Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.11.2001, Az.: 6 K 81/98
Gestaltungsmissbracuh durch Einlage des Anteils einer Gebietskörperschaft an einer gewinnstarken Stadtwerke-GmbH in den von ihr betriebenen verlustträchtigen Regiebetrieb und spätere Einbringung eines weiteren Verlustbetriebes in die GmbH
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 20.11.2001
- Aktenzeichen
- 6 K 81/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14631
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:1120.6K81.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 14.07.2004 - AZ: I R 9/03
Rechtsgrundlagen
- § 42 AO
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG
Fundstellen
- EFG 2002, 727-728 (Volltext mit red. LS)
- GK 2002, 391-393
- GK/BW 2002, 214-216
- ZKF 2003, 174
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Eingliederung des städtischen Bäderbetriebes in die Klägerin einen Gestaltungsmissbrauch darstellt.
Die Klägerin ist durch notarielle Urkunde vom 09.03.1993 mittels Umwandlung des Regiebetriebes "Parkhaus" der Stadt X in eine GmbH errichtet worden. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist im Streitjahr die Errichtung, der Erwerb und der Betrieb von wirtschaftlichen Unternehmen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, insbesondere Einrichtungen des ruhenden Verkehrs, Sport- und Freizeiteinrichtungen und der Betrieb von Ver- und Entsorgungseinrichtungen für die Stadt X sowie der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die Stadt X.
Zum Betriebsvermögen der Klägerin gehört eine Beteiligung von 74 v.H. an der Stadtwerke X GmbH und von 10,4 v.H. an der Kraftverkehrsgesellschaft mbH Y. Mit Wirkung von 01.01.1996 brachte die Alleingesellschafterin ihren bisher als Eigenbetrieb geführten Bäderbetrieb in die Klägerin ein.
Der Jahresüberschuss der Klägerin setzte sich im Streitjahr wie folgt zusammen:
Bäderbetrieb | - 2.100.871,30 DM |
---|---|
Parkhaus | - 200.376,20 DM |
Beteiligungsertrag | 211.656,66 DM |
Bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1996 rechnete der Beklagte dem erklärten Jahresfehlbetrag den Verlustanteil aus dem Bäderbetrieb wieder hinzu und setzte die Körperschaftsteuer 1996 mit Bescheid vom 08.09.1997 auf 25.310,00 DM fest. Den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid wies er mit Einspruchsentscheidung vom 16.01.1998 als unbegründet mit der Begründung zurück, die Zusammenfassung der verschiedenen Eigenbetriebe der Stadt in der Klägerin verstoße gegen Abschnitt 5 Abs. 11 a i.V.m. Abschnitt 5 Abs. 9 KStR und sei deshalb als Gestaltungsmissbrauch anzusehen.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Einbeziehung der Verluste aus dem Bäderbetrieb in die Einkommensermittlung und Steuerfestsetzung. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, ein Gestaltungsmissbrauch liege nicht vor. Zum einen bestünden für die Zusammenfassung verschiedener kommunaler Betriebe die Zergliederung der Entscheidungsbefugnis im kommunalen Bereich. Diese schwerfällige und ineffiziente Beteiligung mehrfacher, unterschiedlicher Gremien werde durch die privatrechtliche Organisationsform vermieden. Die Bündelung der Betätigungen schaffe zudem Synergieeffekte. Die Annahme des Beklagten, dass der Parkhausbetrieb gewinnbringend und der Bäderbetrieb verlustträchtig sei, treffe nicht zu. Aus dem Betriebsergebnis ergebe sich, dass beide Betriebe jeweils Verluste erwirtschafteten. Positiv sei lediglich jeweils der Zinsertrag aus den Beteiligungen. Diese stellten jedoch nur gewillkürtes Betriebsvermögen der Klägerin dar, so dass jederzeit eine Entnahme und Einlage in den Bäderbetrieb möglich gewesen wäre. Hierdurch wären die Zinserträge ebenfalls vollständig mit dem Verlust aus dem Bäderbetrieb verrechnet worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 1996 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellung nach § 47 Abs. 2 KStG vom 08.09.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.01.1998 aufzuheben und den Verlust des Betriebszweiges Bäder in Höhe von 2.100.871,00 DM in die Einkommensermittlung einzubeziehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seiner Auffassung verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid.
Gründe
Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens den auf den Bäderbetrieb entfallenden Anteil an den Einkünften der Klägerin zu Unrecht ausgeschieden.
1.
Die Ermittlung des Einkommens der Klägerin, die als Kapitalgesellschaft des Privatrechts gemäß § 1 Abs.1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, hat nach §§ 7, 8 KStG zu erfolgen. Danach sind alle von ihr betriebenen wirtschaftlichen Betätigungen und die hieraus resultierenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die von der Klägerin betriebenen städtischen Bäder.
a)
Der aus dem Bäderbetrieb resultierende Verlust ist nicht nach § 42 AO außer Betracht zu lassen. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt nach ständiger Rspr. dann vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.01.1999 IV R 96/96, BFH/NV 1999, 1033; BFH-Urteil vom 27.07.1999 VIII R 36/98, BFHE 189, 408, BStBl. II 1999, 769; BFH-Urteil vom 19.08.1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl. II 2001, 43; BFH-Urteil vom 19.10.1999 IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224; BFH-Urteil vom 17.11.1999 I R 11/99, BFHE 190, 419, m.w.N.). Bezugspunkt der Unangemessenheit ist die rechtliche Gestaltung, nicht das wirtschaftliche Verhalten der Beteiligten. Wirtschaftliche Unvernunft führt bei angemessener Rechtsgestaltung nicht zum Rechtsmissbrauch (BFH-Urteil vom 30.11.1989 IV R 97/86, BFH/NV 1991, 432; BFH-Urteil vom 16.01.1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl. II 1992, 541).
b)
Die Zusammenfassung der Eigenbetriebe "Parkhaus" und "Bäder" in der Klägerin ist keine Gestaltung, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels als unangemessen angesehen werden kann. Die Erfüllung der Aufgaben öffentlicher Daseinsvorsorge einer öffentlich-rechtliche Körperschaft in der Organisationsform privatrechtlicher Kapitalgesellschaften wird als zulässige Handlungsform angesehen. Die Gründung einer Kapitalgesellschaft und Einbringung von Betrieben gewerblicher Art zur Erfüllung derartiger Aufgaben stellt daher grundsätzlich eine rechtlich angemessene Gestaltung dar.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art in einer Kapitalgesellschaft deshalb auch grundsätzlich zulässig. Missbräuchlich sei die Gestaltung aber dann, wenn die Zusammenfassung zum Ausgleich von Verlusten und Gewinnen führt und eine Zusammenfassung nicht in der Organisationsform der Betriebe gewerblicher Art erfolgen dürfte (Abschnitt 5 Abs. 11 a KStR 1995).
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob er dieser Auffassung folgt. Denn die Zusammenfassung der früheren Betriebe gewerblicher Art "Parkhaus" einerseits und "Bäder" andererseits wäre - entgegen der Ansicht des Beklagten- auch nach der in den KStR geäußerten Ansicht der Finanzverwaltung nicht rechtsmissbräuchlich. Betrachtet man beide "Betriebe gewerblicher Art" für sich, handelt es sich jeweils um Verlustbetriebe. Eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten kann zwischen ihnen nicht erfolgen. Die Zusammenfassung führt lediglich zu einer Summierung der in den einzelnen Betrieben erwirtschafteten Verluste, so dass die organisatorische und wirtschaftliche Zusammenlegung steuerrechtlich zulässig wäre.
c)
Die Einlage der Beteiligungen an den Stadtwerken und der Kraftverkehrs mbH in das Betriebsvermögen der Klägerin führt nicht dazu, dass das Parkhaus als Gewinnbetrieb zu beurteilen ist. Bei der Beteiligung handelt es sich um gewillkürtes Betriebsvermögen der Klägerin. Denn gewillkürtes Betriebsvermögen sind alle Wirtschaftsgüter, die der Unternehmer dazu bestimmt, dem Betrieb zu dienen und ihn in bestimmter Weise zu fördern, und die objektiv geeignet sind, dem Betrieb zu dienen und ihn zu fördern (Schmidt/Heinicke, Kommentar zum EStG, § 4 Rz. 105, 150). Eine Förderung kann auch in der Weise geschehen, dass - wie im Streitfall - hierdurch die Kapitaldecke und Ertragslage des Unternehmens verstärkt wird. Die Zuführung der Beteiligung erfolgte dabei in das Betriebsvermögen der Klägerin und nicht in einen bestimmten Betriebsteil oder für eine bestimmte betriebliche Betätigung.
Dies führt letztlich dazu, dass für die Beurteilung der Verlust- und Gewinnerzielung eines Betriebsteils in der Form eines Betriebes gewerblicher Art dieser Betriebsteil isoliert zu betrachten ist. Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, dass es der Alleingesellschafterin unbenommen bliebe, den früheren Regiebetrieb Parkhaus aus der Klägerin auszugliedern, die Beteiligungen im Betriebsvermögen zu belassen und lediglich die Bäder durch die Klägerin zu betreiben. In diesem Fall käme es im übrigen auch zu einer vollständigen Verrechnung der Einnahmen aus Kapitalvermögen aus den Beteiligungen mit den Verlusten aus dem Bäderbetrieb. Eine derartige Konstellation wird auch von der Finanzverwaltung steuerrechtlich anerkannt.
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 19 und 711 ZPO i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.