach den §§ 60 bis 62 SGB III nicht dem Grunde nach förderungsfähig sei. Nach der Systematik der §§ 59 ff SGB III handele es sich bei der Regelung in § 60 Abs. 2 SGB III um einen allgemeinen und nicht um einen personenbezogenen Versagensgrund. Die allgemeinen Voraussetzungen der Förderungen seien in den §§ 59 bis 62 SGB III geregelt; die persönlichen Voraussetzungen in den folgenden Bestimmungen. Daraus werde deutlich, dass die Zweitausbildung in § 60 Abs. 2 SGB III nicht als individueller Versagensgrund zu werten sei. Vielmehr werde sie von vornherein nicht dem Grunde nach als förderungsfähig angesehen.

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Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt.

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II.

Die Beschwerde ist begründet, soweit das SG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu den im Jahr 2005 bewilligten Leistungen versagt hat (dazu unter 1). Zutreffend und im Einzelnen überzeugend begründet hat das SG entschieden, dass die Antragstellerin als Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen der §§ 60 bis 62 des SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, ab 1. Januar 2006 deshalb keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat (dazu unter 2).

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1.

Soweit der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz auf Leistungen für das Jahr 2005 gerichtet ist, begehrt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsklage und Widerspruch (§ 86 b Abs. 1 Satz 1 Ziff.2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) gegen die die bestandskräftige (§ 77 SGG) Leistungsbewilligung vom 9. August 2005 aufhebenden Bescheide vom 8. September 2005 und 15. Dezember 2005 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2006) und vom 14. Dezember 2005. Zwar gewährleistet bei einer Anfechtung die grundsätzlich aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage vorläufigen Rechtsschutz (§ 86 a Abs. 1 SGG). Diese entfällt jedoch in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 86 a Abs. 2 Ziff.4 SGG), hier durch § 39 SGB II. Dann kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Ziff.2 SGG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Anfechtungsklage anordnen. Unter welchen materiell-rechtlichen Voraussetzungen Gerichte einstweiligen Rechtsschutz in Anfechtungssachen gewähren, ist nicht normiert und im Einzelnen umstritten (s Meyer-Ladewig/Keller SGG § 86 b Rn 12 c). Eine Ausnahme gilt für den Bereich der Versicherungs- , Beitrags- und Umlagepflichten (§ 86 a Abs. 2 Ziff.1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 SGG). Die Kriterien des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG, nach denen hier die Verwaltung die Vollziehung aussetzen soll, sind auch im gerichtlichen Verfahren maßgebend. Darüber hinaus kann diese Regelung allgemein der Orientierung dienen; sie lässt jedenfalls den Schluss zu, dass die Erfolgsaussichten ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sind. Sofern das Hauptsacheverfahren wahrscheinlich erfolgreich sein wird, ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf die Rechtsschutzgewährung gemäß Art 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz regelmäßig geboten. Danach ist hier die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsklage und Widerspruch anzuordnen. Denn die die Leistungsbewilligung aufhebenden Bescheide sind rechtswidrig.

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Allerdings hat die Antragstellerin entgegen ihrer Auffassung als Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (dazu unter 2). Somit handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid vom 9. August 2005 um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt. Eine Rücknahme erfolgt grundsätzlich unter den Voraussetzungen des SGB Zehntes Buch (X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Da die Antragstellerin bereits zum 1. August 2005 die Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation aufgenommen hat, scheidet eine - zunächst von der Antragsgegnerin angenommene - Aufhebung wegen Änderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X) insoweit aus. Geändert haben sich die tatsächlichen Verhältnisse zu einem geringen Teil durch den Umzug der Klägerin zum 1. September 2005. Insoweit hätte die Antragsgegnerin mit Wirkung für die Zukunft (ab 1. September 2005) die Bewilligung ändern können (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die im Dezember 2005 erfolgte Aufhebung zum 1. September 2005 ist jedoch auch insoweit rechtswidrig, da die Voraussetzungen, unter denen ein Verwaltungsakt bei Änderung der Verhältnisse mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden kann (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X), nicht vorliegen.

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Als Rechtsgrundlage für die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung kommt allein § 45 SGB X in Betracht. Danach wird der rechtswidrige Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nur unter engen Voraussetzungen zurückgenommen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X), die hier ersichtlich nicht vorliegen: Die Antragstellerin hat von Anfang an zutreffend darauf hingewiesen, schon bei der Antragstellung die Berufsausbildung ab 1. August 2005 mitgeteilt zu haben. Somit beruht der Verwaltungsakt nicht auf vorsätzlich oder grob fahrlässig gemachten unrichtigen oder unvollständigen Angaben der Begünstigten, die eine Aufhebung rechtfertigen würden (§ 45 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Ziff.2 SGB X). Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin die Rechtswidrigkeit der Bewilligung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die ebenfalls eine Aufhebung rechtfertigen würde (§ 45 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 Ziff.3 SGB X). Das hat auch die Antragsgegnerin nicht behauptet. Somit ist die Aufhebung des Bescheides vom 9. August 2005 rechtswidrig und stehen der Antragstellerin die ursprünglich bewilligten Leistungen auch für die Monate August bis Dezember 2005 zu. Aus diesem Grund sind die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsklage und Widerspruch gegen die Aufhebungsbescheide anzuordnen.

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2.

Ab 1. Januar 2006 kann die Antragstellerin jedenfalls keine über die Gewährung für Mehrbedarf beim Lebensunterhalt wegen Alleinerziehung ihrer Kinder (§ 21 Abs. 3 SGB II) und von Sozialgeld für die Kinder (§ 28 SGB II) hinausgehenden Leistungen beanspruchen. Zwar ist sie erwerbsfähig (§ 8 SGB II) und hilfebedürftig (§ 9 SGB II). § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II bestimmt jedoch, dass Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60 bis 62 des SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch (§ 7 Abs. 1 SGB II) auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Alg II) haben. Deshalb besteht auch kein Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II, der einen Bezug von Alg II voraussetzt. Nach § 60 Abs. 1 SGB III ist eine berufliche Ausbildung förderungsfähig, wenn sie - wie hier - in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Zwar beschränkt § 60 Abs. 2 SGB III die Förderungsfähigkeit auf die erstmalige Ausbildung und die Antragstellerin wird nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau in einem weiteren staatlich anerkannten Ausbildungsberuf ausgebildet. Daraus folgt entgegen der auf eine in der Literatur verbreiteten - jedoch nicht näher begründeten - Auffassung (Brühl in: LPK-SGB XII § 22 Rn 13, Grube/Wahrendorf SGB XII § 22 Rn 20, Spellbrink in: Eicher/Spellbrink SGB II § 7 Rn 44, Valgolio in: Hauck/Noftz SGB II § 7 Rn 35 und ihnen folgend SG Hamburg Beschluss vom 25. August 2005 - S 51 AS 896/05 ER - sowie SG Berlin Beschluss vom 17. November 2005 - S 37 AS 10619/05 ER -) gestützten Meinung der Antragstellerin jedoch nicht, dass der Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nur bei Erstausbildungen im Bereich der beruflichen Ausbildung greift (s auch Schlette in: Hauck/Noftz SGB XII § 22 Rn 18 mit Hinweis auf VG Berlin Beschluss vom 2. Dezember 1998 - VG 8 A 624.98 -).

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Mit dieser Regelung soll die Rechtslage in der Grundsicherung für Arbeitsuchende an das SGB Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - angeglichen werden (Ausschussbegründung BT-Drs 15/1749 S 31); sie entspricht § 22 (Sonderregelungen für Auszubildende) Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Diese Regelung ist wiederum inhaltsgleich mit dem früheren § 26 Bundessozialhilfegesetz (Gesetzesbegründung BT-Drs 15/1514 S 57). Deshalb kann auf Erläuterungen und Entscheidungen zu dieser Norm zurückgegriffen werden (s auch Thüringer LSG, Beschluss vom 22. September 2005 - L 7 AS 635/05 ER -). Schon das SG hat auf die insoweit einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s zusammenfassend den Beschluss vom 13. Mai 1993 - 5 B 82/92) zur Auslegung der Formulierung "dem Grunde nach förderungsfähig" iSe nach den maßgeblichen Gesetzen abstrakten, also vom konkreten Sachverhalt gelösten Förderungsfähigkeit hingewiesen. Danach scheidet ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aus, wenn die Bestimmungen der §§ 60 bis 62 SGB III eine Ausbildung überhaupt - unter welchen Voraussetzungen auch immer - als förderungsfähig regeln. Dazu genügt, dass es sich - wie bei der Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation (§ 1 Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation/Kauffrau für Bürokommunikation) - um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf handelt, auch wenn die Betroffenen (aus den unterschiedlichsten Gründen) keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben. Auch die Frage nach einer Erst- oder Zweitausbildung entscheidet sich nach dem konkreten Sachverhalt und nicht abstrakt. Insoweit entspricht die Gesetzeslage derjenigen im Bereich des BAföG, nach der eine Ausbildung nicht nur dann als dem Grunde nach förderungsfähig anzusehen ist, wenn es sich um eine Erstausbildung handelt (Thüringer LSG a.a.O. m.w.N. zu Lit u Rspr, s auch LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 15. April 2005 - L 2 B 7/05 AS ER -).

12

Diese Auslegung entspricht dem Sinn des Anspruchsausschlusses in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) der Befreiung von einer "versteckten" Ausbildungsförderung (s auch Rothkegel Sozialhilfe Kap 19) und dem im SGB III geregelten System der beruflichen Bildung, das auch Hilfebedürftigen über § 16 SGB II zur Verfügung steht. Danach beginnt der Eintritt in das Erwerbsleben idR mit einer qualifizierten Berufsausbildung. Bei einer weiteren Ausbildung handelt es sich dann um eine berufliche Weiterbildung (vgl auch § 1 Berufsbildungsgesetz [BBiG], Hennig in: Eicher/Schlegel SGB III § 60 Rn 45), die bei Vorliegen der Voraussetzungen nach dem Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III gefördert werden kann (vgl Schmidt in: Eicher/Schlegel a.a.O. vor §§ 77 - 96 Rn 1 ff). So hat auch die Antragstellerin die Förderung der Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation als berufliche Weiterbildung beantragt, die jedoch mangels Vorliegen der Voraussetzungen bestandskräftig abgelehnt worden ist. Eine weitere, "versteckte" Auffangebene widerspräche diesem Regelungssystem der Förderung beruflicher Bildung.

13

Schließlich folgt aus der Vereinbarung der Ausbildungszeit auf 6 Stunden täglich im Berufsausbildungsvertrag nichts anderes. Entscheidend ist die Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, die den Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II zur Folge hat. Mit dem Berufsausbildungsvertrag hat sich der Ausbildende verpflichtet, der Antragstellerin die erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln (§ 14 BBiG). Diese hat sich zu bemühen, die für die Ausbildung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben (§ 13 BBiG).

14

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

15

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).