Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 18.05.2017, Az.: 7 A 5352/16
Dokumentenübermittlung; elektronisch; Klageerhebung; Niederschrift; Rechtsbehelfsbelehrung; schriftlich
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 18.05.2017
- Aktenzeichen
- 7 A 5352/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53907
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 55a VwGO
- § 58 VwGO
- § 58 Abs 2 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung macht die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO (Anschluss an: BSG, Urteil vom 14.03.2013 - B 13 R 19/12 R -, juris).
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten. Der Beklagte vollstreckt für den Beigeladenen gegen den Kläger wegen festgesetzter Rundfunkbeiträge.
Am 03.08.2016 erließ der Beklagte die streitgegenständliche Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die der Drittschuldnerin am 05.08.2016 und dem Kläger am 20.08.2016 zugestellt worden ist. Die Rechtsmittelbelehrung lautet:
„Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden. Die Klage ist bei dem Verwaltungsgericht Hannover, Leonhardstr. 15, 30175 Hannover schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung.“
Am 21.09.2016 überwies die Drittschuldnerin den Gesamtbetrag von 686,04 € an den Beklagten. Am 30.01.2017 hob dieser die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 03.08.2016 auf.
Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 03.08.2016 hat der Kläger am 21.09.2016 Klage erhoben. Er habe die Klageschrift am 19.09.2016 zur Post aufgegeben, damit sei die Klagefrist gewahrt. Es komme auf das Datum des Poststempels an. Lieferzeiten des Postdienstleisters lägen außerhalb seines Einflussbereichs.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 03.08.2016 rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Verfügung. Die Klage sei unzulässig, da die Klagefrist versäumt worden sei.
Der Beigeladene, der keinen Antrag gestellt hat, verteidigt die angefochtene Verfügung des Beklagten. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts vertritt der Beigeladene die Auffassung, Ausführungen zum elektronischen Rechtsverkehr könnten das Verständnis der Rechtsmittelbelehrung noch erschweren. Ein Verzicht auf diese sei daher ein praktikabler Weg. Der schlichte Verweis auf die Möglichkeit der elektronischen Dokumentenübermittlung könne dagegen zu einer nicht ausreichenden Einlegung des Rechtsbehelfs, etwa per E-Mail, führen, weil nicht allgemein bekannt sei, welche Vorgaben für die fristwahrende Einlegung eines elektronischen Rechtsbehelfs gelten würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig, weil die Klagefrist versäumt wurde.
Gemäß § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden, wenn - wie hier - ein Widerspruchsbescheid nach § 68 VwGO nicht erforderlich ist (§ 68 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 1 NJAG).
Die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 03.08.2016 ist dem Kläger am 20.08.2016 zugegangen. Dies ergibt sich aus der im Verwaltungsvorgang des Beklagten enthaltenen Postzustellungsurkunde. Die Klagefrist endete deshalb am Mittwoch, den 20.09.2016. Die Klage ist jedoch erst am 21.09.2016 bei Gericht eingegangen. Maßgeblich ist entgegen der klägerischen Auffassung nicht das Datum des Poststempels, sondern der Eingang bei Gericht.
Die Klagefrist hat sich auch nicht gemäß § 58 Abs. 2 VwGO verlängert. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGO ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs (nur) innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung macht die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist es vielmehr auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (fehlender Hinweis auf den Vertretungszwang vor dem Oberverwaltungsgericht: BVerwG, Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 2/01 -, juris Rn. 12 f. m.w.N.).
Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder in elektronischer Form belehrt worden ist. Vorliegend ist der Zusatz „schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle“ enthalten. Dieser basiert auf dem Wortlaut des § 81 Abs. 1 VwGO, wonach die Klage bei dem Gericht schriftlich zu erheben ist (Satz 1). Bei dem Verwaltungsgericht kann sie auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden (§ 81 Abs. 1 S. 2 VwGO). Die durch § 55a VwGO eröffnete Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung wird in der vorliegenden Rechtsbehelfsbelehrung dagegen nicht erwähnt. Nach § 55a Abs. 1 S. 1 VwGO können die Beteiligten dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierung zugelassen worden ist. Der elektronische Rechtsverkehr wurde durch die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Niedersachsen (Nds. ERVVO) vom 21.10. 2011 (Nds.GVBl. S. 367) eröffnet.
In der Rechtsprechung ist umstritten, ob der Zusatz, der Rechtsbehelf könne schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten erhoben werden, ohne den Hinweis auch auf die Möglichkeit, die Klage mittels elektronischen Dokuments zu erheben, geeignet ist, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren.
Nach einer Auffassung ist das Fehlen des Hinweises generell geeignet, bei dem Adressaten einen Irrtum über die verschiedenen Möglichkeiten, den Formerfordernissen zu genügen, hervorzurufen. Die Annahme der Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung wird damit begründet, der Hinweis auf die Klageerhebung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten sei nach dem objektiven Empfängerhorizont geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass die Klage trotz bestehender Möglichkeit nicht in elektronischer Form erhoben werden könne. Die Verweisung auf das Erfordernis, den Rechtsbehelf schriftlich einzureichen, erschwere dem Betroffenen die Rechtsverfolgung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise. Es sei durchaus denkbar, dass die Einlegung des Rechtsbehelfs in elektronischer Form - für den Beteiligten persönlich ebenso wie für dessen Bevollmächtigten - eine erhebliche Vereinfachung gegenüber der Einreichung eines Schriftstücks durch Einwurf in den Gerichtsbriefkasten, per Post bzw. Boten oder Fax darstelle. Der fehlende Hinweis könne auch bei Rechtsanwälten, die über die qualifizierte elektronische Signatur verfügen, zu Zweifeln über die Art und Weise der Klageerhebung führen (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.10.2014 - 1 L 99/13 - und Urteil vom 12.11.2013 - 1 L 15/13 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.03.2012 - 1 A 11258/11 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 02.02.2011 - 2 N 10.10 -; vom 03.05.2010 - 2 S 106.09 - und vom 22.04.2010 - 2 S 12.10 -; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.11.2010 - 4 L 115/09 -; VG Berlin, Urteil vom 20.10.2016 - 2 K 568.15 -; VG Oldenburg, Urteil vom 11.01.2016 - 11 A 892/15 -; VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.11.2015 - 1 A 24/15 -; VG Magdeburg, Urteil vom 10.05.2012 - 4 A 261/11 -; VG Neustadt, Urteil vom 10.09.2010 - 2 K 156/10.NW -; VG Koblenz, Urteil vom 24.08.2010 - 2 K 1005/09.KO -; VG Potsdam, Urteil vom 18.08.2010 - 8 K 2929/09 -; VG Trier, Urteil vom 22.09.2009 - 1 K 365/09.TR - jeweils juris; für die Sozialgerichtsbarkeit: Hess. LSG, Urteil vom 13.04.2012 - L 5 R 154/11 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.11.2011 - L 3 U 88/10 - jeweils juris).
Nach der Gegenauffassung muss dagegen nicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage mittels elektronischer Datenübermittlung hingewiesen werden, weil diese Form bisher wenig verbreitet sei und besonderen Voraussetzungen und Umständen unterliege. Die elektronische Klageerhebung unterscheide sich von herkömmlichen Formen der Klageerhebung durch Zugangsvoraussetzungen, die gerade nicht jedermann offenstünden. Die dadurch eröffnete beschleunigte Übermittlung einer fristgebundenen Eingabe bei Gericht stehe nur einem Anwenderkreis offen, der in das Verfahren eingebunden sei und typischerweise nicht einem Irrtum über die Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung unterliegen könne. Der Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, dem Beteiligten den richtigen und regelmäßigen Weg der Klageerhebung zu zeigen, dürfe nicht dadurch verwässert werden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch alle anderen Möglichkeiten, die das Gesetz zur Fristwahrung genügen lasse, aufzählen müsse. Die Rechtsbehelfsbelehrung werde dadurch nicht übersichtlicher, sondern länger und verwirrend. Insbesondere auch im Verhältnis zur Klageerhebung per Fax, auf die nicht gesondert hingewiesen werden müsse, stelle der elektronische Rechtsverkehr keine Vereinfachung des Rechtsschutzzugangs dar. Daher müsse auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form nicht gesondert hingewiesen werden (OVG Bremen, Urteil vom 08.08.2012 - 2 A 53/12.A -; VG Braunschweig, Urteil vom 16.12.2015 - 5 A 17/14 -; VG Magdeburg, Urteil vom 22.07.2014 - 7 A 482/12 -; VG Neustadt, Urteil vom 22.09.2011 - 4 K 540/11.NW -; VG Frankfurt, Urteil vom 08.07.2011 - 11 K 4808/10.F -; VG Berlin, Beschluss vom 20.05.2010 - 12 L 253/10 -; BFH, Beschluss vom 02.02.2010 - III B 20/09 - der auf den Wortlaut des § 357 Abs. 1 AO hinweist, nach dem der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären ist; ähnlich: Bay. VGH, Beschluss vom 18.04.2011 – 20 ZB 11.349 - zu § 70 VwGO; für die Sozialgerichtsbarkeit: BSG, Urteil vom 14.03.2013 a. a. O. ; LSG Hessen, Urt. vom 20.06.2011 - L 7 AL 87/10 -, jeweils juris).
Das BSG hat zur Begründung der letztgenannten Auffassung ausgeführt (Urteil vom 14.03.2013 - B 13 R 19/12 R -, juris):
„1) Auch nach der Änderung bzw Ergänzung der sozialgerichtlichen Verfahrensordnung durch das JKomG findet in den spezifischen Vorschriften des SGG, die nähere Vorgaben zur Art und Weise der Einlegung von Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln machen, die elektronische Form keine Erwähnung. Das gilt für die Klageerhebung (§ 90 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift") ebenso wie für die Einlegung der Berufung (§ 151 Abs 1 und 2 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), der Berufungs-Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 Abs 1 S 2 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), der Revision (§ 164 Abs 1 S 1 SGG: "schriftlich"), der Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 1 S 3 SGG: "Beschwerdeschrift"), der sonstigen Beschwerden (§ 173 S 1 und 2 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), der Erinnerung gegen Entscheidungen des ersuchten oder beauftragten Richters oder des Urkundsbeamten (§ 178 S 2 iVm § 173 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift") sowie der Anhörungsrüge (§ 178a Abs 2 S 4 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), in gleicher Weise aber auch für Anträge auf Tatbestandsberichtigung (§ 138 SGG), Urteilsergänzung (§ 140 SGG) oder auf Erlass von Anordnungen im einstweiligen Rechtsschutz (§ 86b SGG). Lediglich am Rande ist in § 160a Abs 1 S 3 bzw in § 164 Abs 1 S 3 SGG bestimmt, dass die Soll-Vorschrift zur Beifügung einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils nicht gilt, "soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden".
Diese allenfalls beiläufige Einbeziehung der elektronischen Form in die Grundnormen des SGG zur Art und Weise der Einlegung von Rechtsbehelfen belegt, dass der Gesetzgeber diese Form zwar grundsätzlich auch hierfür erlauben wollte. Er hat aber offenkundig noch keine Veranlassung gesehen, sie neben der Schriftform und der mündlichen Form (zur Niederschrift) als gleich gewichtige Form und weiteren Regelweg zu normieren. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Postulat der Rechtsmittelklarheit erfordert, die elektronische Form auch in die einzelnen Bestimmungen über die formalen Anforderungen an die Einlegung der jeweiligen Rechtsbehelfe aufzunehmen, um den Rechtsuchenden den Weg zur gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung mit der gebotenen Klarheit vorzuzeichnen (vgl BVerfG <Plenum> BVerfGE 107, 395, 416 f = SozR 4-1100 Art 103 Nr 1 RdNr 57; s auch BVerfG <Kammer> vom 22.5.2012 - 2 BvR 2207/10 - Juris RdNr 3: "Der Gesetzgeber muss für die Rechtsmittel, die er bereitstellt, die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit in einer dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit entsprechenden Weise bestimmen."). Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Vorschrift des § 65a SGG zur elektronischen Form befasst sich nicht einmal ausdrücklich mit der Einlegung von Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln.
(…)
(2) Das Erfordernis einer Belehrung auch über die Form des Rechtsbehelfs ist, wie bereits ausgeführt (s oben unter b), aus einer am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten erweiternden Auslegung des § 66 Abs 1 SGG herzuleiten. In Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gebots zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 S 1 GG; s hierzu zB BVerfGE 40, 272, 275 [BVerfG 29.10.1975 - 2 BvR 630/73]) soll die Regelung in § 66 SGG verhüten helfen, dass jemand aus Unkenntnis den Rechtsweg nicht ausschöpft. Ziel einer jeden Rechtsbehelfsbelehrung muss es demnach sein, den Empfänger über den wesentlichen Inhalt der zu beachtenden Vorschriften zu unterrichten und es ihm so zu ermöglichen, ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur ordnungsgemäßen Einlegung des Rechtsbehelfs einzuleiten (BSGE 79, 293, 294 = SozR 3-1500 § 66 Nr 6 S 24). Ausgerichtet auf dieses Ziel genügt es, über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften zu informieren (BSG vom 26.1.1993 - 1 RK 33/92 - Juris RdNr 6). Infolgedessen muss eine "richtige" Belehrung nicht stets allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen; es reicht aus, wenn sie die Beteiligten in die richtige Richtung lenkt (BSG SozR 4-1500 § 66 Nr 1 RdNr 6 am Ende).
Das ist bei einer Rechtsmittelbelehrung, die sich hinsichtlich der formalen Anforderungen auf die "klassischen" und allgemein gebräuchlichen Möglichkeiten einer schriftlichen oder mündlichen (zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) Einlegung der Berufung beschränkt, jedenfalls derzeit noch ersichtlich der Fall. Sie zeigt den Beteiligten die regelmäßig allen Bürgern - auch soweit sie nicht über informationstechnische Spezialkenntnisse und eine spezifische technische Ausstattung verfügen - offenstehenden Wege für die Einlegung des Rechtsmittels klar und deutlich auf (vgl BSGE 42, 140, 144 = SozR 1500 § 84 Nr 1 S 4). Die hier in Rede stehende Rechtsmittelbelehrung trägt auch in keiner Weise zu einer formwidrigen oder verspäteten Einlegung des Rechtsbehelfs bei (vgl BSG SozR 4-1500 § 66 Nr 1 RdNr 6). Sie enthält keine Inhalte, die - bei abstrakter Betrachtungsweise - geeignet sein könnten, den Informationswert der richtigen Angaben zu mindern oder, was hier von besonderer Bedeutung ist, die Beteiligten von Erkundigungen über möglicherweise im Einzelfall bestehende weitere Möglichkeiten abzuhalten. Sie macht insbesondere keine Angaben, die von Rechtsuchenden dahingehend verstanden werden könnten, dass eine Berufungseinlegung auf elektronischem Weg ausgeschlossen sei.
(3) Die Möglichkeit, Schriftsätze in gerichtlichen Verfahren als elektronisches Dokument dem Gericht elektronisch zu übermitteln, hat allein durch ihre rechtliche Zulassung in § 65a SGG iVm einer ausfüllenden Rechtsverordnung noch keine solche praktische Bedeutung erlangt, dass es geboten wäre, die Beteiligten zum Schutz vor Rechtsnachteilen durch Unwissenheit (vgl BSGE 42, 140, 144 = SozR 1500 § 84 Nr 1 S 4) auch auf diese Form notwendig hinzuweisen. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der mit einer rechtswirksamen elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht gemäß § 65a SGG verbundene Aufwand bei Weitem denjenigen übersteigt, der mit einer Übermittlung auf herkömmliche Weise (schriftlich oder zur Niederschrift) einhergeht. Auch wenn die erforderlichen IT-Geräte und ein ausreichend leistungsfähiger Zugang zum Internet mittlerweile in breiten Bevölkerungskreisen zur Verfügung stehen (zur Berücksichtigung eines Internet-Anschlusses für die Nachrichtenübermittlung bei der Bemessung des Regelbedarfs nach dem SGB II vgl BSG Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R - RdNr 74, zur Veröffentlichung in SozR 4-4200 § 20 Nr 17 vorgesehen), wird zusätzlich nach § 2 iVm Anl 2 Nr 1 ElRVerkV Hessen eine spezielle Zugangs- und Übertragungssoftware (Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach - EGVP) benötigt. Diese wird zwar von der Justizverwaltung kostenfrei zur Verfügung gestellt, doch muss der Nutzer ihre fehlerfreie Installation, Konfiguration und Bedienung selbst bewerkstelligen. Außerdem ist zur Anbringung der für die Rechtsmitteleinlegung vorgeschriebenen qualifizierten elektronischen Signatur (§ 65a Abs 1 S 3 SGG iVm § 2 und Anl 2 Nr 2 ElRVerkV Hessen) nicht nur ein Kartenlesegerät, sondern auch eine gültige Signaturkarte erforderlich, die - kostenpflichtig - in einem zeitintensiven Identifizierungsverfahren bei einem zugelassenen Anbieter erworben werden muss.
Dieser einer elektronischen Übermittlung in gerichtlichen Verfahren notwendig vorausgehende Zusatzaufwand von erheblichem Ausmaß - insbesondere hinsichtlich der qualifizierten elektronischen Signatur - hat nach Einschätzung der Bundesregierung dazu geführt, dass die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten auch zehn Jahre nach dessen Einführung "weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist" (Entwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 6.3.2013, BT-Drucks 17/12634 S 1 - unter A. <Problem und Ziel>), sodass auch heute noch die Kommunikation mit der Justiz "fast ausschließlich auf Papier" basiert (aaO). Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls Ende 2010 und auch derzeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes zwingend eine Belehrung auch über die Möglichkeiten einer elektronischen Kommunikation mit den Gerichten erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, als Bürger oder Behörden in der Zugangs- und Übertragungssoftware EGVP ohnehin ein Verzeichnis derjenigen Gerichte vorfinden, mit denen die elektronische Kommunikation möglich ist.“
Diese überzeugende Argumentation lässt sich auf die Verwaltungsgerichtsordnung übertragen, auch wenn es im vorliegenden Fall um die Rechtsmittelbelehrung einer Behörde und nicht um diejenige eines Gerichtes geht. Denn es kommen jeweils dieselben Normen der VwGO zur Anwendung. In die Verwaltungsgerichtsordnung wurde durch das Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz - JKomG - vom 22.03.2005 (BGBl. S. 837 ff.) § 55a VwGO eingefügt. Dieser befasst sich wie § 65a SGG mit der elektronischen Datenübermittlung, aber nicht ausdrücklich mit der Klageerhebung. Auch die Vorschriften der VwGO, die sich mit der Einlegung eines Rechtsmittels befassen, erwähnen die Möglichkeit der elektronischen Form nicht (Berufung: § 81 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO; Revision: § 139 Abs. 1 VwGO; Beschwerde: § 147 Abs. 1 S. 1 VwGO). Besonders hervorzuheben ist, dass § 81 Abs. 1 VwGO, der die Möglichkeiten der schriftlichen Klageerhebung und derjenigen zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle regelt, durch das JKomG nicht geändert worden ist, obwohl sich der Gesetzgeber während des Gesetzgebungsverfahrens mit dieser Norm ausdrücklich befasst hat. Denn in § 81 Abs. 2 VwGO, der bestimmt, dass in der Regel die erforderlichen Abschriften beizufügen sind, wurde der Wortlaut „vorbehaltlich des § 55a Abs. 2 Satz 2“ eingefügt.
Die erkennende Kammer schließt sich daher der letztgenannten Auffassung an, nach der eine Rechtsbehelfsbelehrung, die den Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung nicht enthält, nicht unrichtig im Sinne § 58 Abs. 2 VwGO ist.
Ein Wiedereinsetzungsantrag ist nicht gestellt worden. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wiedereinsetzungsgründe sind hier nicht erkennbar. So trägt der Kläger selbst vor, die Klageschrift erst am 19.09.2016, also einen Tag vor Ablauf der Klagefrist, bei der Post eingereicht zu haben. Dadurch, dass die Klageschrift postalisch erst am 21.09.2016 bei dem erkennenden Gericht eingegangen ist, hat sich das Übermittlungsrisiko realisiert. Dieses geht entgegen der klägerischen Auffassung hier zu seinen Lasten. Denn es kommt entscheidend auf den Eingang der Klageschrift bei Gericht und nicht auf das Datum des Poststempels an. Eine Postlaufzeit von zwei Tagen bewegt sich in einem Rahmen, mit dem der Kläger hätte rechnen müssen.
Es sei aufgrund des klägerischen Vortrags, er beziehe eine Erwerbsunfähigkeitsrente, höchst vorsorglich darauf hingewiesen, dass gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 RBStV Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf Antrag von der Rundfunkbeitragspflicht befreit werden. Ob der Kläger Grundsicherung bei Erwerbsminderung bezieht, kann aufgrund des Akteninhalts jedoch nicht beurteilt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.