Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 20.03.2003, Az.: 4 A 4127/02

entbehrliches Vorverfahren; Milcherzeugungsfläche; Milchreferenzmenge ; Pachtvertrag ; Rückgabe von Flächen; Übergang von Milchreferenzmengen

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
20.03.2003
Aktenzeichen
4 A 4127/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 47985
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage der Eigenschaft landwirtschaftlicher Flächen als Milcherzeugungsflächen

Tenor:

Der an die Beigeladenen gerichtete Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 08.06.2000 und der an die Klägerin gerichtete weitere Bescheid der Beklagten vom 08.06.2000, mit dem diese die an die Klägerin gerichtete Bescheinigung vom 21.02.2000 über den Übergang einer Referenzmenge in Höhe von 13.500 kg aufgehoben hat, werden aufgehoben.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagte zu ? und die Beigeladenen zu je ?. Im Übrigen tragen die Beklagte und die Beigeladenen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Klägerin wird gestattet, die Sicherheit durch Beibringung der Bürgschaft einer deutschen Großbank oder einer öffentlichen Sparkasse zu leisten.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten über den Übergang von Milch-Referenzmengen.

2

Die Beigeladenen sind Landwirte mit landwirtschaftlichen Nutzflächen u. a. in der Gemarkung {}. Die Gesamtgröße der von ihnen bewirtschafteten Eigentums- und Pachtflächen betrug im Jahr 1999 etwa 377 ha. Seit Dezember 1991 betreiben sie ihre Milchviehhaltung in einem gemeinsamen landwirtschaftlichen Betrieb in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der

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„ {} Milchviehhaltung GbR“.

4

Der Beigeladene zu 2. hatte bereits seit etwa 1975 im Eigentum der katholischen Kirche stehende Flurstücke bewirtschaftet. Durch Folge-Pachtverträge vom 18.09.1988 pachtete er für die Zeit vom 01.07.1987 bis zum 30.09.1999 erneut die Flurstücke 1, Flur 11 und 139, Flur 13 in der Gemarkung {}, die er zu Teilflächen von 1,4 bzw. 4,0009 ha als Ackerland nutzte. Wegen des Inhalts der Pachtverträge wird auf Bl. 8 bis Bl. 23 der Gerichtsakte des Amtsgerichts {} – Landwirtschaftsgericht – zum Az. 6 Lw 1/2001 (Beiakte B zum vorliegenden Verfahren) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 26.03.1999 wies die Klägerin      {Kirchengemeinde} die Beigeladenen auf den Ablauf der Pachtverträge hin und sprach vorsorglich zum 30.09.1999 eine Kündigung aus. In der Folgezeit bemühten sich die Beigeladenen vergeblich um eine Fortsetzung der Pachtverträge. Die Flächen wurden zum 01.10.1999 an die Klägerin zurückgegeben, die sie anderweitig verpachtete.

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Mit Antrag vom 30.11.1999 beantragte die Klägerin die Ausstellung einer Bescheinigung nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung über den Übergang einer Milch-Referenzmenge bei der Beklagten {Landwirtschaftskammer}. Unter dem 21.02.2000 erteilte die Beklagte eine entsprechende Bescheinigung über den Übergang einer Referenzmenge von insgesamt 13.500 kg von den Beigeladenen auf die Klägerin. Hierzu führte sie aus, für den Betrieb des Beigeladenen zu 2. sei bezogen auf das Jahr 1984 eine Referenzmenge von 179.115 kg festgesetzt worden, was einer Menge von 5.010 kg pro Hektar entspreche. Da die Beigeladenen noch aktive Milcherzeuger seien, greife zu ihren Gunsten die Pächterschutzregelung ein, so dass mit der Rückgabe der Pachtflächen nur eine Referenzmenge von 2.500 kg pro Hektar Altpachtfläche auf die Klägerin übergegangen sei. Ebenfalls unter dem 21.02.2000 erteilte die Beklagte einen entsprechenden Bescheid an die Beigeladenen.

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Am 01.03.2000 legten die Beigeladenen hiergegen Widerspruch ein. Sie äußerten die Auffassung, die Pachtverhältnisse seien nicht beendet worden. Vielmehr hätten sie aus den Pachtverträgen Anspruch auf ihre Fortsetzung.

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Mit an die Beigeladenen gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 08.06.2000 gab die Beklagte dem Widerspruch statt und führte zur Begründung aus, das Pachtverhältnis bestehe wegen der Regelung des § 12 Abs. 2 der Pachtverträge fort, so dass ein Referenzmengen-Übergang nicht stattgefunden habe. Die der Klägerin erteilte Bescheinigung vom 21.02.2000 sei daher aufzuheben. Diesen Widerspruchsbescheid übermittelte die Beklagte an die Klägerin neben einem gesonderten Bescheid vom 08.06.2000 (zugestellt am 22.06.2000), der dieselbe Begründung enthält und mit dem sie die Bescheinigung vom 21.02.2000 aufhob. In der Rechtsbehelfsbelehrung belehrte sie die Klägerin über die Möglichkeit, verwaltungsgerichtliche Klage zu erheben.

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Am Montag, dem 24.07.2000, hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Göttingen Klage erhoben.

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Am 30.12.2000 haben die Beigeladenen vor dem Amtsgericht {} – Landwirtschaftsgericht – Klage gegen die Klägerin erhoben, mit der sie u. a. die Feststellung begehrt haben, dass die Landpachtverträge über die streitbefangenen Flurstücke bis zum 30.09.2011 fortbeständen. Zur Begründung haben sie ausgeführt, § 12 Abs. 2 der Verträge sehe die Verlängerung der Pachtverhältnisse um 12 Jahre auf Wunsch der Pächter vor, sofern diese aufgrund von § 12 Abs. 1 der Verträge verpflichtet seien, bei Ablauf des Pachtverhältnisses einen Teil ihrer Produktionsquoten oder Berechtigungen - hier: der Milchquote - zu übertragen. Das Amtsgericht {} wies die Klage durch Urteil vom 25.04.2001 (6 Lw 1/2001) mit der Begründung ab, die Pachtverhältnisse seien zum 30.09.1999 beendet worden und aus § 12 Abs. 2 ergebe sich kein Anspruch auf ihre Fortsetzung. Das Urteil ist rechtskräftig geworden, nachdem die Beigeladenen in der öffentlichen Sitzung des Oberlandesgerichts {} vom 07.12.2001 ein Versäumnisurteil (4 U 22/01) gegen sich ergehen lassen haben.

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Die Klägerin setzt sich nunmehr mit der nach Abschluss des landwirtschaftsgerichtlichen Verfahrens erhobenen Behauptung der Beigeladenen auseinander, die streitbefangenen Flächen hätten im Zeitpunkt der Pachtrückgabe nicht mehr der Milcherzeugung gedient. Sie hält diesen Vortrag für nicht nachvollziehbar und bestreitet ihn. Eine signifikante Änderung der Bodennutzung sei nicht ersichtlich. Die Beigeladenen hätten im Verfahren bisher zum Ausdruck gebracht, dass es sich um Milcherzeugungsflächen gehandelt habe. Da die Beigeladenen Futter zugekauft hätten, müssten sie sich so behandeln lassen, als hätten sie das auf den streitbefangenen Flächen erwirtschaftete Getreide verfüttert.

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Die Klägerin beantragt,

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1. den an die Beigeladenen gerichteten Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 08.06.2000 und den an die Klägerin gerichteten weiteren Bescheid der Beklagten vom 08.06.2000 aufzuheben, mit dem diese die an die Klägerin gerichtete Bescheinigung vom 21.02.2000 über den Übergang einer Referenzmenge in Höhe von 13.500 kg von den Beigeladenen auf die Klägerin aufgehoben hat;

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2. ihr zu gestatten, eine zulässige und erforderliche Sicherheit durch Beibringung einer Bankbürgschaft stellen zu dürfen.

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Die Beklagte stellt keinen Antrag.

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Die Beigeladenen beantragen,

16

die Klage abzuweisen.

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Sie sind der Auffassung, der Widerspruchsbescheid sei jedenfalls im Ergebnis richtig, da die Flächen in der Fruchtfolgeperiode, die ihrer Rückgabe vorangegangen sei, nicht mehr der Milcherzeugung gedient hätten. Im Jahr 1997 habe man auf 1,4 ha Winterraps und auf 4,0009 ha Wintergerste angebaut, im Jahr 1998 habe auf dem kleineren Flurstück Winterweizen und auf dem größeren Winterraps gestanden. 1999 sei auf beiden Teilflächen Winterweizen angebaut worden. Das Stroh sei jeweils gehäckselt und untergepflügt bzw. in geringem Umfang verkauft worden. Man habe keine Zwischenfrüchte angebaut und weder Gerste noch Weizen im Betrieb verfüttert. Das Getreide sei vielmehr gesondert geborgen, auf einer Althofstelle gesondert gelagert und vollständig verkauft worden. Soweit im Betrieb an die Kühe Getreide verfüttert worden sei, sei es zugekauft und in einem gesonderten Silo gelagert worden.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte des Amtsgerichts {} zum Aktenzeichen 6 Lw 1/2001 sowie die beigezogenen Akten der Beklagten und des Amtes für Agrarstruktur {} Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

20

Sie ist zulässig. Klagegegenstand ist zum einen der an die Beigeladenen gerichtete Widerspruchsbescheid vom 08.06.2000, der für die Klägerin erstmalig eine Beschwer enthält (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Diese liegt darin, dass die Beklagte gegenüber den Widerspruch führenden Beigeladenen zum Ausdruck bringt, dass die der Klägerin erteilte Bescheinigung über den Übergang einer Milch-Referenzmenge vom 21.02.2000 rechtswidrig sei und aufgehoben werde. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist es zulässig, einen solchen Widerspruchsbescheid auch dann anzufechten, wenn gleichzeitig ein weiterer Bescheid ergeht, der die eigentliche Regelung - die Aufhebung der MGV-Bescheinigung - enthält.

21

Diese in dem weiteren Bescheid vom 08.06.2001 enthaltene Regelung ist gleichfalls Gegenstand der Anfechtungsklage. Die Klägerin durfte den Bescheid anfechten, ohne zuvor gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Zwar handelt es sich weder um einen Widerspruchs- noch um einen Abhilfebescheid im Sinne von § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO, da er nicht an die Widerspruch führenden Beigeladenen gerichtet ist. Der Bescheid enthält jedoch für die Klägerin eine selbständige Beschwer - die Aufhebung der MGV-Bescheinigung -, so dass die Konstellation mit denjenigen vergleichbar erscheint, in denen die herrschende Meinung, der die Kammer folgt, ein Vorverfahren aus Gründen der Prozessökonomie für verzichtbar hält (vgl. die Nachweise bei Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 68 Rn. 22 ff.). Darüber hinaus hat die Beklagte die Klägerin über die Möglichkeit der Erhebung einer Klage belehrt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie die Durchführung eines Vorverfahrens für entbehrlich hält. In vergleichbaren Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht gegen die Zulässigkeit von Klagen keine Bedenken gehabt (Urt. v. 13.01.1971 - V C 70.70 -, BVerwGE 37, 87, 88 und v. 19.01.1972

22

- V C 10.71 -, BVerwGE 39, 261, 265).

23

Die Klage ist auch begründet. Die Aufhebung der geltendem Recht entsprechenden Bescheinigung über den Übergang einer Milch-Referenzmenge vom 21.02.2000 durch die angefochtenen Bescheide ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtslage für den hier streitigen Referenzmengen-Übergang ist neben dem Recht der Europäischen Union die Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV -) vom 25.5.1984 (BGBl. I S. 720) in der hier anwendbaren Fassung der 33. Verordnung zur Änderung der MGV vom 25.3.1996 (BGBl. I S. 535). Die MGV ist in der genannten Fassung gemäß § 28 a der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12.01.2000 (BGBl. I S. 27) in der Fassung vom 06.02.2002 (BGBl. I S. 586; ZAbgV) auch nach deren In-Kraft-Treten zum 01.04.2000 anwendbar. Danach sind die bisherigen Vorschriften in der jeweils geltenden Fassung weiter anzuwenden, soweit Anlieferungs-Referenzmengen aufgrund anhängiger Verfahren ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit neu zu berechnen sind.

25

Nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MGV hat der Milcherzeuger dem Käufer in den Fällen des Übergangs von Referenzmengen durch eine von der zuständigen Landesstelle - hier: der Beklagten - ausgestellte, mit Gründen versehene Bescheinigung nachzuweisen, welche Referenzmengen zu welchem Zeitpunkt von welchem Milcherzeuger mit welchem Referenzfettgehalt auf ihn übergegangen sind. Als Rechtsgrundlagen für die der Klägerin erteilte Bescheinigung vom 21.02.2000 kommen Artikel 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 vom 28.12.1992 (Amtsblatt EG Nr. L 405/1) i.V.m. § 7 MGV in der Fassung der 33. Änderungsverordnung (a.a.O.) in Betracht. Diese Vorschriften galten im maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Pachtverhältnisses und der Rückgabe der Pachtflächen zum 01.10.1999 (vgl. die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG Lüneburg: OVG Lüneburg, Urteil vom 10.09.1998

26

- 3 L 3608/96 -; BVerwG, Urteil vom 22.01.1998 - 3 C 50.96 -, DVBl 1998, 537; die Änderung von Art. 7 Abs. 1 durch Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor - Amtsblatt Nr. L 160 vom 26.06.1999 S. 73 - gilt nach Art. 4 der Verordnung erst ab dem 01.04.2000).

27

In Artikel 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 ist u. a. geregelt, dass die Referenzmenge eines Betriebes bei Verpachtung nach Bedingungen, die von den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der für die Milcherzeugung verwendeten Flächen oder nach anderen objektiven Kriterien und gegebenenfalls einer Vereinbarung zwischen den Parteien festgelegt werden, mit dem Betrieb auf die Erzeuger übertragen wird, die den Betrieb übernehmen. Zwar handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Referenzmengenübergang aus Anlass der Übertragung eines Betriebes. Es liegt indes ein vergleichbarer Fall i.S.d. Artikel 7 Abs. 1 S. 3 der Verordnung vor, da der Besitz an Produktionseinheiten, die der Milcherzeugung dienen, im Hinblick auf die Beendigung eines Pachtverhältnisses wechselt, also zurückgegeben wird (BVerwG, Urteil vom 22.01.1998, a.a.O.). Voraussetzung für den Referenzmengenübergang ist nach dieser Vorschrift zunächst der Wechsel des Besitzes an Produktionseinheiten, der hier mit der Rückgabe der Pachtflächen zum 01.10.1999 eingetreten ist.

28

Die Beigeladenen haben im Verfahren die Auffassung vertreten, das zwischen ihnen und der Klägerin bestehende Pachtverhältnis sei weder durch Zeitablauf noch durch Kündigung beendet worden. Es erscheint bereits höchst fraglich, ob es hierauf ankommt, den der Referenzmengen-Übergang vollzieht sich - wie dargelegt - mit der tatsächlichen Rückgabe der Pachtflächen. Auf die Frage, ob der Pächter aus Rechtsgründen befugt ist, die Flächen weiter zu nutzen, dürfte es daher gar nicht ankommen. Dies kann jedoch dahinstehen, da entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen das zwischen letzteren und der Klägerin bestehende Pachtverhältnis mit Ablauf des 30.09.1999 beendet worden ist. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob zwischen dem Beigeladenen zu 1. bzw. der GbR und der Klägerin überhaupt Pachtverhältnisse bestanden haben.

29

Die Beigeladenen stützen ihre Auffassung auf § 12 Nr. 2 der Pachtverträge, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die einmalige Fortsetzung des Pachtverhältnisses für 12 Jahre verlangt werden konnte. Das Amtsgericht {} - Landwirtschaftsgericht - hat hierzu in seinem rechtskräftigen Urteil vom 25.04.2001 - 6 Lw 1/2002 - ausgeführt, die Fortsetzung von Pachtverhältnissen komme nach dem Regelungszusammenhang von § 12 Abs. 2 und von § 12 Abs. 1 S. 3 der Pachtverträge nur in Betracht, wenn dem Pächter während der Pachtzeit Produktionsberechtigungen zugeteilt worden seien. Die auf die Pachtgrundstücke bezogenen Milch-Referenzmengen seien dem Beigeladenen zu 2. jedoch bereits zu Beginn der Geltung der Milchquotenregelungen im Jahr 1984 - und damit nicht während der Pachtzeit - zugeteilt worden, so dass eine Fortsetzung der Pachtverhältnisse nach den genannten Regelungen nicht in Betracht komme und diese beendet seien. Diese Rechtsauffassung teilt die Kammer.

30

Weitere Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der der Klägerin erteilten Bescheinigung vom 21.02.2000 ist, dass die Pachtflächen im Zeitpunkt der Rückgabe für die Milcherzeugung verwendet wurden.

31

Zur Milcherzeugung verwendete Flächen sind solche, die in einem zumindest mittelbaren funktionalen Zusammenhang zur Milcherzeugung stehen. Insoweit gehören auch Hof-, Gebäude- und Wegeflächen eines landwirtschaftlichen Betriebes zu den für die Milcherzeugung verwendeten Flächen (EuGH, Urteil vom 17.09.1992 - Rs. C 79.91 -, AgrarR 1993, 19). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung sind auch diejenigen landwirtschaftlichen Nutzflächen als für die Milcherzeugung verwendete Flächen anzusehen, auf denen weibliches Jungvieh gehalten oder von denen weibliches Jungvieh mit Gras, Heu oder Silage gefüttert worden ist, wenn das Jungvieh auch der eigenen Bestandsergänzung dient, weil auch in einem solchen Fall von einem mittelbaren Beitrag zur Milcherzeugung ausgegangen werden muss (OVG Lüneburg, Urteil vom 10.09.1998

32

- 3 L 3608/96 -, UA S. 15 m.w.N.). Der Bezug zur Milcherzeugung fehlt demgegenüber immer dann, wenn die betreffenden Parzellen ausschließlich zu anderen Zwecken oder gar nicht genutzt worden sind. Maßgeblich für die Flächencharakterisierung ist die tatsächliche Nutzung, d. h. die Realisierung des Zwecks „Milcherzeugung“ im weitesten Sinne (BVerwG, Urteil vom 01.09.1994 - 3 C 1.92 - , BVerwGE 96, 337, 341 m.w.N.; Urteil vom 22.01.1998

33

- 3 C 50.96 -, DVBl 1998, 537, 538).

34

Die Kammer vertritt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z. B. Urteil vom 01.09.1994, a.a.O.) und des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (z. B. Urteil vom 10.09.1998, a.a.O., UA S. 13) die Auffassung, dass aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung für die Nutzung der zu einem Milchvieh haltenden landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Nutzflächen (Acker- und Grünland) zur Milcherzeugung eine tatsächliche Vermutung spricht. Diese (widerlegliche) Vermutung führt zwar nicht zu einer Beweislastumkehr, denn dafür hätte es einer entsprechenden Stütze in einer Rechtsnorm bedurft. Der aus einem allgemeinen Erfahrungssatz abgeleiteten tatsächlichen Vermutung kommt aber im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Beweiswürdigung Bedeutung zu. Die Vermutung gilt gleichermaßen für Eigentums- wie für Pachtflächen, weil praktisch jede landwirtschaftliche Nutzfläche zur Futtergewinnung für das Milchvieh genutzt werden kann und in den Milchvieh haltenden Betrieben unabhängig davon, ob es sich um eine Eigentums- oder Pachtfläche handelt, in der Regel auch genutzt wird. Für Ackerflächen folgt dies daraus, dass auf ihnen im Rahmen wechselnder Fruchtfolge im Hauptfutterbau oder Zusatzfutterbau (Zwischenfruchtbau) regelmäßig Futter für das Milchvieh gewonnen wird. Dabei reicht es aus, dass die Fläche während des Pachtverhältnisses im Rahmen der wechselnden Fruchtfolge in einem Jahr zur Milcherzeugung des Pächters beigetragen hat und anschließend nicht aus der die Milcherzeugung einschließenden Fruchtfolge herausgenommen worden ist. Dieses Herausnehmen kann nur durch die Darlegung einer signifikanten Änderung der Bodennutzung dokumentiert werden, die eine turnusmäßige Wiederaufnahme der Milcherzeugung ausschließt oder zumindest nicht erwarten lässt (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.09.1999 - 2 L 143/98 -, RdL 2000, 37). Maßgeblicher Beurteilungszeitraum ist dabei die gesamte Pachtdauer (BVerwG, Urteil vom 02.12.1993 -3 C 82.90 -, Buchholz 451.512 MGV Nr. 85; OVG Lüneburg, Urteil vom 10.09.1998, a.a.O., UA S. 14, 15, 17). Eine signifikante Änderung der Bodennutzung ist etwa dann denkbar, wenn infolge einer Verlegung von Produktionsstätten, z. B. Aussiedlung oder Erwerb bzw. Zupacht neuer Flächen, eine Umstrukturierung eines Betriebes vorgenommen wird. Dagegen sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, wenn angesichts der anstehenden Rückgabe von Pachtflächen innerhalb des Zeitraums einer üblichen Fruchtfolge von drei oder vier Jahren auf diesen Flächen nur noch Marktfrüchte angebaut werden, ohne im Übrigen die Betriebsstruktur zu verändern (OVG Schleswig-Holstein, a.a.O.).

35

Die Kammer schließt sich des Weiteren der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 22.12.1994 - 3 C 24.92 -, Buchholz 451.512 MGV Nr. 104 m.w.N.) und des OVG Lüneburg (vgl. Urteil vom 10.09.1998, a.a.O., UA S. 15) an, wonach es für den Status einer Fläche als Milcherzeugungsfläche nicht darauf ankommt, ob sie durch ihre Nutzung zur Milcherzeugung einen Beitrag zu der auf den Milchlieferungen im Referenzjahr 1983 (Einführung der Milchkontingentierung) beruhenden Referenzmenge geleistet hat. Als Milcherzeugungsflächen haben auch solche Flächen zu gelten, auf denen erst nach Inkrafttreten der Milchkontingentierung die Milcherzeugung aufgenommen und nicht eindeutig wieder aufgegeben worden ist. Entscheidend ist mithin nicht, ob die Beigeladenen die von der Klägerin gepachteten landwirtschaftlichen Nutzflächen zu einem bestimmten Zeitpunkt, etwa zu Pachtbeginn oder -ende bzw. der Einführung der Milchkontingentierung, zur Milcherzeugung genutzt haben, sondern ob sie sich im Zeitpunkt der Rückgabe als Milcherzeugungsflächen darstellen, mit anderen Worten, ob sie rückschauend während der Pachtzeit nicht nur unbedeutend zur Milcherzeugung genutzt worden sind und diese Nutzung nicht signifikant durch objektiv nachprüfbare Kriterien vor der Rückgabe wieder aufgegeben worden ist.

36

Die Beigeladenen behaupten, die Pachtflächen hätten im Fruchtfolgezeitraum vor ihrer Rückgabe nicht mehr der Milcherzeugung gedient. Sie geben an, das angebaute Getreide sei gesondert gelagert und vollständig verkauft worden. Das Stroh sei nicht als Einstreu für das Milchvieh benutzt, sondern gehäckselt und untergepflügt bzw. teilweise an andere Landwirte verkauft worden. Der Beigeladene zu 1. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, in dem landwirtschaftlichen Betrieb werde selbst geerntetes und zugekauftes Getreide in zwei Betriebsstätten getrennt gelagert und aufbereitet. Das selbst geerntete Getreide sei im fraglichen Zeitraum ausschließlich zur Althofstelle gebracht worden. Abgesehen davon, dass der Beigeladene zu 1. den Anlass für eine solche Verfahrensweise nicht näher dargelegt hat, erscheint es dem Gericht wenig lebensnah, dass tatsächlich eine so strikte Trennung des Getreides praktiziert worden ist. Selbst wenn dies jedoch der Fall gewesen sein sollte, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht auszuschließen, dass Teile des Getreides als Futter für das Milchvieh gedient haben. Der Beigeladene zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung auf mehrfaches Nachfragen und entgegen dem bisherigen Vortrag der Beigeladenen eingeräumt, ein Teil der (schlechten) Ernte des Jahres 1996 sei 1997 verfüttert worden. Zwar hat er hinzugesetzt, dabei habe es sich nicht um Getreide gehandelt, dass auf den streitbefangenen Flächen geerntet worden sei. Es ist ihm jedoch auch insoweit nicht gelungen, seine Behauptung näher zu substanziieren. Selbst wenn man den Vortrag der Beigeladenen zugrunde legt, erscheint eine signifikante Änderung der Bodennutzung nicht ausreichend dargelegt. Eine Veränderung der Betriebs-Struktur im oben genannten Sinne ist offensichtlich nicht vorgenommen worden.

37

Hinzu kommt, dass die Beigeladenen im Zivilprozess zum Ausdruck gebracht haben, dass es sich bei den Flächen um Milcherzeugungsflächen gehandelt habe. So haben sie durch Schreiben vom 15.11.1999 (Beiakte B Bl. 31, 32) ausgeführt, sie seien weiterhin auf die Bewirtschaftung der Flächen und die Bedienung der Milchquote angewiesen. Sie behielten sich vor, die Kosten für die Beschaffung einer Milch-Referenzmenge auf dem privaten Markt - sc.: im Wege des Schadensersatzes - einzufordern. Durch Schreiben vom 06.03.2001 (Beiakte B Bl. 59, 61) haben sie vorgetragen, die klagende Gesellschaft werde im Verwaltungsrechtsstreit nur obsiegen können, wenn sie auch die Fläche, an die die Milch-Referenzmenge gebunden sei, behalte. Deshalb könnten sich die Dinge denknotwendig nur so lösen, dass sie die Milch-Referenzmenge und die Pachtfläche behielten. Diese Äußerungen stehen in einem nicht zu lösenden Gegensatz zu ihrer gegenwärtigen Behauptung, die Flächen hätten nicht der Milcherzeugung gedient. Es ist den Beigeladenen nach alledem nicht gelungen, die o. g. Vermutung zu widerlegen.

38

Die Pächterschutzregelung hat die Beklagte in dem Bescheid vom 21.02.2000 bereits berücksichtigt; sie ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3 sowie auf § 162 Abs. 3 VwGO. Den Beigeladenen wird je ein Viertel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt, weil sie einen Sachantrag gestellt haben und unterlegen sind. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beigeladenen selbst, da es dem Gericht unbillig erscheint, die Beklagte teilweise mit diesen Kosten zu belasten.

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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 167, 173 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.