Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 26.03.2003, Az.: 2 A 2003/01

besondere Pflegekraft; Deckelung; Erforderlichkeit; Hilfe zur Pflege; Pflegesachleistung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
26.03.2003
Aktenzeichen
2 A 2003/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48544
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage, wann die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich im Sinne von § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG ist.

Tenor:

In Sachen hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 2. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2003 ..... für Recht erkannt:

Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung seines Bescheides vom 25. Januar 2000 und seines Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2000 verpflichtet, dem Kläger 3.657,31 € (entspricht: 7.153,68 DM) zu erstatten.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Übernahme laufender Kosten aus Anlass seiner häuslichen Betreuung durch Pflegekräfte der gemeinnützigen GmbH "S.", Göttingen.

2

Bei dem am 27. September 1994 geborenen Kläger besteht eine schwere Mehrfachbehinderung. Er leidet unter einem komplexen Herzfehler und infolge postoperativer Komplikationen an einem hypoxischen Hirnschaden, spastischer Tetraparese, Epilepsie und Multiorganversagen. Er ist sowohl zum Sitzen wie auch zur Fortbewegung auf einen Spezialrollstuhl angewiesen.

3

Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum (August 1999 bis Februar 2000) wochentäglich in der Zeit von 8.30 Uhr bis 14.30 Uhr von der elterlichen Wohnung abwesend und besuchte einen Sonderkindergarten. Seit dem 01. Oktober 2000 lebt er bei einer Pflegefamilie in G..

4

Die ... Ersatzkasse - Pflegekasse - stufte die Pflegebedürftigkeit des Klägers mit Wirkung vom 21. Juni 1999 in die Pflegestufe III ein. Diese Einstufung beruhte auf einem Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Niedersachsen vom 05. Juli 1999 (im Folgenden MDK-Gutachten). Darin ermittelte die Gutachterin u.a. den Zeitaufwand pro Tag in Minuten für den Hilfebedarf des Klägers. Diesen setzte die Gutachterin für Körperpflege, Ernährung und Mobilität auf 376 Minuten abzüglich des Hilfebedarfs eines gesunden Kindes von 120 Minuten, mithin auf 256 Minuten pro Tag fest. Insbesondere berücksichtigte die Gutachterin 80 Minuten für 4 x tägliche orale Nahrungsaufnahme und 40 Minuten für 4 x tägliche Nahrungsaufnahme durch Sondenkost. Zum Zeitpunkt der Begutachtung am 29.06.1999 wurde der Kläger noch mit einer Nasensonde versorgt, wobei die Nahrung mit einer Spritze verabreicht worden war. Nach dem Gutachten erfolgte vor jeder Sondenernährung eine orale Nahrungsverabreichung sehr langsam und mühsam. Die Sonde wurde am 02. Juli 1999 entfernt. Für die hauswirtschaftliche Versorgung wurde in dem Gutachten ein Zeitaufwand von 114 Minuten täglich angesetzt.

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Mit Bescheid vom 13. August 1999 bewilligte die ....Ersatzkasse - Pflegekasse -  dem Kläger Sachleistungen in Form von Aufwendungsersatz für Pflegeeinsätze zu dem gesetzlichen Höchstwert von 2.800,- DM je Kalendermonat. Dies entspricht unter Zugrundelegung des von der S. der Pflegekasse in Rechnung gestellten Stundensatzes von 29,56 DM einer Versorgungsdauer von 94,75 Stunden im Monat (ca. 3 Stunden täglich). Die tatsächliche Versorgung des Klägers durch die S. betrug bis zum Ergehen des angefochtenen Bescheides jedoch 165 Stunden monatlich (5,5 Stunden pro Tag x 30 Tage). Nach Ergehen des streitgegenständlichen Bescheides wurde der Betreuungsumfang ab Februar 2000 auf 3 Stunden täglich reduziert.

6

Mit Antrag vom 06. August 1999 begehrte der Kläger vom Beklagten die Übernahme der nicht von der Pflegekasse gedeckten Kosten der häuslichen Betreuung. Daraufhin beauftragte der Beklagte sein Gesundheitsamt, zu der Frage Stellung zu nehmen, welcher Zeitanteil des Pflegebedarfs von 256 Minuten aufgrund der teilstationären Betreuung im Sonderkindergarten nicht im häuslichen Bereich erbracht werden müsse. Das Gesundheitsamt stellte in seiner Stellungnahme vom 20. Dezember 1999 fest, dass ein Pflegeaufwand im Umfang von 70 Minuten pro Tag durch die vom Kläger besuchte Sondergruppe des Kindergartens ....in der Zeit von 8.30 bis 14.30 Uhr erbracht werde, was bei einer Verteilung auf 7 Wochentage zu einer täglichen Pflege im Kindergarten im Umfang von 50 Minuten führe. Dieser Betrag müsse entsprechend dem Pflegegutachten des MDK um ca. 1/3 für altersgemäßen Pflegeaufwand reduziert werden, so dass ein durchschnittlicher täglicher Pflegebedarf von 33 Minuten verbliebe, der vom Kindergarten erbracht werde.

7

Mit Bescheid vom 25. Januar 2000 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Übernahme der nicht gedeckten Kosten der S. ab. Zur Begründung gab er an, nach § 69 b Abs. 1 S. 2 BSHG seien nur die angemessenen Kosten für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft zu übernehmen, wenn die zeitweilige Entlastung der Pflegeperson geboten sei. Die geltend gemachten, nicht von der Pflegekasse gedeckten Kosten seien nicht angemessen. Der Pflegebedarf des Klägers betrage nach dem MDK-Gutachten 256 Minuten täglich, was einem monatlichen Hilfebedarf von ca. 130 Stunden entspreche. Hiervon sei ein anteiliger Hilfebedarf von ca. 17 Stunden monatlich abzuziehen, der durch den Kindergarten abgedeckt sei. In einer Zwischensumme verbliebe somit ein Hilfebedarf von ca. 113 Stunden monatlich. Darüber hinaus gehe aus dem genannten Gutachten hervor, dass der überwiegende Teil der notwendigen Pflegeleistungen in den Morgen- und Abendstunden im häuslichen Rahmen erbracht werde. Da zumindest der in den Morgenstunden anfallende Hilfebedarf durch die Eltern des Klägers abgedeckt sei und dieser mit mindestens 1 Stunde täglich angerechnet werden müsse, betrage der noch verbleibende Hilfebedarf höchstens ca. 80 - 85 Stunden monatlich. Dieser Aufwand sei durch die Leistungen der Pflegekasse abgedeckt.

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Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2000 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend führte der Beklagte aus, die vom Kläger geltend gemachte Erhöhung des Pflegeumfangs nach Entfernung der Ernährungssonde sei nicht belegt und nicht nachvollziehbar. Nach Auskunft des vom Kläger besuchten Kindergartens sei es zutreffend, dass der Kläger von 8.30 bis 14.30 Uhr nicht zu Hause gewesen sei.

9

Hiergegen hat der Kläger am 04. Januar 2001 Klage erhoben.

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Er trägt vor, bis zum Erlass des angefochtenen Bescheides sei er durch seine Mutter und einen Zivildienstleistenden, der in der Zeit von 15.00 bis 20.30 Uhr anwesend gewesen sei, betreut worden. Danach sei die Mitarbeit des Zivildienstleistenden auf 3 Stunden täglich reduziert worden. Er benötige Unterstützung beim Sitzen sowie auch Nachts. Er müsse 2-stündlich umgelagert werden. Bei ihm liege ein Einzelfall des Aufstockungsgebots wegen überdurchschnittlicher Anforderungen an die Grund- und Behandlungspflege vor. So bestehe nach Entfernung der Magensonde am 02. Juli 1999 im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ein Mehraufwand. Er nehme täglich 5 Mahlzeiten ein, 4 davon zuhause. Darüber hinaus sei die hauswirtschaftliche Versorgung mit 114 Minuten täglich zur berücksichtigen. Als Indiz für seinen Pflegebedarf könne der Pflegeplan seiner Pflegefamilie, in der er sich seit dem 01. Oktober 2000 aufhalte, herangezogen werden. Hieraus ergebe sich, dass ein Gesamtbedarf von 490 Minuten täglich abzüglich des Pflegebedarfs eines gesunden Kindes nicht zu hoch gegriffen sei. Abgesehen davon entbehre die Festlegung eines Pflegeaufwandes für gesunde Kinder der Rechtsgrundlage.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 25. Januar 2000 und seines Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2000 zu verpflichten, ihm die Kosten der durch die S. erbrachten häuslichen Pflegeleistungen ab Antragstellung in Höhe von 7.153,08 DM (3.657,31 €) zu erstatten.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er tritt dem klägerischen Vorbringen mit der Begründung entgegen, das MDK-Gutachten vom 05.09.1999 berücksichtige bereits hohe Zeiten für die orale Nahrungsaufnahme. Der Kläger habe im Kindergarten täglich zwei Mahlzeiten eingenommen. Hauswirtschaftliche Verrichtungen im Umfang von 114 Minuten täglich seien Sache der Eltern. Der Pflegebedarf in der Pflegefamilie sei unerheblich, da er einen anderen Zeitraum betreffe als den hier streitgegenständlichen.

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Der Vater des Klägers ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch zu dessen tatsächlichem Pflegebedarf und der häuslichen Situation angehört worden. Wegen der Einzelheiten der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Verfahrens 2 A 2065/01 und die jeweiligen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 25. Januar 2000 und dessen Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2000 sind rechtswidrig. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Kosten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

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Der Beklagte ist nach § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG verpflichtet, als Hilfe zur Pflege die Kosten zu übernehmen, die dem Kläger für die Zeit vom 06. August 1999 bis zum 31. Januar 2000 durch die Vergütungsforderungen der S. GmbH in Höhe von insgesamt 7.153,08 DM in Rechnung gestellt worden sind.

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Der Anspruch ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger von der ....Ersatzkasse - Pflegekasse - Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI in Höhe von monatlich 2.800,- DM erhalten hat. Die Pauschalierung bzw. Deckelung der Ansprüche aus der Pflegeversicherung erstreckt sich mangels dahingehender Anordnung des Gesetzgebers nicht auf die entsprechenden Sozialhilfeansprüche. Die Leistungsnorm des § 69 b Abs. 1 S. 2 BSHG begrenzt den Anspruch auf Kostenübernahme durch die Kriterien der Angemessenheit und Erforderlichkeit, enthält aber keine Begrenzung der Höhe des Anspruchs (Deckelung) auf den Umfang der Pflegesachleistungen nach § 36 Abs. 2 SGB XI. Was im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich vor allem nach der Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen (§ 3 BSHG). Das Kriterium der Angemessenheit der Kosten wird vom Gesetz nicht durch eine Bezugnahme auf die pauschalierten Leistungen der Pflegeversicherung nach § 36 Abs. 3 SGB XI bestimmt, sondern zielt auf eine Kostenkontrolle durch den Sozialhilfeträger (vgl. zum ganzen BVerwG, Urteil vom 15.06.2000 - 5 C 34.99 -, BVerwGE 111, 241).

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Die vom Kläger geltend gemachten Kosten sind angemessen im Sinne von § 69 b Abs. 1 S. 2 BSHG und die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft war erforderlich.

22

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der Annahme des Beklagten in seinem Ausgangsbescheid vom 25. Januar 2000 Tatbestandsvoraussetzung dieser Norm nicht ist, dass die zeitweilige Entlastung der Pflegeperson geboten ist. Dieses Tatbestandsmerkmal steht in einem Alternativverhältnis zum Erfordernis der Heranziehung einer besonderen Pflegekraft.

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Wie sich aus § 68 a BSHG ergibt, ist die Entscheidung der Pflegekasse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI auch der Entscheidung im Rahmen der Hilfe zur Pflege zugrunde zu legen, soweit sie auf Tatsachen beruht, die bei beiden Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Das "Ausmaß der Pflegebedürftigkeit" nach dem SGB XI wird durch die drei Pflegestufen des § 15 SGB XI definiert. Unmaßgeblich ist in diesem Zusammenhang der im Einzelfall jeweils nach Minuten berechnete Hilfebedarf bezogen auf die jeweiligen Leistungskomplexe (BVerwG, a.a.O. Seite 246; OVG Lüneburg, Urteil vom 26.04.2001 - 12 L 3008/00 -, FEVS 53, 31, 38).

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Der Kläger ist von der Pflegekasse aufgrund des MDK-Gutachtens vom 05. Juli 1999 gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) zugeordnet worden. Dieser Pflegestufe unterfallen die Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch Nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Damit ist für die Entscheidung, ob die Heranziehung einer Pflegekraft im Sinne von § 69 b Abs. 1 S. 2 BSHG erforderlich ist, davon auszugehen, dass der Kläger einer pflegerischen Rundumversorgung bedurfte. Der Einsatz einer besonderen Pflegekraft ist dann erforderlich, wenn die Pflege durch nahestehende Personen, wie hier die Eltern, insbesondere die Mutter des Klägers, nicht oder nicht vollständig sichergestellt ist (Mergler/Zink, BSHG, § 69 b RN 14). Ist für den Sozialhilfeträger nach § 68 a BSHG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI verbindlich festgestellt, dass der Kläger einer Betreuung rund um die Uhr bedarf, ist es nicht angängig, diesen Bedarf dahingehend zu vermindern, dass bestimmte, für den Kläger erforderliche Pflegeleistungen, die von dritter Seite, hier dem vom Kläger besuchten Kindergarten und von seinen Eltern im Wege ihrer Unterhaltspflicht, erbracht werden, bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Denn der im Einzelfall jeweils nach Minuten berechnete Hilfebedarf bezogen auf die jeweiligen Leistungskomplexe ist nach der zitierten Rechtsprechung, die von der Kammer geteilt wird, gerade nicht maßgeblich.

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Allerdings steht es dem Sozialhilfeträger nach dieser Rechtsprechung frei, eine Kostenkontrolle auszuüben. Dies rechtfertigt möglicherweise auch die Feststellung, dass der zeitliche Umfang der Betreuung durch eine Pflegekraft im konkreten Fall nicht erforderlich ist. Hierzu hat der Beklagte, dessen Argumentation sich auf Zeiten bezieht, zu denen die Pflegekraft nicht anwesend ist, indes keine Feststellungen getroffen.

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Die Annahme der fehlenden Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten liegt hier fern. Denn dem enormen Pflegebedarf des Klägers standen -lediglich- 5 ½ Stunden der Betreuung durch eine professionelle Pflegekraft gegenüber, die zudem von der Mutter des Klägers im Wesentlichen auch noch angeleitet werden musste. Es liegt auf der Hand, dass die Mutter des Klägers, die neben der Pflege des Klägers noch ein weiteres Kleinkind zu betreuen und den gesamten Haushalt zu bewältigen hatte, nicht allein in der Lage gewesen ist, den gegebenen Pflegebedarf des Klägers abzudecken. Diese Annahme ist durch die Einlassungen des Vaters des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf das Nachdrücklichste bestätigt worden. Er hat in einer betont sachlichen und deshalb überzeugenden Art und Weise dargestellt, dass der Einsatz des Zivildienstleistenden auf vorherigen Absprachen mit diversen Ärzten und der S., die über reiche Erfahrung im Betreuungseinsatz verfügt, beruhten. Dabei war ein 5 ½ -stündiger Einsatz einer Pflegekraft täglich als das Minimum des Erforderlichen angesehen worden. In tief beeindruckender Weise hat der Vater des Klägers geschildert, dass die Kräfte der Eltern nach einer finanziell erzwungenen Reduzierung des Betreuungseinsatzes auf 3 Stunden täglich völlig überfordert und nach einem dreiviertel Jahr vollständig erschöpft waren, weshalb der Kläger in eine Pflegefamilie gegeben werden musste.

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Unabhängig vom Vorstehenden bleibt der Kammer unerfindlich, weshalb der Beklagte trotz der eindeutigen Regelungen in §§ 68 Abs. 5 Nr. 4, 68 a BSHG i.V.m. §§ 14 Abs. 4 Nr. 4, 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI den Pflegeaufwand für hauswirtschaftliche Verrichtungen unberücksichtigt gelassen, und diesen Aufwand als durch die Eltern des Klägers abzudeckende Leistungen angesehen hat. Die Berücksichtigung dieses Pflegeaufwandes allein hätte -wollte man der rechtlichen Argumentation des Beklagten überhaupt näher treten- vermutlich ausgereicht, einen 5 ½-stündigen Pflegeeinsatz am Tag aufrecht zu erhalten.

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Der vom Kläger geltend gemachte Kostenbetrag ist schließlich auch der Höhe nach angemessen im Sinne von § 69 b Abs. 1 S. 2 BSHG. Der Beklagte hat die Angemessenheit der Aufwendungen nicht bestritten, und auch nach Aktenlage ergeben sich keine Zweifel daran. Denn der von der S. geltend gemachte Stundensatz beruht augenscheinlich auf Vereinbarungen mit dem Sozialhilfeträger bzw. auf einer Vereinbarung mit der Stadt G.. An eine solche Vereinbarung ist auch der Beklagte gebunden (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 26.04.2001, a.a.O. Seite 35, Hinweise zur Sozialhilfe 3 Abl, RN 69 b. 1.4).

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Dem Erstattungsanspruch des Klägers steht § 28 Abs. 1 BSHG nicht entgegen. Danach wird Hilfe in besonderen Lebenslagen nach den Bestimmungen dieses Abschnitts gewährt, soweit dem Hilfesuchenden, seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten und wenn er minderjährig und unverheiratet ist, auch seinen Eltern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des Abschnitts 4 nicht zuzumuten ist. Das Einkommen und Vermögen des Klägers und seiner Eltern lag im fraglichen Zeitraum unter den gesetzlichen Freigrenzen des § 81 Abs. 1 Nr. 5 BSHG. Dies ergibt sich aus der vom Beklagten vorgenommenen, lediglich die allgemeine Einkommensgrenze des § 79 BSHG berücksichtigenden Berechnung im Verfahren 2 A 2065/01, auf die Bezug genommen wird. Vermögen war nicht vorhanden.