Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.05.2004, Az.: 13 U 219/03

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.05.2004
Aktenzeichen
13 U 219/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 42114
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2004:0527.13U219.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 18.11.2003 - AZ: 9 O 139/03
nachfolgend
BGH - 12.07.2007 - AZ: IX ZR 124/04

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2007, 704-705

In dem Rechtsstreit

...

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K., den Richter am Oberlandesgericht U. und den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. A. für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.November 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Lüneburg abgeändert.

  2. Die Klage wird abgewiesen.

  3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

  5. Die Revision wird nicht zugelassen.

  6. Wert der Beschwer: 1 763 316,74 Euro

Gründe

1

I.

Zur Sachverhaltsdarstellung wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

2

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte u. a. geltend, das Landgericht habe zu Unrecht das Vorliegen der Tatbestandselemente der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung gem. § 133 InsO angenommen. Insbesondere sei der Unternehmenskauf- und Einbringungsvertrag vom 31. März 2000 keine Rechtshandlung der Insolvenzschuldnerin zum Nachteil der Insolvenzgläubiger, sondern Teil eines Sanierungskonzepts für die gesamte M. Gruppe gewesen. Hiervon sei auch die Beklagte ausgegangen. Es fehle schon an der objektiven Gläubigerbenachteiligung sowie im subjektiven Sinne auch an der erforderlichen Kenntnis vom angeblichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin.

3

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

4

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

5

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

6

Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird im Übrigen Bezug genommen.

7

II.

Die Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil ist rechtsfehlerhaft, weil sich nicht feststellen lässt, dass die angefochtene Handlung die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin objektiv benachteiligt hat.

8

1) Als Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch kommen nur §§ 143, 133 Abs. 1 InsO in Betracht, weil anfechtbare Rechtshandlungen der Schuldnerin länger als drei Monate vor dem Insolvenzantrag zurückliegen.

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2) Anfechtbare Handlung i. S. von § 133 Abs.1 InsO kann nur der Vertrag vom 31. März 2000 sein. Dabei wird sich die Schuldnerin die Veräußerung der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten (§ 1 des Unternehmenskauf- und Übertragungsvertrags) ihrer Tochterunternehmen auch als eigene Rechtshandlung zurechnen lassen müssen, da diese ihre eigenen 100%igen Tochtergesellschaften entsprechend anweisen konnte. Abzustellen ist auf den Vertrag als Ganzes und nicht isoliert auf einzelne in diesem Vertrag enthaltene Rechtsgeschäfte. Die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise ergibt, dass die Parteien mit dem Vertrag ein Gesamtkonzept verfolgt haben, die einzelnen Regelungen voneinander anhängig waren und nur in ihrer Gesamtheit vereinbart worden sind.

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3) Wäre aber der Vertrag vom 31. März 2000 nicht abgeschlossen worden, wäre die den Gläubiger der Insolvenzschuldnerin zur Verfügung stehende Insolvenzmasse nicht werthaltiger als sie nach Abschluss des Vertrages ist. Es fehlt somit an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Dies folgt aus einer Gegenüberstellung des Vermögens der Schuldnerin vor und nach dem Unternehmenskauf- und Einbringungsvertrags vom 31. März 2000.

11

Aus dem vorgelegten Vertrag (§ 1 Abs. 3 und 4) ergibt sich, dass die Schuldnerin selbst eine Betriebs- und Geschäftsausstattung, sog. immaterielle Vermögensgegenstände sowie Beteiligungen an der H. W. -E. Handelsgesellschaft für Baustoffe mbH und der H. W. -E. Handelsgesellschaft für Baustoffe mbH & Co. KG hatte. Diese Werte hat sie zwar mit dem Vertrag weggegeben. Das kann aber schon deshalb außer Betracht bleiben, weil der Kläger die Rückübertragung dieser Werte nicht geltend macht. Sie sind auch nicht der Beklagten, sondern der N.C. übertragen worden. Zum Vermögen der Insolvenzschuldnerin gehören auch die Gesellschaftsanteile an ihren Tochtergesellschaften. Diese sind nicht übertragen worden. An ihrem Bestand hat sich also durch die angefochtene Handlung nichts geändert. Dass sie durch den Vertrag einen Wertverlust erlitten haben, der nicht durch eine Wertsteigerung der Anteile der Schuldnerin an der N.C. zumindest ausgeglichen worden ist, behauptet der Kläger nicht. Er trägt - trotz entsprechenden Hinweises - nichts dazu vor, dass es überhaupt zu einer Gläubigerbenachteiligung infolge von Wertverlusten der Gesellschaftsanteile gekommen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem Vertrag die Schuldnerin ihren Töchtern für die Übertragung des Vermögens einen Preis zu zahlen hatte, dessen Angemessenheit von niemand in Frage gestellt wird. Dass sich der Bestand der Insolvenzmasse sonst durch den Vertrag als Ganzes nachteilig verändert hat, ist nicht ersichtlich.

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Der Kläger sieht die Benachteiligung der Gläubiger darin, dass die von der Schuldnerin zu erbringende Gegenleistung dafür, dass ihre Töchter ihre Vermögensgegenstände auf die N.C. übertrugen, um die übernommenen Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten verringert worden sei. Darin liegt aber keine Benachteiligung der Gläubiger der Schuldnerin. Hätte die Schuldnerin den Vertrag nicht abgeschlossen, wären ihr und ihren Gläubigern von vornherein keine Vermögenswerte der Töchter zugute gekommen. Die Frage, ob eine Verrechnung mit Verbindlichkeiten für die Gläubiger nachteilig ist, stellt sich schon deshalb nicht. Unabhängig davon berücksichtigt der Kläger nicht, dass die durch die Verrechnung eingetretene Verminderung der Gegenleistung nicht die Gläubiger der Schuldnerin, sondern nur die der Tochtergesellschaften benachteiligen kann. Auch eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger der Schuldnerin ist insofern nicht ersichtlich. Denn die in Frage stehende Rechtshandlung der Schuldnerin betraf die Übertragung von Vermögensgegenständen der Tochtergesellschaften auf die N.C. und insofern schuldnerfremdes Vermögen. Davon abgesehen könnte das Schaffen einer solchen Verrechnungslage nur gegenüber der N.C., allenfalls gegenüber der Schuldnerin, auf keinen Fall aber gegenüber der Beklagten anfechtbar sein. Die vom Kläger vorgetragene Rechtsprechung zur mittelbaren Zuwendung und der hieraus resultierenden Gläubigerbenachteiligung ist insofern bereits auf der Sachverhaltsebene nicht mit dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall vergleichbar.

13

4) Dementsprechend kommt es auf ein ggf. vorsätzliches Handeln der Schuldnerin und die erforderliche Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bei der Beklagten nicht mehr an.

14

6) Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.10, 711 ZPO.