Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 22.02.2005, Az.: 2 U 97/04

Unterbrechung eines Verfahrens wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens; Anspruch auf Ausgleich eines im Soll stehenden Geschäftskontos; Feststellung der Beendigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes; Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gemeinschuldners; Voraussetzungen einer Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) analog

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
22.02.2005
Aktenzeichen
2 U 97/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 11083
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2005:0222.2U97.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 09.09.2004 - AZ: 9 O 268/03

Fundstellen

  • AnwBl 2005, 108-109
  • MDR 2005, 836 (Volltext mit red. LS)
  • NZI (Beilage) 2005, 6* (amtl. Leitsatz)
  • OLGReport Gerichtsort 2005, 289-290
  • ZInsO 2005, 381-382 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zurückverweisung gem. § 538 Abs 2 ZPO analog, bei einem erstinstanzlichen Urteil trotz Unterbrechung des Rechtsstreits gem. § 240 ZPO wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 08. Februar 2005
durch
die Richter ... , ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das am 9.9.2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück mit dem zugrundeliegenden Verfahren für die Zeit ab 1.3.2004 aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten des zweiten Rechtszuges zu entscheiden hat.

    Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

  2. 2.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  3. 3.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

  4. 4.

    Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 85.125,24 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Feststellung der Beendigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes sowie auf Ausgleich eines Geschäftskontos der BGB-Gesellschaft unter Freistellung des Klägers in Anspruch. Hintergrund der Klage ist, dass der Kläger und der Gemeinschuldner im Jahre 1992 einen Gesellschaftsvertrag über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Wohnanlage ...M ... 1, N...straße" geschlossen hatten. Nachdem die Sparkasse M ... das bei ihr bestehende Geschäftskonto der Gesellschaft gekündigt und die Parteien zur Rückführung der Überziehung aufgefordert hatte, glich der Kläger den auf ihn entfallenden Anteil aus. Nachdem der Kläger Klage auf Feststellung der Beendigung der Gesellschaft, Klage auf Ausgleich des im Soll stehenden Geschäftskontos sowie Freistellung von allen zukünftigen Forderungen, die gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden, erhoben hatte, ist mit Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 1.3.2004 über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Schreiben vom 20.8.2004, gerichtet an die Prozessbevollmächtigte des Gemeinschuldners, bestätigte der Beklagte, dass er"gem. § 86 InsO den Prozess aufnehme". Dieses Schreiben übermittelte die Beklagtenvertreterin mit einem am 23.8.2004 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz der dortigen Zivilkammer. Unter dem 9.9.2004 verkündete der Einzelrichter der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück das angefochtene Urteil, mit dem die Forderung des Klägers gegen den Gemeinschuldner, das im Soll stehende Geschäftskonto der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bei der Sparkasse M ... unter Freistellung des Klägers auszugleichen, zur Insolvenztabelle des Gemeinschuldners festgestellt wurde.

2

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten mit der er geltend macht, dass ein Anspruch auf Ausgleich des im Soll stehenden Geschäftskontos unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehe, dass das Landgericht auf die Beweislast hinsichtlich des Kaufpreises für die Garagen hätte hinweisen müssen und dass die Zeugin Hü ... verfahrensfehlerhaft nicht vernommen worden sei. Mit Schriftsatz vom 7.12.2004 hat der Beklagte erstmals eingewandt, die Voraussetzungen für eine Aufnahme des Verfahrens hätten nicht vorgelegen, da eine Anmeldung der Ansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter und ein Bestreiten durch diesen nicht erfolgt sei, was zwischen den Parteien unstreitig ist.

3

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

4

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

5

II.

Die Berufung ist zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Verfahrens seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gemeinschuldners und zur Zurückweisung an das Landgericht. Das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gemeinschuldners gem. § 240 ZPO unterbrochene Verfahren ist nicht in der gesetzmäßigen Weise aufgenommen worden. Gem. § 180 Abs. 2 InsO ist für den Fall, dass zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreitüber eine Forderung anhängig ist, deren Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Voraussetzung hierfür ist aber gem. § 179 InsO, dass die Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist. Eine Ausnahme gilt gem. § 86 InsO für bestimmte Passivprozesse. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist aber weder die Aussonderung eines Gegenstandes aus der Insolvenzmasse, die abgesonderte Befriedigung oder eine Masseverbindlichkeit.

6

Die ordnungsgemäße Forderungsanmeldung betrifft eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung (BGH ZIP 2000, 705f. zu § 146 Abs. 3 KO). Die Beachtung der Erfordernisse zur Aufnahme des Verfahrens dient dem Interesse der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger, denen das Prüfungsverfahren die Möglichkeit eröffnen soll, sich an der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Begründetheit der Forderung zu beteiligen. Das Erfordernis ist auch nicht abdingbar (vgl. BGH a.a.O.). Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 7.12.2004 geltend gemacht hatte, dass eine ordnungsgemäße Anmeldung nicht erfolgt sei, ist dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, ohne dass die Voraussetzungen für die Aufnahme des Rechtsstreits dargelegt worden wären. Der Rechtsstreit befindet sich deshalb weiterhin im Stadium der Unterbrechung gem. 240 ZPO (vgl. BGH a.a.O.).

7

Aus diesem Grunde sieht der Senat die Voraussetzungen einer Zurückverweisung gem. § 538 Abs. 2 ZPO analog als gegeben an. Einen entsprechenden Antrag - sollte er erforderlich sein - hat der Kläger gestellt. Dem Rechtsstreit fehlte ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.3.2004 eine verfahrensfehlerfreie Grundlage. Vor der Neufassung des § 538 ZPO unterlag es keinem Zweifel, dass ein trotz Unterbrechung des Verfahrens erlassenes Urteil der Aufhebung und Zurückverweisung unterlag (BGH ZIP 2000 a.a.O.; NJW RR 1990, 342). Der BGH hat dieses in der zuletzt genannten Entscheidung damit begründet, dass die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen insgesamt keine tragfähige Grundlage einer revisionsrechtlichenÜberprüfung bildeten. Nichts anderes gilt aber auch für die Entscheidung des Senats über die Berufung des Beklagten. Der Beklagte war zur Einlegung der Berufung ohnehin nur deshalb befugt, um den Eintritt der Rechtskraft der erstinstanzlich unzulässigerweise ergangenen Entscheidung zu verhindern (OLG Köln NJWRR 1995, 891 f.). Eine sachliche Bestätigung der angefochtenen Entscheidung kommt nicht in Betracht (vgl. OLG Frankfurt/M. OLGZ 94, 77 f.).

8

In § 538 ZPO n.F. ist die Möglichkeit einer Zurückverweisung für Fälle dieser Art gleichwohl nicht vorgesehen. Es handelt sich um eine planwidrige Regelungslücke, da nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber diesen speziellen Fall bedacht und bewusst nicht geregelt hat.

9

Vor diesem Hintergrund ist § 538 Abs. 2 ZPO analog anzuwenden, damit vom Landgericht eine Entscheidung getroffen werden kann, die - bei erneuter Einlegung der Berufung - (erstmals) einer sachlichen Prüfung durch den Senat unterliegt.

10

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 85.125,24 EUR festgesetzt.