Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.01.2001, Az.: 15 WF 15/01

Prozesskostenhilfe; Beistandschaft ; Jugendamt ; Auskunftspflicht; Rechnungslegung ; Dienstaufsichtsbeschwerde

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.01.2001
Aktenzeichen
15 WF 15/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 11656
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2001:0130.15WF15.01.0A

Fundstelle

  • FamRZ 2001, 706-707 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Der gesetzliche Vertreter eines Kindes kann vom Jugendamt als Beistand nicht im Wege der Klage vor dem Familiengericht Auskunft über die Führung der Beistandschaft verlangen.

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht aufgehoben.

Gründe

1

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, die zum Ziel hat, das Jugendamt, das gemäß Art. 223 Abs. 1 S. 1, 2 EGBGB, § 1712 BGB Beistand für ihre am 30. Dezember 1988 nichtehelich geborene Tochter ist, zu verpflichten, durch Hergabe einer dataillierten Übersicht Auskunft über die Unterhaltsrückstände des Kindesvaters zu erteilen, und festzustellen, dass das Jugendamt verpflichtet sei, sie über alle im Rahmen der Beistandschaft wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten, insbesondere ihr von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben.

2

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat der Antragstellerin Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, dass die Auskunft bereits teilweise erteilt sei und im Übrigen von deren Ergänzung innerhalb kurzer Zeit ausgegangen werde. Das Feststellungsbegehren habe mangels Anspruchsgrundlage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

3

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel weiter. Sie macht geltend, eine nach Einlegung der Beschwerde vom Beistand erstellte Übersicht, aus der die Unterhaltsfestsetzungen und -zahlungen sowie deren Aufteilung auf Unterhaltsvorschussleistungen, Sozialhilfeleistungen und Auskehrungen an die Antragstellerin hervorgehen, sei ungenügend, weil sich daraus nicht die Gründe dafür ergäben, warum die Unterhaltszahlungen hinter den Unterhaltsfestsetzungen zurückblieben. Der Anspruch auf laufende Unterrichtung stehe ihr zu, weil die Vorschriften über den Auftrag entsprechend anzuwenden seien.

4

Der Senat teilt die vom Amtsgericht zum Feststellungsbegehren vertretene Rechtsansicht. Diese trifft indessen aber auch hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs zu. Was die Antragstellerin letztlich begehrt, ist eine laufende Rechnungslegung durch den Beistand. Hierfür ist eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich.

5

Nach dem bis zum 30. Juni 1998 geltenden Recht bestand für nichtehelich geborene Kinder eine gesetzliche Amtspflegschaft des Jugendamts §§ 1706 ff. BGB, auf die gemäß den §§ 56 SGB VIII a. F. , § 1915 Abs. 1 BGB das Vormundschaftsrecht Anwendung fand. Es ist in der Literatur sehr umstritten, ob sich aus der Vorschrift des § 1840 BGB, die die Rechnungslegung des Vormundes gegenüber dem Vormundschaftsgericht regelt, ein Anspruch des Mündels herleiten lässt, den Vormund selbst im Klagewege auf Rechnungslegung in Anspruch zu nehmen (vgl. die Nachweise bei Staudinger/Engler, Rn. 26 zu § 1840 BGB). Diese Streitfrage kann indessen auf sich beruhen, weil das Jugendamt als Vormund bzw. Pfleger gem. den §§ 1857 a, 1854 BGB kraft Gesetzes (Palandt/Diederichsen, Rn. 1 zu § 1857 a BGB) von der Rechnungslegung befreit ist und deshalb ein Anspruch des Mündels bzw. Pflegebefohlenen nicht bestehen kann.

6

Durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Beistandschaftsgesetz ist die bisherige Amtspflegschaft weggefallen. An ihre Stelle ist die Beistandschaft gem. § 1712 BGB getreten. Auf diese sind gemäß den §§ 56 SGB VIII n. F. 1716 Satz 2 BGB die Vorschriften über die Pflegschaft mit Ausnahme derjenigen über die Aufsicht des Vormundschaftsgerichts und die Rechnungslegung sinngemäß anzuwenden. Damit besteht weiterhin kein klagbarer Anspruch des Kindes oder seiner gesetzlichen Vertreterin gegen den Beistand auf Rechnungslegung. Das ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zum Beistandschaftsgesetz (BTDrucks. 13/892 S. 50). Dort hat der Gesetzgeber den Wegfall der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts damit begründet, dass sie sich im Wesentlichen darauf beschränken würde, 'Beschwerden über das Verhalten von Jugendamtsmitarbeitern nachzugehen, etwa dem Vorwurf unzureichenden oder auch zu nachdrücklichen Einsatzes für die Belange des Antragstellers. Derartige Beschwerden sollten aber vorrangig im Wege der allgemeinen behördlichen Aufsicht behandelt werden, zumal sie in der ganz überwiegenden Mehrzahl erfahrungsgemäß durch ein klärendes Gespräch mit den Beteiligten zu bereinigen sein dürften. '

7

Auch mit ihrem Argument, die Auskunftspflicht des Beistandes bestehe deshalb, weil die Vorschriften des Auftragsrechts (§§ 662 ff. BGB) entsprechend anzuwenden seien, kann die Antragstellerin nicht durchdringen. Dies würde das Bestehen vertraglicher Beziehungen zwischen ihr bzw. ihrer Tochter und dem Beistand voraussetzen. Solche bestehen indessen nicht. Bei der Beistandschaft handelt es sich vielmehr um eine Aufgabe der Jugendhilfe gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 11 SGB VIII. Sie ist vom Übernahmewillen des Jugendamts unabhängig, sondern setzt allein den Antrag eines Elternteils voraus und tritt dann von Gesetzes wegen ein.

8

Ob die Antragstellerin, wie vertreten wird (DIV-GutA v. 5. 4. 1993, DAVorm 1993, 408; DIV-GutA v. 15. 7. 1998, DAVorm 1998, 905), gemäß § 810 BGB einen Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen des Beistandes hat, kann vorliegend dahinstehen, weil sie eine solche Einsichtnahme prozessual nicht begehrt und aus § 811 BGB, wonach die Einsicht auf Kosten der Antragstellerin bei dem Antragsgegner zu erfolgen hat, folgt, dass die begehrte laufende Rechnungslegung auf Grund dieser Vorschrift nicht verlangt werden kann.

9

Nach alledem kann die Antragstellerin ihr Begehren allein im Wege der Dienstaufsichtsbeschwerde, nicht aber im Wege der Klage vor den ordentlichen Gerichten verfolgen.

10

Dass der Senat den angefochtenen Beschluss dennoch aufheben muss, hat seine Ursache darin, dass der allgemein an das Amtsgericht gerichtete Antrag in die Abteilung für Familiensachen gelangt und von der Familienrichterin beschieden worden ist. Eine Zuständigkeit des Familiengerichts ist indessen nicht gegeben, weil Familiensachen im Sinne der §§ 23b GVG, 621 ZPO nur solche in den genannten Vorschriften aufgeführte Streitigkeiten sind, an denen Ehegatten oder Eltern und Kinder (bzw. deren Rechtsnachfolger) beteiligt sind (vgl. Zöller/Philippi Rn. 2 und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann Rn. 1, jeweils zu § 621 ZPO). Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die geltend gemachten Ansprüche im weitesten Sinne die durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betreffen, was vorliegend auf sich beruhen kann, scheitert die Zuständigkeit des Familiengerichts daran, dass das Jugendamt als Beistand nicht zu dem genannten Personenkreis zählt.

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Das Familiengericht, an das die Sache zurückzuverweisen ist, wird sie, sofern die Antragstellerin ihr Begehren trotz der vorstehenden Ausführungen weiter verfolgen will, auf Antrag im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren an die Zivilprozessabteilung abzugeben haben, wo über das Prozesskostenhilfegesuch erneut zu entscheiden ist.

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