Landgericht Braunschweig
Urt. v. 08.01.2007, Az.: 21 O 2945/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 08.01.2007
- Aktenzeichen
- 21 O 2945/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 60242
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2007:0108.21O2945.07.0A
Fundstelle
- GRUR-RR 2008, 181 "Vermittlung privater Zusatzversicherungen"
In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 17.12.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt,
es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ihre Mitglieder unaufgefordert und ohne ihr vorheriges Einverständnis anzurufen oder anrufen zu lassen, soweit dabei auch für den Abschluss privater Zusatzversorgungen geworben wird. Insbesondere, wie am 29.05.2007 gegenüber ihrem Mitglied Herr ... geschehen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2007 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 20% und die Beklagte 80%.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung von 25 000,00 Euro, für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 15 200,00 Euro.
Tatbestand
Der Kläger verlangt Unterlassung von Telefonanrufen der Beklagten bei ihren Mitgliedern.
Am 29.05.2007 rief eine Mitarbeiterin der Beklagte Herrn ..., ein Mitglied der Beklagten an und fragte, ob ein Informationsgespräch erwünscht sei. Herr ... bejahte dies. Daraufhin klärte die Mitarbeiterin Herrn ... über Auswirkungen der Gesundheitsreform, hier insbesondere über entstehende Versorgungslücken, auf. Im Rahmen des Gespräches bot sie ihm eine private Zusatzversicherung der ... Versicherung an. Er nannte ihr seine Kontoverbindung und erhielt nach einiger Zeit nach diesem Anruf eine Bestätigung eines Versicherungsabschlusses bei der ... Versicherung unter Übersendung der Versicherungspolice. Daraufhin wandte sich Herr ... an den Kläger, der die Beklagte mit Schreiben vom 08.10.2007 erfolglos abmahnte.
Der Kläger ist der Ansicht, der oben geschilderte Anruf stelle eine unlautere Wettbewerbshandlung dar.
Er beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbraucher unaufgefordert anzurufen bzw. anrufen zu lassen und
- 2.
an den Kläger 200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte sieht in dem Telefonanruf keinen Wettbewerbsverstoß und meint, nach § 69 SGB V unterfalle dieser Anruf nicht dem Anwendungsbereich des UWG. Im Übrigen sieht sie in dem Anruf keine Wettbewerbshandlung, da ihre Mitarbeiterin ihr Mitglied ... lediglich über Versorgungslücken informiert habe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung nach den §§ 8 Abs. 1 UWG i.V.m. den §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sowie Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Die Klage ist zulässig, auch wenn der Unterlassungsantrag des Klägers etwas weit gefasst ist. Da aber die Beklagte erkennen kann, wogegen sie sich verteidigen soll, ist der Antrag noch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 ZPO.
Die Klage ist überwiegend begründet, da der Kläger von der Beklagten Unterlassung verlangen kann. Der Anruf ihrer Mitarbeiterin bei Herrn ... am 29.05.2007 ist ein so genannter belästigender Anruf im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, da Herr ... seine vorherige Zustimmung zu diesem Anruf nicht erteilt hatte. Eine Zustimmung während oder nach dem Anruf ist für die Beurteilung, ob es sich um einen belästigenden Anruf handelt, ohne Belang.
Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist auch nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil der besagte Anruf nach § 69 SGB V den Regelungen des UWG entzogen wäre. Denn der konkrete Anruf hier diente nicht dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag, bei dessen Wahrnehmung die Anwendbarkeit des UWG ausgeschlossen sein mag (vgl. BGH NJW-RR 2006, 1046 [BGH 23.02.2006 - I ZR 164/03]). Denn die Mitarbeiterin der Beklagten informierte Herrn ... nicht nur über die Versorgungslücken, sondern warb auch gleichzeitig für den Abschluss einer Zusatzversicherung bei einer privaten Gesellschaft, nämlich der ... Versicherung. Damit geht dieser Anruf über die Wahrnehmung des bloßen Versorgungsauftrages hinaus, der sicherlich die Information über entstehende Versorgungslücken noch mit umfasst hätte. Dass die Beklagte nach § 194 Abs. 1a SGB V i.V.m. ihrer Satzung eventuell befugt ist, private Zusatzversicherungen zu vermitteln, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn in dem Augenblick, in dem die Beklagte private Zusatzversicherungen bewirbt, begibt sie sich auf das Feld des privaten Wettbewerbs. Wollte man das anders sehen, eröffnete das privaten Versicherungen die Möglichkeit, durch Einschaltung gesetzlicher Krankenversicherungen sich den Regelungen des lauteren Wettbewerbs zu entziehen. Das kann von § 69 SGB V nicht gewollt sein.
Dass das geschilderte Telefongespräch vom 29.05.2007 auch eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellt, liegt auch der Hand: Wenn die Mitarbeiterin der Beklagten auf der einen Seite auf entstehende/entstandene Versorgungslücken hinweist und dann die Möglichkeit schildert, diese Lücken durch Abschluss einer entsprechenden - privaten - Zusatzversicherung abzudecken, hat das zumindest dann werblichen Charakter, wenn diese Zusatzversicherung auch konkret benannt wird und es nicht nur bei dem abstrakten Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Zusatzversicherung bleibt. Hinzu kommt, dass dem Angerufenen, hier Herrn ..., nicht einmal genügend Gelegenheit zur Überlegung bleibt, sondern er praktisch am Telefon "überredet" wird, sofort eine Versicherung abzuschließen mit der Folge, dass wenig später nach dem Anruf bei ihm bereits die Versicherungspolice eintrifft. Dies zwingt ihn ggfs., aktiv zu werden, um eine eventuell doch unerwünschte Versicherung wieder zu beenden.
Einen Anspruch auf Zahlung hat der Kläger nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Das ergibt sich unmittelbar aus dem zuvor Gesagten.
Abzuweisen ist die Klage hingegen, soweit der Kläger generell die Unterlassung von Anrufen "zu Zwecken des Wettbewerbs" verlangt. Dieser Antrag ist zu weitgehend und zu wenig konkretisiert, so dass im Zweifelsfrei bei einer eventuellen Zwangsvollstreckung aus einem derart gefassten Tenor erhebliche Auslegungsprobleme auftreten könnten. Daher war der Unterlassungsanspruch zu konkretisieren und auf den Fall der Werbung für Zusatzversicherungen zu beschränken, wie es im konkreten Fall geschehen ist.
Die Zinsentscheidung beruht auf den §§ 286 ff ZPO.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 11, 709, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Den Streitwert hat das Gericht entsprechend den Vorstellungen des Klägers festgesetzt (§§ 3 ZPO, 51 GKG).