Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 20.12.2007, Az.: 8 T 955/07 (377)

Erstattung und Neufestsetzung der Vergütung eines Betreuers; Persönliche und berufliche Voraussetzungen für die Führung einer Betreuung; Geltendmachung einer überzahlten Betreuervergütung; Feststellung eines Rückforderungsanspruchs

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
20.12.2007
Aktenzeichen
8 T 955/07 (377)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 55740
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2007:1220.8T955.07.377.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 11.10.2007 - AZ: 6 XVII 2527

In der Betreuungsverfahren
...
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
am 20.12.2007
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Schmidtmann,
die Richterin Paraknowitsch und
die Richterin am Landgericht Allert
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Betreuers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - Helmstedt vom 11.10.2007 teilweise abgeändert, und zwar soweit von dem Betreuer und Beschwerdeführer ein Betrag zurückgefordert wird der 273,- EUR übersteigt.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; 80 % der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers werden der Landeskasse auferlegt, 20 % trägt er selbst.

Die weitere sofortige Beschwerde wird nicht zugelassen. Beschwerdewert: 1.363,24 EUR.

Gründe

1

I.

Für den Betroffenen bestand seit 1990 eine Gebrechlichkeitspflegschaft unddanach eine Betreuung. Die Betreuung wurde letztmaligverlängert mit Beschluss des Amtsgerichts Helmstedtvom 26.09.2006 bis zum 25.09.2013 für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge. Mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts Helmstedt vom 09.12.2003 wurde der jetzige Betreuer dem Betroffenen als Berufsbetreuer bestellt (Bl. 52 d.A. Bd. III). Der Betreuer machte erstmalig nach§1 BVormVG unter dem 13.02.2004 Betreuervergütungen für den Zeitraum 10.12.2003 bis 12.02.2004 geltend (Bl. 17 bis 23 des Vergütungsheftes). Die Rechtspflegerin wies ohne förmliches Festsetzungsverfahrens gemäß §56 g FGG 1.028,11 EUR dem Betreuer die Vergütung an, da die betreute Person mittellos ist. Der Betreuer machte in der Folgezeit regelmäßig weitere Betreuervergütungen geltend, so am 03.05.2004 für den Abrechnungszeitraum 13.02.2004 bis 02.05.2004 (Bl. 26 bis 35 des Vergütungsheftes); am 31.10.2004 für den Abrechnungszeitraum 03.05.2004 bis 29.10.2004 (Bl. 34 bis 38 des Vergütungsheftes); am 03.01.2005 für den Abrechnungszeitraum 03.10.2004 bis 31.12.2004 (Bl. 40 bis 43 des Vergütungsheftes); unter dem 01.07.2005 für den Abrechnungszeitraum 01.01.2005 bis 30.06.2005 (Bl. 46 bis 50 Vergütungsheftes). Darüber hinaus rechnete er ab dem 10.10.2005 seine Betreuervergütung nach §4 VBVG ab und zwar mit Vergütungsantrag vom 10.10.2005 für den Zeitraum 01.07.2005 bis 30.09.2005 (Bl. 53 des Vergütungsheftes); unter dem 03.01.2006 für den Zeitraum 01.10.2005 bis 31.12.2005 (Bl. 56 des Vergütungsheftes); unter dem 01.04.2006 für den Zeitraum 01.01.2006 bis 31.03.2006 (Bl. 59 des Vergütungsheftes); unter dem 01.07.2006 für den Zeitraum 01.04.2006 bis 30.06.2006 (Bl. 62 des Vergütungsheftes); unter dem 30.09.2006 für den Zeitraum 01.07.2006 bis 30.09.2006 (Bl. 65 des Vergütungsheftes); unter dem 01.01.2007 für den Zeitraum 01.10.2006 bis 31.12.2006 (Bl. 68 des Vergütungsheftes); unter dem 01.04.2007 für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.03.2007 (Bl. 71 des Vergütungsheftes) und unter dem 01.07.2007 für den Zeitraum 01.04.2007 bis 30.06.2007 (Bl. 74 des Vergütungsheftes). Dabei wurde durchgehend für alle Anträge ab dem 10.10.2005 ein Stundensatz von 33,50 EUR angesetzt. Es fand bei allen genannten Vergütungsanträgen kein förmliches Vergütungsfestsetzungsverfahren statt, vielmehr überwies die Rechtspflegerin die beantragten Beträge formlos - da die betreute Person mittellos ist - aus der Staatskasse an den Betreuer.

2

Unter dem 19.09.2007 wendet sich der Bezirksrevisor gegen die Betreuerfestsetzungen nach der Vergütungsstufe 2 in Höhe von 33,50 EUR. Wegen der Begründung wird auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 19.09.2007 (Bl. 77 des Vergütungsheftes) Bezug genommen.

3

Mit Beschluss des Amtsgerichts Helmstedt vom 11.10.2007 wurde die Vergütung des Betreuers rückwirkend für die Zeit vom 10.12.2003 bis 30.07.2007 neu festgesetzt auf insgesamt 4.470,42 EUR und der Betreuer zur Rückzahlung der überzahlten Differenz von 1.363,24 EUR aufgefordert. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss vom 11.10.2007 (Bl. 79 und 80 des Vergütungsheftes) Bezug genommen.

4

Hiergegen wendet sich der Betreuer mit der sofortigen Beschwerde vom 11.01.2007. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Beschwerdeschrift vom 01.11.2007 (Bl. 86 bis 90 des Vergütungsheftes mit Anlagen Bl. 91 des Vergütungsheftes) Bezug genommen.

5

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht hat unter dem 19.12.2007 (Bl. 100 des Vergütungshefts) Stellung genommen.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Verfahrensakten Bezug genommen.

7

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

8

Zwar ist die Neufestsetzung der Betreuervergütung im Beschluss des Amtsgerichts Helmstedt vom 11.10.2007 auf 4.470,42 EUR für den Zeitraum 10.12.2003 bis 30.06.2007 richtig. Der Beschwerdeführer ist jedoch lediglich verpflichtet, 273,- EUR zurückzuzahlen. Der weitergehende Anspruch auf Rückzahlung ist verjährt.

9

Im Einzelnen:

10

Für die Geltendmachung überzahlter Betreuervergütung gilt verfahrensrechtlich nicht unmittelbar§56 g FGG. Vielmehr ist das vorliegende Verfahren lediglich dazu bestimmt, auf die Durchsetzung eines festgestellten Rückforderungsanspruchs hinzuwirken und eine Rückzahlungsanordnung nach §1 Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO anzukündigen (vgl. OLG Köln FGPrax 2006, 116 f; BayObLG FamRZ 2003, 1221 ff., beide m.w.N.).

11

Zutreffend hat das Vormundschaftsgericht Helmstedt aber einen förmlichen Beschluss erlassen, und das statthafte Rechtsmittel hiergegen ist auch die sofortige Beschwerde.

12

Bei dem geltend gemachten Anspruch zwecks Hinwirkung der Feststellung des Rückforderungsanspruchs und Ankündigung der Rückzahlungsanordnung nach §1 Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und nicht um einen Anspruch aus §812 BGB, so dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Entreicherungseinrede bereits vom Ansatz her nicht greift.

13

Die Ausführungen des Bezirksrevisors unter dem 19.09.2007 in der Sache sind zutreffend.

14

Auch die Beschwerdekammer ist der Auffassung, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des §4 Abs. 1 Nr. 1 VBVG nicht erfüllt, wie er auch die entsprechenden Voraussetzungen nach §1 BVormVG nicht erfüllt hatte, worauf er bereits mit Beschluss der Kammer vom 26.02.2001 (Az.: 8 T 17/01 + 18/01) hingewiesen worden ist. Besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar wären im Sinne des §4 Abs. 1 Nr. 1 VBVG, wären etwa eine Ausbildung als Krankenschwester oder Altenpflegerin für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge oder eine Ausbildung als Steuerfachgehilfe oder Bankkaufmann für den Aufgabenkreis Vermögenssorge. Der Beschwerdeführer ist jedoch Techniker, er hat im vorliegenden Fall den Aufgabenkreis der Vermögenssorge inne; dies stellt auch unter Berücksichtigung der vorgetragenen Weiterbildungen des Beschwerdeführers keine Kenntnisse dar, welche für die Führung der Betreuung im Aufgabenkreis Vermögenssorge nutzbar wären.

15

In Zukunft dürften daher regelmäßig gemäß §4 Abs. 1 S. 1 VBVG 27,- EUR pro Stunde ansetzbar sein.

16

Da das vorliegende Verfahren der Vorbereitung einer Rückzahlungsanordnung dient nach §1 Abs. 1 Nr. 8 JBGeitrO, haben auch für das vorliegende vorbereitende Verfahren die übrigen Vorschriften der JBeitrO zur Anwendung zu gelangen.

17

Gemäß §8 Abs. 1 JBeitrO richten sich die Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst, die Haftung für den Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung betreffen, soweit Ansprüche gemäß §1 Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO betroffen sind, nach den Vorschriften über die Feststellung des Anspruchs dieser Person selbst. Dabei ist die Formulierung des §8 JBeitrO nicht eng zu verstehen und umfasst nicht lediglich nur die klassischen Erlöschensgründe wie Zahlung. Verjährung oder Aufrechnung, sondern alle Einwendungen gegen den geltend gemachten zu vollstreckenden Anspruch (vgl. Beschluss des BFH vom 25.02.2003 Az.: VII K 1/03).

18

Gemäß §2 VBVG erlischt der Vergütungsanspruch des Betreuers, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Vormundschaftsgericht geltend gemacht wird. Damit erlischt gemäß §8 JBeitrO i.V.m. §2 VBVG der Rückforderungsanspruch auf Rückerstattung überzahlter Betreuervergütung ebenfalls binnen 15 Monaten. Zurückgefordert können werden mithin lediglich nur noch überzahlte Beträge, soweit sie die Vergütungsanträge des Beschwerdeführers vom 30.09.2006, 01.01.2007, 01.04.2007 und 01.07.2007 betreffen. Die davor liegenden weiter zurück liegenden Ansprüche sind verjährt.

19

Soweit die Ansprüche nicht verjährt sind, sind sie aber auch nicht verwirkt. Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat, und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat, und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen würde. Verwirkung setzt mithin ein Zeitmoment voraus. Es muss längere Zeit verstreichen, binnen derer das Recht nicht geltend gemacht wurde. Vorliegend handelt es sich um einen Zeitraum von lediglich einem guten Jahr, so dass insoweit das Zeitmoment, das Voraussetzung für die Verwirkung eines Anspruchs ist, noch nicht angenommen werden kann.

20

Der Geltendmachung des Anspruchs stehen auch keine sonstigen Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Der Vertrauensgrundsatz hindert die Rückforderung von überzahlten Betreuervergütungen nur dann, wenn eine Abwägung ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber demöffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage Vorrang einzuräumen ist (vgl. OLG Köln FGPrax 2006, 116 f [OLG Köln 20.01.2006 - 16 Wx 203/05]). Zweifelhaft ist vorliegend bereits, ob ein Vertrauenstatbestand bei dem Beschwerdeführer eingetreten sein kann, da er bereits mit Beschluss vom 26.02.001 (Az. 8 T 17/01 + 18/01) in einem anderen Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen worden ist, dass er grundsätzlich nur den Mindeststundensatz beanspruchen kann, da seine Ausbildung in ihrem Kernbereich nicht auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet war. Jedenfalls überwiegt hier nicht das Vertrauen des Beschwerdeführers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an die Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage, da besondere Umstände, die für ein derartiges Vertrauen sprechen könnten, nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich sind.

21

Der Höhe nach ergibt sich ein durchsetzbarer Rückforderungsanspruch von 273,- EUR; dabei handelt es sich um vier Beträge zu je 68,25 EUR, da jeweils bei den Vergütungsanträgen vom 30.09.2006 sowie 01.01.2007, 01.04.2007 und 01.07.2007 statt 33,50 EUR die Stunde 27,- EUR je Stunde anzusetzen sind.

22

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass insgesamt 273,- EUR zurückzuzahlen sind.

23

Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Gerichtskosten betroffen sind, auf §131 KostO und, soweit die Erstattung der Kosten des Beschwerdeführers betroffen sind, auf §13 a FGG.

24

Die weitere sofortige Beschwerde war gem. §27 FGG i.V.m. §574 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung gebieten eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Kammer ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen, sondern dieser vielmehr gefolgt; die Rechtslage ist unter Berücksichtung der angewendeten obergerichtlichen Rechtssprechung in Verbindung mit den Regelungen die JBeitrO eindeutig. Soweit die Voraussetzungen des §4 VBVG betroffen sind, handelt es sich lediglich um eine Einzelfallentscheidung.

25

Der Beschwerdewert wurde nach dem Interesse des Beschwerdeführers bemessen mit dem Gesamtbetrag der zurückgeforderten Betreuervergütung.

Schmidtmann
Schmidtmann für die sich nach Beratung im Urlaub befindende Richterin Paraknowitsch
Allert