Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.02.2005, Az.: 5 U 170/03

Antrag auf Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit; Voraussetzungen für das Vorliegen von Befangenheit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.02.2005
Aktenzeichen
5 U 170/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 34252
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2005:0228.5U170.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - AZ: 8 O 703/01

Fundstellen

  • ArztR 2006, 78 (Kurzinformation)
  • KfZ-SV 2008, 23
  • ZMGR 2005, 119-120

Redaktioneller Leitsatz

Unsachliche Bemerkungen im schriftlichen Gutachten oder verärgerte Anmerkungen eines gerichtlichen Sachverständigen können eine Befangenheit gegnüber einer Partei begründen. Abzustellen ist hierbei darauf, ob bei dem ablehnenden Prozessbeteiligten der Anschein der Parteilichkeit erweckt wird.

Grundsätzlich steht das Ablehnungsrecht nur der Partei und nicht ihrem Prozessvertreter zu, so dass es auf sein Misstrauen grundsätzlich nicht ankommt. Nur wenn die Spannungen zwischen Sachverständigem und Prozessvertreter dazu führen können, dass der Sachverständige den Rechtsstreit nicht mehr objektiv betrachtet und dieses der Partei zum Nachteil gereichen könnte, kann ein Ablehnungsgrund bejaht werden.

In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht...,
den Richter am Oberlandesgericht ...und den Richter am Oberlandesgericht ...
am 28. Februar 2005
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, den Sachverständigen Dr. med. U. B... wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird für begründet erklärt.

Gründe

1

Der zulässige Antrag vom 5. Februar 2005 (Bd. II Bl. 326 d.A.) ist begründet.

2

Die Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ist berechtigt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 406 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO). Die Ablehnung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen setzt nicht voraus, dass der Sachverständige tatsächlich parteiisch ist, oder dass das Gericht selbst Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Für eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit genügt vielmehr schon der bei dem ablehnenden Prozessbeteiligten erweckte Anschein der Parteilichkeit (OLG Köln AHRS I 7010, 12). Insoweit genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann (Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl. § 406 Rz. 8). In diesem Sinne können unsachliche Bemerkungen im schriftlichen Gutachten (Laufs/Uhlenbruck-Schlund, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. § 120 Rz. 5; Jessnitzer/Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 11. Aufl. Rz. 155) oder auch Äußerungen, welche erkennbar die Verärgerung des Sachverständigen über den Vortrag einer Partei oder ihres Bevollmächtigten ausdrücken, eine Befangenheit begründen (OVG Lüneburg DRiZ 1974, 194; Jessnitzer/Ulrich a.a.O. Rz. 156). Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen:

3

Der Sachverständige hat in seinem Zusatzgutachten vom 17. Januar 2005 u.a. ausgeführt:

"Da mich der Rechtsvertreter der Patientin Herr P... in seiner Stellungnahme anlässlich der Berufung als Lügner bezeichnet hat, wird er sicher auch jetzt Argumente und Mittel finden, die diese Entscheidung der Patientin für die Geburtshilfe in J... anders erläutern"

4

(Bd. II Bl. 319 d.A.).

5

Diese Äußerung des Sachverständigen enthält nicht nur die - soweit ersichtlich - unzutreffende Behauptung, der Klägervertreter habe ihn einen Lügner genannt, sondern auch den massiven Vorwurf unredlichen Verhaltens.

6

Damit hat sich der Sachverständige der Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt. Zwar steht das Ablehnungsrecht nur der Partei und nicht ihrem Prozessbevollmächtigten zu, so dass es auf das Misstrauen des Rechtsanwalts nicht ankommt. Spannungen zwischen dem Rechtsanwalt und dem Sachverständigen können deshalb grundsätzlich keine Ablehnung rechtfertigen (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O. § 42 Rz. 13). Eine Ausnahme ist aber dann zu machen, wenn sich derartige Spannungen zum Nachteil der Partei auswirken können und die Partei Anlass zu der Besorgnis haben kann, der Sachverständige werde in dem konkreten Verfahren sein persönliches Verhältnis zu ihrem Prozessbevollmächtigten nicht hinreichend von dem konkreten Rechtsstreit trennen können (OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 126, 127).

7

Vorliegend hat sich der Sachverständige durch die Angriffe des Klägervertreters zu einer unsachlichen Polemik hinreißen lassen. Seine weiteren Äußerungen (Ich möchte mir ersparen, auf weitere widersprüchliche Kommentare einzugehen. Die geburtshilfliche Beratung eines Juristen, der eine "geschädigte Patientin" vertritt, ist oft besser ... Die Verzögerung ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass ich mir nicht im Klaren war, ob bei allem Respekt vor streitigen Auseinandersetzungen, die auch mit scharfem Florett juristisch geführt werden, die Äußerungen des Rechtsanwalts P... nicht die Grenze der Sachlichkeit sehr deutlich überschreiten.") lassen aus der Sicht der Klägerin befürchten, der Sachverständige setze sich mit den vorgebrachten Angriffen auf sein Gutachten nicht mehr ausreichend auseinander. Zu der dem Sachverständigen als Richtergehilfen obliegenden Verpflichtung zur Objektivität und strengen Sachlichkeit gehört insbesondere auch, dass er auf die ihm entgegengebrachte Kritik sachlich reagiert (OLG Zweibrücken NJW 1998, 912, 913). Dies gilt umso mehr als nicht recht verständlich ist, wo der Klägervertreter "die Grenze zur Sachlichkeit" überschritten hätte. Der Klägervertreter hat vielmehr, seiner Aufgabe entsprechend, auf (vermeintliche) Widersprüche in den schriftlichen und mündlichen Äußerungen des Sachverständigen hingewiesen und kritische Fragen an den Sachverständigen formuliert. Der Sachverständige hat in der Stellungnahme vom 22. Februar 2005 (Bd. II Bl. 386 d.A.) seine Vorwürfe auch nicht näher belegt und lediglich darauf hingewiesen, "Stil und Inhalt des Schreibens von Herrn Rechtsanwalt P... richteten sich selbst." Diese Würdigung vermag der Senat nicht zu teilen.