Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 18.05.2017, Az.: 12 A 15/17

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
18.05.2017
Aktenzeichen
12 A 15/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53708
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Wohnsitzauflage in der dem Kläger am D. ausgehändigten Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der E. geborene Kläger stammt aus dem F..

Er begehrt die Feststellung, dass die seiner Aufenthaltserlaubnis beigefügte Wohnsitzauflage rechtswidrig gewesen ist.

Er reiste im G. mit seiner Lebensgefährtin und zwei gemeinsamen Kindern in das Bundesgebiet ein und beantragte erfolglos seine Anerkennung als Asylberechtigter. Während des Asylverfahrens war er verpflichtet, seinen Aufenthalt in der Gemeinde A-Stadt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu nehmen. Nach Abschluss des Asylverfahrens im H. wurde sein Aufenthalt im Bundesgebiet mit der Auflage geduldet „Wohnsitznahme nur in der Gemeinde A-Stadt gestattet“. Im I. beantragte der Kläger erfolglos die Streichung der Wohnsitzauflage.

Mit Bescheid vom J. lehnte der Beklagte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ab. Dagegen erhob der Kläger am K. Klage (12 A 8087/05).

Unter dem L. erteilte ihm der Beklagte eine bis zum M. gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG mit der Auflage „Wohnsitznahme nur im Gebiet des Landkreises C. mit Ausnahme des Gebietes der Stadt C. gestattet“. Im Termin der mündlichen Verhandlung im Verfahren 12 A 8087/05 am N. erteilte der Beklagte dem Kläger rückwirkend ab dem O. und bis zum L. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Mit Urteil vom selben Tag wies das erkennende Gericht die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch für die Zeit nach dem L. ab.

Bereits unter dem P. hatten der Kläger, seine Lebensgefährtin sowie vier ihrer gemeinsamen Kinder erneut die Streichung der Wohnsitzauflage beantragt. Zur Begründung legten sie zwei den Kläger betreffende Atteste vor. In dem Attest des Psychiaters und Psychotherapeuten Q. vom R. wird ausgeführt:

„(Der Kläger) befindet sich seit dem S. in meiner ambulanten psychiatrischen Behandlung. Der Patient leidet unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung mit depressiven Stimmungslagen, zudem Zustand nach Herzinfarkt.

Der Patient und seine Familie sind in C. völlig isoliert, aufgrund der Sprachbarriere ist keine adäquate Therapie möglich. Zwei Brüder und zwei Schwestern befinden sind in B-Stadt, eine Therapie für Herrn S. wäre dadurch deutlich erleichtert, indem die Familienangehörigen dolmetschen könnten, des Weiteren bereiten alltägliche Dinge meinem Patienten aufgrund der starken Konzentrationsstörung im Rahmen der Posttraumatischen Belastungsstörung große Schwierigkeiten, auch hier wäre die Familie unterstützend notwendig.“

In dem Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin T. heißt es:

„Der Patient befindet sich weiterhin in einem instabilen Zustand. Einerseits bestehen Beschwerden von Seiten seine U., andererseits zeigen sich immer wieder schwere depressive Episoden.

Ein Umzug nach B-Stadt (dort wohnt der Bruder, der fließend Deutsch spricht) würde das gesamte Krankheitsgeschehen sicher positiv beeinflussen.“

Mit Bescheid vom V. lehnte der Beklagte den Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzauflage ab: Die Voraussetzungen der maßgeblichen Verwaltungsvorschrift für eine Streichung oder Änderung der Wohnsitzauflage seien nicht erfüllt. Der Lebensunterhalt der Kläger sei nicht gesichert und der Umzug nach B-Stadt diene auch nicht der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen Ehepartnern oder zwischen Eltern und minderjährigen Kindern und auch nicht der Sicherstellung der benötigten Pflege eines Angehörigen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wies das erkennende Gericht mit Urteil vom W. - 12 A 6031/08 - zurück.

Bereits mit Bescheid vom 14.04.2009 hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person des Klägers festgestellt. Am X. erteilte ihm der Beklagte eine bis zum Y. gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, erneut mit der Auflage „Wohnsitznahme nur im Gebiet des Landkreises C. mit Ausnahme des Gebietes der Stadt C. gestattet“. Die Aufenthaltserlaubnis wurde am D. bis zum Z. und am AA. bis zum AB. jeweils unter Beifügung der genannten Wohnsitzauflage verlängert.

Bereits unter dem AC. hatte der Kläger erneut die Aufhebung der Wohnsitzauflage beantragt: Nach Art. 12 Abs. 1 des Internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte - IPBPR - vom AD. (BGBl. II 1973, S. 1533; 1976, S. 1068) habe jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhalte, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz zu wählen. Er sei im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und könne sich auf das Recht auf Freizügkgikeit aus Art. 12 des Paktes berufen. Die Wohnsitzauflage sei rechtwidrig und daher unverzüglich aufzuheben. Unter dem AE. hörte der Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags an: Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens seien nicht erfüllt. Im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts am W. sei das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bereits festgestellt gewesen. Eine Änderung der Rechtslage sei ebenfalls nicht eingetreten, da der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte bereits in Kraft getreten sei.

Am AF. hat der Kläger Klage erhoben: Ausweislich des vorläufigen Entlassungsberichts der Klinik für Rehabilitation AG. vom AH. und der Arztbriefe des AI. C. vom AJ. und AK. habe er im AL. und im AM. erneut Herzinfarkte erlitten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse eine Wohnsitzauflage von jüdischen Zuwanderern im Einzelfall verhältnismäßig sein. Er habe als Angehöriger der Minderheit der Roma ein Recht auf Gleichbehandlung mit jüdischen Zuwanderern. Auch bei ihm müsse daher in besonderem Maße geprüft werden, ob die Wohnsitzauflage überhaupt verhältnismäßig sei. Die Wohnsitzauflage verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 IPBPR. Dem könne nicht entgegengehalten werden, der Begriff des rechtmäßigen Aufenthaltes sei nach inländischem Recht zu bestimmen und der Aufenthalt sei nur in dem Rahmen rechtmäßig, wie er gewährt werde. Zwar sei hiervon auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte - EGMR - in einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 in Bezug auf die - wortgleiche - Formulierung in Art. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ausgegangen. Diese Entscheidung habe jedoch einen Asylbewerber betroffen und sei daher nicht auf seinen Fall übertragbar. Ein Ausländer, dem eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei, halte sich - anders als ein Asylbewerber - im gesamten Bundesgebiet rechtmäßig auf. Wollte man die Entscheidung des EGMR auf seinen Fall übertragen, würden die Rechte aus dem Protokoll Nr. 4 zur EMRK ebenso wie die Rechte aus Art. 12 Abs. 1 IPBPR vollständig leer laufen, weil die Rechtsfolge nie eintreten könne. Darüber hinaus könne die Entscheidung des EGMR zur EMRK auch deshalb nicht auf seinen Fall übertragen werden, weil die Rechte aus Art. 12 Abs. 1 IPBPR weitergehender seien als die aus dem Protokoll Nr. 4 zur EMRK. Die Auslegung von Art. 12 IPBPR erfolge auf der Grundlage des AN. vom AO. des AP., wonach die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts an die Einreisebedingungen nach nationalem Recht, nicht aber an die Bedingungen des erteilten Aufenthaltstitels anknüpfe. Entsprechend dieser Vorgabe habe das AP. bereits AQ. entschieden, das mit der Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels ein „rechtmäßiger Aufenthalt“ im Gesamtstaat im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IPBPR vorliege mit der Folge, dass Wohnsitzauflagen nur unter den Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 3 IPBPR gerechtfertigt seien. Eine Wohnsitzauflage aus fiskalischen Gründen erfülle diese Voraussetzungen jedoch nicht. Darüber hinaus lebten in B-Stadt mehrere seiner Brüder und Schwestern. Wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes werde er in den nächsten Jahren verstärkt auf die Hilfe seiner Verwandten angewiesen sein. Wegen seiner Herzinfarktgefährdung sei er behindert. Die mit der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts begründete Wohnsitzauflage stelle eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verbotene Diskriminierung wegen seiner Behinderung dar und verstoße gegen das in Art. 19 Buchst. a) UN-Behindertenrechtskonvention geregelte Gebot, behinderten Menschen gleichberechtigt die Möglichkeit zu bieten, ihren Aufenthaltsort zu wählen.

Nachdem der Kläger ursprünglich beantragt hat, die Auflage „zur Wohnsitznahme im Kreisgebiet C. (ohne Stadt C.) verpflichtet“ in seiner Aufenthaltserlaubnis aufzuheben, beantragt er nunmehr,

festzustellen, dass die Wohnsitzauflage in der ihm am D. ausgehändigten Aufenthaltserlaubnis rechtwidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie trägt vor: Ihr liege weder ein den Kläger betreffender Vorgang noch eine Anfrage des Beklagten auf Zustimmung zur Streichung der Wohnsitzauflage vor. Sie würde einem Zuzug des Klägers aber auch nicht zustimmen. Nach den sie und den Beklagten bindenden Verwaltungsvorschriften komme die Aufhebung der Wohnsitzauflage nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht. Diese Voraussetzungen habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Er könne sich auch nicht auf einen Verstoß gegen Art. 12 IPBPR berufen, da er nicht dem Schutzbereich dieser Norm unterfalle. Zwar halte er sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt sei jedoch nur dann rechtmäßig, wenn er die Grenzen der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis einschließlich der Wohnsitzauflage beachte. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus No. 27 der AR. herleiten. Dort werde vielmehr klargestellt, dass zwar grundsätzlich Freizügigkeit gewährleistet werde, die Frage des rechtmäßigen Aufenthaltes jedoch eine Angelegenheit der nationalen Gesetzeslage sei und dort seine Grenzen finde. Auch werde klargestellt, dass Einschränkungen der grundsätzlich gewährten Freizügigkeit möglich seien. Korrespondierend dazu stelle No. 15 der AR. klar, dass es grundsätzlich Sache des jeweiligen Staates sei, wie und unter welchen Bedingungen und Einschränkungen der Aufenthalt geregelt werde. Schließlich sei nicht zu erkennen, dass der Kläger wegen einer Behinderung erwerbsunfähig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten über die Klage ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die Klage hat Erfolg.

Sie ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Die Klage ist nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Nach dieser Vorschrift spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage setzt außerdem voraus, dass die ursprüngliche Anfechtungsklage zulässig war.

Die ursprünglich als Anfechtungsklage gegen die der Aufenthaltserlaubnis vom D. beigefügte Wohnsitzauflage erhobene Klage war zulässig, insbesondere innerhalb der Jahresfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2, § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO erhoben worden. Die Wohnsitzauflage hat sich auch nach Klageerhebung erledigt. Mit jeder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, die erneut mit einer Wohnsitzauflage versehen wird, ist die konkludente Aufhebung der vorausgegangenen - nach Ablauf der zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnis zunächst nach § 51 Abs. 6 AufenthG fortgeltenden - Wohnsitzauflage verbunden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 04.04.2017 in dem die Lebensgefährtin und die Kinder des Klägers betreffenden Verfahren 8 PA 46/17, juris Rdnr. 9). Da der Beklagte die Aufenthaltserlaubnis vom D. am AA. verlängert und diese Aufenthaltserlaubnis erneut mit der Auflage „Wohnsitznahme nur im Gebiet des Landkreises C. mit Ausnahme des Gebietes der Stadt C. gestattet“ versehen hat, hat sich die Wohnsitzauflage, die der zuvor am D. erteilten Aufenthaltserlaubnis beigefügt war, erledigt. Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Wiederholungsgefahr, die sich durch die erneut verfügte Wohnsitzauflage bereits realisiert hat.

2. Die Klage ist auch begründet.

Die der Aufenthaltserlaubnis vom D. beigefügte Wohnsitzauflage war im Zeitpunkt ihrer Erledigung am AA. rechtswidrig und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Der Rechtmäßigkeit der Wohnsitzauflage stand weder Art. 12 IPBPR noch eine etwaige Ungleichbehandlung der Angehörigen der ethnischen Minderheit der Roma gegenüber anderen Nachkommen der Überlebenden des nationalsozialistischen Völkermordes entgegen (vgl. dazu ausführlich Nds. OVG Beschl. v. 04.04.2017 in dem die Lebensgefährtin und die Kinder des Klägers betreffenden Verfahren 8 PA 46/17, juris Rdnr. 9).

Die Wohnsitzauflage stellte auch keine unzulässige Diskriminierung wegen der - allerdings nicht nachgewiesenen - Behinderung des Klägers dar. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 23.02.2015 - 8 PA 13/15 -. juris Rdnr. 17 dazu Folgendes ausgeführt:

„Aus den Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention ergibt sich entgegen der Annahme des Klägers auch kein allgemeines Verbot, gegenüber im Bundesgebiet lebenden Menschen mit Behinderungen auf gesetzlicher Grundlage eine Wohnsitzauflage zu verfügen. Nach Art. 18 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention anerkennen die Vertragsstaaten das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Freizügigkeit und auf freie Wahl ihres Aufenthaltsorts. Hierzu gewährleisten die Vertragsstaaten nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der UN-Behindertenrechtskonvention, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen. Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen wird Menschen mit Behinderungen nicht allgemein die Freiheit der Wahl des Aufenthaltsorts gewährleistet, sondern das - im Verhältnis zu Menschen ohne Behinderungen - gleiche Recht auf freie Wahl des Aufenthaltsorts. Dies entspricht auch dem Grundanliegen der UN-Behindertenrechtskonvention, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern (vgl. Art. 4 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention) sowie alle Menschen vom Gesetz gleich zu behandeln (vgl. Art. 5 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention). Die UN-Behinderten-rechtskonvention schafft mithin kein Sonderrecht für Menschen mit Behinderungen (so ausdrücklich Denkschrift der Bundesregierung, a.a.O., S. 46; Schulte, Die UN-Behindertenrechtskonvention, in: ZESAR 2012, 69, 72). Die UN-Behindertenrechtskonvention untersagt vielmehr in erster Linie spezifische Regelungen für Menschen mit Behinderungen. Eine derart spezifische Regelung enthält die Bestimmung in § 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, nach der die hier streitgegenständliche Wohnsitzauflage verfügt worden ist, aber nicht. Die Bestimmung erfasst zwar - in gleicher Weise wie Menschen ohne Behinderungen - auch Menschen mit Behinderungen, führt aber weder direkt noch indirekt zu einer Diskriminierung aufgrund des Merkmals der Behinderung (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Übereinkommen der Vereinten Nationen über Rechte von Menschen mit Behinderungen - Erster Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland, 2011, S. 42 f.). Etwas anderes ergibt sich entgegen der Annahme des Klägers auch nicht aus den vom ihm benannten Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 23. Juli 2014 (- B 8 SO 14/13 R -, - B 8 SO 31/12 R -, - B 8 SO 12/13 R -, alle zitiert nach juris).“

Schließlich waren auch die Voraussetzungen für die Erteilung und Aufrechterhaltung einer Wohnsitzauflage nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz weiterhin erfüllt, da der Kläger weiterhin Leistungen nach dem SGB XII bezogen hat und weiterhin bezieht. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist es zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das behördliche Ermessen durch Erlasse und Verwaltungsvorschriften gelenkt wird. Die hierdurch bewirkte - verwaltungsinterne - Ermessensbindung geht aber nicht so weit, dass wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalles von der zuständigen Ausländerbehörde nicht mehr Rechnung getragen werden könnte und müsste. Das Erfordernis einer individuellen Ermessensentscheidung gebietet es vielmehr, die Belange und Interessen des betroffenen Ausländers von Amts wegen bei der Entscheidung über die Erteilung einer wohnsitzbeschränkenden Auflage zu berücksichtigen (vgl. VG Karslruhe, Urt. v. 06.03.2014 - 2 K 1932/14 -, juris Rdnr. 33 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris). Bundeseinheitliche Ländererlasse und Verwaltungsvorschriften entheben die für die Auflagenerteilung zuständige Ausländerbehörde nicht von der Prüfung, ob eine Wohnsitzbeschränkung auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verhältnismäßig ist.

Die der Aufenthaltserlaubnis vom D. beigefügte Wohnsitzauflage stand im Zeitpunkt ihrer Erledigung am AA. in keinem angemessenen Verhältnis (mehr) zu dem erstrebten Zweck und ist daher unverhältnismäßig. Den persönlichen Interessen von Ausländern an einem unbeschränkten Aufenthaltsrecht kommt grundsätzlich umso höheres Gewicht zu, je länger die Beschränkung andauert (BVerwG, Urt. v. 15.01.2013 - 1 C 7/12 - juris Rdnr. 22). Das gilt insbesondere bei der Gruppe der Ausländer, bei denen - wie im Fall des Klägers - ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt worden ist, das voraussichtlich dauerhaft sein wird, und die ein von der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts unabhängiges Aufenthaltsrecht erlangt haben (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 06.03.2014 - 2 K 1932/13 -, juris Rdnr. 37). Ob sich hieraus in zeitlicher Hinsicht eine absolute Grenze ergibt, jenseits derer Wohnsitzbeschränkungen schon allein aufgrund ihrer Dauer unverhältnismäßig sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Der Kläger jedenfalls hielt sich im Zeitpunkt der Erledigung der hier streitigen Wohnsitzauflage am AA. bereits mehr als sechzehn Jahre im Bundesgebiet auf. Seit Abschluss seines Asylverfahrens im Jahre AS. war die Wohnsitznahme des Klägers wegen der fehlenden Sicherung seines Lebensunterhalts auf die Gemeinde A-Stadt bzw. auf den Landkreis C. beschränkt. Aufgrund seiner Erkrankungen konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger jemals wieder in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt dauerhaft aus eigenen Kräften zu sichern. Zwar wurde ihm in dem vorläufigen Entlassungsberichts der Klinik AG. vom AH. aus kardiologischer Sicht eine Einsatzfähigkeit für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten bescheinigt. Auch sollte danach eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entsprechend dem vorhandenen Leistungsvermögen über sechs Stunden und mehr ausgeübt werden können. Diese Einschätzung des Kardiologen bzw. Internisten berücksichtigte jedoch weitere mögliche Einschränkungen des Leistungsvermögens aufgrund der psychischen Erkrankung des Klägers nicht. Dieser leidet nach dem Gutachten der Medizinischen Hochschule AT. vom AU. an einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung, die nach den Angaben des Klägers gegenüber der Klinik AG. jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt weiterhin behandelt wurde. Auch der Beklagte ging in seinem in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Vermerk vom AV. davon aus, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankungen nicht in der Lage war, zu arbeiten. War somit im Zeitpunkt der Erledigung der Wohnsitzauflage am AA. kaum zu erwarten, dass der Kläger jemals durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt sichern würde, wurde er durch die hier streitgegenständliche Wohnsitzauflage in unverhältnismäßiger Weise daran gehindert, seinen Wunsch, in die Nähe seiner in B-Stadt wohnenden Geschwister zu ziehen, obwohl er - ohne bereits pflegebedürftig zu sein - wegen seines Gesundheitszustandes auf deren Hilfe angewiesen ist. Unter diesen Umständen überwog im Zeitpunkt der Erledigung der Wohnsitzauflage das persönliche Interesse des Klägers, seinen Wohnsitz nach B-Stadt zu verlegen, das mit der Auflage verfolgte öffentliche Interesse an einer angemessenen Lastenverteilung zwischen den Ländern und Kommunen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.