Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.01.2001, Az.: 2 W 1/01

Gründe für die Versagung der Zulassung sofortige weitere Beschwerde gegen die Anordnung von Haft zur Erzwingung der Mitwirkung des Schuldners; Fall der Nichtverletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die Anordnung derartiger Maßnahmen; Pflichten des Schuldners im Insolvenzverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.01.2001
Aktenzeichen
2 W 1/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 29115
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2001:0110.2W1.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 16.12.2000 - AZ: 3 T 95/00

Fundstellen

  • DZWIR 2002, 433-434
  • InVo 2002, 410-412
  • NZI 2001, 149-150
  • ZInsO 2001, 144 (amtl. Leitsatz)
  • ZInsO 2001, 322-323 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine sofortige weitere Beschwerde gegen die Anordnung von Haft zur Erzwingung der Mitwirkung des Schuldners gemäß §§ 20 Satz 2, 22 Abs. 3 Satz 3, 97, 98 InsO ist nicht zuzulassen, wenn in der Beschwerdeschrift ein ausdrücklicher Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde fehlt und aus dem Inhalt der Beschwerdeschrift im Übrigen auch nicht hervorgeht, dass der Schuldner eine Gesetzesverletzung geltend macht, die die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung des Beschwerdegerichts zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich macht.

  2. 2.

    Die sofortige weitere Beschwerde gegen die Anordnung von Haft zur Erzwingung von Auskünften und der Mitwirkung des Schuldners im Eröffnungsverfahren ist zulässig und kann mit der sofortigen Beschwerde gemäß §§ 20 Satz 2, 98 Abs. 3 Satz 3, 6 Abs. 1 InsO ungeachtet der sonstigen Unanfechtbarkeit von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren angefochten werden.

  3. 3.

    Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die Anordnung von Haft zur Erzwingung der Mitwirkung des Schuldners liegt nicht vor, wenn der Schuldner bei seiner persönlichen Anhörung durch das Insolvenzgericht nach Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Beugehaft Auskünfte verweigert hat und auch schriftlich sowie gegenüber dem vom Insolvenzgericht bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter nicht bereit gewesen ist, vorbehaltlos und umfassend über die Lage und den Verbleib seines Auslandsvermögens konkrete Auskünfte zu erteilen.

In dem Verbraucherinsolvenzeröffnungsverfahren hat
der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners vom 20. Dezember 2000
gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 16. Dezember 2000
durch
die Richter am Oberlandesgericht ..., ... und ...
am 10. Januar 2001
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Die sofortige weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf 1.500 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der aus ... stammende Schuldner, der im Alter von 11 Jahren in die Bundesrepublik gekommen ist, hat aus einer früheren selbstständigen Tätigkeit in den neuen Bundesländern Steuerverbindlichkeiten in Höhe von mehr als 5 Mio. DM, die entstanden sind, weil er nach eigenen Angaben ganz bewusst Gewinne, die er im Rahmen von Immobiliengeschäften gemacht hat, nicht versteuert hat. Gegen ihn wird auf Antrag der Finanzverwaltung seit Oktober 1999 ein Insolvenzeröffnungsverfahren (Verbraucherinsolvenzverfahren) geführt, in dem das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 17. Mai 2000 einen vorläufigen Treuhänder mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bestellt hat, dem die Aufgabe übertragen worden ist, zu überprüfen, ob das Vermögen des Antragstellers die Kosten des Verfahrens deckt.

2

Nach einer vom Antragsteller im Rahmen der Vollstreckung der gegen ihn gerichteten Steuerbescheide am 24. November 1998 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung gemäß § 284 AO verfügt der Antragsteller, der mit seiner Ehefrau 1994 Gütertrennung vereinbart hat:, in Deutschland über kein Vermögen. Er besitzt aber nach eigenen Angaben einen Bargeldbetrag in Höhe von 2,6 Mio. E.C.-Dollar in seinem Herkunftsland .... Außerdem verfügt er nach seinen Angaben über ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in ....

3

Während des inzwischen weit länger als ein Jahr laufenden Eröffnungsverfahrens hat der Schuldner sich allen Bemühungen wiedersetzt, genauere Auskünfte über sein Auslandsvermögen zu erlangen. Weder gegenüber der vom Insolvenzgericht zunächst bestellten Gutachterin, noch gegenüber dem später bestellten vorläufigen Treuhänder hat er konkrete Angaben über den Verbleib seines Vermögens gemacht. Eine Anhörung des Insolvenzgerichts vom 10. Mai 2000, in der er eingehend auf die Strafbarkeit wegen der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung und die mögliche Anordnung von Beugehaft hingewiesen worden ist, hat er ebenfalls nur hinhaltend erklärt, sich zu überlegen, ob er bei der Herbeischaffung seines Auslandsvermögens behilflich sein würde, nachdem er gegenüber der Sachverständigen erklärt hatte, "er werde den Deubel tun", bei der Herbeischaffung der Masse mitzuwirken. Nachdem weitere Versuche des vorläufigen Treuhänders, vom Schuldner Auskünfte über sein Vermögen zu erhalten, gescheitert sind, hat dieser in seinem abschließenden Gutachten empfohlen, das Verfahren mangels einer die Kosten deckenden freien Masse nicht zu eröffnen.

4

1.

Das Insolvenzgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 29. November 2000 angeordnet, den Schuldner zu Erzwingung seiner Mitwirkung im Verfahren in Beugehaft zu nehmen. Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner mit der Begründung, seine Mitwirkungspflicht überhaupt nicht verletzt zu haben, da er angegeben habe, das Bargeld - nach deutschem Geld einen Betrag von etwa 1,5 Mio. bis 1,9 Mio. DM - auf einer vulkanischen Insel in ... "verbuddelt" zu haben und bereit zu sein, nach ... zu fahren und die Stelle zu zeigen, an der das Geld liege. Außerdem sei er auch bereit, dem Treuhänder jede Vollmacht zu erteilen, soweit nur genau bestimmt werde, welche Vollmacht überhaupt von ihm verlangt werde. Im Hinblick auf diese Bereitschaft sei der Erlass eines Haftbefehls vollkommen unverhältnismäßig.

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2.

Mit Beschluss vom 6. Dezember 2000 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen. Das Insolvenzgericht habe zu Recht Beugehaft angeordnet, da festgestellt werden könne, dass der Schuldner sich seinen Mitwirkungspflichten entziehe. Da das im Ausland befindliche Vermögen des Schuldners zur Insolvenzmasse gehöre, sei der Schuldner verpflichtet, die Vermögensgegenstände durch geeignete Maßnahme dem Zugriff des Treuhänders zu erschließen. Seine Mitwirkung erschöpfe sich deshalb nicht in der bloßen Auskunftserteilung, vielmehr müsse er dem Treuhänder die erforderlichen Vollmachten erteilen, um ihn in die Lage zu versetzen, auf das Auslandsvermögen zuzugreifen. Insoweit verweigere der Schuldner jedoch seine Mitwirkung. Bezüglich seines Grundbesitzes fehlten jegliche Angaben zum Ort und Umfang des Grundbesitzes, der Art der Bebauung und evtl. Belastungen. Hinsichtlich des Versteckes seines Geldes mache der Schuldner ebenfalls keine Angaben, die es einem Dritten ermöglichen würden, das Geld aufzufinden. Im Hinblick auf diese fehlenden Angaben des Schuldners bezüglich seines Vermögens und seine Ankündigung gegenüber dem Treuhänder bei der Beschaffung seines Vermögens gar nicht mitwirken zu wollen, rechtfertige die Verweigerungshaltung des Schuldners die Anordnung von Beugehaft.

6

II.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er erneut geltend macht, dass die Anordnung von Beugehaft unverhältnismäßig sei, da er während des Verfahrens stets erklärt habe, zur Mitwirkung im Verfahren bereit zu sein. Er sei bislang nicht einmal dazu aufgefordert worden, die genaue Lage seines Grundbesitzes bekannt zu geben. Konkrete Vollmachten seien von ihm nicht verlangt worden. Auch bestehe keine Fluchtgefahr, da er in der Bundesrepublik schulpflichtige Kinder habe.

7

III.

Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners, der ein gemäß § 7 Abs. 1 InsO erforderlicher Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels fehlt, ist nicht zuzulassen.

8

1.

Zwar kann der Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde auch schlüssig gestellt werden, wenn sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt, dass mit dem Rechtsmittel das Vorliegen einer Gesetzesverletzung gerügt werden soll, deren Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (s. BayObLGZ 1999, 370; OLG Gelle, ZIP 2000, 707; OLG Dresden, NJW-RR 2000, 579 [OLG Dresden 12.10.1999 - 7 W 1754/99]; OLG Karlsruhe NZI 2000, 163; OLG Köln NJW-RR 2000, 427 [OLG Köln 29.12.1999 - 2 W 188/99] = ZInsO 2000, 43[OLG Köln 29.12.1999 - 2 W 188/99]; Pape, NJW 2001, 23 ff., 25). Die Annahme eines schlüssig gestellten Antrages auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde setzt aber voraus, dass in der Beschwerdeschrift ausgeführt wird, worin die Gesetzesverletzung bestehen soll (dazu Prütting, in: Kübler/Prütting, InsO, 8. Lfg. 11/00, § 7 Rn. 22 ff.) und aus welchen Gründen die Zulassung des Rechtsmittels zur' Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (dazu Kirchhof in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 7, Rn. 23 f.; Pape, NJW 2001, 25). Angaben zu diesem für die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde entscheidenden Gesichtspunkten fehlen jedoch in der Beschwerdebegründung vom 20. Dezember 2000 völlig.

9

2.

Zwar ist die sofortige Beschwerde gegen die Anordnung von Beugehaft zur Erzwingung der Mitwirkung des Schuldners im Eröffnungsverfahren, unbeschadet der sonstigen Unanfechtbarkeit von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren (dazu OLG Köln, ZInsO 2000, 104[OLG Köln 03.01.2000 - 2 W 224/99] - ZIP 2000, 552; OLG Köln, ZIP 2000, 462; OLG Brandenburg, DZWIR 2000, 301; Pape, in: Kubier/ Prütting, InsO, 6. Lfg., § 34 Rn. 5 ff.) zulässig, weil § 20 Satz 2 InsO bezüglich der Durchsetzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners im Eröffnungsverfahren auf § 98 InsO verweist und gemäß § 98 Abs. 3 Satz 3 InsO die Anordnung von Haft mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann (s. auch OLG Naumburg, ZInsO 2000, 562[OLG Naumburg 24.08.2000 - 5 W 98/00]; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 20 Rn. 17; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, 8. Lfg., § 20 Rn. 13 b bis d, Wittkowski, in: Nerlich/Römermann, InsO, 2. Lfg., 5/00, § 98 Rn. 6), sodass es für die Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde hier auf die Frage, ob das Rechtsmittel überhaupt statthaft ist, weil bereits die Entscheidung des Beschwerdegerichts unanfechtbar ist (dazu Pape, NJW 2001, 25 f.) nicht ankommt. Das Fehlen jeglicher Darlegungen zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen steht hier aber der Zulassung des Rechtsmittels entgegen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde werden nur die tatsächlichen Würdigungen des Beschwerdegerichts angegriffen, die jedoch im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht überprüfbar sind.

10

3.

Eine Rechtsverletzung ergibt sich auch nicht mittelbar aus dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift vom 20. Dezember 2000. Rechtsverletzungen sind bei den Entscheidungen des Landgerichts und des Insolvenzgerichts nicht zu erkennen. Die umfassenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners bestehen nach der Neuordnung des Insolvenzverfahrens schon im Eröffnungsverfahren, wie sich aus den §§ 20, 22 Abs. 3 InsO ergibt (dazu eingehend Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, 8. Lfg., § 20 Rn. 6 ff.). Der Schuldner hat sich diesen Pflichten offenkundig während des gesamten Verfahrens entzogen, in dem er weder konkrete Angaben zu dem Ort gemacht hat, an dem er sein Bargeld in Grenada versteckt hat, noch seinen Grundbesitz näher bezeichnet und beschrieben hat. Seine Ausführungen, zu derartigen konkreten Angaben niemals aufgefordert worden zu sein, sind Ausflüchte. Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der im Rahmen der Anordnung von Zwangsmitteln zur Erzwingung von Auskünften und Mitwirkungshandlungen des Schuldners auch im Eröffnungsverfahren zu beachten ist (s. OLG Naumburg, ZInsO 2000, 562[OLG Naumburg 24.08.2000 - 5 W 98/00]; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung § 20 Rn. 17; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 20, 8. Lfg., § 20 Rn. 13 b) ist nicht festzustellen, nachdem der Schuldner im Eröffnungsverfahren ausdrücklich erklärt hat, nicht daran zu denken, bei der Beschaffung seines Ausgleichsvermögens mitzuwirken, und auch bei seiner Anhörung durch das Insolvenzgericht trotz eindringlicher Belehrungen keine konkreten Auskünfte gegeben hat. Weniger einschneidende Mittel, die den Schuldner zur Mitwirkung bewegen könnten, sind nicht ersichtlich. Auch insoweit bestehen deshalb keine Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen, die Grund für eine Zulassung des Rechtsmittels sein könnten.

11

IV.

Da die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners bereits nicht zuzulassen war, musste der Senat die Beschwerde selbst als unzulässig verwerfen.

12

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

13

[...].

Streitwertbeschluss:

Der Beschwerdewert wird auf 1.500 DM festgesetzt.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes ist in Übereinstimmung mit der nicht angegriffenen Wertfestsetzung durch das Beschwerdegericht erfolgt.