Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.06.1993, Az.: 7 K 1184/93
Verwaltungsrechtsweg; Planfeststellungsergänzungsbeschluß; Lärmschutz; Entschädigung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.06.1993
- Aktenzeichen
- 7 K 1184/93
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1993, 13681
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1993:0621.7K1184.93.0A
Tenor:
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit gem. § 17 a GVG an das zuständige Landgericht Hannover - Kammer für Baulandsachen -.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Verpflichtung der Beklagten, ihnen über den Planfeststellungsergänzungsbeschluß vom 9. Februar 1993 hinausgehend weiteren Lärmschutz sowie eine Entschädigung wegen Wertminderung ihres Grundstücks infolge Schallbeflutung des Außenwohnbereichs (Erschütterungen und Abgasimmissionen) zu gewähren.
Die Kläger sind Eigentümer des im Osten an die Ortsdurchfahrt der Bundesstraße ... im Flecken ... angrenzenden Grundstücks ...weg ..., das straßenseitig mit einem dreigeschossigen Wohngebäude bebaut ist (Flurstück 74/1 der Flur 5, Gemarkung ...). An das Wohnhaus, bei dem es sich um ein im Jahre 1805 errichtetes Fachwerkhaus in gutem Zustand handelt, schließt sich im rückwärtigen Grundstücksbereich ein Nebengebäude an. Das Haus ist an der Nord-West-Seite zur Straße hin mit einem überbauten Erker versehen. Zwischen dem Haupthaus und der Straße ist ein Ziergarten angelegt.
Auf Antrag des Beigeladenen stellte die Beklagte mit Beschlüssen vom 4. Juli 1986, 24. März 1987 und 13. Dezember 1988 den Plan für den Ausbau der Bundesstraße ... in der Ortsdurchfahrt ... von km 10,500 bis km 9,760 fest. Unter Abschnitt A.IV. des Planfeststellungsbeschlusses von 1986 wurden passive Schallschutzmaßnahmen dem Grunde nach angeordnet für die Nordwest-, die Nordost- und die Südwestseite des Gebäudes der Kläger. Dem Träger der Straßenbaulast wurde aufgegeben, nach Feststellung des Anspruchs im Einzelfall die erbrachten notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Einzelheiten über Art und Umfang der angeordneten Schutzmaßnahmen sowie die Erstattung der erbrachten notwendigen Aufwendungen seien im Rahmen des Entschädigungsverfahrens außerhalb der Planfeststellung zwischen dem betroffenen Eigentümer und dem Beigeladenen zu regeln. Im Planfeststellungsänderungsbeschluß vom 13. Dezember 1988 gab die Beklagte unter III. (Lärmschutz) dem Träger der Straßenbaulast auf, hinsichtlich der nicht schon im Planfeststellungsbeschluß von 1986 erfaßten Hausseiten sowie hinsichtlich Art und Umfang der angeordneten Schutzmaßnahmen die schalltechnische Untersuchung für den Ausbau der B ... in der Ortsdurchfahrt ... zu überprüfen mit dem Ziel, mit den betroffenen Hauseigentümern eine einvernehmliche Regelung über die erforderlichen Schutzmaßnahmen herbeizuführen. Einzelheiten seien bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zwischen den betroffenen Eigentümern des zu schützenden Objekts und dem Beigeladenen einvernehmlich zu regeln. Komme eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, bleibe eine Entscheidung hierüber einem ergänzenden Planfeststellungsbeschluß vorbehalten.
Die gegen den Planfeststellungsbeschluß der Beklagten vom 4. Juli 1986 in der Fassung des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. Dezember 1988 gerichtete Anfechtungsklage der Kläger wies das Verwaltungsgericht Hannover - 1. Kammer Hildesheim - mit Urteil vom 15. Februar 1991 ab. Die hiergegen gerichtete Berufung wies der erkennende Senat mit Urteil vom 15. April 1993 (7 L 3707/91) zurück.
Den Klägern und dem Beigeladenen gelang es, hinsichtlich der Regelung des passiven Schallschutzes eine teilweise Einigung zu erzielen. In der zwischen den Klägern und dem Beigeladenen am 8. April/18. Mai 1992 getroffenen Vereinbarung verpflichtete sich die Straßenbauverwaltung, den Klägern die Kosten für die folgenden Lärmschutzmaßnahmen zu erstatten: Austausch von fünf Holzfenstern und deren Ersetzung durch Lärmschutzfenster der Schallschutzklasse II bzw. III an der Südwestseite des Hauses; Auswechselung und Ersetzung von zwölf Holzfenstern durch Lärmschutzfenster der Schallschutzklasse III an der Nordwestseite des Hauses; Übernahme von 75 % der Kosten für die Schaffung einer Dämmung des über dem Erker an der Nordwestseite befindlichen Flachdachs.
Keine Einigung wurde hingegen erzielt wegen der zusätzlich geltend gemachten Ansprüche auf Aufwendungsersatz für passive Schallschutzmaßnahmen an den Wänden des Erkers sowie an der Nordost-, Nordwest- und Südwestseite des Hauses sowie auf Gewährung einer Entschädigung für die Beeinträchtigungen durch Schallbeflutung des Grundstücks außerhalb des Gebäudes und durch Erschütterungen sowie Abgasemissionen.
Mit Planfeststellungsergänzungsbeschluß vom 9. Februar 1993, auf dessen Gründe verwiesen wird, lehnte auch die Beklagte die Zubilligung weiteren Lärmschutzes und einer Entschädigungszahlung für den Außenwohnbereich bzw. wegen Erschütterungen und Abgasemissionen ab.
Die Kläger haben gegen den ihnen am 11. Februar 1993 zugestellten Beschluß - entsprechend der diesem beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung am 10. März 1993 Klage erhoben mit dem schriftsätzlichen Antrag,
die Beklagte unter Abänderung ihres Planfeststellungsergänzungsbeschlusses vom 9. Februar 1993 zu verpflichten, den Klägern in Ergänzung zu ihren Planfeststellungsbeschlüssen vom 4. Juli 1986, 24. März 1987 und 13. Dezember 1988 weiteren passiven Lärmschutz antragsgemäß zu gewähren und ihnen eine Entschädigung wegen Wertminderung des Grundstücks durch Schallbeflutung des Außenwohnbereichs und der Außenerholungsflächen sowie durch Erschütterungen und Abgasimmissionen zu gewähren.
Mit Schriftsatz vom 6. April 1993 haben die Kläger ihr Klagebegehren dahingehend präzisiert, daß es ihnen um die Erfüllung des im Planfeststellungsbeschluß von 1986 bereits dem Grunde nach zugegesprochenen passiven Schallschutzes gehe. Weitergehende Ansprüche haben sie durch Stellung eines Hilfsantrages im zunächst nur mit dem Anfechtungsantrag geführten Parallelverfahren 7 L 3707/91 geltend gemacht.
In der mündlichen Verhandlung im Parallelverfahren 7 L 3707/91 wurde die Frage des richtigen Rechtsweges mit den Verfahrensbeteiligten erörtert. Ihnen wurde ferner Gelegenheit gegeben, sich hierzu noch schriftlich zu äußern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der zu diesem und zum abgeschlossenen Klageverfahren 7 L 3707/91 vorgelegten Planfeststellungsunterlagen der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Für die Klage ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Der Rechtsstreit ist gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige Landgericht Hannover - Kammer für Baulandsachen - zu verweisen.
Als Rechtsgrundlage für die von den Klägern (nur noch) geltend gemachten Ansprüche auf Erfüllung des Planfeststellungsbeschlusses von 1986 hinsichtlich des dem Grunde nach zuerkannten passiven Schallschutzes kommt ausschließlich die Vorschrift des § 42 Abs. 1 BImSchG in Betracht, die im Bereich des Verkehrslärmschutzes insoweit an die Stelle der allgemeinen Regelung des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfGüber im Planfeststellungsbeschluß zu treffende Schutzanordnungen zugunsten Dritter tritt. Hiernach hat der Eigentümer einer betroffenen baulichen Anlage gegen den Träger der Baulast grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, wenn infolge des Baues oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen die einzuhaltenden Immissionsgrenzwerte überschritten werden. Die Entschädigung ist zu leisten für Schallschutzmaßnahmen an den baulichen Anlagen in Höhe der erbrachten notwendigen Aufwendungen, soweit sich diese im Rahmen der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 halten (Abs. 2). Dementsprechend wird mit dem von den Klägern in diesem Verfahren weiterverfolgten Antrag der Sache nach ein Anspruch auf Entschädigung für zusätzliche (passive) Schallschutzmaßnahmen geltend gemacht.
Hat die Planfeststellungsbehörde - wie hier geschehen - im Planfeststellungsbeschluß den Anspruch aus § 42 Abs. 1 BImschG dem Grunde nach festgestellt, so ist es Sache des Betroffenen und des Trägers der Straßenbaulast, sich über die Entschädigung zu einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet nach § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG auf Antrag eines der Beteiligten die nach Landesrecht zuständige Behörde durch Bescheid über die Entschädigung. Im übrigen gelten für das Verfahren die Enteignungsgesetze der Länder entsprechend.
In Niedersachsen ist als für die Festsetzung der Entschädigung nach § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG zuständige Behörde durch Nr. 8.1.1.6 der Anlage 2 zur Verordnung über die Regelung von Zuständigkeiten im Gewerbe- und Arbeitsschutzrecht sowie in anderen Rechtsgebieten (Zust.VO, GewAR 1991) vom 19. Dezember 1990 (Nds. GVBl, S. 491) - zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. August 1992 (Nds. GVBl, S. 233) - die Bezirksregierung bestimmt, die nach § 19 Abs. 1 NEG zugleich Enteignungsbehörde ist. Gegen deren Entscheidung ist nach der landesrechtlichen Verfahrensvorschrift des § 43 Abs. 1 NEG nur der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegeben, über den das Landgericht (Kammer für Baulandsachen) zu entscheiden hat.
An dieser Rechtswegbestimmung kann der Umstand nichts ändern, daß die Beklagte ihre Entschädigungsentscheidung als "Planfeststellungsergänzungsbeschluß" bezeichnet und in der Begründung ausgeführt hat, weshalb hier statt durch schriftlichen Bescheid entsprechend § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG in dieser Weise entschieden werde. Denn hierdurch wird die Rechtsnatur der von den Klägern geltend gemachten Ansprüche, an die das Gesetz bei der Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit anknüpft, nicht verändert.
Der Kostenausspruch folgt aus § 17 b Abs. 2 Satz 1 GVG.
Gründe für die Zulassung der Beschwerde (§ 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG) liegen nicht vor.
Czajka
Peschau
Rettberg